Sanskrit Kurs Lektion 95: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 1. Oktober 2024, 12:47 Uhr
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Das Gerundivum (5)
Neben dem Gerundivum auf -tavya (Lektion 49-51) und -ya (Lektion 94) gibt es eine dritte Möglichkeit, Gerundiva zu bilden, und zwar durch das Anfügen des Suffix -anīya:
- kṛ "tun, machen" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > karaṇīya "(ist, sind) zu tun, zu machen"
Bildung
Bei der Bildung des Gerundivums mit dem Suffix (Pratyaya) -anīya bleibt die Form der Verbalwurzel entweder unverändert, oder der Wurzelvokal erhält die Vollstufe.
Endet die Verbalwurzel auf einen Konsonanten (Vyanjana), so bleibt der Wurzelvokal a bzw. ā unverändert:
- vac "sagen, benennen" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > vacanīya "(ist, sind) zu sagen, zu benennen"
- sādh "ausführen, zubereiten, beweisen" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > sādhanīya "(ist, sind) auszuführen, zuzubereiten, zu beweisen"
Andere Wurzelvokale erhalten die Vollstufe (Guna):
- yudh "kämpfen" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > yodhanīya "(ist, sind) zu bekämpfen"
- dṛś "sehen" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > darśanīya "(ist, sind) zu sehen"; als Adjektiv auch: "sichtbar, ansehnlich, hübsch, schön"
Ebenso die Wurzelvokale der auf Vokal (Svara) auslautenden Wurzeln:
- śru "hören" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > śravaṇīya "(ist, sind) zu hören"; als Adjektiv auch: "hörenswert"
- hṛ "wegnehmen" (Wurzel) + -anīya (Gerundivum-Suffix) > haraṇīya "(ist, sind) wegzunehmen"
- Von den auf langes ā endenden vokalisch auslautenden Wurzeln wie dā "geben" und jñā "wissen" kann das Gerundivum auf -anīya nicht gebildet werden. Sie bilden die Gerundiva auf -tavya und -ya (s. die folgende Übersicht).
- Bei der Verbindung von Verbalwurzel und Suffix treten die Wohllautregeln des Sandhi in Kraft. Dabei bewirkt ein ṛ oder r (Repha) sowie ein (k)ṣ der Wurzel eine Zerebralisierung des n des Suffix -anīya zu ṇ: karaṇīya (von Wurzel kṛ) vs. sādhanīya (von Wurzel sādh).
Übersicht: Die Gerundiva einiger häufiger Verbalwurzeln
Die nachfolgende Übersicht zeigt die Formen der mit den Suffixen -tavya, -ya und -anīya gebildeten Gerundiva einiger wichtiger Verbalwurzeln (Dhatu) und deren Hauptbedeutung(en). Von manchen Wurzeln existieren alle drei Bildungsmöglichkeiten, von anderen nur zwei. Zuweilen unterscheiden sich die verschiedenen Gerundivformen in der Bedeutung, manchmal sind sie synonym.
