Schlichtheit
Schlichtheit bedeutet Einfachheit, Klarheit. Was nicht geschmückt ist, ausgeschmückt ist, hat Schlichtheit. Es gibt Schlichtheit in der Wohnungseinrichtung.
Es gibt die Schlichtheit eines Yoga Raumes. Es gibt auch in einer Meditationstechnik eine gewisse Schlichtheit: Was das Wesentliche betont, das ist die Schlichtheit. Einfach leben, erhaben denken, so empfahl Swami Sivananda einen Weg zum Glück.
Schlichtheit kann auch das Denken betreffen. Schlichtes Denken kann positiv sein, Klarheit, Liebe und Offenheit beinhalten. Schlichtheit im Denken kann aber auch Primitivität heißen, die Unfähigkeit, die Sichtweise eines anderen sowie komplexe Lebensumstände begreifen zu können. Manchmal gilt es Schlichtheit zu üben, manchmal muss man lernen, komplexer zu denken und zu handeln.
Schlichtheit - eine Tugend. Was ist Schlichtheit ? Woher stammt das Wort? Wozu ist Schlichtheit gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Schlichtheit ?
Schlichtheit als hilfreiche Tugend
Auszug aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Schlichtheit spielt im klassischen Yoga eine wichtige Rolle. Der Yogameister in dessen Tradition ich stehe, Swami Sivananda, hat gerne gesagt: "Simple living, high thinking." Man übersetzt es meistens als "einfach leben, erhaben denken", man kann auch sagen, "schlicht leben und erhaben denken".
Schlichtheit heißt, die Sachen sich nicht zu kompliziert zu machen. Schlichtheit kann heißen, wenig Wohnfläche zu nutzen. Die Menschen machen ihr Leben so kompliziert, sie brauchen eine riesen Wohnung und noch dazu weit weg vom Arbeitsplatz und nachher müssen sie viel Geld verdienen, um die Wohnung zu finanzieren und das Auto, mit dem sie von ihrem Arbeitsplatz zu ihrem Zuhause hinkommen.
Die kluge Schlichtheit würde eben sagen: "Ich gebe mich lieber mit der Hälfte, oder sogar einem Drittel der Wohnfläche zufrieden und bin dafür näher an meinem Arbeitsplatz, ich habe etwas mehr Geld, ich brauche mir weniger Sorgen zu machen und richte auch die Wohnung nicht so kompliziert ein."
Kleinere Wohnung heißt auch weniger Platz, weniger Platz heißt weniger Dinge anhäufen, das macht vieles einfacher. Schlichtheit ist also zum einen ein einfacherer Lebensstil, der auch und gerade vor dem Hintergrund wichtig ist, dass wir ja in einer Zeit leben, wo die Ressourcen des Planeten stark beansprucht werden.
Auch die Ethik und die Ökologie würden einen schlichteren Lebensstil bedingen. Schlichtheit ist aber auch, manchmal nicht zu kompliziert zu denken. Auch wenn ich selbst öfters eher komplexes Denken befürworte, z.B., fühle dich in die Menschen hinein, jeder Mensch ist etwas anders und es ist gut, dass du vor dem Hintergrund der gemeinsamen Ziele überlegst, was kannst du tun, wo geht es hin.
Manchmal ist aber auch wichtig, Schlichtheit zu üben, schlichter zu denken, einfach davon auszugehen, wir meinen es alle gut. Und auch davon auszugehen, der andere bemüht sich und er wird schon seine Aufgaben machen. Manchmal muss man nicht zu viel um die Ecken denken, Schlichtheit kann auch im Denken gut sein.
Auch in der Yogapraxis, ich lehre ja in der Yoga Vidya Tradition und da gibt es so viele verschiedene Weisen, zu üben. Man kann körperlich anstrengender und sanfter üben, yogatherapeutisch usw. Das kann sehr komplex sein. Manchmal muss man wieder zurückkehren zur Schlichtheit, man macht einfach die Yoga Vidya Grundreihe, ganz klassisch und merkt, da ist eine besondere Schönheit und Kraft dahinter.
