Mudra
Mudra (Sanskrit: मुद्रा, mudrā f. "Siegel, Zeichen"); anderer Wortstamme: Mud = Freude; ra = geben; Mudra ist also das, was Freude gibt.
- 1. im Hatha Yoga: eine Körperhaltung (Asana) in Verbindung mit einer bestimmten Atemtechnik, einer Visualisierung und einem Mantra. Auch hier Einsatz der Handhaltung; zum Beispiel im Baum die Hände seitlich in einer bestimmten mudra verästeln. Mudras im Hatha Yoga können Teile von Asanas, Pranayama und Bandha beinhalten. Sie gelten als effektive Techniken um die spirituelle Befreiung auf dem spirituellen Weg zu erreichen. Es werden ihnen kräftigende, heilende und verjüngende Wirkungen zugeschrieben. Beispiele wären z.B. Khechari Mudra, Mahamudra, Vajroli Mudra...
- 2. im indischen Tanz und in der indischen Kunst: eine Handhaltung, Geste, mit deren Hilfe Emotionen, Göttergestalten oder gar ganze Geschichten ohne Worte dargestellt werden.
- 3. in der Ikonographie von Hinduismus, Jainismus und Buddhismus Handhaltungen der Götter, Göttinnen und Meister, die jeweils eine tiefe symbolische Bedeutung haben.
- 4. eine Symbolische Geste. Etwa bei der durchführung eines Rituals zur Gottesverehrung (puja). Äußere Handlungen werden durch den Einsatz von mudra mit spirituellen Vorstellungen verbunden. Sie helfen dem Aspiranten sich ganz auf Gott zu richten. Beispiele hierfür sind Knien und Falten der Hände, die auch im Christentum angewendet werden. In Ritualen im Hinduismus und tibetischen Buddhismus: Handgesten zur Gottesverehrung; Mudra gehört zur klassischen Puja dazu.
- 5. in Teilen des Tantrismus wird oft auch die sexuelle Vereinigung, die manuelle Befriedigung oder auch die Partnerin selbst, als Mudra bezeichnet.
- 6. im tantrischen Ritual der 5 Makaras ist Mudra eine besondere Art von Waffel bzw. Getreidegericht, in das z.T. psychoaktive Substanzen gemischt werden.
- 7. im Raja Yoga: Handhaltungen zur Erzeugung spezifischer geistiger und energetischer Zustände
Mudras im Hatha Yoga
Im Hatha Yoga sind Mudras Energie-Lenkungs- und Erweckungsübungen. Man kann unterscheiden
- Kleine Mudras: Die kleinen Mudras betreffen einzelne Körperteile. Mit bestimmten Haltungen kann man Energien und Bewusstsein beeinflussen
- Große Mudras: Sind eine Kombination verschiedener kleiner Mudras mit Atemtechniken, Bewusstseinslenkung, Mantra und Visualisierung. Die Mudras können in Mudra-Reihen zusammengefasst und geübt werden
Kleine Mudras
Unter den kleinen Mudras gibt es Augen-Mudras, Zungen-Mudras, Hals-Mudras, Finger-Mudras, Bauch-Mudras und Beckenboden-Mudras. Beachte: Es gibt verschiedene Benennungs-Systeme für die Mudras. Hier werden die bei Yoga Vidya üblichen Ausdrücke verwendet.
Augen-Mudras
Augen-Mudras werden als Shambhavi Mudra bezeichnet. Man unterscheidet zwei Variationen von Shambhavi Mudra:
- Nasikagra Drishti - schauen auf die Nasenspitze: Dies beruhigt den Geist, hilft sich nach innen zu konzentrieren und das Anahata Chakra (Herz-Chakra) zu aktivieren
- Bhrumadhya Dristhi - schauen auf den Punkt zwischen den Augenbrauen: Dies erhebt den Geist, hilft eine höhere Wirklichkeit wahrzunehmen, aktiviert das Ajna Chakra bzw. Trikuti, und öffnet für Höhere Intuition.
Wenn man Shambhavi Mudra lernt, muss man auch die klassischen Yoga Augenübungen parallel üben. Und man sollte vorsichtig vorgehen, also mit kurzer Zeitdauer beginnen und langsam steigern. Ansonsten können Kopfschmerzen ausgelöst werden. Shambhavi Mudra kann in Asanas, in Pranayama, in Meditation und Kirtan verwendet werden.
Zungen-Mudras
Zungen-Mudras wirken auf die oberen drei Chakras sowie die Mond-Energie.
