Sanskrit Kurs Lektion 59: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 9. Januar 2019, 14:16 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Der Partizip Präsens Passiv (2)

In Lektion 58 haben wir die Bildung und Verwendung des Partizip Präsens Passiv betrachtet. Der folgende Beispielvers enthält ein solches Partizip.

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 83. Vers steht im Kontext der Meditation auf den inneren Ton (Nada).


अभ्यस्यमानो नादोऽयं बाह्यमावृणुते ध्वनिम् |
पक्षाद्विक्षेपमखिलं जित्वा योगी सुखी भवेत् || ४.८३ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
abhyasyamāno nādo’yaṃ bāhyam āvṛṇute dhvanim |
pakṣād vikṣepam akhilaṃ jitvā yogī sukhī bhavet || 4.83 ||


  • vereinfachte Transkription:
abhyasyamano nado'yam bahyam avrinute dhvanim |
pakshad vikshepam akhilam jitva yogi sukhi bhavet || 4.83 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
abhyasyamānaḥ : (wenn in der Meditation) gehört wird ("geübt werdend, sich wiederholend", abhi + as, Nom. Sg. m.)
nādaḥ : (innere unangeschlagene) Klang (Nada, Nom. Sg. m.)
ayam : dieser (Ayam, Nom. Sg. m.)
bāhyam : die äußeren, Bahya, Akk. Sg. m.)
āvṛṇute : (dann) verdeckt er (ā + vṛ, Verb)
dhvanim : Geräusche, "den Ton", Dhvani, Akk. Sg. m.)
pakṣāt : nach 15 Tagen ("nach einer Monatshälfte" Paksha, Abl. Sg. m.)
vikṣepam : Zerstreutheit (Vikshepa, Akk. Sg. m.)
akhilam : sämtliche (Akhila, Akk. Sg. m.)
jitvā : (auf diese Weise) überwunden ("besiegt") habend (ji, Verb)
yogī : der Yogin (Nom. Sg. m.)
sukhī : glücklich, glückselig (Sukhin, Nom. Sg. m.)
bhavet : wird (bhū, Verb)


  • Übersetzung:
Wenn dieser innere Klang (in der Meditation) geübt wird, dann verdeckt er die außeren Geräusche.
Nach 15 Tagen hat der Yogi (mit dieser Praxis) sämtliche Zerstreutheit überwunden und wird glückselig.


Erläuterungen

  • Syntax: Dieser Vers besteht aus zwei Sätzen (Vakya), die sich jeweils über den ersten und zweiten Halbvers erstrecken.
  • Das Partizip Präsens Passiv abhyasyamānaḥ bezieht sich auf das Substantiv nādaḥ und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum. Dieses Partizip ist von der Verbalwurzel as "werfen" (4. bzw. Div Klasse) abgeleitet, die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) abhi "wiederholen, üben" bedeutet.
  • Der Nominativ (Prathama) nādaḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung āvṛṇute.
  • Das Demonstrativpronomen ayam bezieht sich ebenfalls auf das Substantiv nādaḥ und steht gleichfalls im Nominativ Singular Maskulinum.
  • Das Adjektiv bāhyam bezieht sich auf das Substantiv dhvanim und steht daher ebenfalls im Akkusativ Singular Maskulinum.
  • Die Verbform āvṛṇute ist die 3. Person Singular Indikativ (Präsens Medium bzw. Atmanepada) der Verbalwurzel vṛ "bedecken" (5. bzw. Su Klasse), die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) ā "verdecken, verbergen, versperren" bedeutet.
  • Der Akkusativ (Dvitiya) dhvanim ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung āvṛṇute.
  • Der Ablativ (Panchami) pakṣāt bezeichnet den zeitlichen Ausgangspunkt der Handlung (Apadana).
  • Der Akkusativ vikṣepam ist das logische Objekt des Absolutivums jitvā.
  • Das Adjektiv akhilam bezieht sich auf das Substantiv vikṣepam und steht daher ebenfalls im Akkusativ Singular Maskulinum.
  • Das Absolutivum jitvā bezeichnet eine Nebenhandlung (Guna Kriya), die vor der Haupthandlung (bhavet, Mukhya Kriya) erfolgt, und mit dieser dasselbe logische Subjekt (hier: yogī) hat. Die Form jitvā ist von der Wurzel ji "siegen, besiegen" (1. bzw. Bhu Klasse) abgeleitet.
  • Der Nominativ yogī ist das logische Subjekt der Haupthandlung bhavet sowie der Nebenhandlung jitvā (Absolutivum).
  • Das Adjektiv sukhī bezieht sich auf das Substantiv yogī und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum.
  • Die Verbform bhavet ("er wird, sollte sein") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel bhū "sein, werden" (1. bzw. Bhu Klasse) und fungiert als Haupthandlung des zweiten Halbverses (Pada 3 und 4). Der Optativ drückt hier eine Möglichkeit aus, die in der Zukunft eintritt.
  • Sandhi: Die Form abhyasyamāno steht für abhyasyamānaḥ, da auslautendes -aḥ vor stimmhaftem Konsonant (hier: n) zu -o wird. Die Formen nādo 'yam stehen für nādaḥ ayam, da auslautendes -aḥ vor kurzem a gleichfalls zu -o wird und das kurze anlautende a von ayam nach -o ausfällt, wobei es graphisch durch Apostroph ( ' ) bzw. Avagraha () dargestellt wird. Die Endung m von ayam und akhilam geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara () über, welcher vereinfachend wie m ausgesprochen werden kann. Das stimmlose dentale t von pakṣāt wird vor stimmhaftem Konsonant (hier: v) zu stimmhaftem d.

Metrische Analyse des 3. und 4. Pada

Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal, oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:


Silbe 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8
Devanagari क्षा द्वि क्षे खि लं जि त्वा यो गी सु खी वेत्
Transliteration pa kṣā dvi kṣe pa ma khi laṃ ji tvā yo su khī bha vet
Silbenlänge lang* lang lang* lang kurz kurz kurz lang lang* lang lang lang kurz lang kurz lang
Symbol υ υ υ υ υ


Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten. Die Positionslänge der 1. u. 3. Silbe (Pada 3) sowie der 1. Silbe (Pada 4) ergibt sich durch die Aufteilung in pak-ṣād vik-ṣe und jit-vā.


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