Auch in der Meditation, auch bei Yoga Vidya unterrichten wir eine Vielfalt von Meditationstechniken, so viel Variationen, und im Kundalini Yoga und bei den Visualisierungen kann man so komplexe Meditationsanleitungen machen. Und bei uns werden ja auch Satyananda Meditationstechniken angeleitet und Satyananda Yoga Nidra, sehr komplex, sehr wirksam auch, aber komplex.
Manchmal reicht es, Schlichtheit auch in der Meditation zu haben, sich einfach hinzusetzen, Augen schließen, Atem beobachten, sein Mantra wiederholen, aufmerksam sein und abwarten. Manchmal liegt in der Kürze die Würze und manchmal macht Schlichtheit alles besonders schön und angenehm.
Vor dem Hintergrund der Schlichtheit kann dann eine komplexe Praxis, ein komplexes Denken, ein komplexes Einfühlungsvermögen, eine differenzierte Betrachtungsweise eine Stärke gewinnen. Aber es ist oft gut, Schlichtheit zu kennen, Schlichtheit zu üben und dann kann man entspannen.
Weisheit ist oft auch Schlichtheit. Und seine Bedürfnisse zu reduzieren und die wichtigsten Dinge zu wissen, das reicht oft aus und ist eine Basis für mehr. In diesem Sinne überlege, was ist für dich positiv an Schlichtheit? Bist du in deinem Leben auch als Grundlage ein schlichter Mensch, oder machst du alles kompliziert?
Und wann immer irgendetwas ist, machst du dort gleich eine ganze Doktorarbeit und eine technische Ingenieursarbeit daraus? Schlichtheit ist auch die Fähigkeit, Dinge, die einfach sind, auch einfach umzusetzen. Überlege und schaue, wie sehr gehst du mit Dingen um, ist Schlichtheit auch etwas, was du tust und was dir wertvoll ist?
Schlichtheit und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Schlichtheit in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Schlichtheit
Ähnliche Eigenschaften wie Schlichtheit, also Synonyme zu Schlichtheit sind z.B. Einfachheit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Anspruchslosigkeit, Natürlichkeit.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Schlichtheit übertrieben kann ausarten z.B. in Leichtgläubigkeit, Arglosigkeit, Vertrauensseligkeit, Einfalt. Daher braucht Schlichtheit als Gegenpol die Kultivierung von Raffinesse, Etiquette, Höflichkeit, Schliff.
Gegenteil von Schlichtheit
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Schlichtheit, Antonym zu Schlichtheit :
- Positive Gegenteile von Schlichtheit, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Raffinesse, Etiquette, Höflichkeit, Schliff
- Negative Gegenteile von Schlichtheit, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Kompliziertheit, Unnatürlichkeit, Größenwahn, Gier, Verschwendungssucht
Schlichtheit im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Schlichtheit gehört zur Tugendgruppe 5 Höflichkeit, Respekt, Ehrerbietung. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Höflichkeit und Respekt
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Schlichtheit zum Persönlichkeitsfaktor N0 Neurotizismus/Labilität niedrig: selbstsicher, ruhig, stabil, entspannt, auch O0 Offenheit niedrig: vorsichtig, bedachtsam, konservativ, auch C1 Gewissenhaftigkeit hoch: effektiv, organisiert, verlässlich
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Schlichtheit zur Grundverhaltenstendenz G - Gewissenhaftigkeit
- Im Ayurveda zählt man Schlichtheit zum Kapha Temperament bzw. Dosha.
Entwicklung von Schlichtheit
Schlichtheit kann man sehen als Tugend, als eine positive Eigenschaft. Vielleicht willst du ja Schlichtheit in dir stärker werden lassen. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Schlichtheit zu kultivieren. Du kannst nicht mehrere Tugenden auf einmal entwickeln. Aber es ist möglich, jede Woche eine Tugend, eine Eigenschaft, wachsen zu lassen.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich die Tugend, die Eigenschaft, Schlichtheit kultivieren, wachsen lassen, stärker werden lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein schlichterer Mensch zu sein.
