Vegetarismus

Aus Yogawiki

Vegetarismus ist eine Ernährungsweise, bei der auf Fleisch- und Fischkonsum sowie auf alle Lebensmittel, die durch den Tod von Tieren hergestellt werden, verzichtet wird. Zurück geht der Begriff auf den Philosophen Pythagoras, der die Ansicht vertrat, dass der Mensch pflanzliche Nahrung anstelle von Fleisch zu sich nehmen sollte. Diese Ernährungsweise steht im Gegensatz zum System des Karnismus, das seit jeher gesellschaftlich als soziale Norm gilt.

Frisches auf dem Bio-Markt

Unterschieden werden der Ovo-lacto Vegetarismus, bei dem auf Fleisch und Fisch zwar verzichtet wird, nicht aber auf Eier und Milch. Im Lacto Vegetarismus werden zusätzlich Eier gemieden, da diese bereits ein ungeborenes Lebewesen darstellen. Diese Form entspricht der typisch yogischen Ernährung. Beim Ovo Vegetarismus werden hingegen Eier gegessen und Milchprodukte gemieden.

Weitere Formen sind der Veganismus, der auf alle tierischen Lebensmittel wie zum Beispiel Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Honig verzichtet, und die Rohkosternährung, bei der das Essen von Gemüse, Obst, Nüssen und Samen in frischer, nicht erhitzter Form im Fokus steht, sodass die vitale Energie erhalten bleibt. Formen vegetarischer Ernährung

Ca. 8-9% der deutschen Bevölkerung isst vegetarisch. Von den Menschen, die dem Vegetarismus zugeordnet werden, essen wiederum ca. 800.000 Menschen vegan.

Am 1. Oktober jeden Jahres ist Welt-Vegetarier-Tag - ein internationaler Aktionstag, der am Welt-Vegetarier-Kongress in Schottland 1977 von der „North American Vegetarian Society“ eingeführt wurde. VeBu.de: Weltvegetariertag - Vegetarisch boomt

Geschichte des Vegetarismus

Der griechische Mathematiker, Philosoph und Gelehrte Pythagoras lebte ca. 570-500 v. Chr. Und war der erste berühmte Vegetarier. Bis zur Begriffseinführung des Vegetarismus 1847 wurden Menschen, die sich fleischlos ernährten, in deutscher Sprache Pythagoräer genannt. Pythagoras und seine Anhänger vertraten die Auffassung, dass alles, was ein Mensch den Tieren antut, auf den Menschen zurück fällt und der Fleischgenuss Menschen aggressiv, gewalttätig und mordlüstern macht. Erst mit dem Vegetarismus, also wenn die Bereitschaft endet, Tiere für den gustatorischen Genuss zu töten, würde der Mensch auch aufhören, Menschen zu ermorden und Krieg zu führen.

Vegetarismus lässt sich vielfältig gestalten

Im Verlauf der Geschichte folgten Nachahmer des Vegetarismus wie zum Beispiel Ovid, Plutarch und Seneca. Mit der Zeit der Aufklärung fand der Vegetarismus durch bekanntere Anhänger wie Voltaire und Rousseau immer mehr Aufmerksamkeit. Eine richtige Bewegung des Vegetarismus entwickelte sich in Europa im 19. Jahrhundert. Als Startpunkt könnte man die Gründung des ersten Vegetarismus Vereins 1847 sehen, die „Vegetarian Society of the United Kingdom“. Zwanzig Jahre später folgte die erste deutsche „Vegetarische Vereinigung“. Vegetarier 02/2014

