Yamas

Aus Yogawiki
Glücklich in Verbindung mit anderen

Yamas - Ethik im Umgang mit anderen. Warum sollte man ethisch sein? Wie kannst du über ethisches Verhalten glücklicher sein und dich auch mehr spirituell entwickeln? Was sind die fünf Yamas und wie kannst du sie im Alltag umsetzen?

Yamas - Ethik im Umgang mit anderen - ein Vortrag von Sukadev Bretz 2018

Dies ist ein Vortrag im Rahmen der Raja Yoga Vortragsreihe. Dies gehört in den ganzheitlichen Schulungsweg und ist ein Begleitvortrag zur 2jährigen Yogalehrerinnenausbildung von Yoga Vidya.

Dieser Text baut auf den vorangehenden Text über die acht Ashtanga, die acht Stufen im Yoga.

Diese sind Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana, Samadhi. Yama und Niyama werden allgemein als die Ethik verstanden.

Warum sollte man ethisch sein?

Es gibt unterschiedliche Begründungen für die Ethik.

Ethisches Verhalten wird von Gott belohnt

Manche Religionen sagen: Sei ethisch, dann wirst du von Gott belohnt, du kommst in den Himmel. Wenn du unethisch bist, wirst du bestraft, bekommst schlechtes Karma oder kommst in die Hölle.

Ethisches Verhalten als unbewusster Gesellschaftsvertrag

Andere sagen, dass du ethisch sein musst, da sonst in der Gesellschaft alles drunter und drüber geht. Es gibt den Gesellschaftsvertrag, einen unbewussten Gesellschaftsvertrag. Da Gesellschaften Sanktionierungsmechanismen haben müssen sich die Menschen an die ethischen Prinzipien halten. Dies hat der Mensch irgendwo internalisiert und will letztlich aus Angst vor Bestrafung ethisch sein.

Ethisches Verhalten damit keiner dem anderen schaden kann

Weiter gibt es wiederum Ethiken mit einem negativen Ethikbild. Sie sagen, dass der Mensch der Wolf des anderen Menschen ist und dass man deshalb ein starkes Ethiksystem haben muss, um den Menschen davon abzuhalten, anderen zu schaden oder sie gar umzubringen.

Ethisches Verhalten für harmonische positive Beziehungen

Die moderne Evolutionsbiologie hat ein positiveres Menschenbild. Sie sagen, dass Ethik und Kooperation das ist, was den Menschen am meisten auszeichnet. Immer wenn Menschen mit anderen Menschen zusammen sind, kooperieren die Menschen mehrheitlich und bemühen sich um positive Beziehungen. Die meisten Menschen fühlen sich dann am besten, wenn sie harmonisch mit anderen sind.

Etisches Verhalten wegen evolutionsbiologischer Konditionierung

Die meisten Menschen müssen irgendwo Angst haben, gestört oder krank sein, um unethisches zu tun. Deshalb würde ein evolutionsbiologischer Ansatzpunkt sagen: Menschen sind deshalb ethisch, weil sie evolutionsbiologisch darauf getrimmt sind.

Ethisches Verhalten für ein glückliches Leben

Ein anderer Ansatz ist der Ansatz von Aristoteles, der große Ähnlichkeit hat mit dem Ansatz von Patanjali im Yogasutra. Aristoteles hat das wichtige Werk „Die Nikomachische Ethik“ geschrieben und hat dort gesagt, dass es für ein gutes und glückliches Leben Ethik braucht. Menschen, die glücklich sein wollen, sollten ein ethisches Leben führen. Er sagt auch, dass der Philosoph ein ethisches Leben führen soll. Philosoph heißt „Freund der Weisheit“. Wer weise sein und die Dinge verstehen möchte braucht ein ethisches Leben. Wer unethisch ist, wird sich nicht der Wahrheit annähern können. Der Ansatz von Patanjali ist dort sehr ähnlich. Patanjali sagt im 2ten Kapitel, wo er über die Yamas spricht:

„Wer ein unethisches Leben führt, dessen Leben wird voller Leid sein und er wird in Unwissenheit gefangen sein.“ 

Daher: Lebe ein ethisches Leben. Wenn du also glücklich sein willst, führe ein ethisches Leben. Hier überschneiden sich der evolutionsbiologische Ansatz, die Ethik von Aristoteles und die Ethik von Patanjali. Dies kann dir auch ein Trost sein. Manchmal scheint es so, als ob die Menschen, die Lügen und betrügen und andere wegschieben, erfolgreicher sind. Aber sie sind nicht glücklicher. Möchtest du glücklich sein, dann lebe ein glückliches Leben.