Verbalwurzel | Bedeutung | mit Suffix -tavya | mit Suffix -ya | mit Suffix -anīya | Übersetzung |
---|---|---|---|---|---|
yuj | verbinden, anwenden | yoktavya | yojya | yojanīya | (ist, sind) zu verbinden, anzuwenden |
tyaj | verlassen, meiden, aufgeben | tyaktavya* | tyājya | tyajanīya | (ist, sind) zu verlassen, zu meiden, aufzugeben |
vac | sagen, benennen | vaktavya* | vācya | vacanīya | (ist, sind) zu sagen, zu benennen |
muc | befreien, freilassen | moktavya* | mocya | mocanīya | (ist, sind) zu befreien, freizulassen |
kṛ | machen, tun | kartavya | kārya | karaṇīya* | (ist, sind) zu machen, zu tun, herzustellen |
hṛ | wegnehmen | hartavya | hārya | haraṇīya | (ist, sind) wegzunehmen |
dhṛ | tragen, halten, bewahren | dhartavya | dhārya | dharaṇīya* | (ist, sind) zu tragen, zu halten, zu bewahren |
smṛ | erinnern, gedenken | smartavya | smarya, smārya | smaraṇīya* | (ist, sind) zu erinnern, zu gedenken |
gam | gehen | gantavya* | gamya | gamanīya | (ist, sind) zu (be)gehen, zugänglich, erreichbar, verständlich |
badh/bandh | binden, gefangen nehmen, verschließen | bandhya | bandhanīya | (ist, sind) zu binden, gefangenzunehmen, zu verschließen | |
budh | erwachen, verstehen, erkennen, wahrnehmen | boddhavya* | bodhya | bodhanīya | (ist, sind) zu erwecken, zu verstehen, zu erkennen, wahrzunehmen |
ji | siegen | jetavya | jeya | (ist, sind) zu besiegen, besiegbar | |
śru | hören | śrotavya | śravya, śrāvya | śravaṇīya* | (ist, sind) zu hören, hörbar, hörenswert |
bhū | sein, werden | bhavitavya | bhavya, bhāvya | bhavanīya | (hat, haben) zu sein, zu werden, zu geschehen; zukünftig |
vid | wissen, (er)kennen, kennenlernen, wahrnehmen | veditavya | vedya | vedanīya | (ist, sind) zu wissen, zu (er)kennen, kennenzulernen, wahrzunehmen, berühmt |
bhid | spalten, durchbohren | bhettavya* | bhedya | bhedanīya | (ist, sind) zu spalten, zu durchbohren |
chid | abschneiden, abhauen | chettavya* | chedya | chedanīya | (ist, sind) abzuschneiden, abzuhauen |
dah | verbrennen | dagdhavya* | dāhya | dahanīya | (ist, sind) zu verbrennen |
guh | verbergen, verhüllen, geheim halten | gūhitavya | guhya | (ist, sind) zu verbergen, zu verhüllen, geheim zu halten | |
grah | ergreifen, nehmen | grahītavya | grāhya | grahaṇīya* | (ist, sind) zu ergreifen, zu nehmen |
sev | aufsuchen, ehren, bedienen | sevitavya | sevya | sevanīya | (ist, sind) aufzusuchen, zu ehren, zu bedienen |
dṛś | sehen | draṣṭavya* | dṛśya | darśanīya | (ist, sind) zu sehen, sichtbar, ansehnlich, hübsch, schön |
sādh | ausführen, zubereiten, beweisen | sādhya | sādhanīya | (ist, sind) auszuführen, zuzubereiten, zu beweisen | |
bādh | verdrängen, vertreiben, beseitigen | bādhya | bādhanīya | (ist, sind) zu verdrängen, zu vertreiben, zu beseitigen | |
rakṣ | hüten, schützen, bewachen | rakṣitavya | rakṣya | rakṣaṇīya* | (ist, sind) zu hüten, zu schützen, zu bewachen |
gup | hüten, bewachen, geheimhalten | goptavya | gopya | gopanīya | (ist, sind) zu hüten, zu bewachen, geheimzuhalten |
vand | loben | vandya | vandanīya | (ist, sind) zu loben, lobenswert | |
man | meinen, denken, ehren | mantavya | mānya | (ist, sind) zu meinen, zu denken, anzusehen, zu beachten, zu ehren, ehrenwert | |
snā | (sich) baden | snātavya | sneya | (hat, haben sich) zu baden | |
jñā | (er)kennen, wissen, erfahren, wahrnehmen | jñātavya | jñeya | (ist, sind) zu (er)kennen, kennenzulernen, zu wissen, zu erfahren, zu erforschen, anzusehen, wahrnehmbar | |
pā | trinken | pātavya | peya | (ist, sind) zu trinken, trinkbar, schmeckbar | |
dā | geben, schenken | dātavya | deya | (ist, sind) zu geben, zu schenken | |
sthā | stehen, verweilen, bleiben | sthātavya | stheya | (hat, haben) zu stehen, zu verweilen, zu bleiben | |
gā/gai | singen | gātavya | geya | (ist, sind) zu singen |
*Anmerkung: Bei der Verbindung von Verbalwurzel und Suffix treten die Wohllautregeln des Sandhi in Kraft.