Gründe für Vegetarismus

Für viele Vegetarier ist insbesondere ihre eigene Gesundheit Grund, sich dem Vegetarismus anzuschließen. Gesellschaftskrankheiten wie z.B. Übergewicht entstehen insbesondere durch den Konsum von Fleisch. Skandale wie Gammelfleisch, Vogelgrippe oder BSE schrecken zusätzlich ab. Auch aus ernährungsphysiologischer Perspektive hilft Vegetarismus, da Erkrankungen wie ein zu hoher Cholesterinspiegel, Diabetes, Gicht, Fettstoffwechselstörungen, Hypertonie etc. durch eine höhere Fett- und Eiweißaufnahme entstehen, die vor allem durch erhöhten Fleischkonsum bedingt ist. Auch die Verringerung der Schadstoffaufnahme oder ökologische, religiöse oder ethische Aspekte können ausschlaggebend für Vegetarismus sein. Und manchen Menschen schmeckt Fleisch schlichtweg nicht oder sie können den Geruch nicht gut ertragen. Vegetarismus

Ethische Aspekte, die zum Vegetarismus führen, sind vor allem die Zustände der Massentierhaltung und Tiertransporte, die zu enge und lieblose Käfighaltung, der Stress und Adrenalinausstoß bei Schlachtungen. Um die geschmacklichen Gelüste der Menschen zu befriedigen, werden jährlich weltweit über zwei Milliarden Tiere von der Weide oder aus dem Stall und über 20 Milliarden Geflügeltiere umgebracht.

Ökologische Gründe für Vegetarismus beinhalten die Entstehung von Treibhausgasen, die allein durch die Rinderzucht höher ist, als durch alle Autos zusammen und die laut Washingtoner Worldwatch Institute zu über 50% durch die Massentierhaltung bedingt ist. Zudem ist der Wasserverbrauch ein großes Argument, da die Produktion von 1kg Fleisch so viel Wasser verbraucht, dass man davon 1 Jahr lang jeden Tag duschen könnte. Besorgniserregend ist auch die Rodung von großen Gebieten des Regenwaldes in den Entwicklungsländern, um Weideflächen oder Anbauflächen für Futtermittel zu gewinnen. Auf einer Fläche, die 50kg Fleisch erzeugt, könnten in einem System, das den Vegetarismus lebt, ebenso 6000kg Karotten, 4000kg Äpfel oder 1000kg Kirschen angebaut werden. Vegetarier

Der Mangelmythos

Wie die Fleischindustrie oft Glauben machen will, sei Vegetarismus einseitig und ungesund, weil nicht genug wichtige Nahrungsbestandteile aufgenommen würden. Um Mangelerscheinungen durch Vegetarismus zu vermeiden, ist es tatsächlich notwendig, dass die Ernährung abwechslungsreich gestaltet wird. Sind die wichtigsten Nährstoffe (Vitamin 12, Vitamin D, Eisen, Kalzium und Eiweiß) enthalten, ist der Gesundheitszustand im Vegetarismus jedoch deutlich besser als bei Fleischessern. Beispielsweise senkt sich durch die ballaststoffreiche Nahrung des Vegetarismus das Risiko an Dickdarmkrebs zu erkranken.

Kartoffeln enthalten wichtige Kohlenhydrate

In der täglichen Nahrung enthalten sein sollte:

  • Wasser (mind. 1,5l)
  • Obst und Gemüse (mind. 500g)
  • Getreideprodukte und Kartoffeln
  • Milchprodukte und Milch (je nach Form des Vegetarismus)
  • Eier und Hülsenfrüchte (je nach Form des Vegetarismus)
  • Pflanzenöle und pflanzliche Fette

Süßes und Zucker sind schnelle Energielieferanten und im Vegetarismus recht beliebt. Da diese aber auch ebenso schnell verbrannt werden, sollten sie nur in Maßen genossen werden. Alternative Speisen, die sich im Vegetarismus anbieten, sind darüber hinaus Tofu (aus Sojamilch), Tempeh (Soja-Weichkäse), Miso (Soja-Gewürzpaste), Quorn (Pilzprodukt), Seitan (Weizenprodukt), Soja- und Weizeneiweiße. Vegetarismus

