Bedachtsamkeit
Bedachtsamkeit ist die Fähigkeit, auf Reize nicht sofort reflexartig zu reagieren. Bedachtsamkeit beinhaltet die Fähigkeit nachzudenken, abzuwarten und dann klug und geschickt zu handeln. Bedachtsamkeit ist das Gegenteil von Wagemut und Leichtsinn. Bedachtsamkeit ist etwas Urmenschliches: Zwischen Reiz und Reaktion kann der Mensch seinen Verstand gebrauchen, abwarten, und dann das tun, was in der Situation angemessen ist.
Bedachtsamkeit - eine Tugend. Was ist Bedachtsamkeit? Woher stammt das Wort? Wozu ist Bedachtsamkeitgut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Bedachtsamkeit? Mit vielen praktischen Tipps, Videos und Anleitungen.
Bedachtsamkeit als hilfreiche Tugend
Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Bedachtsamkeit ist eine Tugend, die in die gleiche Richtung geht wie Ausgeglichenheit, Gelassenheit, Gemütsruhe, innere Ruhe, Contenance, Selbstbeherrschung. Bedachtsamkeit kommt von Denken, kommt von Nachdenken: Man hat nachgedacht, alles überdacht und man wartet etwas ab. Bedachtsamkeit heißt, nicht gleich sofort zu reagieren, sondern einen Moment nachdenken.
Manchmal ist Spontanität gut, manchmal ist Authentizität wichtig, manchmal ist Ausgelassenheit gut. Aber gerade dann, wenn es um wichtigere oder komplexere Sachen geht, da hilft es, eine gewisse Bedachtsamkeit zu haben. Es ist immer gut, über eine Sache zu schlafen, bevor man sich entscheidet. Manchmal ist Abwarten gut und manchmal ist gut, das Pro und Kontra abzuwägen, manchmal ist es gut, mit anderen darüber zu sprechen.
Bedachtsamkeit heißt auch, dass man sich nicht zu schnell von Aufgeregtheiten, von Ängsten, von Ärger und Zorn leiten lässt, sondern abwartet und nicht gleich an die Decke geht. Manchmal ist es gut, etwas mehr Bedachtsamkeit zu haben, denn allein über das Leben von spontanen Emotionen und Gefühlen wirst du langfristig keinen Erfolg haben und auch nicht langfristig mit Mitmenschen gute Kontakte haben. Denn Menschen schätzen Authentizität, sie schätzen Gefühlsreichtum, aber sie brauchen auch eine gewisse Beständigkeit, eine gewisse Verlässlichkeit. Und Bedachtsamkeit ist hierfür etwas sehr Gutes.
Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten. Das ist ja das Schöne: In einer Gruppe von Menschen gibt es immer den Spontanen und den Aufgeregten, es gibt den Vorsichtigeren, es gibt den Regelheini, es gibt die, die sich über alles aufregen usw. Und das ist gut. Und du kannst selbst überlegen, zu welcher Gruppe von Menschen du gehörst. Und die Eigenschaft, die in dir stärker entwickelt ist, ist erstmal gut, du solltest sie wertschätzen.
Wenn du eher ein ruhiger Mensch bist, kannst du dich als träge bezeichnen, du könntest dich aber auch als bedachtsam bezeichnen. Wenn du jemand bist, der vielleicht etwas langsamer ist, kannst du dich als langsam bezeichnen, du kannst aber auch sagen, "ich habe die Tugend von Bedachtsamkeit". Oft ist es gut, ein positiveres Selbstbild zu bekommen, indem man das, was man ist, positiv benennt und dann auch positiv wirken lässt. Es gilt allerdings auch: Manchmal muss man auch seine bisherigen Eigenschaften irgendwo ausgleichen.
Angenommen, du bist sehr bedachtsam, aber andere denken, du bist wie ein Klotz am Bein, dann musst du dir vielleicht manchmal einen Tritt in den Hintern geben und auch mal schneller sein, manchmal dich in die Unsicherheit begeben und durchaus auch mal etwas riskieren. Also, für einen Menschen, der die gute Eigenschaft von Bedachtsamkeit hat, kann es gut sein, die entgegengesetzte Tugend auch mal zu leben. Das waren jetzt so ein paar Gedanken von mir, ich habe es aus mir einfach fließen lassen und du hast sicher auch deine Gedanken dazu.
Bedachtsamkeit und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Bedachtsamkeit in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Bedachtsamkeit
Ähnliche Eigenschaften wie Bedachtsamkeit, also Synonyme zu Bedachtsamkeit sind z.B. Achtsamkeit, Ausgeglichenheit, Langmut, Selbstbeherrschung, Ruhe, Besonnenheit, Geduld, Gelassenheit, Würde.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Bedachtsamkeit übertrieben kann ausarten z.B. in Langsamkeit, Trägheit, Untriebsschwäche, Hyperkorrektheit. Daher braucht Bedachtsamkeit als Gegenpol die Kultivierung von Eifer, Kühnheit, Mut, Spontanität.