Syntax und Bedeutung
In der Funktion eines Adjektivs nimmt das Gerundivum Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) des Substantivs an, auf das es sich bezieht, und kann somit alle Kasusendungen der männlichen, weiblichen und sächlichen Substantive auf -a bzw. -ā annehmen.
Hier die Formen des Nominativ Plural Maskulinum, Femininum und Neutrum der Gerundiva Tyajaniya, Shravaniya und Rakshaniya:
- tyajanīyāḥ (Nom. Pl. m. + f.) / tyajanīyāni (Nom. Pl. n.): "(sie) sind aufzugeben, sollen/müssen aufgegeben werden"
- śravaṇīyāḥ (Nom. Pl. m. + f.) / śravaṇīyāni (Nom. Pl. n.): "(sie) sind hörenswert, sollen/müssen gehört werden"
- rakṣaṇīyāḥ (Nom. Pl. m. + f.) / rakṣaṇīyāni (Nom. Pl. n.): "(sie) sind zu schützen, sollen/müssen geschützt werden"
Hier ein weiterer Beispielsatz in der passiven Konstruktion (Karmani Prayoga), in der das Gerundivum stets verwendet wird. Das logische Objekt (Karman) der Handlung steht im Nominativ, das logische Subjekt bzw. der Agens (Kartri "Handelnder, Macher") steht im Instrumental:
- karma-phalāni tyajanīyāni yogibhiḥ |
Die Früchte der Taten (Karmaphala, Nom. Pl. n.) sollen aufgegeben werden (Tyajaniya, Nom. Pl. n.) von den Yogis (Yogin, Instr. Pl. m.).
Obwohl der Satz im Sanskrit in passiver Konstruktion steht, klingt er im Deutschen aktivisch flüssiger:
Die Yogis sollen die Früchte der Taten aufgeben.
Formen-Rätsel
Auflösung aus Lektion 94
- 1. b) हेय heya - (ist, sind) zu verlassen: gebildet von der Wurzel hā "verlassen"; vor dem Gerundivsuffix -ya wird das lange ā der Verbalwurzel zu e: hā + ya > heya.
- 2. b) (ist, sind) zu bekämpfen - योद्धव्य yoddhavya: gebildet von der Wurzel yudh "(be)kämpfen"; der Vokal u der Wurzel wird zu o (Guna); das stimmlose dentale t des Gerundivsuffix -tavya wird gemäß der Regeln des Sandhi an das stimmhafte dh der Wurzel assimiliert und somit zu stimmhaftem d, wobei die Aspiration (h) des Wurzelkonsonanten dh aus Gründen der Aussprache eine Stelle nach rechts rückt: yudh + tavya > *yodh-tavya > *yodh-davya > yoddhavya.
Neues Rätsel
Anhand der in dieser sowie Lektion 49 und Lektion 94 gegebenen Übersichten zur Bildung des Gerundivums auf -tavya, -ya und -anīya ist es möglich, die folgenden Gerundiva hinsichtlich Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) zu bestimmen. Viel Spaß beim Rätseln!
1. | Sanskrit - | Deutsch | 2. | Deutsch - | Sanskrit | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
द्रष्टव्यः draṣṭavyaḥ (Wurzel dṛś) | a) | (sie) sollen gesehen werden (Nom. Pl. m.) | (sie) sind zu hüten (Nom. Pl. f., Wurzel gup und rakṣ) | a) | गोपनीयानि gopanīyāni | |||
b) | (er) soll gesehen werden (Nom. Sg. m.) | b) | रक्षितव्या rakṣitavyā | |||||
c) | (es) soll gesehen werden (Nom. Sg. n.) | c) | गोप्याः gopyāḥ |
Die Auflösung findest Du in Lektion 96.
Fragen und Feedback
Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.
Weblinks
Seminare
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Sanskrit Grammatik Teil 1 - Online Kurs Reihe
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Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
- Sanskrit Kurs Lektion 10
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