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die Schlichtheit ausdrückt. Mache jeden Tag etwas, was du sonst nicht tun würdest, was aber diese Tugend zum Ausdruck bringt.
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle Schlichtheit ". Mehr Möglichkeiten zu Affirmationen findest du weiter unten.
- Am Tag wiederhole immer wieder eine solche Affirmation:
- Ich bin schlicht.
Affirmationen zum Thema Schlichtheit
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Affirmationen für mehr Schlichtheit . Unter dem Stichwort "Affirmation" und "Wunderaffirmationen" erfährst du mehr darüber.
Klassische Autosuggestion für Schlichtheit
Hier die klassische Autosuggestion:
- Ich bin schlicht.
Im Yoga verbindet man das gerne mit einem Mantra. Denn ein Mantra lässt die Affirmation stärker werden:
- Ich bin schlicht. Om Om Om.
- Ich bin ein Schlichter, eine Schlichte.
Entwicklungsbezogene Affirmation für Schlichtheit
Manche Menschen fühlen sich als Scheinheiliger oder als Heuchler, wenn sie sagen "Ich bin schlicht " - und sie sind es gar nicht. Dann hilft eine entwicklungsbezogene Affirmation:
- Ich entwickle Schlichtheit.
- Ich werde schlicht.
- Jeden Tag werde ich schlichter.
- Durch die Gnade Gottes entwickle ich jeden Tag mehr Schlichtheit.
Dankesaffirmation für Schlichtheit
- Ich danke dafür, dass ich jeden Tag schlichter werde.
Wunderaffirmationen Schlichtheit
Du kannst es auch mit folgenden Affirmationen probieren, die Sukadev Volker Bretz als Wunderaffirmationen bezeichnet:
- Bis jetzt bin ich noch nicht sehr schlicht. Und das ist auch ganz verständlich, ich habe gute Gründe dafür. Aber schon bald werde ich Schlichtheit entwickeln. Jeden Tag wird diese Tugend in mir stärker werden.
- Ich freue mich darauf, bald sehr schlicht zu sein.
- Ich bin jemand, der schlicht ist.
Gebet für Schlichtheit
Auch ein Gebet ist ein machtvolles Mittel, um eine Tugend zu kultivieren. Hier ein paar Möglichkeiten für Gebete für mehr Schlichtheit:
- Lieber Gott, bitte gib mir mehr Schlichtheit.
- Oh Gott, ich verehre dich. Ich bitte dich darum, dass ich ein schlichter Mensch werde.
- Liebe Göttliche Mutter, ich danke dir. Ich danke dir dafür, dass ich jeden Tag die Tugend Schlichtheit mehr und mehr zum Ausdruck bringe.
Was müsste ich tun, um Schlichtheit zu entwickeln?
Du kannst dich auch fragen:
- Was müsste ich tun, um Schlichtheit zu entwickeln?
- Wie könnte ich schlicht werden?
- Lieber Gott, bitte zeige mir den Weg zu mehr Schlichtheit.
- Angenommen, ich will schlicht sein, wie würde ich das tun?
- Angenommen, ich wäre schlicht, wie würde sich das bemerkbar machen?
- Angenommen, ein Wunder würde geschehen, und ich hätte morgen Schlichtheit kultiviert, was hätte sich geändert? Wie würde ich fühlen? Wie würde ich denken? Wie würde ich handeln? Als schlichter Mensch, wie würde ich reagieren, mit anderen kommunizieren?
Vortragsmitschnitt zu Schlichtheit - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Schlichtheit, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden.
Siehe auch
- Tugend
- Raja Yoga
- Yoga Psychologie
- Meditation - Viele Infos und praktische Anleitungen
- Yoga Übungen
- Yogaschulen und Yoga Zentren
Eigenschaften im Alphabet vor Schlichtheit
Eigenschaften im Alphabet nach Schlichtheit
Literatur
- Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis
- Swami Sivananda: Inspirierende Geschichten
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda: Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Licht, Kraft und Weisheit
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Die Wissenschaft des Pranayama
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Göttliches Elixier
- Swami Sivananda: Götter und Göttinnen im Hinduismus
Weblinks
- Großes Yoga Portal
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