Gegenteil von Bedachtsamkeit
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Bedachtsamkeit, Antonym zu Bedachtsamkeit:
- Positive Gegenteile von Bedachtsamkeit, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Eifer, Kühnheit, Mut, Spontanität
- Negative Gegenteile von Bedachtsamkeit, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Unbedachtheit, Leichtsinn, Gedankenlosigkeit, Fahrlässigkeit, Übermut
Bedachtsamkeit im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Bedachtsamkeit gehört zur Tugendgruppe 6 Gelassenheit, Ruhe. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Gelassenheit und Ausgeglichenheit
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Bedachtsamkeit zum Persönlichkeitsfaktor N0 Neurotizismus/Labilität niedrig: selbstsicher, ruhig, stabil, entspannt, auch E0 Extraversion niedrig: zurückhaltend, reserviert, introvertiert, auch O0 Offenheit niedrig: vorsichtig, konservativ, auch C1 Gewissenhaftigkeit hoch: effektiv, organisiert, verlässlich
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Bedachtsamkeit zur Grundverhaltenstendenz G - Gewissenhaftigkeit
- Im Ayurveda zählt man Bedachtsamkeit zum Kapha Temperament bzw. Dosha
Entwicklung von Bedachtsamkeit
Bedachtsamkeit kann man sehen als Tugend, als eine positive Eigenschaft. Vielleicht willst du ja Bedachtsamkeit in dir stärker werden lassen. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Bedachtsamkeit zu kultivieren. Du kannst nicht mehrere Tugenden auf einmal entwickeln. Aber es ist möglich, jede Woche eine Tugend, eine Eigenschaft, wachsen zu lassen.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich die Tugend, die Eigenschaft, Bedachtsamkeit kultivieren, wachsen lassen, stärker werden lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein bedachtsamerer Mensch zu sein."
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die Bedachtsamkeit ausdrückt. Mache jeden Tag etwas, was du sonst nicht tun würdest, was aber diese Tugend zum Ausdruck bringt.
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle Bedachtsamkeit". Mehr Möglichkeiten zu Affirmationen findest du weiter unten.
- Am Tag wiederhole immer wieder eine solche Affirmation: "Ich bin bedachtsam".
Klassische Autosuggestion für Bedachtsamkeit
Hier die klassische Autosuggestion:
- Ich bin bedachtsam.
Im Yoga verbindet man das gerne mit einem Mantra. Denn ein Mantra lässt die Affirmation stärker werden:
Entwicklungsbezogene Affirmation für Bedachtsamkeit
Manche Menschen fühlen sich als Scheinheiliger oder als Heuchler, wenn sie sagen "Ich bin bedachtsam" - und sind es dabei gar nicht. Dann hilft eine entwicklungsbezogene Affirmation:
- Ich entwickle Bedachtsamkeit.
- Jeden Tag werde ich bedachtsamer.
- Durch die Gnade Gottes entwickle ich jeden Tag mehr Bedachtsamkeit.
- Ich danke dafür, dass ich jeden Tag bedachtsamer werde.
Wunderaffirmationen Bedachtsamkeit
Du kannst es auch mit folgenden Affirmationen probieren, die Sukadev Volker Bretz als Wunderaffirmationen bezeichnet:
- Bis jetzt bin ich noch nicht sehr bedachtsam. Und das ist auch ganz verständlich, ich habe gute Gründe dafür. Aber schon bald werde ich Bedachtsamkeit entwickeln. Jeden Tag wird diese Tugend in mir stärker werden.
- Ich freue mich darauf, bald sehr bedachtsam zu sein.
Gebet für Bedachtsamkeit
Auch ein Gebet ist ein machtvolles Mittel, um eine Tugend zu kultivieren. Hier ein paar Möglichkeiten für Gebete für mehr Bedachtsamkeit:
- Lieber Gott, bitte gib mir mehr Bedachtsamkeit.
- Oh Gott, ich verehre dich. Ich bitte dich darum, dass ich ein bedachtsamer Mensch werde.
- Liebe Göttliche Mutter, ich danke dir. Ich danke dir dafür, dass ich jeden Tag die Tugend Bedachtsamkeit mehr und mehr zum Ausdruck bringe.
Was müsste ich tun, um Bedachtsamkeit zu entwickeln?
Du kannst dich auch fragen:
- Angenommen, ich will bedachtsam sein, wie würde ich das tun?
- Angenommen, ich wäre bedachtsam, wie würde sich das bemerkbar machen?
- Angenommen, ein Wunder würde geschehen, und ich hätte morgen Bedachtsamkeit kultiviert, was hätte sich geändert? Wie würde ich fühlen? Wie würde ich denken? Wie würde ich handeln? Als bedachtsamer Mensch, wie würde ich reagieren, mit anderen kommunizieren?
Vortragsmitschnitt zu Bedachtsamkeit - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Bedachtsamkeit, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden.
Weitere Infos
Eigenschaften im Alphabet vor Bedachtsamkeit
Eigenschaften im Alphabet nach Bedachtsamkeit
Literatur
- Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis
- Swami Sivananda: Inspirierende Geschichten
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda: Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Licht, Kraft und Weisheit
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Die Wissenschaft des Pranayama
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Göttliches Elixier
- Swami Sivananda: Götter und Göttinnen im Hinduismus
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