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Version vom 27. Juni 2014, 12:34 Uhr
Pranayama Didaktik: Wie unterrichtet man Pranayama bei Yoga Vidya. Tipps für Yogalehrende und Pranayama Übende
Pranayama zu unterrichten ist eine besondere Herausforderung und eine besondere Kunst. Pranayama Unterricht ist sehr subtil. Es hängt sehr stark vom Yogalehrer, von der Yogalehrerin ab, ob Yoga Teilnehmer Pranayama schätzen lernen oder eben nicht.
Stellenwert von Pranayama bei Yoga Vidya
Bei Yoga Vidya spielt Pranayama im Hatha Yoga Unterricht eine besondere Rolle. Zum einen gibt es in jeder Hatha Yoga Stunde Pranayama als eigenständige Atemübungen. Zum zweiten gehört das bewusste Atmen und das Arbeiten mit Atem und Prana zu jeder Asana, Yogastellung, dazu. Zum dritten nutzen wir den Atem als wichtige Hilfe, um in die Meditation zu gelangen.
Pranayama ist der Schlüssel für subtilere Erfahrungen im Hatha Yoga, für subtileres Prana, für spirituelle Erweckung. So ist es sehr wichtig, dass Pranayama gut unterrichtet wird.
Bei Yoga Vidya gehört daher zu jeder Yogastunde Pranayama dazu. Auf Yogalehrer Ausbildungen lernen Yogalehrer/innen, wie sie die Grundatemübungen unterrichten. In separaten Yogalehrer Weiterbildungen können ausgebildetete Yogalehrer lernen, weiterführende Atemübungen anzuleiten, sowohl für Kundalini Yoga als auch im Kontext von Ayurveda, Yogatherapie und psychologische Yogatherapie.
Für die Unterrichtsdidaktik ist Folgendes von besonderer Bedeutung: - Reihenfolge: Wann wird welche Atemübung gelehrt? - Hilfestellungen: Wie kann man Teilnehmern beim Pranayama unterstützen? - Stimme und Konzentrationshilfen beim Pranayama
Reihenfolge: Wann wird welche Atemübung gelehrt?
Yoga Aspiranten können Yoga lernen an Yoga Intensiv-Wochenenden bzw. einer Yoga Ferienwoche z.B. in einem Ashram, oder in mehrwöchigen Kursen, z.B. in Yoga Zentren, Volkshochschulen, Fitnesszentren etc. Die meisten Menschen in Deutschland lernen Yoga in mehrwöchigen Kursen. Angenommen, ein Yogakurs dauert insgesamt 12-15 Wochen und die Teilnehmer besuchen ein Mal pro Woche einen Yoga Kurs und bekommen Empfehlungen für die eigene Yoga Praxis zuhause. Dann empfiehlt sich das Erlernen von Pranayama in folgender Reihenfolge:
- Bauchatmung: Gleich in der ersten Stunde erlernen Teilnehmer die Bauchatmung. Am leichtesten kann die Bauchatmung im Liegen erlernt werden: Die Teilnehmer legen sich auf den Rücken und geben eine Hand auf den Bauch. Beim Einatmen hebt sich der Bauch, beim Ausatmen senkt sich der Bauch. Die Einatmung dauert etwa 3-4 Sekunden, die Ausatmung dauert etwa 3-4 Sekunden. Typische Anleitung in einer Yogastunde kann sein: „Ihr liegt auf dem Rücken, Beine auseinander, Arme vom Körper weg. (…) Lege eine Hand auf dieNabelgegend. Spüre den Atem dort. Beim Einatmen hebt sich der Bauch. Beim Ausatmen senkt sich der Bauch. Jetzt vertiefe den Atem. Atme vollständig aus, dabei senkt sich der Bauch. Atme sanft ein, dabei hebt sich der Bauch. Atme etwa 3-4 Sekunden lang ein, atme etwa 3-4 Sekunden lang aus. Stelle dir beim Einatmen vor, dass du neues Licht, neue Positivität einatmest. Stelle dir beim Ausatmen vor, dass du ganz entspannst. Wiederhole beim Einatmen: „Ich öffne mich“. Wiederhole beim Ausatmen: „Ich lasse ganz los“. Atme so etwa 10-15 Atemzüge lang tief ein und aus“.
