Satish Kumar
Satish Kumar (geb. am 9. August 1936 in Rajasthan, Indien) ist Umweltaktivist und –pädagoge sowie Autor zahlreicher Artikel und Bücher zum Thema Ökologie und Spiritualität. Satish Kumar lehrt unter anderem am Schumacher College in England sowie in Indien am Navdanya-Insitut, das von der indischen Umweltschützerin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises Vandana Shiva gegründet wurde. Satish Kumar war ein Jain Mönch und ging in den 1960er Jahren auf eine ca. 12000 km lange Friedenspilgerschaft.
"Selbst wenn niemand es jemals sieht, wird der Baum blühen. Das ist göttliche Gnade, die auf der Erde in Erscheinung tritt. Und es besitzt einen immanenten Wert. Bäume, Tiere, Pflanzen, Steine, Berge, Flüsse, Würmer, Schmetterlinge, Bienen – jedes Lebewesen dieser Erde besitzt einen ihm immanenten Wert und das Recht, so zu sein, wie und was es ist." (Satish Kumar)
"Ich möchte die spirituelle mit der ökologischen Dimension verbinden. Ich nenne dies "ehrerbietende Ökologie". Der Baum ist sich selbst genug, und es hat dabei für mich keine Bedeutung, ob der Baum für den Menschen nützlich ist oder nicht. Der Baum ist heilig, eine göttliche Gegenwart." (Satish Kumar)
Biografie
Satish Kumar wurde in Sri Dungargarh, Rajasthan, geboren. Als Satish Kumar 9 Jahre alt war, verließ er seine Familie, um ein Jain Mönch zu werden. Im Alter von 18 Jahren las Satish Kumar ein Buch von Mahatma Gandhi und flüchtete aus dem Orden der Bettelmönche. Er wurde Schüler Vinoba Bhaves, eines Anhängers und Nachfolgers Gandhis. Satish Kumar arbeitete für die Bodenreform, um Gandhis Vision eines erneuerten Indiens und einer friedlichen Welt Wirklichkeit werden zu lassen.
Als Atomkraftgegner unternahm Satish Kumar 1962 gemeinsam mit seinem Freund E. P. Menon eine Friedenspilgerschaft, die sie von Indien in die vier Hauptstädte der Atommächte, nach Moskau, Paris, London und Washington, führen sollte. Sein Lehrer Vinoba Bhave gab ihnen den Rat, sich vegetarisch zu ernähren sowie für die Reise kein Geld mitzunehmen. Er sagte: "Pilgern ohne Geld bedeutet, dass du dir selbst vertraust, dass du der Welt vertraust, dass du dem Universum vertraust, dass du den Menschen vertraust, dass du Gott vertraust." Und Frieden entstehe durch Vertrauen.
Satish Kumar und sein Freund begannen ihre Pilgerschaft in Bangalore, am Grab Mahatma Gandhis. Sie durchwanderten Pakistan, Armenien, Georgien und den Kaukasus und übernachten bei denjenigen, die ihnen Essen und Unterkunft anboten. Auf ihrem Weg nach Moskau begegneten ihnen bei einer Tee-Fabrik zwei Frauen. Nachdem diese hörten, was Satish Kumar und sein Freund vorhatten, gab ihnen eine der Frauen vier Teebeutel, je einen für den Anführer der vier Atommächte – mit der Nachricht: "Wenn du denkst, du musst den Knopf drücken, halte für einen Moment inne und trinke eine frische Tasse Tee." So kam es, dass Satish Kumar und sein Freund E. P. Menon den Anführern der Atommächte Teebeutel brachten.
Seit 1973 lebt Satish Kumar in England. Dort führt Satish Kumar ein einfaches Leben mit seiner Frau June Mitchell und dem Sohn Mukti Kumar Mitchell.
