Sanskrit Kurs Lektion 80

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Konsonantische Nominalstämme (5)

Die Substantive des Sanskrit können in vokalische (auf Vokal endende) und konsonantische (auf Konsonant endende) Stämme bzw. Nominalstämme (Pratipadika) eingeteilt werden. In Lektion 72 haben wir die acht Fälle des Singulars der konsonantisch auslautenden Stämme auf -in betrachtet. Nun folgt eine Übersicht der konsonantischen Stämme auf -at. Diese sind stets männlich bzw. sächlich.


Konsonantische Nominalstämme auf -at

Die konsonantischen Stämme auf -at sind Adjektive, die in vier Gruppen unterteilt werden können:

  1. Partizip Präsens Aktiv: sat ("seinend, gut" Sat), bhavat ("seinend, zukünftig" Bhavat)
  2. eigenständige Adjektive: mahat ("groß" Mahat), jāgrat ("wachend" Jagrat)
  3. von Substantiven abgeleitete Adjektive auf die Suffixe -mat und -vat: paśu-mat ("viehreich, reich an Vieh" Pashumat), bhaga-vat ("glücklich" Bhagavat)
  4. Partizip Präteritum Aktiv (abgeleitet vom Partizip Präteritum Passiv) auf Suffix (ta)-vat: kṛta-vat ("getan habend" Krita-vat), śruta-vat ("gehört habend" Shruta-vat)


Übersicht: Die Formen des Partizip Präsens sat (Maskulinum)

Nachfolgende Übersicht enthält die männlichen Formen des Partizip Präsens sat ("seiend, anwesend, gut" Sat) in der Einzahl (Singular, Ekavachana) und in der Mehrzahl (Plural, Bahuvachana). Diesem Deklinationstyp folgen alle Nominalstämme auf -at, -mat und -vat.


Fall (Kasus) Sanskritname Frage Singular Übersetzung Plural Übersetzung
1. Nominativ Prathama Wer? san der Gute santaḥ die Guten
2. Akkusativ Dvitiya Wen? Zu wem? santam den Guten sataḥ die Guten
3. Instrumental Tritiya Mit wem? satā mit dem Guten sadbhiḥ mit den Guten
4. Dativ Chaturthi Wem? Für wen? sate dem Guten sadbhyaḥ den Guten
5. Ablativ Panchami Von wem? sataḥ von den Guten (her) sadbhyaḥ von den Guten (her)
6. Genitiv Shashthi Wessen? sataḥ des Guten satām der Guten
7. Lokativ Saptami Wo? Bei wem? sati bei dem Guten satsu bei den Guten
8. Vokativ Sambodhana Rufform (oh ..., he ...!) san (du) Guter! santaḥ ihr Guten!


Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem ersten Kapitel (Upadesha), das der Asana-Praxis gewidmet ist. Der 44. Vers steht im Kontext von Siddhasana.


तथैकास्मिन्नेव दृढे सिद्धे सिद्धासने सति |
बन्धत्रयमनायासात्स्वयमेवोपजायते || १.४४ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
tathaikasminn eva dṛḍhe baddhe siddhāsane sati |
bandha-trayam anāyāsāt svayam evopajāyate || 1.44 ||


  • vereinfachte Transkription:
tathaikasminn eva dridhe baddhe siddhasane sati |
bandha-trayam anayasat svayam evopajayate || 1.44 ||


  • Übersetzung:
Und, wenn allein Siddhasana stabil eingenommen worden ist,
dann entstehen die drei Verschlüsse ohne Anstrengung ganz von selbst.


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
tathā : ebenso, desgleichen, und (Tatha, adv.)
ekasmin : allein (Eka, Lok. Sg. n.)
eva : wahrlich, ganz (Eva, Partikel)
dṛḍhe : fest, stabil, dauerhaft (Dridha, Lok. Sg. n.)
baddhe : eingenommen ist ("gebunden wurde", Baddha, Lok. Sg. n.)
siddhāsane : wenn die vollkommene Sitzhaltung (Siddhasana, Lok. Sg. n.)
sati : ist (Sat, Lok. Sg. n.)
bandha-trayam : die drei ("Dreiheit der") Verschlüsse (Bandhatraya, Nom. Sg. n., d.h. Mula Bandha, Jalandhara Bandha und Uddiyana Bandha)
anāyāsāt : ohne Anstrengung, ohne Ermüdung (Anayasa, Abl. Sg. m.)
svayam : von selbst (Svayam, indekl.)
eva : wahrlich, ganz (Eva, Partikel)
upajāyate : entsteht (upa + jan, Verb)