Mythos Bio-Fleisch

Was unter fairer Massentierhaltung verstanden wird, sind Richtlinien, die die Zustände der konventionellen Haltung verbessern, verglichen aber mit der Haltung von Haustieren, sind diese Zustände im Sinne des Vegetarismus immer noch Tierquälerei. Bio- und Tierschutzsiegel sorgen für eine leichte Verbesserung der Zustände – eine Reaktion auf das kritischere Konsumverhalten der Verbraucher. Aber selbst die großzügigsten Gütebestimmungen bieten den Tieren kaum mehr Platz: ein Schwein verbringt in der Massentierhaltung sein gesamtes Leben im besten Falle auf 1,5qm. Auch in der vom Vegetarismus kaum minder abgelehnten Bio-Massentierhaltung gelten sonst grausame und radikale Regeln, die dafür sorgen, dass Tiere überzüchtet sind, Schmerzen leiden, ihre Mütter niemals sehen, eingepfercht leben müssen und schließlich gewaltsam umgebracht werden. Ob Bio oder nicht, was der Vegetarismus erkannt hat: Es gibt kein faires Fleisch. Es gibt lediglich eine Marktnische, die das Gewissen erleichtern soll, ganz nach dem Motto: Besser Bio als gar kein Ernährungsbewusstsein. Es gibt kein faires Fleisch 02/2014. taz.de

Der typische Vegetarier. Eine wissenschaftliche Studie zum Vegetarismus

An der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde der typische Vegetarier untersucht. Dabei wurden insgesamt 2517 Vegetarier befragt. Die Auswertung der ersten Welle ergab folgenden Steckbrief des deutschen Durchschnittsvegetariers:

Junge Vegetarierin bei der Speisenzubereitung
  • weiblich (zu 70%)
  • jung (überwiegend zwischen 20 und 29)
  • in einer Großstadt wohnhaft
  • überdurchschnittlich gebildet

Die angegebenen Gründe für den eigenen Vegetarismus waren insbesondere die widrigen Zustände bei der Massentierhaltung, den Tiertransporten, der Tierquälerei und der Schlachtung sowie der Einfluss von Menschen im näheren Umfeld, welche die betreffenden Personen erst auf den Vegetarismus gebracht haben. Im Vergleich zwischen Männern und Frauen zeigt sich, dass die Beweggründe recht deckungsgleich und in erster Linie moralischer Natur (Tierschutz/Tierrechte) sind. Auch gesundheitliche (Wohlbefinden, Fleischskandale) und emotionale Gründe (Geschmack von Fleisch) spielen bei einigen eine Rolle für die Entscheidung zum Vegetarismus. Dennoch zeigt sich, dass Frauen noch ein wenig häufiger moralische Motive angaben, während Männer ein bisschen öfter als Frauen gesundheitliche Gründe angaben. In erster Linie überwiegen aber die moralischen Beweggründe, mit dem Vegetarismus zu beginnen. Der Ekel vor Fleisch ist beim emotionalen Vegetarismus und beim moralischen Vegetarismus am intensivsten ausgeprägt, während der Ekel vor anderen, aber verdorbenen Lebensmitteln bei allen Formen des Vegetarismus gleich ausgeprägt ist. Andere Menschen, die Fleisch essen, rufen insbesondere bei Menschen der Kategorie des moralischen Vegetarismus Ärger hervor, weniger aber bei Anhängern des emotionalen Vegetarismus. Ergebnisse der Vegetarierstudie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Weitere Studien haben überdies ergeben, dass der durchschnittliche Gesundheitsstatus durch den Vegetarismus deutlich besser ist, als der gesamtdurchschnittliche Gesundheitsstatus aller Menschen (Vegetarismus schon mit einrechnet). Vegetariertag 2014

Unabsichtlicher Fleischkonsum trotz Vegetarismus

Viele vegetarische oder vegane Produkte, wie zum Beispiel Saft, Gemüsebrühe oder Chips enthalten in der Regel tierische Bestandteile, wie z.B. einschlägige Fruchtgummi-Sorten, Pudding oder Kuchen mit Gelatine, aber auch Limonaden, die mit Karmin gefärbt sind. Dieser rote Farbstoff ist ebenfalls tierischen Ursprungs. Der folgende kleine Überblick kann helfen, sich bewusst zu machen, wo und wie diese tierischen Bestandteile trotz angeblicher Eignung für Vegetarismus versteckt sein können:

  • Brezeln: enthalten oftmals Schweineschmalz
  • Obst, das eingewachst wurde: Schellack wird von Lackschildläusen hergestellt
  • Multivitaminsäfte von Hohes C und Valensina: tierische Gelatine
  • Valensina: Orange-Mango-Ananas: tierische Gelatine
  • Frischkäse von Rotkäppchen und Bresso: tierische Gelatine
  • Quark von Milram: tierische Gelatine
  • Maggi Tomaten Cremesuppe von Nestlé: Speck
  • funny-frisch salzige Snacks: Wild, Lab, Schwein
  • Ritter Sport milchfreie Sorten Marzipan und Halbbitter: können Milchzucker enthalten
  • Katjes: Yoghurt-Gums: Hersteller verweigert Auskunft

In diesen vegetarischen Produkten stecken Tierbestandteil. RP online

Gesetzlich müssen diese Inhaltsstoffe auf den Verpackungen nicht ausgewiesen werden, was den Anhängern des Vegetarismus den Überblick erschwert. Zum einen muss tierische Gelatine nicht als Tierbestandteil aufgeführt werden, wenn das eigentliche Produkt nicht aus Fleisch besteht. Zum anderen gibt es eine Reihe von für den Vegetarismus ungeeigneten Lebensmittelzusatzstoffen, sogenannten E-Nummern, die aus Tierischem gewonnen werden, wie zum Beispiel:

  • E 120 – Cochenille (auch Karmin): häufig in roten Säften
  • E 322 – Lecithin: Antioxidationsmittel, Emulgator, Mehlbehandlungsmittel und Stabilisator
  • E 901 – Bienenwachs weiß und gelb: Überzugsmittel
  • E 904 – Schellack: Überzugsmittel (häufig für Süßspeisen)
  • E 1105 – Lysozym: Überzugsmittel (häufig für Käse)

Diese E-Nummern sind tierischen Ursprungs. RP online Hilfreich ist es, auf spezielle Vegetarismus Siegel der Produktverpackungen für vegetarische und vegane Lebensmittel zu achten, die einem bekannt sind und deren Richtlinien man kennt wie z.B. das international geschützte Gütesiegel „V-Label“, das vegetarische und vegane Lebensmittel kennzeichnet.

Plädoyer für den Vegetarismus

Fleischgenuss kam dadurch zustande, dass zeitweilig – besonders im Winter – keine andere Nahrung zugänglich war. Weil der Karnismus jedoch auch bei einseitiger Ernährung (nur Fleisch essen) Kraft brachte und das Essen einfach schmeckte setzte sich der Fleischkonsum durch. Später dann waren die besonderen Fleischgerichte auch Zeichen von Wohlstand und sozialer Anerkennung. Als Vegetarier gehörte man zu einer sehr kleinen Randgruppe der Gesellschaft und musste sich mit seinem Außenseitertum anfreunden. Vegetarismus war keine Lebensform, sondern etwas Suspektes. Anekdoten über berufliche Missgeschicke eines vegetarischen Bekannten oder Familienmitgliedes wurden zu jener Zeit sogar allzu gerne mit dem Vegetarismus begründet.

Heute sieht die Welt da offener aus: es gibt vegetarische Supermärkte, Cafés und Restaurants, berühmte Persönlichkeiten, die vegetarisch leben oder sich für den Vegetarismus einsetzen. Es gibt sogar die ein oder andere Subkultur, deren Identifikation nicht nur über Musik, sondern auch die Ernährung (Vegetarismus oder Veganismus stattfindet (Anm. d. Red.: z.B. Straight Edge, Krishna-core – beides im weitesten Sinne Hardcore Punk).

