Veden

Aus Yogawiki

Die Veden, im Singular der Veda (Sanskrit: वेद veda m. "Wissen"), gelten als Heilige Schriften. Sie stammen aus der Tradition des Hinduismus und bestehen aus den vier Teilen Rigveda, Samaveda, dem weißen und schwarzen Yajurveda und dem Atharvaveda. Jeder Veda besteht aus vier Teilen: Samhita (Hymnen), Aranyakas (Erklärungen), Brahmanas (rituelle Erläuterungen) und Upanishaden (philosophische Aussagen/Weisheiten). Die Veden werden auch Shruti (göttliche Offenbarung) genannt.

Die vedischen Schriften

Die vedischen Schriften sind zum größten Teil überlieferte Offenbarungen der Rishis (Weisen). Sie enstanden der westlichen Orientalistik zufolge zwischen 1500 und 800 v.Chr., nach klassischer indischer Auffassung weit früher. Demnach wurden sie um 3227 v.Chr. von Vyasa nieder geschrieben und bereits Jahrtausende früher mündlich an auserwählte Schüler weiter gegeben. Ähnlich den Mantras werden die vedischen Schriften bis heute in heiligen Ritualen und Satsangs rezitiert. Einige Brahmanen haben die vedischen Schriften vollständig im Kopf. Die Upanishaden gelten als Grundlage des Jnana Yoga, der Vedanta Philosophie.

Geschichte

Die Veden enthalten mehrere, nacheinander entstandene Textschichten, die zum Teil miteinander verworben sind und Texte aus anderen Teilen enthalten. Die älteste von ihnen, die Samhitas (Hymnen), entstanden um 1200 bis 900 v.Chr. Zu ihnen gehören

  • der Rigveda oder die Rigveda-Samhita enthält 1028 Hymnen in zehn Liederkreisen („Mandalas“), insgesamt über 10.000 Verse
  • der Samaveda (saman = "Melodie"): hauptsächlich umgeordnete Verse aus dem Rigveda
  • der weiße und schwarze Yajurveda (Krishna und Shukla): Prosa, hauptsächlich Mantras
  • der Atharvaveda: magische Formeln, Hymnen und Mantras.

Rigveda, Samaveda und Yajurveda zusammen bilden die trayi vidya, das dreifache Wissen, das später durch den Atharvaveda ergänzt wurde. Um 800 bis 600 v. Chr. entstanden die Brahmanas (Texte für Opfer- und andere Rituale), darunter die bekanntesten:

und etwas später die Aranyakas (Waldtexte), wie:

Aus den Jahren 700 bis 500 v. Chr. stammen die Upanishaden (wörtl.: "sich um (den Lehrer) herum setzen"), spirituelle Weisheiten, die im direkten Austausch zwischen Lehrer und Schüler vermittelt wurden. Die Upanischaden gelten als Grundlage für die yogische und hinduistische Philosophie Indiens. Sie enthalten die Lehre von Atman, Brahman, Samsara und Karma. Zu ihnen gehören

  • die Aitereya-Upanishad (Rigveda)
  • Chandogya-Upanishad (Samaveda)
  • Taittiriya-Upanishad (schwarzer Yajurveda)
  • Mundaka-Upanishad (Atharvaveda)

Swami Sivananda über die Veden

(Aus: Swami Sivananda: All About Hinduism) Die Shrutis werden Veden oder Amnaya genannt. Die Hindus haben ihre Religion durch die Offenbarung der Veden erhalten. Diese sind direkte intuitive Offenbarungen und werden als Apaurusheya oder gänzlich übermenschlich betrachtet, ohne einen bestimmten Autoren. Der Veda ist der ganze Stolz der Hindus, ach, der ganzen Welt!