Wenn der Teilnehmer die Bauchatmung im Liegen beherrscht, kommt als nächstes die Bauchatmung im Sitzen und im Stehen. Dies kann gleich in der ersten Stunde geschehen, oder auch erst in der zweiten oder dritten.
Schon in der ersten Stunde achtet der Yogalehrer immer wieder auf die Bauchatmung und erinnert die Teilnehmer daran, in jeder Asana, und in den Zwischenentspannungen zwischen den Asanas, tief mit dem Bauch zu atmen. Wichtig ist dabei das vollständige Ausatmen und das sanfte Einatmen. Beim Einatmen werden die Lungen also nur zu etwa ¾ gefüllt.
Wechselatmung
Nach der Bauchatmung lernen die Teilnehmer die Wechselatmung, Anuloma Viloma bzw. Nadi Shodhana genannt. Bei Yoga Vidya lernen die Teilnehmer die Wechselatmung in der dritten Stunde. Der Yogalehrer erläutert zunächst, wofür die Wechselatmung gut ist: Für Konzentration, Ausgleich der Hirnhälften, für die Durchlüftung beider Nasendurchgänge und damit zur Vorbeugung gegen Erkältung, für die Harmonisierung von Ida und Pingala und damit für den Ausgleich von Sonnen- und Mondenergie.
Anschließend zeigt der Yogalehrer, wie die Wechselatmung geübt wird: Er zeigt die Vishnu Mudra Handhaltung und lässt die Teilnehmer diese Handhaltung einnehmen. Der Yogalehrer weist die Teilnehmer darauf hin, dass der Kopf in der Mitte bleiben soll und beide Schultern entspannt unten bleiben sollen.
Dann sagt der Yogalehrer die Wechselatmung an. Bei der ersten Stunde, in der die Teilnehmer die Wechselatmung üben, kommt der Rhythmus 4:4:8 zum Einsatz: Die Teilnehmer atmen durch das linke Nasenloch 4 Sekunden lang ein, halten die Luft 4 Sekunden lang an, atmen 8 Sekunden lang durch das rechte Nasenloch aus. Dann atmen sie 4 Sekunden lang durch das rechte Nasenloch ein, halten die Luft 4 Sekunden lang an und atmen 8 Sekunden lang durch das linke Nasenloch aus. Das ist eine Runde. Insgesamt üben die Teilnehmer in dieser Yogastunde etwa 5-10 Runden Wechselatmung.
In der nächsten Stunde wird der Rhythmus auf 4:8:8, in der übernächsten Stunde auf 4:12:8 gesteigert. Wann die Steigerung auf den klassischen Rhythmus 4:16:8 kommt, hängt ganz von den Teilnehmern ab. Bei Yoga Vidya wird die Wechselatmung in den ersten Wochen nach der Anfangsentspannung geübt.
Kapalabhati
In der 6. Stunde können die Teilnehmer Kapalabhati, den Schnellatem, auch Feueratem genannt, lernen. Der Yogalehrer erläutert zunächst wofür Kapalabhati gut ist: Zur Reinigung der Lungen, Aktivierung des Bauchraums, für die Gesundheit der Organe, für mehr Sauerstoff, für einen klareren Kopf – Kapalabhati heißt ja strahlender Kopf, scheinender Schädel. Kapalabhati schenkt neue Wachheit und gibt viel Prana, Lebensenergie. Beim ersten Mal empfiehlt es sich, nicht zu viel über die Ausführung der Übungen zu sagen. Wenn man nämlich zu viel erklärt, denken Teilnehmer es sei sehr kompliziert und verspannen sich. Es ist besser Kapalabhati in einfach vorzumachen, und dann mit den Teilnehmern zusammen die Ausatemzüge machen. Bei der ersten Runde wird etwa 20-30 Mal schnell geatmet, dann folgen 2 tiefe normale Atemzüge. Dann folgt eine sanfte Einatmung und 10-20 Sekunden lang Luftanhalten. Dann folgen 2 weitere Runden mit ebenfalls 20-30 schnellen Atemzügen und 10-20 Sekunden Luftanhalten. In der ersten Stunde, in der Kapalabhati gelehrt wird, bekommen die Teilnehmer nicht sehr viele Erläuterungen und auch kaum Hilfestellungen und Korrekturen. In der nächsten Kursstunde erläutert der Yogalehrer Kapalabhati genauer, geht auf Details ein und gibt Hilfestellungen. Je nach den Fortschritten der Teilnehmer kann in den nächsten Wochen schrittweise die Anzahl der Ausatmungen pro Runde auf 40-60 und das Atemanhalten auf bis zu einer Minute gesteigert werden. Die Wechselatmung wird auch weiter geübt, und zwar nach Kapalabhati. Im Anfängerkurs kann zwischen Kapalabhati und Wechselatmung auch Entspannung auf dem Rücken praktiziert werden.
