Urteilskraft
Urteilskraft : Was versteht man unter Urteilskraft? Was will man mit diesem Wort sagen? Wozu ist Urteilskraft ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal, vielleicht gar eine Tugend? Welche weiteren Persönlichkeitsmerkmale stehen in Verbindung mit Urteilskraft? Urteilskraft ist die Fähigkeit schnell zu einem guten Urteil zu gelangen.
Im Yoga empfiehlt man auf der einen Seite nicht zu urteilen sondern Menschen und Geschehnisse so zu akzeptieren wie sie sind. Wenn man jedoch Verantwortung hat und aktiv werden will, braucht es eine gute Urteilskraft: Für Entscheidungen, was man isst, wie viel Ressourcen man verbraucht, sollte man eine gute Urteilskraft haben. Auch wenn man Entscheidungen treffen muss, die Menschen involviert, z.B. als Personalchef, braucht man Urteilskraft. Als spiritueller Aspirant braucht es Urteilskraft auch um sich loszulösen von automatisierten Reiz-Reaktionsketten. Man kann sich immer wieder fragen: Was ist richtig vom Standpunkt meiner höheren Werte, vom Standpunkt meiner wichtigen Anliegen? Was ist meine Aufgabe? Durch bewusstes Leben kann man so seine Urteilskraft kultivieren.
Sattvige, rajasige und tamasige Urteilskraft
Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Urteilskraft ist ein Ausdruck aus der Philosophie, Kant hat die Kritik der reinen Vernunft, die Kritik der praktischen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft beschrieben. Manche sagen, das sind seine drei Hauptwerke. Urteilskraft ist die Kraft, Urteile zu fällen, jetzt erstmal im Philosophischen positiv ausgedrückt. Die Buddhi, die so genannte Unterscheidungskraft, hat die Fähigkeit, etwas zu beurteilen und zwar unabhängig von Emotionen, unabhängig von Mögen und Nicht-Mögen.
Die Urteilskraft ist die Fähigkeit, zu Entscheidungen, zu Urteilen, zu Beurteilungen zu kommen, unabhängig von Mögen und Nicht-Mögen. Insofern ist Urteilskraft eine wichtige Fähigkeit des Menschen und spielt gerade im Jnana Yoga eine Rolle. Es gibt eine sattvige, rajasigeund tamasige Urteilskraft. Es gibt die tamasige Urteilskraft, Tamas ist das, was zur Dunkelheit, zur Unreinheit, zur Unwissenheit führt und täuschungsbehaftet ist. Die tamasige Urteilskraft ist letztlich immer eine Art Verurteilung. Die tamasige Urteilskraft sagt: "Das ist schlecht und das ist schlecht und der ist nicht gut usw." Eine Art von tamasiger Urteilskraft ist, alle zu verurteilen und ständig schlecht über andere zu urteilen. Das ist eine tamasige Urteilskraft, eine getrübte Urteilskraft.
Dann gibt es die rajasigeUrteilskraft, die kommt aus Rajas heraus, aus Unruhe und ist Ego bezogen. die rajasige Urteilskraft teilt alles ein in gut und schlecht, gut, böse und "für mich gut und nicht gut". Eine rajasigeUrteilskraft kommt vor allen Dingen sehr schnell zu einem Urteil und beurteilt natürlich auch alles vor dem Hintergrund des eigenen Mögens und Nicht-Mögens. Man kann auch sagen, die rajasigeUrteilskraft sagt: "Das mag ich, das mag ich nicht. Dessen Haarfarbe gefällt mir, dessen Haarfarbe gefällt mir nicht. Den mag ich, den mag ich nicht. Das hat er gut gemacht, das hat er schlecht gemacht." Dieses schnelle Beurteilen führt schnell zum Verurteilen, es ist nicht ganz so schlimm wie das tamasige Urteilen, das eigentlich immer abwertend ist, das rajasigeist immer in dieser Polarität.
Und dann gibt es die sattvige Urteilskraft, die sattvige Urteilskraft versucht, herauszufinden: "Was ist es überhaupt?" Die sattvige Urteilskraft versucht, herauszufinden: "Worum geht es überhaupt?" Man könnte sagen, die höchste sattvige Urteilskraft stellt Fragen wie: "Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist wirklich? Was ist der Sinn des Lebens?" Darüber nachzudenken, das ist eine sattvige Urteilskraft. Das ist die philosophische Urteilskraft, über die auch Immanuel Kant spricht.