Erläuterungen

  • Syntax: Alle fünf Lokative (Saptami) des ersten Halbverses (ekasmin dṛḍhe baddhe siddhāsane sati) bilden zusammen einen sogenannten absoluten Lokativ, der die Voraussetzung für die darauffolgende Aussage im zweiten Halbvers beschreibt. Der absolute Lokativ besteht im Kern aus einem Substantiv (siddhāsane) in Verbindung mit einem Partizip Präteritum Passiv (baddhe), das noch um ein Partizip Präsens Aktiv (sati) sowie um ein Adjektiv (dṛḍhe) erweitert wurde. Das Adjektiv ekasmin bezieht sich als nähere Bestimmung (Visheshana) auf siddhāsane. In der deutschen Übersetzung wird ein solcher absoluter Lokativ häufig mit "wenn" eingeleitet und mit "dann" fortgeführt.
  • Das Adjektiv ekasmin bezieht sich als nähere Bestimmung (Visheshana) auf siddhāsane und steht daher auch im Lokativ Singular Neutrum.
  • Das Partizip Präteritum Passiv (PPP) baddhe ist innerhalb des absoluten Lokativs eine nähere Bestimmung zu siddhāsane und steht daher ebenfalls im Lokativ Singular Neutrum. Es ist von der Sanskrit Verbalwurzel (Dhatu) badh/bandh "binden, errichten, (eine bestimmte Stellung) einnehmen" abgeleitet.
  • Der Lokativ (Saptami) siddhāsane ist ein Kompositum (Samasa) vom Typ Tatpurusha und innerhalb des absoluten Lokativs das logische Objekt (Karman) der als Partizip Präteritum Passiv ausgedrückten Verbalhandlung baddhe ("eingenommen").
  • Der Nominativ (Prathama) bandha-trayam ist ein Kompositum (Samasa) vom Typ Tatpurusha und das logische Subjekt (Agens, Kartri) der primären Verbalhandlung upajāyate.
  • Der Ablativ (Panchami) anāyāsāt "ohne Anstrengung, anstrengungslos" bezieht sich als Adverb (Kriyavisheshana) auf das Verb upajāyate.
  • Das Indeklinabile (Avyaya) svayam "von selbst" bezieht sich ebenfalls adverbiell auf das Verb upajāyate.
  • Die emphatische Partikel eva hebt das vorangehende Wort (svayam) hervor.
  • Die Verbform upajāyate ("entsteht") ist die 3. Person Singular Medium (Atmanepada) der Gegenwart der Verbalwurzel jan "", die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) upa "geboren werden, entstehen" bedeutet.

Weblinks


Seminare

Sanskrit und Devanagari

9.11.2018 - 11.11.2018 - Sanskrit

Du lernst die Grundprinzipien für die korrekte Aussprache von Mantras und von häufigen Yoga Fachbegriffen, den Aufbau des Sanskrit-Alphabets und die Schriftzeichen (Devanagari). So ist dieses Woc…
Dr. phil. Oliver Hahn

Meditationspraxis und Philosophie des Yogasutra

28.10.2018 - 31.10.2018 - Yogasutra

Das Yogasutra Patanjalis bietet eine Fülle von Anregungen zur Meditations- und Yogapraxis. Darüber hinaus enthält der Text eine umfassende lebenspraktische Philosophie, die den Übenden zur Verw…
Dr. phil. Oliver Hahn

Bewusstseinstechniken aus dem Vijnana Bhairava Tantra

31.10.2018 - 2.11.2018 - Vijnana Bhairava Tantra

Tantra benutzt alle Sinne, um durch Achtsamkeits- und Meditationstechniken den Schleier der materiellen Welt zu lüften und hinter allen Erscheinungen reines Bewusstsein - unser wahres Selbst - zu…
Dr. phil. Oliver Hahn

Siehe auch