Ethisches Leben ist notwendig für Gottverwirklichung

Patanjali sagt auch, dass wer unethisch ist auch in Avidya, der Unwissenheit bleibt. Wir wollen zu Vidya, zur höchsten Weisheit kommen. Wir wollen zur Gottverwirklichung kommen. Wir wollen herausfinden, wer wir wirklich sind und Vedanta im Raja Yoga sagt: „Es gibt ein Bewusstsein überall, ein >unendliches Ewiges<. Dieses unendliche Ewige willst du erfahren. Wenn du das erfahren willst, geht es auch darum, ein ethisches Leben zu führen. Wenn du die Einheit erfahren willst, geht es nicht, dass du anderen wegnimmst, was ihnen gehört, dass du Lebewesen tötest und so weiter.“

In diesem Sinne: Ethisches Leben ist notwendig, wenn du die Gottverwirklichung erreichen willst. Patanjali erwähnt auch das Gesetz von Karma und sagt, dass die Frucht des guten Handelns etwas Angenehmes ist und die Frucht des unethischen Handelns etwas Unangenehmes ist. Wenigstens langfristig gesehen haben gute Taten und schlechte Taten Konsequenzen im Karma. Aber das ist nicht die Hauptmotivation für Ethik im Raja Yoga. Die Hauptmotivation ist ethisch zu handeln, denn dies hilft dir dich glücklich zu fühlen und vom Ego wegzukommen und dich verbunden zu fühlen, Einheit zu erfahren, Kaivalya zu erreichen, Gottvererwirklichung zu erreichen.

Die fünf Yamas

So gibt es fünf Yamas:

  • Satya – Wahrheit / nicht Lügen
  • Brahmacharya – Selbstbeherrschung / Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten
  • Aparigraha – Nichtannehmen von Geschenken / Unbestechlichkeit

( Letzteres wird auch manchmal „Abwesenheit von Gier“ und „Nichtfesthalten“ genannt.)

Ahimsa

Ahimsa heißt nicht zu verletzen in Gedanken, Worten und Taten. Wir finden dieses Prinzip in allen Religionen: im Buddhismus, im Chirstentum, Judentum, Konfuzianismus und eigentlich überall.

In der Bibel steht: „Du sollst nicht töten", und so ist es auch Ahimsa.

So wie wir leben, schädigen wir auch anderes Leben. Das gehört dazu. Wenn du einatmest, atmest du Mikroben ein und wenn du ausatmest, atmest du Mikroben aus. Auf dem menschlichen Körper sind jede Menge anderer Mikroben und Feinorganismen. Mit manchen lebst du in einer wunderbaren Symbiose. Gegen andere muss sich dein Körper zur Wehr setzen. Wenn du durch den Wald gehst, wirst du immer wieder auf Insekten treten. Wenn du Fahrrad fährst werden dir vielleicht Insekten in die Augen oder in die Nase oder den Mund fliegen oder fallen. Du magst dich dann darüber ärgern, dass dein Auge ein bisschen tränt und dies ein bisschen weh tut, das Insekt hingegen ist tot.