Im Vegetarismus verbreitet sind Argumente gegen den Fleischkonsum, die oftmals gesundheitliche Aspekte aufzählen, meist unter Andeutung der am häufigsten durch Fleischkonsum entstehenden Krankheiten, oder die sich auf die immense Treibhausgasemission beziehen, welche zu über 50% durch die Massentierhaltung bedingt ist. Die Frage, die dabei offen bleibt, ist: Darf man Tiere eigentlich töten?

Seit einiger Zeit existieren Menschenrechtsgesetze, die das Recht körperlicher Unversehrtheit des Menschen festlegen, während Tiere beispielsweise bei lebendigem Leibe gekocht, in der Massentierhaltung der Schädel eines Tieres mit einem Metallbolzen zerspalten wird oder sie kopfüber gehängt in ein elektrisches Wasserbad getaucht werden. Bleibt die Frage, ob wir uns nicht seit Jahrtausenden täuschen und die geltende soziale Norm, wie Anhänger des Vegetarismus schon längst meinen, nicht ein riesiger Irrtum ist.

Durchschnittlich vertilgt jeder Fleisch essende Mensch in seinem Leben vier Rinder, 46 Schwein, vier Schafe, 46 Truthähne, zwölf Gänse, 37 Enten und 945 Hühner, die er wahrscheinlich selbst zu schlachten nicht imstande gewesen wäre. Argumente für den Karnismus sind widersprüchlich: einerseits wird damit argumentiert, dass Menschen nicht anders können, weil sie selbst nur Tiere sind und es dem Kreislauf der natürlichen Nahrungskette entspreche, dass Tiere eben Tiere töten. Auf der anderen Seite wird mit der evolutionären Überlegenheit der Menschheit als Freiticket zum Tieretöten argumentiert.

Die Aussage „es liegt in der Natur der/des...“ ist ein Argument, dass nicht nur Diskussionen über Vegetarismus schnell beendendet, wenn es im Sinne der genetischen Determination, Gottgegebenheit o.ä. verwendet wird, übrigens auch beim Thema „Natur der Frau“, „Natur der Schwarzen“ usw. Jedoch ist das Argument für den Karnismus, nämlich dass die Urahnen es schon so lebten, in den meisten Fällen ein Argument, das umgekehrt, nämlich gegen ein bestimmtes Verhaltensmuster, verwendet wird: In der Regel ist der Mensch sehr stolz auf seine Zivilisation, Kultur und technischen Fortschritte, mit denen er sich vom Urmensch abgrenzen kann. Auch aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive spricht rein gar nichts gegen den Vegetarismus.

Für andere Karnisten ist hingegen die kulturelle Überlegenheit (der Mensch kann Beethoven genießen und auf einer Yacht segeln) das Argument gegen den Vegetarismus. Schon früh wurde im Christentum die Legende verbreitet, dass Tiere keine Seele hätten und der Schöpfer das tierische Leben für unseren Nutzen angepasst hätte. Seltsam ist dann nur, dass die Intelligenz der Affen ausreicht, sie zu dressieren, der Mensch mit Pferden flüstert und jede Gefühlsregung des eigenen Haustieres von den Augen abliest. Kommunikation zwischen Tieren und Menschen ist also sehr gut möglich und aufgrund letztlich sehr geringer Unterschiede in der Erbinformation eigentlich auch nicht überraschend. Das Paarungsverhalten, Zusammenleben in Gruppen und Familiengefügen, das gesamte Nervensystem, die Fähigkeit zu Emotionen, Angst, Panik oder Schmerzempfinden sind bei Menschen und Tieren gleich. Wir mögen in der Hinsicht kognitiver Fähigkeiten überlegen sein. In der Differenziertheit der Sinneswahrnehmungen, dem implementierten Navigationssystem, der inneren Balance, der Anmut ihrer Bewegungen und ihrer Genügsamkeit jedoch sind Tiere uns sogar ganz unabhängig vom Vegetarismus weit überlegen.

