Sanskrit Kurs Lektion 106: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Visarga]] bezeichnet den in der [[Devanagari]]schrift durch einen '''Doppelpunkt ( : )''' dargestellten, in der Transliteration durch '''ḥ''' gekennzeichneten Hauchlaut, der im Alphabet als '''अः aḥ''' wiedergegeben wird.
[[Visarga]] bezeichnet den in der [[Devanagari]]schrift durch einen '''Doppelpunkt ( : )''' dargestellten, in der Transliteration durch '''ḥ''' gekennzeichneten Hauchlaut, der im Alphabet als '''अः aḥ''' wiedergegeben wird.


Visarga ('''ḥ''') darf nicht mit dem Konsonanten '''ha''' ([[Devanagari]] ह), dem letzten Buchstaben des [[Sanskrit Alphabet]]s) verwechselt werden, der dem deutschen Laut '''h''' entspricht.
Visarga ('''ḥ''') darf nicht mit dem Konsonanten '''ha''' ([[Devanagari]]: ''''''), dem letzten Buchstaben des [[Sanskrit Alphabet]]s) verwechselt werden, der dem deutschen Laut '''h''' entspricht.


Visarga steht nur am Wort- bzw. Satzende und in einigen zusammengesetzten Substantiven ('''Kompositum''', [[Samasa]]). Die Aussprache von Visarga richtet sich, ähnlich wie die Aussprache von [[Anusvara]], nach der jeweiligen lautlichen Umgebung. Grundsätzlich kann '''vor''' Visarga immer nur ein [[Vokal]] stehen. '''Nach''' Visarga kommt entweder nichts (bzw. eine Pause), ein Konsonant oder ein Vokal. Visarga steht somit entweder:
Visarga steht nur am Wort- bzw. Satzende und in einigen zusammengesetzten Substantiven ('''Kompositum''', [[Samasa]]). Die Aussprache von Visarga richtet sich, ähnlich wie die Aussprache von [[Anusvara]], nach der jeweiligen lautlichen Umgebung. Grundsätzlich kann '''vor''' Visarga immer nur ein [[Vokal]] stehen. '''Nach''' Visarga kommt entweder nichts (bzw. eine Pause), ein Konsonant oder ein Vokal. Visarga steht somit entweder:

Version vom 28. Januar 2020, 16:08 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Die Wohllautregeln des Sandhi (6): Visarga

In der Lektion 101 haben wir begonnen, die Regeln des Sandhi etwas systematischer zu betrachten. Diese behandeln alle lautlichen Veränderungen, die beim Aufeinandertreffen von Wörtern (Shabda) oder Wortbestandteilen mit den beteiligten Lauten (Varna) nach genau beschriebenen Gesetzmäßigkeiten vor sich gehen. In dieser Lektion betrachten wir hinsichtlich der Regeln für das Zusammentreffen zweier Konsonanten den Sonderfall des Visarga. Dann gibt es die Auflösung des Formen-Rätsels aus Lektion 105 sowie ein neues Formen-Rätsel.

Überblick

Beim Aufeinandertreffen von Wörtern oder Wortbestandteilen gibt es grundsätzlich vier mögliche Fälle. Es treffen aufeinander:

  1. ein Vokal (Selbstlaut, Svara) und ein Konsonant (Mitlaut, Vyanjana) (V + K, s. Lektion 101)
  2. ein Konsonant und ein Vokal (K + V, s. Lektion 101)
  3. zwei Vokale (V + V, s. Lektion 102)
  4. zwei Konsonanten (K + K, s. Lektion 103) einschließl. Anusvara (s. Lektion 104-105) und Visarga

Visarga

Visarga bezeichnet den in der Devanagarischrift durch einen Doppelpunkt ( : ) dargestellten, in der Transliteration durch gekennzeichneten Hauchlaut, der im Alphabet als अः aḥ wiedergegeben wird.