Der Ausdruck Veda stammt von der Wurzel Vid, wissen. Das Wort Veda bedeutet Wissen. Auf Schriften übertragen, kennzeichnet er ein Buch des Wissens. Die Veden sind die grundlegenden Schriften der Hindus. Der Veda ist die Quelle der anderen fünf Schriftsätze, ja, sogar der weltlichen und materialistischen. Der Veda ist der Speicher indischer Weisheit und ist eine erinnerungswürdige Herrlichkeit, die der Mensch auf ewig nicht vergessen kann.

Offenbarte Wahrheiten ohne Anfang und Ende

Die Veden sind die ewigen, von Gott offenbarten Wahrheiten, die er den großen antiken Rishis Indiens gegeben hat. Das Wort Rishi bedeutet Seher, vom Wortstamm dris, sehen. Er ist der Mantra-Drashta, ein Seher von Mantras oder Gedanken. Der Gedanke war nicht sein eigener. Die Rishis sahen die Wahrheiten oder hörten sie. Daher sind die Veden etwas, das gehört wurde (Shruti). Der Rishi selbst schrieb nichts von sich nieder. Er hat es sich nicht ausgedacht. Er war der Seher von Gedanken, die bereits existierten. Er war nur der spirituelle Entdecker des Gedankens. Er ist nicht der Erfinder des Veda.

Die Veden repräsentieren die spirituellen Erfahrungen der Rishis von einst. Der Rishi ist nur ein Medium oder ein Agent, um den Menschen die intuitiven Erfahrungen, die er empfangen hat, darzubringen. Die Wahrheiten der Veden sind Offenbarungen. Alle anderen Religionen der Welt beanspruchen ihre Berechtigung aufgrund der Darbringung von speziellen Botschaftern Gottes an bestimmte Personen, aber die Veden schulden ihre Berechtigung niemandem. Sie sind selbst die Berechtigung, da sie ewig sind, da sie das Wissen des Herrn sind.

Lord Brahma, der Schöpfer, übermittelte den Rishis oder Sehern das göttliche Wissen. Die Rishis verbreiteten das Wissen. Die vedischen Rishis waren großartige selbstverwirklichte Personen, die direkte intuitive Wahrnehmung Brahmans oder der Wahrheit hatten. Sie waren inspirierte Schreiber. Sie erschufen ein einfaches, großartiges und perfektes System von Religion und Philosophie, aus dem die Gründer und Lehrer aller anderen Religionen ihre Inspiration gezogen haben.

Die Veden sind die ältesten Bücher in der Bibliothek der Menschheit. Die Wahrheiten in allen Religionen sind von den Veden abgeleitet und sind unmittelbar auf die Veden zurückzuführen. Die Veden sind die Urquelle der Religion. Die Veden sind die ultimative Quelle auf die alles religiöse Wissen zurückgeführt werden kann. Religion ist göttlichen Ursprungs. Sie wurde dem Menschen von Gott in frühester Zeit gegeben. Sie ist in den Veden verkörpert.

Die Veden sind ewig. Sie haben keinen Anfang und kein Ende. Ein unwissender Mensch mag fragen, wie ein Buch ohne Anfang oder Ende sein kann. Mit den Veden sind keine Bücher gemeint. Veden kamen aus dem Atem des Herrn. Sie sind die Worte Gottes. Die Veden sind keine Äußerungen von Personen. Sie sind keine Komposition eines menschlichen Geistes. Sie wurden nie geschrieben, nie erschaffen. Sie sind ewig und unpersönlich. Das Datum der Veden wurde nie festgelegt. Es wird niemals festgelegt werden können. Veden sind ewige spirituelle Wahrheiten. Veden sind eine Verkörperung göttlichen Wissens. Die Bücher können zerstört werden, doch das Wissen kann nicht zerstört werden. Wissen ist ewig. In diesem Sinne sind die Veden ewig.