In den einen Kulturen werden Hunde und Katzen verzehrt, die hierzulande als Haustiere geliebt und gehätschelt werden, in anderen Kulturen werden Rinder verspeist, die andernorts als heilig gelten. Welche Tiere nun getötet werden dürfen, ist festgelegt von Sitten, Geschmack und Mode. Der grausamen Vorstellung, das eigene Haustier zu essen, möchte sich selbst ohne ein Leben im Vegetarismus niemand bis zum letzten Gedanken unterziehen – vielleicht weil die Liebe zum Tier auch die Akzeptanz der eigenen tierischen Anteile des Menschen in sich birgt. Umso schlimmer ist es, dass wir diese immenente Kraft in uns beim Mittagstisch regelmäßig wieder wegbeißen und den inneren Konflikt der Selbstakzeptanz schon an dieser trivialen Stelle nicht aufzulösen vermögen. Müsste man die Tiere für das eigene Essen selbst töten, würde der Fleischkonsum drastisch zurückgehen – ein gutes Zeichen für unsere nach wie vor vorhandene Empathiefähigkeit, die leider durch die Fleischindustrie manipuliert wird: abgepackte, gesäuberte und zerkleinerte Tiere sind als solche nicht mehr zu erkennen. Der Bezug zur realen Tierwelt, auf den im Vegetarismus so viel Wert gelegt wird, geht verloren. Stattdessen füllen einzelne, auserkorene Haustiere, Kuscheltiere und Comic-Helden die Lücke. Ein Glücksschwein aus Plüsch – letztlich ein Stück Stoff – bekommt des Kindes volle Liebe, welches, dem Vegetarismus nicht angehörend, am selben Tag das echte, reale Schwein verspeist, das auf grausame Weise sein Leben geben musste.

Aus alledem folgt nun, dass der Karnismus sich eher durch Unbewusstheit, Lust am Genuss und Bequemlichkeit trägt, als durch eine tatsächliche Notwendigkeit zum überleben, die den Vegetarismus ernsthaft in Frage stellen würde, und dass die Massentierhaltung zu boykottieren ist. Verzicht auf Fleisch hilft den Menschen und den Tieren und wird zumindest schon mal einige Probleme dieser Welt lösen. Es ist sicherlich selbst durch Vegetarismus oder Veganismus schwer möglich, eine totale Gerechtigkeit im Zusammenleben mit Tieren herzustellen, da es eine solche schon unter den Menschen nicht wirklich gibt. Aber daraus sollte man nicht schließen, dass die absolute Ungerechtigkeit legitimiert sei. Dass sich aus dem gelebten Vegetarismus dann wieder neue Fragen ergeben, bleibt nicht aus. Sie sind es aber wert, gestellt zu werden. Tiere sind auch nur Menschen 08/2010. Iris Radisch, Zeit Online.

Berühmte Vegetarier

Frisch und lecker muss es sein

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Radikaler Vegetarismus

Nicht nur die Dramatik der Lyrik des Gegenwartspoeten, Sänger und Gründer der „Smiths“ Morrissey ist radikal, auch seine Ansicht über den Verzehr von Fleisch. Er nimmt den Vegetarismus sehr ernst. Gegessen wird schon längst nicht mehr, um zu leben, sondern weil es gut schmeckt. Weil der Fleischverzehr zum Erhalt von Körper und Gesundheit in der heutigen Zeit hierzulande nicht mehr nötig ist, setzt sich Morrissey stark für Tiere und den Vegetarismus ein. Seine Vergleiche sind drastisch; so sei Grillen nicht nur Gewalt, sondern Burger King wie der Holocaust und Tiere essen generell wie Pädophilie. Er bricht ein Konzert ab, wenn er Fleischgeruch wahrnimmt. Lernt er jemanden kennen, der Lebewesen ist, verlässt er die Situation. Fleisch essen ist wie Kinder schänden

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

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