Diese sattvige Urteilskraft ist auch Viveka, das Unterscheidungsvermögen. Die sattvige Urteilskraft kann auch das Urteilen zwischendurch loslassen. Du musst nicht alles beurteilen. Du musst nicht immer sagen: "das ist gut" oder "das ist schlecht", du musst auch nicht immer die Menschen beurteilen, sondern du kannst sagen, "es ist, wie es ist" und "der Mensch ist so, wue er ust". Man kann sagen, das ist eine Urteilskraft, festzustellen: "Jetzt ist das Urteilen nicht angemessen, jetzt gilt es einfach nur, zu akzeptieren."
Manchmal gilt es dann doch, zu urteilen, im Sinne von: "Was ist jetzt angemessen, zu tun? Was sollte ich jetzt essen? Welche Auswirkungen hat mein Handeln auf die Umwelt? Welche Auswirkungen hat mein Handeln auf andere Menschen? Wie kann ich aus der Liebe heraus handeln und wie kann ich Gutes tun?" Das sind auch wichtige Fragen, auf die man antworten kann, das ist auch wieder sattvige Urteilskraft. Und so muss ein spiritueller Mensch letztlich irgendwo zwischen Nicht-Urteilen und sattviger Urteilskraft hin- und hergehen. Mal ist es wichtig, einfach im Sein zu sein, gänzlich ohne Urteilen, und manchmal braucht es auch die sattvige Urteilskraft. Und manchmal muss man feststellen: "Ah, ich bin wieder im rajasigen Urteilen von mag ich oder mag ich nicht, finde ich gut, finde ich schlecht." Und manchmal ist man wieder im tamasigen Urteilen, das heißt im Verurteilen oder auch einfach im Träge-Sein und sagen, "ich kann nichts und ich will nicht und es geht nicht", auch das ist tamasige Urteilskraft. Wenn du tamasige und rajasigeUrteilskraft entdeckst, lächle darüber, nimm es mit Humor, so bist du schon mal auf dem Weg dort raus. Mache vielleicht ein paar Runden Pranayama, meditiere etwas und dann kommst du auch wieder heraus, oder sei dir bewusst, das vergeht. Und dann lerne es, herauszufinden, wann ist das urteilslose, bedingungslose Akzeptieren, die bedingungslose Liebe richtig, und wann braucht es sattvige Urteilskraft.
Urteilskraft - Antonyme und Synonyme
Persönlichkeitsmerkmale und Tugenden versteht man am besten in ihrer Beziehung zueinander. Hier einige Hinweise, wie man Urteilskraft in Beziehung zu anderen Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Urteilskraft - Synonyme
Ähnliche Eigenschaften wie Urteilskraft, also Synonyme zu Urteilskraft sind z.B. Urteilsvermögen, Unterscheidungsvermögen, Erkenntnsivermögen, Denkfähigkeit, Auffassungsgabe.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Urteilskraft übertrieben kann ausarten z.B. in Verurteilung, Vorurteil, Intoleranz, Unduldsamkeit, Voreingenommenheit. Daher braucht Urteilskraft als Gegenpol die Kultivierung von Herzenssprache, Intuition, Gefühl, Mitgefühl.
Gegenteil von Urteilskraft - Antonyme
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Urteilskraft, Antonyme zu Urteilskraft :
- Positive Gegenteile von Urteilskraft, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Herzenssprache, Intuition, Gefühl, Mitgefühl
- Negative Gegenteile von Urteilskraft, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Unverstand, mangelndes Denkvermögen, fehlendes Erkenntnisvermögen, Unvermögen
Urteilskraft Antonyme auf einen Blick
Antonyme Urteilskraft, also Gegenteile, sind Herzenssprache, Intuition, Gefühl, Mitgefühl, Unverstand, mangelndes Denkvermögen, fehlendes Erkenntnisvermögen, Unvermögen.
Urteilskraft im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Urteilskraft gehört zur Tugendgruppe 9 Individualität, Originalität, Selbstbewusstsein. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Individualität, Authentizität und Selbstbewusstsein
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Urteilskraft zum Persönlichkeitsfaktor C1 Gewissenhaftigkeit hoch: effektiv, organisiert, verlässlich
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Urteilskraft zur Grundverhaltenstendenz D - Dominanz, Durchsetzungsstärke
- Im Ayurveda zählt man Urteilskraft zum Vata-Pitta Temperament bzw. Dosha.