Visarga () darf nicht mit dem Konsonanten ha (Devanagari: ), dem letzten Buchstaben des Sanskrit Alphabets) verwechselt werden, der dem deutschen Laut h entspricht.

Visarga steht nur am Wort- bzw. Satzende und in einigen zusammengesetzten Substantiven (Kompositum, Samasa). Die Aussprache von Visarga richtet sich, ähnlich wie die Aussprache von Anusvara, nach der jeweiligen lautlichen Umgebung. Grundsätzlich kann vor Visarga immer nur ein Vokal stehen. Nach Visarga kommt entweder nichts (bzw. eine Pause), ein Konsonant oder ein Vokal. Visarga steht somit entweder:

  1. im absoluten Auslaut
  2. vor einem Konsonanten
  3. vor einem Vokal

Visarga im absoluten Auslaut

Steht Visarga am Satzende, am Ende eines (Halb)Verses oder nach einem einzeln stehenden Wort - d.h. im absoluten Auslaut - wird er als ein Hauchlaut ausgesprochen, der den vorangehenden Vokal (Selbstlaut, Svara) wie ein schwaches Echo wiederholt, z. B.:

  • नमः nama sprich /namaha/ "die Verehrung" (Namas, Nom. Sg. n.)
  • कन्याः kanyā sprich /kanyāha/ "die Mädchen" (Kanya, Nom. Pl. f.)
  • कृतिः kṛti sprich /kritihi/ "das Werk" (Kriti, Nom. Sg. f.)
  • धीः dhī sprich /dhīhi/ "die Idee" (Dhi, Nom. Sg. f.)
  • गुरुः guru sprich /guruhu/ "der Lehrer" (Guru, Nom. Sg. m.)
  • भूः bhū sprich /bhūhu/ "die Erde" (Bhu, Nom. Sg. f.)
  • कवेः kave sprich /kavehe/ "des Dichters" (Kavi, Gen. Sg. m.)
  • बन्धोः bandho sprich /bandhoho/ "des Freundes" (Bandhu, Gen. Sg. m.)

Nach den beiden Diphthongen ai (ā-i) und au (ā-u) wird jedoch nur der zweite Teil des zusammengesetzten Lautes wiederholt:

  • अश्वैः aśvai sprich /aśvaihi/ "mit Pferden" (Ashva, Instr. Pl. m.)
  • गौः gau sprich /gauhu/ "die Kuh" (Go, Nom. Sg. f.)

Visarga vor einem Konsonanten

Steht Visarga () im Zusammenhang mehrerer Wörter (Satz) oder innerhalb eines Kompositums (Samasa), richtet sich seine Aussprache nach der stimmlichen Qualität, also der Stimmlosigkeit oder Stimmhaftigkeit des nachfolgenden Konsonanten (vgl. Übersicht stimmloser und stimmhafter Konsonanten). In all diesen Fällen wird Visarga nicht als Echo des vorangehenden Vokals, sondern als ein Konsonant ausgesprochen (und teilweise auch geschrieben), der in lautlicher Nähe des Folgekonsonanten liegt.

Visarga vor stimmlosem Konsonanten

Folgt auf ursprünglichen Visarga ein stimmloser Palatal (Talavya), Zerebral (Murdhanya), Dental (Dantya) oder ein Sibilant (Zischlaut, Ushman), dann wird Visarga () in Schreibung und Lautung in den entsprechenden Sibilanten (Zischlaut, Ushman) umgewandelt (ś, bzw. s):

