Darshana

Aus Yogawiki

Darshana (Sanskrit: दर्शन darśana adj. u. n.) sehend, schauend; zeigend, lehrend; das Sehen, Erblicken, Wahrnehmen, Hinsehen; Anblick; Sehkraft, Auge; das Erfahren, Erleben; Prüfen, Untersuchen; Reflektieren; das Zeigen; Erkennen, Einsicht, Verständnis, Intellekt; Ansicht, Anschauung, Meinung; Lehre, Doktrin, philosophisches System; das Sichtbarwerden, Erscheinen, Traumgesicht; Spiegel. Das Sehen eines erleuchteten Yogis oder Heiligen beim gleichzeitige gesehen werden von ihm und den daraus entstehenden Erhalt seines Segens.

In den heute geläufigsten Verwendungen bedeutet darśana:

Vedanta, Sankhya, Tantra, Patanjali

Historisch gibt es in Indien sechs große Darshanas, klassische Philosophiesysteme, welche die klassischen Schriften und die Erfahrungen des Aspiranten in unterschiedliche Begriffe brachten. Drei davon spielen im modernen Yoga eine besondere Rolle: Vedanta, Samkhya und Patanjalis Yoga. Ein viertes System, Tantra, gilt nicht als Darshana, ist aber heute ebenso von besonderer Bedeutung.

(1) Vedanta ist eine nicht-dualistische Philosophie. Gemäß Vedanta ist alles eine Manifestation des Bewusstseins (Brahman). Die Vorstellung einer separaten Welt (Jagat) ist eine Illusion (Maya). Letztlich ist das Selbst (Atman) eins mit dem Absoluten (Brahman). Um Leid zu vermeiden, gilt es, die Einheit zu erkennen und seine wahre Natur als absolutes Sein, Wissen und Glückseligkeit (Satchitananda) zu verwirklichen.

(2) Sankhya ist ein dualistisches Philosophiesystem und postuliert zwei Prinzipien, Bewusstsein, Purusa, und Natur, Prakriti, welche als ewig voneinander getrennt angesehen werden. Prakriti befindet sich in ständiger Veränderung (Parinama), ist aber für den Purusa tätig. Ursache von Leid ist Unwissenheit (Avidya); und damit die Identifikation des Purusa mit einem Teil der Prakriti, eben dem Geist-Körper-System. Das Loslösen aus dieser Identifikation führt zur Befreiung (Kaivalya).

(3) Tantra verbindet Dualismus mit Monismus. Gemäß Tantra gibt es zwei Prinzipien, Shiva (Bewusstsein) und Shakti (Energie), welche beide göttlich und in Wahrheit ewig eins sind. Auch Schöpfung und Bindung gelten als göttlich. Sich getrennt zu sehen ist Ursache von Leiden. Einheit ist das Ziel des Lebens.

(4) Das Yogasystem des Patanjali beruht philosophisch auf den Begriffen der Sankhya-Philosophie (wie Purusa, Prakriti, Parinama, Avidya, Kaivalya, s.o.). Es verbindet diese mit Elementen aus anderen Traditionen. Patanjali erkennt im Unterschied zum atheistischen Sankhya den persönlichen Gott (lsvara) an und sagt, dass Gottesverehrung schnell zur Befreiung führt. Er bezieht so die großen Bhakti-Traditionen mit ein. Patanjali beschränkt sich nicht wie Sankhya auf Viveka und Vairagya (Unterscheidungskraft und Loslösung) als Mittel zur Befreiung, sondern gibt Übungen zum Beruhigen (Nirodha) der Gedanken (Vrttis im Geist (Citta). Sind die Gedanken im Geist zur Ruhe gebracht, verwirklicht man sein wahres Wesen (II 2-3). An einigen Stellen benutzt Patanjali den Atman-(Selbst-)Begriff des Vedanta. Mehrmals, insbesondere im 3. Kapitel, greift er auf Begriffe von Tantra zurück, z. B. Nadi (Energiekanal), Chakra (feinstoffliches Energiezentrum), Udana und Samana (Lebensenergien).

Die Yoga Sutras von Patanjali

व्याधिस्त्यानसंशयप्रमादालस्यविरतिभ्रान्तिदर्शनालब्धभूमिकत्वानवस्थितत्वानि चित्तविक्षेपस्ते ऽन्तरायाः || 1.30 ||

vyādhi-styāna-saṃśaya-pramādālasyāvirati-bhrānti-darśanālabdha-bhuumikatvānavasthitatvāni citta-vikṣepās te 'ntarāyāḥ || 1.30 ||

Die Hindernisse (Antaraya), welche den Geist (Chitta) zerstreuen (und folglich vom Yogaweg abbringen können), sind Krankheit (Vyadhi), Apathie (Styana), Zweifel (Samshaya), Nachlässigkeit (Pramada), Faulheit (Alasya), Gier (Avirati), falsche Anschauung (Bhranti-Darshana), Unfähigkeit, eine Grundlage zu finden (Alabdhabhumikatva) und Unbeständigkeit (Anavasthitatva) .

दृग्दर्शनशक्त्योरेकात्मतेवास्मिता || 2.6 ||

dṛg-darśana-śaktyor ekātmatevāsmitā || 2.6 ||

Ichverhaftung (Asmita) ist die (fälschliche) Identifikation der Kraft (Shakti) der reinen Schau (Drish) mit der Kraft des geistigen Reflektierens (Darshana).

Anm.: Die Kraft (Shakti) der reinen Schau (Drish) bezieht sich hier auf den Purusha bzw. Drashtri, die Kraft des geistigen Reflektierens (Darshana) auf die Buddhi ("Intelligenz"), die erste Schöpfung der Prakriti.

सत्त्वशुद्धिसौमनस्यैकाग्र्येन्द्रियजयात्मदर्शनयोग्यत्वानि च || 2.41 ||

sattva-śuddhi-saumanasyaikāgryendriya-jayātma-darśana-yogyatvāni ca || 2.41 ||

(Die Reinheit Shaucha führt zu) geistiger Klarheit (Sattva-Shuddhi), heiterem Gemüt (Saumanasya), Konzentrationsvermögen (Aikagrya), Beherrschung der Sinne (Indriya-Jaya) und befähigt zur Schau (Darshana) des eigenen Selbst (Atman).

मूर्धज्योतिषि सिद्धदर्शनम् || 3.32 ||

mūrdha-jyotiṣi siddha-darśanam || 3.32 ||

Durch die Sammlung (Samyama) auf das Licht (Jyotis) am Scheitel des Kopfes (Murdhan) erlangt man die Schau (Darshana) der Vollkommenen (Siddha).

Siehe auch