Die vier Veden und ihre Unterteilung

Die Veden sind in vier große Bücher unterteilt: in Rig-Veda, Yajur-Veda, Sama-Veda und Atharva-Veda. Der Yajur-Veda besteht wiederum aus zwei Teilen, Sukla und Krishna. Krishna oder Taittiriya ist das ältere Buch und Sukla oder Vajasaneya ist eine spätere Offenbarung an den Weisen Yajnavalkya durch den strahlenden Sonnengott.

Der Rig-Veda besteht aus einundzwanzig Teilen, der Yajur-Veda aus 109 Teilen, der Sama-Veda aus 1.000 Teilen und der Atharva-Veda aus 50 Teilen. Alles in allem sind die kompletten Veden in 1.180 Rezensionen aufgeteilt.

Jeder Veda besteht aus vier Abschnitten: die Mantra-Samhitas oder Hymnen, die Brahmanas oder Erklärungen der Mantras und Rituale, die Aranyakas und die Upanishaden. Die Aufteilung der Veden in vier Abschnitte dient der Anpassung an die vier Stadien im Leben eines Menschen.

Die Mantra-Samhitas sind Hymnen zur Lobpreisung des Vedischen Gottes, um materiellen Wohlstand hier und später Glück zu erreichen. Sie sind metrische Gedichte mit Gebeten, Hymnen und Beschwörungsformeln, adressiert an unterschiedliche Gottheiten, sowohl subjektiv als auch objektiv. Der Mantra Teil der Veden ist für die Brahmacharins nützlich.

Die Brahmana Teile leiten die Menschen bei der Ausführung von Opferritualen an. Es sind ausschweifende Erklärungen der Methode, wie die Mantras der Yajna oder die Opferungen zu nutzen sind. Der Brahmana Teil ist für Hausbesitzer nützlich.

Die Aranyakas sind die Wald-Bücher, die mystischen Wald-Texte, die eine philosophische Interpretation der Rituale geben. Die Aranyakas sind für die Vanaprasthas oder Eremiten gedacht, die sich auf ihr Dasein als Sannyasin vorbereiten.

Die Upanishaden sind der wichtigste Teil der Veden. Die Upanishaden beinhalten die Essenz oder den Wissensanteil der Veden. Die Philosophie der Upanishaden ist großartig, tiefgründig, erhaben und aufwühlend für die Seele. Die Upanishaden sprechen von der Identität des Individuums der individuellen Seele und der Höchsten Seele. Sie offenbaren die subtilsten und tiefsten spirituellen Wahrheiten. Die Upanishaden sind nützlich für die Sannyasins.

Die Thematik der gesamten Veden ist in Karma-Kanda, Upasana-Kanda und Jnana-Kanda aufgeteilt. Karma-Kanda oder der rituelle Teil behandelt verschiedene Opfer und Rituale. Upasana-Kanda oder der Verehrungsteil behandelt verschiedene Arten der Verehrung oder Meditation. Jnana-Kanda oder der Wissensteil behandelt das höchste Wissen über Nirguna Brahman. Die Mantras und the Brahmanas bilden Karma-Kanda; die Aranyakas Upasana-Kanda; und die Upanishaden Jnana-Kanda.

Die Mantra-Samhitas

Der Rig-Veda Samhita ist das höchste Buch der Hindus, das älteste und das beste. Es ist die große indische Bibel, die jeder Hindu von ganzem Herzen verehrt. Sein Stil, seine Sprache und sein Wortlaut sind wunderschön und mysteriös. Seine unsterblichen Mantras verkörpern die größten Wahrheiten des Daseins, und es ist vielleicht der größte Schatz aller schriftlichen Literatur der Welt. Sein Priester wird Hotri genannt.

Der Yajur-Veda Samhita ist hauptsächlich in Prosa verfasst und wird in erster Linie von den Adhvaryu, the Yajur-vedischen Priestern genutzt, für entbehrliche Erklärungen der Riten bei Opfergaben, die die Rig-vedischen Mantras ergänzen.