- Vorderes Nabho Mudra: Die Zunge berührt den Gaumen in der Nähe der Schneidezähne. Dies aktiviert Ajna Chakra, das Stirn-Chakra
- Mittleres Nabho Mudra: Die Zunge wird nach oben gegeben, die Zungen-Spitze berührt die Mitte des Gaumen-Dachs. Dies aktiviert das Sahasrara Chakra, das Kronen-Chakra
- Kleines Khechari Mudra, auch hinteres Nabho Mudra genannt: Die Zunge wird nach hinten gegeben, Richtung Kehle und berührt den hinteren, den knöchernen Teil des Gaumens. Dies aktiviert Vishuddha Chakra, das Kehl-Chakra und stimuliert die Mond-Energie, Amrita
- Vollständiges kleines Khechari Mudra: In der fortgeschrittenen Variation von Khechari Mudra ist die Zunge so lang gestreckt, dass ein großer Teil der Zunge quasi verschluckt wird. Das hat starke Wirkung auf die Mond-Energie und kann den Körper-Metabolismus verlangsamen, sodass fast Atemstillstand erreicht werden kann. Oder die Zunge kann dann von hinten Richtung Nasenhöhle nach oben gegeben werden - dies hat starke Wirkung auf das Ajna Chakra, auf die Mondenergie und erzeugt tiefe Ruhe des Geistes. Es gibt verschiedene Weisen, das vollständige kleine Mudra zu erlernen. Man braucht dazu die persönliche Anleitung durch einen Lehrer (Guru) - ansonsten kann das sogar mit Lebensgefahr verbunden sein.
Hals-Mudras
- Laghu Jalandhara Bandha, der kleine Kinnverschluss: Der Nacken bleibt gerade, das Kinn ist leicht gesenkt, die Kehle leicht angespannt. Dies hilft zu einer Ruhe des Geistes
- Vollständiges Jalandhara Bandha: der Kopf wird ganz gesenkt und der Brustkorb nach vorne gewölbt, bis das Kinn den Brustkorb berührt. Dies reduziert den Fluss des Prana durch Ida und Pingala Nadi. Es aktiviert den Fluss durch Sushumna Nadi, indem der Nacken gedehnt wird. Jalandhara Bandha ermöglicht längeres Luftanhalten (Kumbhaka), insbesondere bei vollständig gefühllten Lungen (Antar Kumbhaka).
- Hals-Khechari, auch Kaki Mudra genannt: Der Kopf wird nach hinten gegeben
Finger- und Hand-Mudras
Im Hatha Yoga sind unter den Finger-Mudras folgende von besonderer Bedeutung:
- Vishnu Mudra: Rechter Zeige- und Mittelfinger sind gebeugt. Daumen und Ringfinger entspannt fast gestreckt. Dies ist die klassische Handhaltung für die Wechselatmung, Anuloma Viloma bzw. Nadi Shodhana.
- Chinmudra: Daumen und Zeigefinger berühren sich, die anderen Finger sind sanft gestreckt, leicht gebeugt oder ganz gestreckt. Diese Handhaltung kann man nutzen für Meditation oder für die Pranayamas, in denen die Hände nicht anderweitig gebraucht werden.
In der Meditation kann man darüber hinaus die Hände falten, übereinander legen, die Finger auf verschiedene Weisen falten oder miteinander verschränken. Jede der Handhaltungen in der Meditation gilt als Hand-Mudra.
Bauch-Mudras
Mit Bauch-Mudras wird das Manipura Chakra aktiviert. Die Bauch-Mudras massieren die Bauchorgane, und aktivieren bzw. harmonisieren Agni, das Verdauungsfeuer. Die helfen auch, die innere Mitte zu finden, welche die Quelle ist von Selbstbewusstsein, Mut und Enthusiasmus.
- Uddhiyana Bandha: Bei leeren Lungen wird der Bauch eingezogen. Die Bauchdecke geht Richtung Wirbelsäule und Lungen
- Plavini Mudra: Die Bauchdecke wird bei leeren Lungen nach vorne gedrückt. Dies aktiviert auch das Ajna Chakra
Beckenboden-Mudras
Die Beckenboden-Mudras aktivieren die unteren drei Chakras. Sie aktivieren die Kundalini Energie. Sie arbeiten mit Apana Vayu. Sie verbinden Ida und Pingala sowie Prana und Apana im Muladhara Chakra. Sie stimulieren den Kanda.
- Mula Bandha: Gleichmäßiges Zusammenziehen der Beckenbodenmuskeln. Man unterscheidet:
- Vorderes Mula Bandha: Die Muskeln des Harnleiters bzw. des Penis werden angespannt. Dies zieht das Prana vorne hinunter durch Saraswati Nadi in Muladhara Chakra
- Mittleres Mula Bandha: Die Muskeln des Perineums (beim Mann) bzw. der Scheide (bei der Frau) werden angespannt. Dies verbindet Ida und Pingala Nadi mit der Sushumna im Muladhara Chakra. Dieses mittlere Mula Bandha gilt als besonders machtvoll.
- Hinteres Mula Bandha: Die Anusschließmuskeln werden angespannt. Damit wird das Prana durch die Sushumna vom Muladhara zum Swadhisthana und Manipura Chakra gezogen.
- Vollständiges Mula Bandha: Alle Beckenbodenmuskeln werden gleichzeitig angespannt. Dies ist die verbreitetste Form von Mula Bandha.