Vollständiger Yoga Atem
Der vollständige Yoga Atem wird etwa in der 11. oder 12. Stunde gelehrt. Der vollständige Yoga Atem besteht aus der Bauchatmung, Brustatmung und Lungenspitzenatmung die harmonisch ineinander übergehen. Es ist wichtig, dass die Bauchatmung sehr gut beherrscht wird, bevor man den vollständigen Yoga Atem übt. Der Bauchraum und das Zwerchfell müssen entspannt sein – sonst wird aus dem Versuch der vollständigen Yoga-Atmung eine reine Brustatmung oder Lungenspitzenatmung oder ein verspannter Atem. Am einfachsten lernt man die Bauchatmung im Liegen und legt dabei eine Hand auf die Nabelgegend und die andere auf das untere Brustbein. Beim Einatmen hebt sich erst der Bauch, dann Bauch und Brust zusammen, zum Schluss nur noch die Brust. Auf die Lungenspitzenatmung muss man dabei nicht besonders achten: Wenn der Yoga Übende wirklich vollständig eingeatmet, füllen sich auch die Lungenspitzen. Zu beachten ist, dass zum Schluss der Bauch nicht eingezogen wird (Ausnahme: Wenn man Uddhiyana Bandha übt am Ende der Einatmung, geht natürlich der Bauch rein – das ist aber nur für fortgeschrittenere Teilnehmer). Beim Ausatmen senkt sich erst der Brustkorb, dann Brust und Bauch zusammen, zum Schluss senkt sich der Bauch weit nach unten. Der Atem ist dann vollständig, wenn die Lungen beim Einatmen wirklich so vollständig gefüllt und geleert werden wie es geht.
Ein Yogalehrer muss sehr genau schauen und Hilfestellungen geben, damit die Teilnehmer die vollständige Yoga Atmung korrekt ausführen.
Um die Atmung noch vollständiger werden zu lassen, können Yoga Übende auch die Hände an die Flanken, also die seitlichen Rippen geben und so sich vergewissern, dass sich der Brustkorb beim Einatmen wirklich nach außen ausdehnt und beim Ausatmen wieder nach innen geht.
Wenn der vollständige Yoga Atem im Liegen beherrscht wird, kann er auch im Sitzen und Stehen geübt werden. Wenn Yoga Übenden den vollständigen Yoga Atem beherrschen, können sie den vollständigen Atem immer wieder anwenden:
- Bei Kapalabhati: Bei den Zwischenatmungen zwischen zwei Runden Kapalabhati sowie bei den Zwischenatmungen zwischen dem Schnellatmen und dem Luftanhalten
- Vor und nach der Wechselatmung
- Bei den weiteren Pranayamas wie Bhramari, Sitali, Sitkari, Murccha
- In den Asanas immer dann wenn besonders aktiviert werden soll
- Auch zur Einleitung der Meditation
- Am Tag immer dann wenn mehr Sauerstoff und Energie (Prana) benötigt wird
Hilfestellungen für Pranayama
Wenn man einem Yoga Übenden helfen will beim Pranayama, muss man sehr behutsam vorgehen. Folgende Möglichkeiten hat ein Yogalehrender:
- Bei der Bauchatmung im Liegen kann man ein Kissen auf den Bauch legen – so spürt der Yoga Übende die Bewegung des Bauches leichter. Bei einem (oder zwei) dicken Kissen kann er sogar die Bewegung des Bauches spüren
- Evtl. kann der Yogalehrer auch seine Hand auf die Hand des Übenden, die auf dem Bauch liegt, legen – das bedarf aber eines Vertrauensverhältnisses zwischen Lehrer und Schüler
- Bei Kapalabhati sollte der/die Yogalehrerin darauf achten, dass Rücken, Nacken und Kopf gerade sind. Hilfestellungen sollten, insbesondere wenn sie Nacken und Kopf betreffen, sehr einfühlsam und sanft sein.