So gibt es immer wieder kleines Ahimsa. Oder im Umgang mit anderen Menschen magst du etwas sagen, was missverstanden werden kann. So ist Ahimsa kein absolutes Gebot sondern eher wie eine Richtschnur. Man könnte auch sagen, dass du so handeln solltest, dass du so wenig Leid wie möglich erzeugst. Das heißt auch auf die Ernährung bezogen: „Iss niemanden.“ / „Iss kein Tier und keinen Menschen.“ Niemand stirbt gerne. Und die Aussage, dass man sich vor einem Tier vorher verneigen könnte und es dann umbringen, mag nett für dich klingen, das Tier jedoch ist tot. Stell dir vor, dein Nachbar kommt bei dir vorbei und sagt: „ich habe gerade Hunger auf Menschenfleisch. Du scheinst gutes Fleisch zu haben. Deshalb werde ich dich jetzt umbringen / töten. Oder ich töte dein Kind, das scheint auch lecker zu sein.“ Findest du das gut? Die Frage ist absurd, aber wenn es um (bestimmte) Tiere geht, findet man alle möglichen Ausreden ( Karnismus). Man sollte kein Tier töten, um zu essen. Wenn man andere Alternativen hat, um zu überleben, gilt dies in jedem Fall. (Anmerkung: Was ist in den seltenen Fällen der Geschichte bei einem Flugzeugabsturz oder einem im Winter in der Wüste steckengebliebenen Truck, wo Menschen andere Menschen gegessen haben, die gerade gestorben waren? Wie wirkt sich das auf das Karma aus?) Wir sollten auch keine Tiere in Gefangenschaft halten um anschließend deren Milch zu haben. Auch das ist klar Ahimsa. (Anmerkung: Kühen, die für Milch gehalten werden, werden die Kälber weggenommen, worunter sie wegen ihrer starken Mutterkind - Bindung sehr leiden und diese werden ebenso wie diejenigen Kühe, die nicht mehr so gut Milch geben können geschlachtet, was wiederum nur die Fleischindustrie fördert und manche sagen daher, es sei schlimmer, Vegetarier zu sein als Fleischesser und die einzige Lösung sei vegan zu leben.) Man sollte auch mit der Natur insgesamt Ahimsa umgehen. Man sollte sich so verhalten, dass man insgesamt wenig Ressourcen des Planeten Erde nimmt. Man sollte sich so verhalten, dass man die Natur erhält. Das alles gehört zu Ahimsa. Ernährung, Ökologie und so weiter. Natürlich heißt das, dass du keinen Menschen umbringst. Natürlich heißt das, dass du dein Kind nicht schlägst. Natürlich heißt das, dass du deine Partnerin nicht schlägst. Und so weiter. Das ist auch eingeschlossen. Aber es geht auch noch weiter. Versuche auch mit deinen Worten mitfühlend zu sein. Und versuche dich so zu verhalten, dass du so mitfühlend wie möglich bist. Man könnte auch sagen: „Nimm dir etwas vor.“ Patanjali nennt es den Mahavrata: „Möge ich einen positiven Einfluss auf alle Menschen und Wesen haben, mit denen ich zu tun habe. Wann immer ich mit anderen Menschen oder Wesen zusammen bin, möge mein Dasein positives für andere bewirken. Das heißt, wenn du an der Kasse eines Supermarktes bist, behandle die Frau oder den Mann an der Kasse wie einen Menschen, schenke ein kurzes Lächeln, sei freundlich. Wenn du irgendwo etwas nicht bekommen hast, was du wolltest, beschimpfe den Kundendienstberater nicht sieh ihn oder sie als Menschen an und sei deshalb freundlich, auch wenn du vielleicht mal klarer sein musst. Aber schaffe kein Leiden für andere. Wenn dein Kollege da ist, deine Kollegin oder wer auch immer, dann sei insgesamt mitfühlend. Ahimsa selbst ist ein langer Weg. Natürlich ist Ahimsa nicht immer so leicht. Manchmal musst du auch mal - um Gutes zu bewirken – weniger freundlich sein. Eine Mutter sollte Im Falle des Falles ihr Kind davon abhalten, über eine gefährliche Balustrade zu klettern , damit sich das Kind nicht schädigt. Eine Mutter muss ihrem Kind sagen: „So geht es nicht, das geht nicht.“ Ein Vater oder eine Mutter muss auch mal daran erinnern, dass die Hausaufgaben gemacht werden müssen, aber es geht immer darum, das Größtmögliche und Beste zu bewirken. Manchmal muss man dort auch mal ein kleineres Himsa in Kauf nehmen für ein größeres Gutes. Aber nicht jeder Zweck heiligt alle Mittel. Du kannst dir selbst vornehmen, Ahimsa zu üben.

