Fügsamkeit
Fügsamkeit ist auch der Wunsch, Gottes Willen zu tun: Nicht mein Wille, dein Wille geschehe. Fügsamkeit muss ergänzt werden durch Mut, Selbstvertrauen und Engagement.
Fügsamkeit - eine Tugend. Was ist Fügsamkeit ? Woher stammt das Wort? Wozu ist Fügsamkeit gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Fügsamkeit ? Fügsamkeit ist die Fähigkeit sich zu fügen, den Willen eines anderen zu tun oder sich in sein Schicksal zu ergeben.
Fügsamkeit als hilfreiche Tugend
Auszug aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Fügsamkeit, eine Eigenschaft, eine Fähigkeit, die man zwiespältig betrachten kann. Fügsamkeit ist zum einen natürlich auch eine Tugend. Es ist gut, öfters mal von seinen eigenen Gedanken, Wünschen und Vorstellungen Abstand zu nehmen. Manchmal ist es einfach gut, loszulassen, zu tun, was zu tun ist, sich zu fügen, anstatt ständig zu rebellieren, Aufstände zu machen und Konflikte herbei zu beschwören. Deshalb, Fügsamkeit ist in vielerlei Hinsicht durchaus gut.
Fügsamkeit hat natürlich auch einen schalen Beigeschmack. Fügsamkeit galt vor mehreren hundert Jahren als eine wichtigere Tugend. Die oben waren, die haben behauptet, sie wären von Gott eingesetzt, der Rest hat Fügsamkeit zu üben. Und in diesem Sinn war es dann wichtig, z.B. Immanuel Kant, Zeit der Aufklärung, hat gesagt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Sapere Aude. Wage es, zu wissen. Und stelle alles in Frage, glaube nicht einfach, füge dich nicht einfach so.“
In diesem Sinne ist ja heutzutage das Erziehungsideal kein Kind voller Fügsamkeit, sondern ein selbstbestimmtes Kind, authentisch, das souverän das tut, was es merkt, was es tief im Inneren braucht und will, was das Anliegen ist, zu sich selbst stehen kann. Das sind wichtige Ideale und ich lebe ja in einer Yoga-Gemeinschaft und da gilt das auch als etwas Wichtiges.
Das ist jetzt auch der erste Vortrag, den ich gebe, über Fügsamkeit und wo ich irgendwo erzähle, es ist gut, fügsam zu sein. So ist zum einen wichtig, dass du weißt: „Was ist mein Sinn im Leben, worum geht es mir wirklich? Was ist wichtig?“ Das ist erstmal wichtig. Yogis würden sagen, der tiefste Sinn des Lebens ist es, zu erfahren, wer wir wirklich sind, eins mit der Weltenseele, eins mit dem Unendlichen, eins mit dem Ewigen. Darauf sollte man sein Leben ausrichten.
Und so kannst du überlegen: „Was ist mein Ziel des Lebens? Und das, was ich tue, ist es geeignet, mich zu diesem Ziel hinzubringen? Was ist der Sinn meines Daseins?“ Es muss ja auch nicht nur ein Sinn sein, es muss auch kein dauerhafter Sinn sein. Oder selbst wenn du einen übergeordneten Sinn hast, vielleicht gibt es einen untergeordneten. Wenn du das erstmal herausgefunden hast, dann gilt es, das auch zu tun.
Manchmal musst du auch zu dir selbst stehen, manchmal musst du auch durchaus in kleine Konflikte mit anderen gehen, auch in größere. Vielleicht, wenn du ein junger Mensch bist, vielleicht musst du deinen eigenen Weg gehen, anders als deine Eltern es wollen, deine Lehrer, deine Klassenkameraden. Da wäre Fügsamkeit jetzt nicht so gut. Wenn du dich aber für etwas entschieden hast und wenn du z.B. für eine gewisse Zeit bei einem Guru lebst, einem Meister, vorher solltest du natürlich prüfen, ist es ein authentischer Meister, ein ethischer Meister.
Wenn es ein Meister östlicher Tradition ist, dann wird er oft eine gewisse Fügsamkeit seiner Schüler erwarten. Es macht jetzt keinen Sinn, Schüler zu sein bei einem Meister indischer Tradition, oder auch tibetischer Tradition und dann zu hoffen, dass du jetzt machen kannst, was du willst. Die Meister erwarten eine gewisse Fügsamkeit, sogar Gehorsam, in jeden Fall, dass man umsetzt, was man ihnen sagt. Keinen bedingungslosen Gehorsam, sondern man vertraut sich einem Meister für eine gewisse Zeit an.
Natürlich, wenn man feststellt, der Meister, oder die spirituelle Gemeinschaft ist unethisch, dann hört die Fügsamkeit auf, dann gilt es, zügig von dannen zu gehen und vielleicht andere darauf aufmerksam zu machen. Aber es ist jetzt nicht gleich unethisch, wenn der Meister sich anders verhält als du es magst und etwas anderes lehrt als du es magst. Man muss schon schauen, es gibt Grenzen der Ethik und da gehört Ahimsa, Satya, Aparigraha, Asteya, Brahmacharya dazu. Also, wenn der Meister physisch gewalttätig wird, das ist nicht zu verzeihen, oder wenn er es in seiner Gemeinschaft erlaubt.
