Sanskrit Kurs Lektion 107: Unterschied zwischen den Versionen

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:'''tatraika-nashad aparasya nasha eka-pravritter apara-pravrittih |
:'''tatraika-nashad aparasya nasha eka-pravritter apara-pravrittih |
:'''adhvastayosh chendriya varga-vrittih pradhvastayor moksha-padasya siddhih || 4.25 ||
:'''adhvastayosh chendriya-varga-vrittih pradhvastayor moksha-padasya siddhih || 4.25 ||
 
 
*Wort-für-Wort-Übersetzung:
 
:'''tatra''' : unter diesen ("dabei, dort", [[Tatra]], adv.)
:'''eka-nāśāt''' : aufgrund des Verschwindens ([[Nasha]], Abl. Sg. m.) eines (der beiden, [[Eka]])
:'''aparasya''' : des (jeweils) anderen ([[Apara]], Gen. Sg. m.)
:'''nāśaḥ''' : (erfolgt das) Verschwinden ([[Nasha]], Nom. Sg. m.)
:'''eka-pravṛtteḥ''' : aufgrund der Aktivität, Wirksamkeit ([[Pravritti]], Abl. Sg. f.) eines (der beiden)
:'''apara-pravṛttiḥ''' : (erfolgt die) Aktivität, Wirksamkeit ([[Pravritti]], Nom. Sg. f.) des (jeweils) anderen ([[Apara]])
:'''adhvastayoḥ''' : (wenn beide) nicht verschwunden sind ([[Adhvasta]], Gen. Dual. n.)
:'''ca''' : und ([[Cha]])
:'''indriya-varga-vṛttiḥ''' : (dann erfolgt die) Aktivität ([[Vritti]], Nom. Sg. f.)  der Gruppe ([[Varga]]) der Sinne(sorgane, [[Indriya]])
:'''pradhvastayoḥ''' : (wenn beide) verschwunden sind ([[Pradhvasta]], Gen. Dual. n.)
:'''mokṣa-padasya''' : des Ortes, Zustandes ([[Pada]], Gen. Sg. n.) der Befreiung, Erlösung ([[Moksha]])
:'''siddhiḥ''' : (dann erfolgt das) Erreichen ("Gelingen", [[Siddhi]], Nom. Sg. f.)
 
 
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== Fragen und Feedback ==
== Fragen und Feedback ==

Version vom 20. Februar 2020, 16:17 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Die Wohllautregeln des Sandhi (7): Visarga

In der Lektion 101 haben wir begonnen, die Regeln des Sandhi etwas systematischer zu betrachten. Diese behandeln alle lautlichen Veränderungen, die beim Aufeinandertreffen von Wörtern (Shabda) oder Wortbestandteilen mit den beteiligten Lauten (Varna) nach genau beschriebenen Gesetzmäßigkeiten vor sich gehen. In dieser Lektion setzen wir die Betrachtung der Regeln für die verschiedenen Realisierungen von Visarga in Schrift und Aussprache fort und veranschaulichen dies an einem Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika. Dann gibt es die Auflösung des Formen-Rätsels aus Lektion 106 sowie ein neues Formen-Rätsel.

Überblick

Beim Aufeinandertreffen von Wörtern oder Wortbestandteilen gibt es grundsätzlich vier mögliche Fälle. Es treffen aufeinander:

  1. ein Vokal (Selbstlaut, Svara) und ein Konsonant (Mitlaut, Vyanjana) (V + K, s. Lektion 101)
  2. ein Konsonant und ein Vokal (K + V, s. Lektion 101)
  3. zwei Vokale (V + V, s. Lektion 102)
  4. zwei Konsonanten (K + K, s. Lektion 103) einschließl. Anusvara (s. Lektion 104-105) und Visarga ( Lektion 106)

Visarga (Wiederholung)

Visarga bezeichnet den in der Devanagarischrift durch einen Doppelpunkt ( : ) dargestellten, in der Transliteration durch gekennzeichneten Hauchlaut, der im Alphabet als अः aḥ wiedergegeben wird.

Visarga () darf nicht mit dem Konsonanten ha (Devanagari: ) - dem letzten Buchstaben des Sanskrit Alphabets - verwechselt werden, der dem deutschen Laut h entspricht.

Visarga steht nur am Wort- bzw. Satzende und in einigen zusammengesetzten Substantiven (Kompositum, Samasa). Die Aussprache von Visarga richtet sich, ähnlich wie die Aussprache von Anusvara, nach der jeweiligen lautlichen Umgebung. Grundsätzlich kann vor Visarga immer nur ein Vokal stehen. Nach Visarga kommt entweder nichts (bzw. eine Pause), ein Konsonant oder ein Vokal. Visarga steht somit entweder:

  1. im absoluten Auslaut ( Lektion 106)
  2. vor einem Konsonanten ( Lektion 106)
  3. vor einem Vokal

Visarga vor einem Vokal

Vor einem unmittelbar nachfolgenden Vokal verhält sich Visarga so wie vor einem stimmhaften Konsonanten, d.h. es fällt entweder ganz aus, wird in ein r umgewandelt oder ergibt zusammen mit einem vorausgehenden kurzen a ein o, nach welchem ein anlautendes a wiederum ausfällt:

1. Nach langem ā fällt Visarga aus:

  • पादा अश्वस्य pādā aśvasya "die Füße (Pada, Nom. Pl. m.) des Pferdes (Ashva, Gen. Sg. m.)" aus pādāḥ + aśvasya


2. Nach kurzem a fällt Visarga aus, wenn ein anderer Vokal als ein kurzes a folgt:

  • बान्धव आगतः bāndhava āgataḥ "der Freund (Bandhava, Nom. Sg. m.) ist gekommen (Agata, Nom. Sg. m.)" aus bāndhavaḥ + āgataḥ
  • सूर्य उष्णः sūrya uṣṇaḥ "die Sonne (Surya, Nom. Sg. m.) ist heiß (Ushna, Nom. Sg. m.)" aus sūryaḥ + uṣṇaḥ


3. Ein kurzes a wird zusammen mit folgendem Visarga (bzw. ursprünglichem s) zu o, wenn ein kurzes a folgt, welches wiederum in der Aussprache ausfällt (Elision) und graphisch durch Avagraha bzw. Apostroph ( ' ) dargestellt wird:

  • नमो ऽस्तु ते namo 'stu te "Verehrung (Namas, Nom. Sg. n.) sei (Astu, 3. Pers. Sg. Imperativ von as) dir (Tvad, Dat. Sg.)" aus namas + astu + te


4. Nach i, ī, u, ū, e, ai, o und au wird Visarga in ein r umgewandelt:

  • प्रवृत्तिरुत्पन्ना pravṛttir utpannā "eine Handlung (Pravritti, Nom. Sg. f.), die entstanden (Utpanna, Nom. Sg. f.) ist" aus pravṛttiḥ utpannā
  • गुरुरागतः gurur āgataḥ "der Meister (Guru, Nom. Sg. m.) ist gekommen (Agata, Nom. Sg. m.)" aus guruḥ + āgataḥ
  • सिद्धैरुक्तम् siddhair uktam "von Vollkommenen (Siddha, Instr. Pl. m.) gesagt (Ukta, Nom. Sg. n.)" aus siddhaiḥ + uktam


5. Folgt auf ein solches r (s. 4.) ein weiteres r, so fällt das erste r (bzw. Visarga) aus, und der diesem vorangehende Vokal wird gelängt, wenn er kurz ist:

  • नृपती राजति nṛpatī rājati "der König (Nripati, Nom. Sg. m.) herrscht (3. Pers. Sg. Parasmaipada von rāj)" aus nṛpatiḥ + rājati
  • गुरू राज्ञः gurū rājñaḥ "der Lehrer (Guru, Nom. Sg. m.) des Königs (Rajan, Gen. Sg. m.)" aus guruḥ + rājñaḥ
  • मधो रसः madho rasaḥ "des Honigs (Madhu, Gen. Sg. n.) Geschmack (Rasa, Nom. Sg. m.)" aus madhoḥ + rasaḥ

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein im Versmaß Indravajra abgefasster Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 25. Vers beschreibt den engen Zusammenhang zwischen der Kontrolle über den Atem (Prana bzw. Maruta) und der Kontrolle über das Denken (Manas bzw. Manasa):


तत्रैकनाशादपरस्य नाश एकप्रवृत्तेरपरप्रवृत्तिः |
अध्वस्तयोश्चेन्द्रियवर्गवृत्तिः प्रध्वस्तयोर्मोक्षपदस्य सिद्धिः || ४.२५ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
tatraika-nāśād aparasya nāśa eka-pravṛtter apara-pravṛttiḥ |
adhvastayoś cendriya-varga-vṛttiḥ pradhvastayor mokṣa-padasya siddhiḥ || 4.25 ||


  • vereinfachte Transkription:
tatraika-nashad aparasya nasha eka-pravritter apara-pravrittih |
adhvastayosh chendriya-varga-vrittih pradhvastayor moksha-padasya siddhih || 4.25 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
tatra : unter diesen ("dabei, dort", Tatra, adv.)
eka-nāśāt : aufgrund des Verschwindens (Nasha, Abl. Sg. m.) eines (der beiden, Eka)
aparasya : des (jeweils) anderen (Apara, Gen. Sg. m.)
nāśaḥ : (erfolgt das) Verschwinden (Nasha, Nom. Sg. m.)
eka-pravṛtteḥ : aufgrund der Aktivität, Wirksamkeit (Pravritti, Abl. Sg. f.) eines (der beiden)
apara-pravṛttiḥ : (erfolgt die) Aktivität, Wirksamkeit (Pravritti, Nom. Sg. f.) des (jeweils) anderen (Apara)
adhvastayoḥ : (wenn beide) nicht verschwunden sind (Adhvasta, Gen. Dual. n.)
ca : und (Cha)
indriya-varga-vṛttiḥ : (dann erfolgt die) Aktivität (Vritti, Nom. Sg. f.) der Gruppe (Varga) der Sinne(sorgane, Indriya)
pradhvastayoḥ : (wenn beide) verschwunden sind (Pradhvasta, Gen. Dual. n.)
mokṣa-padasya : des Ortes, Zustandes (Pada, Gen. Sg. n.) der Befreiung, Erlösung (Moksha)
siddhiḥ : (dann erfolgt das) Erreichen ("Gelingen", Siddhi, Nom. Sg. f.)


  • Übersetzung:
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Fragen und Feedback

Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.

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