Satya

Satya heißt Wahrhaftigkeit. Sat heißt Wahrheit, Satya ist Verhalten, das aus der Wahrheit kommt und zurückführt zur höchsten Wahrheit. Satya heißt „nicht lügen“, nicht schwindeln. Es heißt aber auch nicht dass du jede unangenehme Wahrheit aussprechen musst. wenn Satya und Ahimsa oder Ahimsa und ein anderer der 4 Yamas im Konflikt stehen, ist Ahimsa wichtiger. Also ein banales Beispiel: Eine Kollegin war beim Friseur, hat vorher lange überlegt, wollte ihr Leben umstellen, gesünder und besser machen und dies durch eine tolle neue Frisur ausdrücken. Und dann kommt sie zurück und fragt: „Wie gefällt es dir?“ Es wäre jetzt nicht gut zu sagen, wenn du die Frisur gräßlich und unmöglich findest. Gerade wenn die Kollegin sehr viel Energie und Erwartung hineingesteckt hat. Sage dann lieber „Interessant“. Du musst ja nicht lügen, aber du solltest vielleicht nichts Verletzendes sagen. Sonst bricht die Kollegin, die so viel überlegt hat hierüber zusammen. Dann werden vielleicht all ihre guten Vorsätze nicht umgesetzt. Manchmal musst du Schweigen und manchmal kann auch eine Notlüge notwendig sein um das Leben von jemandem zu retten. Klassisches Beispiel - Ein Meister des Swami Vishnudevananda hat es gebraucht: „Angenommen jetzt käme jemand reingelaufen und würde sagen >Du, da kommt gleich jemand, der mich umbringen will< und ich sage dann >okay, renn schnell hoch und geh in ein anderes Zimmer< und kurz darauf käme jemand herein und würde sagen >wo ist diese Person?< und Satya würde dann die Wahrheit sagen: „Die ist dort im Zimmer und versteckt sich vor dir.“ Das wäre zwar Satya, aber auch Himsa. In dem Fall könnte ich auch sagen: „>Die Person ist hinten durch die Balkontür herausgelaufen .< und würde dann natürlich schnell die Polizei rufen. Das ist zwar nicht Sattya, aber für Ahimsa nötig. So ist es nicht immer einfach. Die Ethik heißt immer abzuwägen. Manchmal muss man ein kleines Himsa zu machen um ein größeres Ahimsa zu machen. Angenommen, ich gebe gerade einen Vortrag, bei dem 100 Menschen vor mir sind und jemand kommt plötzlich herein gerannt, der vielleicht ein Attentäter ist und ein Maschinengewehr in der Hand hat und gerade anfangen will, die Yogaschüler zu erschießen, dann könnte ich die hölzerne Table, die ich oft vor mir liegen habe nehmen und dem Attentäter an den Kopf werfen und ihn damit so verletzen, dass er handlungsunfähig ist. Um das Leben von vielen zu retten, muss man vielleicht auch das Leben von einem Einzelnen in Gefahr bringen. Es gibt viele subtile Ethikfragen. Und es ist nicht so einfach. Da sind Fragen wie solche: Gibt es einen gerechten Krieg? Darauf kommen wir noch im Rahmen der Bagavad Gita. Das ist alles nicht so einfach. Wer ein ethisches Leben führen will stößt oft auf Grenzfragen. Aber zunächst ist es die Aussage: „Ich verletze keinen anderen, nur weil ich nicht bekomme, was ich gern hätte.“ Normalerweise wende ich keine Gewalt an nur um einen anderen Menschen zu zwingen und zu überzeugen oder reich zu werden oder was auch immer. Ahimsa paramo dharma – Wahrhaftigkeit. Zur Wahrhaftigkeit gehört oft auch authentisch zu sein. Nicht vorgeben etwas zu sein, was man nicht ist. Was nicht heißt, dass du deine Fehler herausposaunen sollst. Ich hatte im Extremfall mal einen Yogalehrerausbildungsschüler gehabt, der später eine Yogaschule aufmachte, aber behauptete, noch nie eine Yogalehrerausbildung gemacht und es wäre alles aus seiner Intuition gekommen. Ich dachte mir: „Wie kommt das? Wieso muss er dort lügen? Er kann doch die Wahrheit sagen? Er kann doch sagen, dass er eine Yogalehrerausbildung gemacht hat. Er sollte zumindest nicht behaupten, dass alles nur aus der Intuition gekommen wäre.“ Oder nehmen wir an, du hast eine eigene Inspiration. Dann behaupte nicht, dies sei eine klassische Lehre. Sage einfach, dass es aus deiner Inspiration kommt – und wenn du etwas von jemand anderem hast, dann sage es. Hier gibt es keine Notwendigkeit zu lügen. Übe Satya.