Oder wenn dort gelogen wird, betrogen wird, oder die an der Spitze irgendwelche Bankkonten haben oder Gelder abgezweigt werden. Also, das wäre das Gegenteil von Asteya. Oder wenn dort Schüler irgendwo sexuell missbraucht oder ausgenutzt werden, insbesondere Schülerinnen. Das alles sind unethische Dinge, wenn man so etwas beobachtet, sollte man dort eben nicht fügsam sein, sondern zügig rausgehen und andere warnen.
Aber wenn du erkennst, grundsätzlich, da ist Ethik dahinter, da ist es für eine gewisse Zeit gut, Fügsamkeit zu üben, das hilft auch, vom Ego sich zu lösen. Oder auch, angenommen, du gehst in die Beziehung mit jemandem. Dort ist es gut, bestimmte Dinge auszumachen und bestimmte Dinge auch zu wollen und jeder weiß, was ihm wichtig ist, oder vielleicht weiß er es auch nicht, aber manches weiß man, das sagt man dem anderen. Und wenn man dem anderen eben gesagt hat, was einem wichtig ist und der andere sagt, was ihm wichtig ist, dann gilt es, eine gewisse Fügsamkeit zu haben, bei den Dingen, die einem nicht so wichtig sind.
Auf diese Weise wird der andere etwas fügsamer sein bei den Dingen, die einem selbst wichtig sind. Oder wenn du bei einem bestimmten Arbeitgeber bist. Auch dort nutzt es nichts, ständig zu schimpfen über die Arbeitsbedingungen, das hilft nicht so weiter, gerade wenn du neu dort bist. Da gilt es erstmal, eine gewisse Fügsamkeit zu zeigen. Du musst ja nicht bei diesem Arbeitgeber arbeiten, ansonsten kannst du ja auch wechseln.
Du kannst es mal sagen, was dir nicht passt, du kannst Verbesserungsvorschläge anbringen, aber wenn dort nicht darauf eingegangen wird, dann kannst du immer noch überlegen: „Entweder ich füge mich oder ich gehe.“ Nicht immer gibt es dieses Entweder-Oder, manchmal muss man auch aktiv werden, manchmal muss man Verbündete suchen, manchmal hat man einen Betriebsrat, manchmal muss man sich an den Chef vom Chef wenden, manchmal gibt es Kollegen usw.
Also, die Welt ist nicht einfach, aber Fügsamkeit ist manchmal gut, manchmal auch nicht gut. In diesem Sinne kannst du das ja zum Anlass nehmen, mal über Fügsamkeit nachzudenken und zu überlegen, was heißt Fügsamkeit in deinem Leben? Wie gehst du damit um? Authentizität, Souveränität, Selbstbestimmtheit, Durchsetzungsvermögen, alles wichtige Eigenschaften. Aber auch Fügsamkeit, Folgsamkeit, Nachgeben, Nachsicht, Einfühlungsvermögen. Überlege, was ist in deinem Leben richtig und wichtig und hast du diese Eigenschaft in einem Verhältnis, mit dem du dich wohlfühlst und wie es auch für andere gut ist.
Fügsamkeit und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Fügsamkeit in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Fügsamkeit
Ähnliche Eigenschaften wie Fügsamkeit, also Synonyme zu Fügsamkeit sind z.B. Gehorsam, Anpassungsvermögen, Flexibilität.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Fügsamkeit übertrieben kann ausarten z.B. in Sklavenmentalität, Jasagerei. Daher braucht Fügsamkeit als Gegenpol die Kultivierung von Selbstvertrauen, Mut, Durchsetzungsvermögen.
Gegenteil von Fügsamkeit
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Fügsamkeit, Antonym zu Fügsamkeit :
- Positive Gegenteile von Fügsamkeit, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Selbstvertrauen, Mut, Durchsetzungsvermögen
- Negative Gegenteile von Fügsamkeit, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Rebellion, Feindseligkeit, Streitsucht
Fügsamkeit im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Fügsamkeit gehört zur Tugendgruppe 5 Höflichkeit, Respekt, Ehrerbietung. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Höflichkeit und Respekt
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Fügsamkeit zum Persönlichkeitsfaktor A1 Verträglichkeit hoch: kooperativ, liebevoll, freundlich, mitfühlend, auch N0 Neurotizismus/Labilität niedrig: selbstsicher, ruhig, stabil, entspannt
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Fügsamkeit zur Grundverhaltenstendenz S - Stetigkeit, Mitgefühl, Teamfähigkeit
- Im Ayurveda zählt man Fügsamkeit zum Kapha Temperament bzw. Dosha.
Vortragsmitschnitt zu Fügsamkeit - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Fügsamkeit, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden.
Siehe auch
Eigenschaften im Alphabet vor Fügsamkeit
Eigenschaften im Alphabet nach Fügsamkeit
Literatur
- Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis
- Swami Sivananda: Inspirierende Geschichten
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda: Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
Weblinks
- Yoga Psychologie
- Meditation - Viele Infos und praktische Anleitungen
- Yoga Übungen
- Yogaschulen und Yoga Zentren
Seminare
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