- Ashwini Mudra: Die Beckenbodenmuskeln werden angespannt und wieder locker gelassen, wieder und wieder. Das geht bei leeren und bei gefüllten Lungen. Man kann wieder unterscheiden zwischen vorderem, hinteren, mittlerem und vollständigem Ashwini Mudra
- Vajroli Mudra: das wellenförmige Zusammenziehen der Beckenbodenmuskeln von vorne unten nach hinten hoch. Damit wird das Prana durch die Sushumna nach oben gezogen.
Große Mudras
In den Hatha Yoga Schriften wird eine Vielzahl von Mudras erwähnt. Hatha Yoga Pradipika und Gherandha Samhita verwenden mehr Verse zum Thema Mudras als über Asanas oder Pranayama. Die Hatha Yoga Pradipika zählt 10 Haupt-Mudras auf: Maha Mudra, Maha Bandha, Maha Vedha, Khechari, Uddiyana Bandha, Mula Bandha, Jalandhara Bandha, Viparita Karani, Vajroli, and Shakti Chalana. Im engeren Sinne sind dabi nur Mahamudra, Maha Bandha, Maha Vedha, Shakti Chalini, Vajroli, Viparita Karani und Maha Khechari große Mudras.
Mahamudra
Mahamudra, wörtlich "die großartige Mudra", wird von der Hatha Yoga Pradipika in den höchsten Tönen gelobt (HYP III 10-18). Der Autor Svatmarama schreibt Mahamudra folgende Wirkungen zu: Öffnen der Sushumna, Aktivierung der Kundalini, Überwindung von Leiden, Entgiftung, Heilung von Magen- und Darmbeschwerden, Heilung von Hauterkrankungen, Erweckung der höheren Kräfte (Siddhis). In Mahamudra wird ein Bein ausgestreckt, die Ferse des anderen Beines an das Perineum angesetzt (Kanda-Punkt). Dann fasst der Übende mit beiden Händen den vorderen Fuß, gibt dabei einen oder beide Daumen auf den großen Zeh. Der Kopf wird entweder in Jalandhara Bandha oder in großes Khechari gegeben. Zunge in kleines Khechari. Nach dem Einatmen (Puraka) folgt Anhalten (Kumbhaka). Beim Kumbhaka wird Mula Bandha, Uddhiyana Bandha und Shambhavi Mudra geübt, das Bewusstsein zum Ajna oder Sahasrara Chakra gegeben und das Mantra OM wiederholt. Mahamudra wird typischerweise auf jeder Seite mindestens 3 Mal ausgeführt.
Mahamudra übt man meist nach den Pranayamas als erstes im Rahmen einer Mudra-Reihe. Man kann Mahamudra auch zum Abschluss von Pranayama üben oder nach Paschimottanasa, nach der Vorwärtsbeuge.
Khechari Mudra
Khechari Mudra heißt im übertragenen Sinn "Wandern im Himmel", bzw. "Ausdehnung zum Göttlichen". Im großen Khechari wird die Zunge nach hinten gegeben, Zungenspitze Richtung Kehle, Zungenspitze berührt den hinteren knöchernen Teil des Gaumens. Die Augen werden dabei in Shambhavi Mudra nach oben gedreht. Der Kopf wird leicht oder stärker nach hinten gegeben. Nach 2-5 tiefen Atemzügen, eventuell mit Ujjayi, wird der Atem zu Kevala Kumbhaka verlangsamt und flach gemacht. Khechari Mudra aktiviert die Mondenergie, beruhigt Surya (Mondenergie), Agni (Feuer) und Pitta. Khechari Mudra harmonisiert Energie-Erweckungs-und Kundalini Erfahrungen. Khechari hilft, den Geist mit Gott zu verbinden. Khechari ist eine gute Einleitung für die Meditation und mündet typischerweise in die Meditation.
Viparita Karani Mudra
Viparita Karani Mudra gehört neben Mahamudra und Khechari Mudra zu den beiden meistgelobten Mudras der Hatha Yoga Pradipika. Viparita Karani Mudra ist die Umkehrhaltung. Es gibt drei körperliche Varianten:
- Aus dem Schulterstand
- Aus dem Kopfstand
- Aus dem unterstützten Schulterstand: Die wirbelsäule, typischerweise Kreuzbein oder Brustwirbelsäule, werden mit einem oder 2 Kissen unterstützt. So ist die Mudra körperlich weitestgehend ohne Anstrengung.
Charakterisch bei Viparita Karani Mudra ist, dass der Bauchbereich höher ist als der Stirnbereich. Bauchbereich ist Sitz der Sonnenergie, der Stirnbereich Sitz der Mondenergie. Durch die Umkehrung der
Quellenhinweise
- Das Yoga-Lexikon, Wilfried Huchzermeyer ISBN 978.3-931172-28-2
- Das Yoga Vidya Asana Buch, Sukadev Volker Bretz, Yoga Vidya Verlag
- Kundalini Yoga, Swami Sivananda
- Hatha Yoga Pradipika, Yogi Swatmarama
- Gherandha Samhita, Yogi Gherandha
Weitere Quellen
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