Asteya

Asteya bedeutet nicht stehlen. Natürlich heißt „Nicht Stehlen“, dass du nicht Taschendieb wirst, natürlich heißt das, dass du keine Autos aufbrichst. Natürlich heißt das auch, dass du nicht in die Umkleide gehst oder in den Umkleideraum, in dem Yogaschüler ihre Sachen abgelegt haben und du dann deren Wertsachen mitnimmst. Das ist logisch. Das heißt aber auch, dass du in einem Yogaashram nicht anfängst, Kissen, Matten, Decken oder das Kirtanheft mitzunehmen. All das wäre auch Stehlen.

Asteya heißt auch, dass du keine CDs kopierst, wenn das nicht erlaubt ist, dass du keine Raubkopien machst, dass du keine Gema-Musik abspielst, bevor du Kurse gibst. Das heißt auch, dass du solche Bestimmungen beachtest. Die Künstler gerade auf dem spirituellen Gebiet verdienen oft sehr wenig und stecken sehr viel Herzblut hinein. Deswegen solltest du ihre Werke nicht einfach kopieren. Es gibt ja auch genug frei zugängliches kostenloses Material, zum Beispiel von Yoga Vidya - die ganzen Internetvideos und podcasts und auch von vielen anderen ( Zum Beispiel auf Youtube ). Aber zum Beispiel die Yoga Vidya CDs und DVDs solltest du auch nicht einfach kopieren und weitergeben sofern es nicht von der Gesetzgebung sowieso erlaubt ist. Also geht Asteya dort weiter.

Asteya heißt auch, bei der Steuererklärung oder beim Zoll nicht zu lügen. Auch dort nimmst du sonst etwas weg, mindestens dem Staat, der doch auch überwiegend Gelder für soziale Zwecke verwaltet und so weiter. Du profitierst ja auch selbst davon, dass du auf den Straßen fährst und medizinische Versorgung hast. Du hast einen gewissen Schutz und eine gewisse Sicherheit. Da wäre es angemessen und ist es angemessen, dem Staat auch die Mittel zu geben, die er braucht um sich zu finanzieren. Asteya, nicht Stehlen ist ein Prinzip.

Diese drei gelten erst mal als die Allerwichtigsten. Und wie du sie im Einzelfall umsetzt, musst du abwägen. Patanjali nennt die fünf Yamas die unbeschränkt gültigen Prinzipien, die deshalb unbeschränkt gültig sein, weil sie in jeden Lebensumständen anders abgewogen werden müssen.

Ich kenne zum Beispiel eine Frau die mir gesagt hatte, dass ihre Kollegin in einer WG gelebt hat mit einer Freundin. Die Freundin hat gesagt: „Ich werde jetzt ausziehen und ich werde nicht mehr mit dir sprechen, bis du eine Therapie gemacht hast. Du bist alkoholabhängig. Du bist süchtig und ich werde das nicht mehr decken. Und das war jetzt erst mal Himsa. Die andere Frau hat sich sehr gekränkt und verletzt gefühlt. Aber es war Satya, wahrhaftig. Die Frau, die sich erst furchtbar gekränkt gefühlt hat ( es war die, die mir das später erzählt hat) hat dann gesagt – und das war das wichtigste in ihrem Leben, was sie erschüttert hat – hat dann eine Therapie gemacht und ist vom Alkohol losgekommen, hat eingesehen, dass die Freundin recht hatte und sie Alkoholikerin war. Manchmal kann auch kurzfristiges Himsa langfristig Ahimsa sein. Es ist die Intention die wichtig ist. Trotzdem heiligt der Zweck nicht alle Mittel.