Satish Kumar ist Herausgeber der Zeitschrift „Resurgence & Ecologist“. Diese Zeitschrift widmet sich der Verbindung ökologischer und spiritueller Themen. Satish Kumar und andere Eltern gründeten 1982 in Hartland, im Südwesten Englands, die Small School. Die Small School ist eine Mittelschule, die ihren Kindern eine ganzheitliche Erziehung sowie ökologische Lebensweise ermöglichen will. Im Garten der Schule wird das Gemüse für das vegetarische Mittagessen angebaut.
Satish Kumar ist außerdem Mitbegründer des Schumacher College, eines internationalen Zentrums für das Studium ökologischer und spiritueller Werte, wo er neben seiner Lehrtätigkeit seit der Gründung des Schumacher College 1991 bis zum Jahr 2010 auch Programmdirektor war. Satish Kumar ist auch als einer der Gründer der Tiefenökologie angesehen, die den Menschen nicht als über die Natur herrschend betrachtet, sondern als in gegenseitiger Abhängigkeit stehend mit allen anderen Lebensformen - als ein Teil eines lebendigen Ganzen.
"Das Studium der Ökologie oder der Natur kann nicht geschehen, indem man Bücher liest, sich Filme anschaut oder im Internet surft. Um die Natur zu verstehen, müssen wir sie erfahren. Wir müssen in der Natur sein und eher von ihr lernen als über sie." (Satish Kumar)
Bücher und umweltpädagogische Arbeit
"Ein Apfelsamen ist Kapital. Ein Apfelbaum schenkt mir 10.000 Äpfel in 50 Jahren. Wenn ich mein Geld bei der Bank anlege, dann erhalte ich lediglich 0,5% Zinsen, mein Apfelsamen gibt mir 10.000% Zinsen." (Satish Kumar in seinem Buch "Earth Pilgrim")
1978 wurde "No Destination", die Autobiografie von Satish Kumar, erstmals veröffentlicht. Weitere bekannte Bücher von Satish Kumar sind: "You Are, Therefore I Am: A Declaration of Dependence" sowie das auch auf Deutsch veröffentlichte "Der Buddha und der Terrorist: Eine Parabel".
Satish Kumar lehrt die, wie er es nennt, "ehrerbietende Ökologie", eine ganzheitliche Erziehung und freiwillige Einfachheit. Satish Kumar lehnt insbesondere den anthropozentrischen Umweltschutz ab, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und die Umwelt hauptsächlich aus dem Grund erhalten will, damit die Menschen sie nutzen können. Ehrerbietende Ökologie bedeutet hingegen, dass wir alle in Beziehung zueinander existieren. "You are, therefore I am" ("Du bist, also bin ich") ist der Leitgedanke der Weltanschauung von Satish Kumar und seiner ehrerbietenden Ökologie.
"Wenn man die Umwelt für den Nutzen der Menschheit schützt und die Natur auch nur in Bezug auf ihre Nützlichkeit für die Menschen wertschätzt, dann ist dies oberflächliche Ökologie. Wenn man einen der Natur immanenten Wert sieht und sagt, dass etwa der Fluss einen immanenten Wert besitzt, der nicht in Form von seiner Nützlichkeit den Menschen gegenüber gemessen werden kann, dann ist dies Tiefenökologie.
Wenn man jedoch sagt, dass Flüsse und Bäume heilig sind und dass wir die Erde ehren müssen, dann ist dies ehrerbietende Ökologie. Man empfängt die Geschenke der Bäume wie Früchte, Holz und Sauerstoff, doch man empfängt sie mit Dankbarkeit. Dankbarkeit ist das wesentliche Charakteristikum der ehrerbietenden Ökologie." (Satish Kumar)
Schumacher College
Die Bildung im Schumacher College, die auf der ehrerbietenden Ökologie beruht, ist erfahrungsbezogenes Lernen.