- Bei der Wechselatmung sollte der/die Yogalehrerin besonders darauf achten, dass der Kopf des Übenden in der Mitte bleibt und nicht nach rechts gedreht wird. Auch die Schultern sollten entspannt und unten bleiben, insbesondere sollte die rechte Schulter nicht hoch gehoben werden. Auch dazu kann der/die Yogalehrer/in einfühlsame Hilfestellungen geben.
Hilfestellungen beim Pranayama zu geben ist nicht so einfach: Die Ansagen für die Atemübungen müssen ja sehr exakt und zeitlich genau getaktet sein. Dabei Hilfestellungen gut und einfühlsam geben zu können braucht einiges an Erfahrung
Stimme und Konzentrationshilfen beim Pranayama
Von besonderer Wichtigkeit ist die Stimme des Yogalehrers beim Pranayama. Damit ein Yogaschüler die Wirkung des Pranayama spürt, muss ein Yogalehrer selbst viel Prana in der Stimme haben. Das rein physische Ausführen der Atemübungen kann dem Teilnehmer langweilig vorkommen. Umso wichtiger ist es, dass die Anleitungen mit klarer Stimme und mit Energie gegeben werden. Dabei sollten auch Konzentrationshilfen gegeben werden. Einige Beispiele:
Bauchatmung Konzentrationshilfen:
- Beim Einatmen stelle dir vor, du nimmst Energie auf, beim Ausatmen stelle dir vor du entspannst
- Stelle dir eine Sonne im Bauch vor. Lass beim Einatmen die Sonne im Bauch heller werden. Stelle dir beim Ausatmen vor, dass die Sonne im Bauch Strahlen in alle Richtungen schickt
Wechselatmung Konzentrationshilfen
- Atme durch das linke Nasenloch ein und stelle dir vor, du füllst dein linke Körperhälfte mit Energie (in vier Sekunden!)
- Halte die Luft an und stelle dir vor, du ruhst in deiner Mitte
- Atme rechts aus und stelle dir vor du entspannst deine rechte Körperhälfte
Kapalabhati, Konzentrationshilfen beim Anhalten
- Sitze ruhig und gerade, Wirbelsäule aufgerichtet, Kopf leicht. Kapalabhati heißt „strahlender Schädel, scheinender Kopf“. Stelle dir vor, du strahlst, und dein Licht dehnt sich weit nach oben aus
Vollständige Yoga Atmung
- Stelle dir beim Einatmen vor, du füllst die Beine mit Lichtenergie, dann den Bauch, die Brust, dann auch Hals und Kopf
- Stelle dir beim Ausatmen vor, du entspannst den Kopf, den Hals, Brust, Bauch und Beine
Fortgeschritteneres Pranayama
Bei Yoga Vidya unterrichten wir auch die fortgeschritteneren Pranayamas wie Ujjayi, Surya Bedha, Bhastrika, Plavini, Murccha sowie Bhramari, Sitali und Sitkari, auch zusammen mit Bandhas, Mudras, Mantras, auch Bija Mantras. Diese Pranayamas sind ja auch ganz besonders wirkungsvoll. Um diese fortgeschritteneren und machtvollen Pranayamas üben zu können, sind einige Voraussetzungen auf Seiten des Übenden notwendig. Und ein Pranayama Lehrer, der fortgeschrittene Pranayamas unterrichten will, braucht sehr gute Kenntnisse – er muss auch wissen, wie er mit Energie Erfahrungen und Bewusstseinsveränderungen umgeht. Daher sollten die fortgeschrittenen Pranayamas in normalen Yogastunden nicht unterrichtet werden. Am besten lernt man fortgeschrittene Pranayamas in einer geschützten Ashram-Umgebung.
Zusammenfassung
Pranayama ist ein wichtiger Teil in einer klassischen Hatha Yoga Stunde. Pranayama sollte schrittweise und sanft gelehrt werden. Pranayama, richtig angeleitet und geübt, kann der Schlüssel sein für tiefere und feinere Erfahrungen, für mehr Energie, bessere Konzentration und Kraft für den Alltag – und für die Meditation.