Brahmacharya

Brahmacharya hat viele Bedeutungen. Es heißt wörtlich „Verhalten, das zu Brahman führt“ / „Verhalten, das aus Brahman heraus kommt“. Manchmal wird Brahmacharya auch übersetzt als spirituelles Leben. Brahmacharya heißt in einem bestimmten Kontext auch sexuelle Enthaltsamkeit. Brahmacharya ist eine der 4 Ashramas. Ashrama ist die Schülerschaft beim Lehrer. Brahmacharya in einem anderen Kontext ist das Noviziat, die Vorbereitung darauf, Swami zu werden, Sanyas zu nehmen, Mönch oder Nonne zu werden. Bei Yoga Vidya haben wir auch Brahmacharis und Brahmacharinis, solche die das Gelübde genommen haben, 3 Jahre lang sexuell enthaltsam zu leben. Und dann kleiden sie sich auch in gelber Farbe und überlegen, ob sie langfristig Mönch oder Nonne werden wollen. Und wenn sie – normalerweise 6 Jahre - Brahmachari gewesen sind, können sie anschließend zum Swami werden. Im Kontext des Yoga Sutra heißt aber Brahmacharya „Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens“ und dann muss man wieder überlegen: „Was ist sexuelles Fehlverhalten?“ Und das wird wieder in jeder Zeit anders interpretiert. Es gibt Regionen in der Welt, in der der Mann mehrere Frauen haben kann und es gibt umgekehrt auch Regionen in der Welt, in der eine Frau mehrere Männer haben kann. Es gab auch Zeiten, zum Beispiel Mahabharata, da kann ein Mann mehrere Frauen und die Frau auch mehrere Männer haben. Das ist eigentlich etwas ganz verwirrendes. Da gibt es zum Beispiel Arjuna, eine der 5 Pandavas. Die 5 Pandavas hatten zusammen eine Frau, die Draupadi, und 4 der Pandavas hatten andere zusätzliche Frauen. Sie waren alle legal verheiratet. Und dies galt als gesellschaftlich akzeptiert. So gibt es also durchaus unterschiedliche gesellschaftlich akzeptierte Formen dessen, was Brahmacharya heißt. Das heißt also auch, dass das überall unterschiedlich interpretiert werden muss. Vom Yogastandpunkt aus ist beim Brahmacharya auch wieder Ahimsa wichtig. Ahimsa Paramo Dharma. Und bei Yoga Vidya würden wir Brahmacharya so interpretieren, dass eine sexuelle Beziehung, die auf Gegenseitigkeit angelegt ist, die von Liebe und gegenseitigem Respekt und Achtung gekennzeichnet ist, Brahmacharya wäre. Natürlich ist auch Gewalt in der Sexualität, die nicht auf gegenseitigem Einverständnis beruht, abzulehnen. Natürlich sind Vergewaltigung, Stalking, Bedrängen, Ausnutzen einer Machtposition und so weiter Verstöße gegen Brahmacharya. Wenn ein Yogalehrer oder eine Yogalehrerin versucht, ständig wechselnd oder gleichzeitige Beziehungen zu Schülern und Schülerinnen zu haben oder vorgibt, geheime Tantra - Praktiken zu lehren, einfach nur um sexuelles Vergnügen zu haben, ist dies Verstoß gegen Brahmacharya. Wenn ein Swami, der das Gelübde der Enthaltsamkeit auf sich genommen hat dann sexuelle Beziehungen zu anderen pflegt, ist das ein verstoß gegen Brahmacharya. Wenn ein Paar, das sich Treue lobte, innerhalb der Beziehung Seitensprünge erlebt, ist das ein Verstoß gegen Brahmacharya. So gilt im Yoga das Ideal einer auf Dauer angelegten Zweierbeziehung. Dies ist die am weitesten unter den Yogalehrernden verbreitete Interpretation . Diese hat einen rituellen Segen, ein rituelles Versprechen in Form einer Ehe und darin gehen Sexualität, Liebe, Partnerschaft und Freundschaft zusammen. Sukadev hat sich schon in einem anderen (Kon-)Text über spirituelle Partnerschaft geäußert. Brahmacharya, auch eine der Yamas, bedeutet sich irgendwo einzuschränken, um ein glücklicheres Leben zu haben und um sich spirituell entwickeln zu können. Man verzichtet auf Gewalt als Ausnutzung von Machtposition und man verzichtet auf Bedrängen, Stalking und so weiter und man verzichtet auch auf verschiedenstes Ausnutzen von Gelegenheiten zum Wohl einer langfristigen Beziehung.