  • nachfolgender stimmloser Palatal (c bzw. ch): उदितश्चन्द्रः uditaś candraḥ "der aufgegangene (Udita, Nom. Sg. m.) Mond (Chandra, Nom. Sg. m.)" (siehe auch das folgende Beispiel)
  • nachfolgender stimmloser Zerebral bzw. Retroflex ( bzw. ṭh): कुठारैष्टङ्कैश्च kuṭhāraiṣ ṭaṅkaiś ca "Mit Äxten (Kuthara, Instr. Pl. m.) und (Cha) Brecheisen (Tanka, Instr. Pl. n.)"
  • nachfolgender stimmloser Dental (t bzw. th): कस्त्वम् kas tvam "wer (Ka, Nom. Sg. m.) bist du (Tvam, Nom. Sg.)?"
  • nachfolgender Sibilant (Zischlaut, Ushman) (ś, bzw. s): es wird Visarga geschrieben, dieser in der Aussprache jedoch dem nachfolgenden Zischlaut angeglichen (assimiliert):
  1. नमः शिवाय namaḥ śivāya "Verehrung (Namas, Nom. Sg. n.) sei Shiva (Dat. Sg. m.)" sprich namaś śivāya, wobei die beiden ś ś zu einem langen ś zusammengezogen werden.
  2. तस्याः षष्टिहायनायाः tasyāḥ ṣaṣṭihāyanāyāḥ "dieser Tad, Gen. Sg. f.) Sechzigjährigen(Shashti-Hayana, Gen. Sg. f.)" sprich tasyāṣ ṣaṣṭihāyanāyāḥ
  3. निःसार niḥsāra "saftlos" (Nihsara) sprich nissāra

Jihvamuliya und Upadhmaniya

Jihvamuliya und Upadhmaniya stellen zwei Sonderfälle der Aussprache von Visarga da, insonfern sie zwei spezielle Sanskrit-Laute ergeben, die nur in diesen beiden Fällen (d.h. vor k- und p-Lauten) vorkommen.

  • nachfolgender stimmloser Guttural (k bzw. kh): प्रातःकाल prātaḥ-kāla "Morgenzeit" (Pratahkala) sprich prātach-kāla (ähnlich wie in "Dach-Kammer", aber weicher). Diese Aussprachevariante von Visarga heißt Jihvamuliya.
  • nachfolgender stimmloser Labial (p bzw. ph): परः परः paraḥ paraḥ "jeder folgende" (Para, Nom. Sg. m.) sprich: parawh-paraha (wobei wie beim Auspusten einer Kerze etwas Luft durch die leicht geöffneten Lippen entlassen, aber kein f-Laut gesprochen wird). Diese Aussprachevariante von Visarga heißt Upadhmaniya.

Visarga vor stimmhaftem Konsonanten

Vor einem unmittelbar nachfolgenden stimmhaften Konsonanten wird Visarga () wiederum verschieden behandelt. Er fällt entweder ganz aus, wird in ein r umgewandelt oder ergibt zusammen mit einem vorausgehenden kurzen a ein o. Wichtig ist hierbei die Qualität des vorangehenden Vokals:

  • nach langem ā fällt Visarga aus: ता मालाः tāḥ mālāḥ "diese (Tad, Nom. Pl. f.) Kränze (Mala, Nom. Pl. f.)" aus tāḥ + mālāḥ
  • nach i, ī, u, ū, e, ai, o und au wird Visarga in ein r umgewandelt: मधुर्गन्धः madhur gandhaḥ "ein lieblicher (Madhu, Nom. Sg. m.) Duft (Gandha, Nom. Sg. m.)" aus madhuḥ + gandhaḥ; कवेर्वाक् kaver vāk "des Dichters (Kavi, Gen. Sg. m.) Stimme (Vach, Nom. Sg. f.)" aus kaveḥ + vāk usw.
  • ein kurzes a wird zusammen mit folgendem Visarga (bzw. ursprünglichem s) zu o: पुरुषो गतः puruṣo gataḥ "der Mann (Purusha, Nom. Sg. m.) ist gegangen (Gata, Nom. Sg. m.)" aus puruṣaḥ + gataḥ; नमो गणेशाय namo gaṇeśāya "Verehrung (Namas, Nom. Sg. n.) sei Ganesha (Dat. Sg. m.)" aus namas + gaṇeśāya

Fragen und Feedback

Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.

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