Satish Kumar sagt: „Wenn Du lernen willst, was der Ozean ist, dann fängst Du nicht mit einem Buch an. Du wirst Deine Kinder ans Meer mitnehmen und zu ihnen sagen: ‚Springt ins Wasser und seht, was der Ozean ist.’ Du wirst am Ozean entlang gehen, ihn betrachten und die Lebewesen in und um ihn riechen. Und erst wenn Du das erfahren hast, wirst Du ins Klassenzimmer zurückkehren. (…) So lernt man auf eine viel unmittelbarere Weise.“
Eine ganzheitliche Bildung betont nach Satish Kumar die praktischen Fertigkeiten für das Leben. Die Lebewesen, wie der Ozean, der Berg oder der Pilz, werden nicht nur von einem beobachtenden Standpunkt aus studiert, was eine Trennung von Objekt und beobachtendem Subjekt darstellt, sondern man tritt mit der Natur in Beziehung und lernt von ihr. Man gräbt den Boden um und pflanzt Bäume, baut Gemüse und Blumen an – und lernt dabei. Man lernt durch praktische Erfahrung. "Die Praxis muss vor der Theorie kommen", so Satish Kumar. Und weiter: "Bildung dient nicht dem Erreichen von etwas, sondern der Verwirklichung, der Entdeckung, wer man ist."
Im Schumacher College beginnen Lehrer und Studenten den Tag mit einer Meditation, um sich zu zentrieren und damit die Möglichkeit zu schaffen, positiv im Außen zu wirken. Danach wird gearbeitet: kochen, sauber machen, gärtnern, abwaschen und andere Haushaltstätigkeiten. Durch die gemeinsame Arbeit von Menschen verschiedenster Nationen entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Erst gegen 10 Uhr treffen sich die Studenten im Unterrichtsraum. Am Nachmittag gehen dann alle gemeinsam in die Natur, entweder ans Meer, in den Garten oder auf Exkursion. Und am Abend gibt es Musik und Tanz. Damit ist der ganze Tag auf die emotionalen, intellektuellen und kreativ-fantasievollen Aspekte des Seins ausgerichtet.
"Um eine ehrerbietende, ökologische Weltanschauung zu gestalten, muss man lokal, dezentral und artenreich denken. Man muss eine Vielfalt von Werten besitzen. Es gibt kein allgemeines Weltsystem, das jeder akzeptieren sollte. Man muss einer unglaublichen kulturellen Vielfalt Raum geben." (Satish Kumar)
Erde, Seele und Gesellschaft - Soil, Soul and Society
„Spirituelle Armut ist von allen die größte Armut.“ (Satish Kumar)
Entsprechend dem Schlagwort der Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" sowie der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung "Leben, Freiheit und das Streben nach Glück" entwarf Satish Kumar die Trinität "Erde, Seele und Gesellschaft" (Soil, Soul and Society). Wie Satish Kumar sagt, beziehe sich "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" auf den Menschen: Freiheit, Bruderschaft und Gleichberechtigung des Menschen. Dies spiegle eine auf den Menschen ausgerichtete Sicht der Welt.
Satish Kumar erklärt: "Wir denken, dass die Menschen der Mittelpunkt des Universums seien, als die wichtigste aller Arten, und dass die anderen Lebewesen der Erde uns dienten. Dies hat eine äußerst anthropozentrische Sicht der Welt geschaffen."
Diese Weltsicht ist nicht mehr aktuell. Wir erkennen, dass wir von anderen Arten abhängen, dass wir nicht getrennt von ihnen und nicht die Herrscher der Welt sind, sondern dass wir für die anderen Arten Sorge tragen müssen, weil wir alle in Beziehung miteinander stehen, weil wir alle Teil der großen Gemeinschaft der Erde sind.
Die von Satish Kumar vorgeschlagene neue Trinität "Erde, Seele und Gesellschaft" entspringt einem ganzheitlichen Ansatz und schließt alles Leben auf dem Planeten Erde ein. Satish Kumar erklärt, dass das Wort "Erde" (Soil), das am Anfang dieser Trinität steht, die gesamte Natur, also alles Leben auf der Erde, repräsentiert. Ohne Erde gäbe es keine Nahrung und ohne Nahrung kein Leben, keine Bäume, keine Wälder.