Aparigraha

Aparigraha heißt Unbestechlichkeit / Nichtansammeln und Abwesenheit von Gier. Gemeint ist dabei Unbestechlichkeit. Damit ist insbesondere gemeint, dass du keine persönliche Gefallen annimmst, um im Namen einer anderen anderen Organisation en anderen Gefallen zu geben. Unbestechlichkeit heißt auch, dass du keine Gefallen annimmst, die dich nachher zu unethischem Verhalten bringen. Kurz erläutert bedeuten beide Formen des Verstoßes gegen Aparigraha folgendes: Angenommen du bist jemand in einem Bauamt, der über Genehmigungen über Bauverfahren entscheiden kann und plötzlich kommt jemand von einer Baufirma zu dir und sagt: „Ich kann Ihnen ihr Haus sehr günstig renovieren und sie wissen ja, dass da gerade ein anderes Verfahren läuft.“ Das ist dann Bestechung. Das heißt, du bekämst im Fall deiner Annahme einen persönlichen Gefallen, eine sehr günstige Hausrenovierung, und im Gegenzug sollst du für die Baubehörde der Baufirma einen Gefallen erweisen. Das wäre dann ein Verstoß gegen Aparigraha. Natürlich wäre es noch offensichtlichere Bestechlichkeit, wenn du jemandem einfach nur Geld gibst, damit er etwas macht. Oder angenommen du wärst Mitarbeiter in einer Firma, zum Beispiel Einkäufer. Und ein Vertreter würde dir eine sehr umfangreiche Kostprobe des Angebots geben, die du zu Hause in Ruhe ausprobieren könntest und er würde dann hoffen, dass du im Gegenzug diese Firma mehr berücksichtigst. Das wäre auch ein Verstoß gegen Aparigraha. Also bekämst du einen persönlichen Gefallen dafür dass du einer Firma oder auch einem gemeinnützigen Verein Vorteile verschaffen würdest. Aparigraha bedeutet hingegen nicht, so ganz persönliche Geschenke, wie sie in Indien beispielsweise gern einander jenseits von Bestechung gegeben werden, anzunehmen. Denn das ist Dana und wiederum etwas Gutes. Und genauso kann man dem Partner / der Partnerin schenken, seien es Blumen oder Obst oder anderes. Kinder geben ihren Eltern Dana, die Kollegen geben sich etwas und so weiter. Dies entspricht Verbindung und Liebe. Aber nicht, wenn du von einer Institution etwas bekommst um in deren Namen anderen einen Gefallen zu geben. Das wäre ein Verstoß gegen Aparigraha. Die zweite Form von Verstoß gegen Aparigraha wäre, einen Gefallen anzunehmen, bei dem du nachher in deiner ethischen Freiheit behindert werden würdest. Wenn dir zum Beispiel jemand sagt: „Ich gebe dir 1000€. Ich gebe dir ein kleines Päckchen: Bitte nimm das da und da hin mit und gib es ab. Vermutlich ist in dem Päckchen etwas Illegales. Warum sonst würdest du 1000 € dafür bekommen. Und so gibt es viele Versuchungen, in die du geführt wirst und es geschieht gar nicht mal selten, dass auch gemeinnützige Vereine in diese Versuchungen geraten. Swami Vishnu Devananda hat erzählt, dass es in den 60er und 70er Jahren die eine oder andere spirituelle Gemeinschaft gab, die große Geldprobleme hatte. Dann kam plötzlich ein Wohltäter und sagte: „Ich kann euch helfen.“ Er hat große Spenden angeboten und nachher gab es dann große Gegengefallen, was auf Steuerbetrug und Zollbetrug oder Kurierdienste hinauslief. Und Swami Vishnu Devananda hatte uns immer wieder gewarnt, so etwas nicht zu machen. Wenn jemand eine Spende geben will frag warum. Und frag, er oder sie dafür erwartet. Im Yoga Ashram in Kanada gab es auch mal finanzielle Krisen. Dort wurde schon gesagt: „Wenn ihr die Stromrechnung nicht bis dann und dann bezahlt, wird der Strom in einem Monat abgestellt. Das Wasserwerk hat auch schon gedroht, das Wasser abzudrehen und die Bank hat auch schon gesagt: „Ihr seid seit 6 Monaten mit der Abzahlung der Hypothek im Rückstand. Bis dann und dann wollen wir etwas Geld sehen, sonst steht die Versteigerung des Ashramgebäudes an.“ In der Situation kam plötzlich jemand, der sagte, er hätte in der Lotterie gewonnen und er würde eine Spende von 100000 Dollar geben. Da waren alle erst mal sehr froh, denn dies schien genau das zu sein, was notwendig war um zu überleben. Der Mann hatte gerade an einer Yogalehrerausbildung teilgenommen. Doch er kam am Folgetag er nicht um 6 Uhr zur Meditation und auch am darauffolgenden Tag blieb er fern. Und auch am übernächsten Tag blieb er fern. Swami Vishnu hat das gesehen und gesagt: „Sagt ihm, dass er die Yogaausbildung nicht fortsetzen kann, wenn er noch einmal fehlt. Er wird dann auch kein Zertifikat bekommen.“ „Ich weiß noch wie ich dann erzittert bin“, sagt Sukadev. „Das war gerade Gott, der uns die Gelegenheit gibt, weiter zu überleben. Muss das denn sein, Swami? Zum Wohl des ganzen Ashrams sollte man doch ein bischen großzügiger sein können. Was, wenn der nun alles zurücknimmt?“ Aber der betreffende Mann war so sehr beeindruckt davon, dass der Swami Vishnu so streng war und die hohen Ideale gehalten hat, die Yogalehrerausbildung entsprechend der Regeln zu kontrollieren obgleich dieser Mann ja, was Swami ja wusste, diese hohe Spende angeboten hatte, dass er die Spende von 60000 auf 100000 Dollar erhöhte und von da an war er in jeder Meditation und in jedem Vortrag. Das heißt Aparigraha.