Kultivierung von Urteilskraft
Urteilskraft kann hilfreich sein in verschiedenen Lebensumständen. Vielleicht willst du ja Urteilskraft als Fähigkeit in dir zu stärken. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Urteilskraft zu stärken.
- Du kannst dir z.B. vornehmen: "Während der nächsten Woche will ich die Fähigkeit Urteilskraft kultivieren. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein urteilskräftigerer Mensch zu sein."
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die Urteilskraft ausdrückt. Lebe jeden Tag so, als ob du diese Eigenschaft besitzt - und handle entsprechend.
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle Urteilskraft ".
- Am Tag wiederhole immer wieder eine Autosuggestion, Affirmation wie z.B.: Ich bin urteilskräftig ".
Affirmationen zum Thema Urteilskraft
Hier einige Affirmationen für mehr Urteilskraft. Unter dem Stichwort "Affirmation" und "Wunderaffirmationen" erfährst du mehr zu Funktion und Wirkungsweise von Affirmationen. Nicht alle unten aufgeführten Affirmationen passen - nutze diejenigen, die für dich stimmig erscheinen. Klassische Autosuggestion für Urteilskraft Hier die klassische Autosuggestion:
- Ich bin urteilskräftig
Im Yoga verbindet man das gerne mit einem Mantra. Denn ein Mantra lässt die Affirmation stärker werden:
- Ich bin urteilskräftig. Om Om Om.
- Ich bin ein Urteilskräftiger, eine Urteilskräftige OM.
Entwicklungsbezogene Affirmation für Urteilskraft Manche Menschen fühlen sich als Scheinheiliger oder als Heuchler, wenn sie sagen "Ich bin urteilskräftig " - und sie sind es gar nicht. Dann hilft eine entwicklungsbezogene Affirmation:
- Ich entwickle Urteilskraft
- Ich werde urteilskräftig
- Jeden Tag werde ich urteilskräftiger
- Durch die Gnade Gottes entwickle ich jeden Tag mehr Urteilskraft
Dankesaffirmation für Urteilskraft :
- Ich danke dafür, dass ich jeden Tag urteilskräftiger werde.
Wunderaffirmationen Urteilskraft Du kannst es auch mit folgenden Affirmationen probieren:
- Bis jetzt bin ich noch nicht sehr urteilskräftig. Und das ist auch ganz verständlich, ich habe gute Gründe dafür. Aber schon bald werde ich Urteilskraft entwickeln. Jeden Tag wird diese Tugend in mir stärker werden.
- Ich freue mich darauf, bald sehr urteilskräftig zu sein.
- Ich bin jemand, der urteilskräftig ist.
Gebet für Urteilskraft
Auch ein Gebet ist ein machtvolles Mittel, um eine Tugend zu kultivieren. Hier ein paar Möglichkeiten für Gebete für mehr Urteilskraft :
- Lieber Gott, bitte gib mir mehr Urteilskraft.
- Oh Gott, ich verehre dich. Ich bitte dich darum, dass ich ein urteilskräftiger Mensch werde.
- Liebe Göttliche Mutter, ich danke dir. Ich danke dir dafür, dass ich jeden Tag die Tugend Urteilskraft mehr und mehr zum Ausdruck bringe.
Frage dich: Was müsste ich tun, um Urteilskraft zu entwickeln?
Du kannst dich auch fragen:
- Was müsste ich tun, um Urteilskraft zu entwickeln?
- Wie könnte ich urteilskräftig werden?
- Lieber Gott, bitte zeige mir den Weg zu mehr Urteilskraft
- Angenommen, ich will urteilskräftig sein, wie würde ich das tun?
- Angenommen, ich wäre urteilskräftig, wie würde sich das bemerkbar machen?
- Angenommen, ein Wunder würde geschehen, und ich hätte morgen Urteilskraft kultiviert, was hätte sich geändert? Wie würde ich fühlen? Wie würde ich denken? Wie würde ich handeln? Als urteilskräftiger Mensch, wie würde ich reagieren, mit anderen kommunizieren?
Siehe auch
Eigenschaften im Alphabet vor Urteilskraft
Eigenschaften im Alphabet nach Urteilskraft
Vortragsmitschnitt zu Urteilskraft - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Urteilskraft, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden. Dieses Audio wird später eingefügt. Wir bitten um Verständnis
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