"Die menschliche Spezies ist nur eine der 7,8 Millionen Arten der Erde. Wir sind nicht die Herrscher. Wir sind keine imperiale Macht. Momentan verhalten wir uns, als ob wir tun könnten, was wir wollen. Wir können die globale Erwärmung und den Klimawandel verursachen, wir können den Boden verändern und Regenwälder zerstören, und wir können die Ozeane überfischen. Diese Haltung muss sich ändern", ermahnt Satish Kumar.
Das zweite Wort, Seele (Soul), also etwas, das wir nicht sehen können, ist in allem enthalten – in den Bäumen, den Tieren, den Würmern. Satish Kumar sagt, dass wir uns um die Seele kümmern müssen, genauso wie wir uns um unseren Körper kümmern. Und indem wir uns um unsere Seele kümmern, kümmern wir uns gleichzeitig um die Seele des Universums.
Satish Kumar bittet: "Nimm dir Zeit für dich. Du repräsentierst die Gesamtheit des Universums. Es gibt nichts im Universum, das nicht in dir ist. Und es gibt nichts in dir, das nicht auch im Universum ist. Das Universum ist der Makrokosmos und du bist der Mikrokosmos. Du bist Erde, Luft, Feuer, Wasser, Vorstellungskraft, Kreativität, Zeit und Raum – das alles liegt in deinen Genen und in deinen Zellen. Du bist Milliarden von Jahren alt. Du wurdest wiederverwertet und wiederverwertet."
Gesellschaft (Society) ist das dritte Wort der Trinität von Satish Kumar. Über alle Grenzen, Religionen, Staatsangehörigkeiten hinweg soll es die Einheit der Menschen symbolisieren. Denn zuallererst ist der Mensch ein Mitglied der Erdgemeinschaft und danach der menschlichen Gemeinschaft.
"Meine Mutter sagte oft, dass die Natur die größte Lehrerin sei, sogar größer als der Buddha, denn auch der Buddha habe sein Mitgefühl und seine Großherzigkeit von der Natur gelernt. Buddha erlangte die Erleuchtung, während er unter einem Baum saß. Weshalb wir die Erleuchtung nicht erlangen bzw. keine mystischen Erfahrungen machen und die intuitive Verbindung nicht spüren, kommt daher, dass wir nicht lange genug unter einem Baum sitzen. Das ist für mich die Quelle mystischer Erfahrung. (…) Ich würde sagen, wenn jeder imstande ist, Menschen aus ihrem begrenzten Alltag in die Natur zu führen, dann wäre dies für viele von uns eine große Heilung. Eine umfassende Heilung." (Satish Kumar)
Siehe auch
- Tiefenökologie
- Permakultur
- Nachhaltigkeit
- Vandana Shiva
- Deepak Chopra
- Transition Town
- Gemeinschaft
- Yogastadt
- Karma Konsum
- Matavenero
- Ökodorf
- Solidarische Landwirtschaft
- Soziale Landwirtschaft
- Garten
- Kräuter
- Ayurveda
Literatur
- Satish Kumar, Der Buddha und der Terrorist: Eine Parabel (2010)
- Satish Kumar, Earth Pilgrim (2009)
- Satish Kumar, Spiritual Compass: The Three Qualities of Life (2007)
- Satish Kumar, Images of Earth and Spirit: A "Resurgence" Art Anthology (2003)
- Satish Kumar, You are Therefore I am: A Declaration of Dependence (2002)
- Satish Kumar, No Destination: An Autobiography (2000)
Weblinks
- Schumacher College, England
- Satish Kumar - Learning from Nature
- Satish Kumar: Spiritual Imperative (Spiritual Ecology)
- Zeitschrift Resurgence & Ecologist
- The Small School
- Satish Kumar and the Dancing Economy
- Satish Kumar on Deep Ecology (Kyoto Journal)
- Satish Kumar: Walking the talk - Interview mit Satish Kumar
- Environmentalist Satish Kumar answers Guardian readers' questions
- Satish Kumar: Soil, Soul and Society
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