Swami Vishnu war bei Aparigraha immer sehr konsequent. Da gab es noch eine andere Gelegenheit, dass jemand dem Ashram eine hohe Spende angeboten hatte und dies Swami freudestrahlend berichtet wurde. Aber Swami Vishnu ist ernst geblieben und hat gefragt: „Ist er Schüler bei euch? Welche Beziehung hat er zu euch?“ Die Antwort lautete: „Wir kenne ihn eigentlich gar nicht. Er kommt aus >heiterem Himmel<.“ Swami daraufhin: „Fragt ihn, woher er das Geld hat. Und erkundigt euch im Zweifelsfall wie seine finanzielle Situation ist, fragt ihn warum er das Geld geben möchte.“ Das wurde gemacht und der potentielle Spender sagte daraufhin: “Ich gebe das Geld jemand anderem. Ich wollte euch ja helfen und nicht dumme Fragen beantworten.“ So hat das Ashram diese größere Spende nicht bekommen, war aber auch letztlich doch froh darüber.

Es gibt noch ein Beispiel bei dem Swami Vishnu Aparigraha ziemlich bedingungslos lebte: Dies geschah, als ihn andere unter Druck setzten und kleinere Erpressungsversuche unternahmen. Zum Beispiel sagte ein Sevaka, ein Ashram-Mitarbeiter: „Wenn ich das und das nicht bekomme, gehe ich.“ Die typische Antwort von Swami war: „Geh sofort! Heute!“ Wenn irgendjemand auf diese Weise etwas einfordern wollte bekam er/ sie diese Antwort. Auch wenn dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet werden musste, wussten die Betreffenden, woran sie waren. Erpressen ließ sich Swami Vishnu nicht. Aparigraha heißt eben auch, sich nicht erpressen zu lassen.

Du siehst, dass dies hohe Ideale sind. Unterschiedliche Menschen gewichten diese Ideale immer etwas anders. Und du magst jetzt selbst darüber nachdenken, wo du vielleicht Ahimsa selbst mehr leben kannst, Brahmacharya oder Aparigraha. Oder du kannst sagen: Ja, ich fühle mich in der Art wie ich mein Leben lebe bestätigt. Ich muss immer wieder abwägen. Nicht jeder wird das Abwägen auf dieselbe Weise tun wie der Swami Vishnu. Swami Vishnu war tatsächlich Satya Aparigraha besonders wichtig. Bei Sukadev ist vielleicht Ahimsa das allerhöchste, von dem sein Handeln geprägt ist. Was von diesen ist besonders wichtig für dich? Wo bist du vielleicht zu nachlässig und wo solltest du mehr darauf achten?

Zu allen 5 Yamas gibt es auch einzelne Videos auf www.Yoga-Vidya.de Dort ist noch mehr über die wörtliche Bedeutung dieser Yamas zu erfahren und du kannst dort noch mehr Tipps bekommen. Auf dieser Internetseite sind auch die direkten Verse des Yoga Sutra zu finden. Patanjali spricht dort in den Texten über die betreffenden Yama, über deren Wirkung und die Möglichkeiten der Umsetzung.