Der Sama-Veda Samhita ist in erster Linie an die Rig-vedische Samhita angelehnt und sollte von den Udgatri, den Sama-vedischen Priestern, bei Opfergaben gesungen werden.

Der Atharva-Veda Samhita ist für die Brahma, die Atharva-vedischen Priester, gedacht, um die falsche Aussprache und verkehrte Ausführung zu korrigieren, die den anderen drei Priestern bei Ritualen passieren können.

Die Brahmanas und die Aranyakas

Der Rig-Veda hat zwei Brahmanas - Aitareya und Sankhayana. "Der Rig-Veda," sagt Max Müller, "ist das älteste Buch der Welt. Für die heiligen Hymnen der Brahmanas gibt es in der Weltliteratur keinen Vergleich; und ihren Erhalt kann man gut und gerne wundersam nennen."(DIE GESCHICHTE DER ALTEN SANSKRIT LITERATUR) Die Satapatha Brahmana gehört zum Sukla Yajur-Veda. Der Krishna-Yajur-Veda beinhaltet die Taittiriya und die Maitrayana Brahmanas. Die Tandya oder Panchavimsa, die Shadvimsa, die Chhandogya, die Adbhuta, die Arsheya und die Upanishad Brahmanas gehören zum Sama-Veda. Die Brahmana des Atharva-Veda wird Gopatha genannt. Jedes der Brahmanas enthält ein Aranyaka.

Die Upanishaden

Die Upanishaden sind der schlussfolgernde Teil der Veden oder das Ende der Veden. Die auf ihnen basierende Lehre wird Vedanta genannt. Die Upanishaden sind Kern und Ziel der Veden. Sie bilden die Grundlage des Hinduismus.

Es gibt so viele Upanishaden in jedem Veda wie es Sakhas, Zweige oder Rezensionen gibt, d.h., 21, 109, 1000 und 50 entsprechend in den vier Veden, dem Rig-Veda, dem Yajur-Veda, dem Sama-Veda und dem Atharva-Veda.

Die verschiedenen Philosophen Indiens, die unterschiedlichen Lehren angehören, wie Monismus, qualifizierter Monismus, Dualismus, reiner Monismus, Inegalität-cum-Egalität, etc., haben die höchste Autorität der Upanishaden anerkannt. Sie haben ihre eigenen Interpretationen abgegeben, jedoch stets der Autorität gehorcht. Sie haben ihre Philosophie auf der Basis der Upanishaden gebildet.

Selbst die westlichen Gelehrten haben den Sehern der Upanishaden Achtung gezollt. Zu einer Zeit, in der die Abendländer in Rinde gekleidet und in tiefster Unwissenheit versunken waren, genossen die Seher der Upanishaden die ewige Wonne des Absoluten, und hatten die höchste Kultur und Zivilisation.

Die wichtigsten Upanishaden sind , Kena, Katha, Prasna, Mundaka, Mandukya, Aitareya, Taittiriya, Chhandogya, Brihadaranyaka, Kaushitaki und Svetasvatara und Maitrayani. Diese sind zum höchsten Grade maßgeblich.

Mögen die grundlegenden Wahrheiten der Veden euch allen offenbart werden, wie die Amalaka Frucht in eurer Hand. Möge Gayatri, die gesegnete Mutter der Veden euch die Milch des Wissens übermitteln, die uralte Weisheit der Upanishaden.

DIE UPA-VEDEN

Es gibt vier Upa-Veden oder untergeordnete Veden, nämlich den Ayurveda, den Dhanurveda, den Gandharva Veda und den Arthasastra. Sie bilden einen Zusatz zu den vier Veden und behandeln jeweils die Wissenschaft der Gesundheit, die Wissenschaft des Krieges, die Wissenschaft der Musik und die Wissenschaft des Gemeinwesens.

DIE VEDANGAS

Es gibt sechs Angas oder erklärende Glieder in den Veden: Siksha und Vyakarana in Panini, Chhandas in Pingalacharya, Nirukta in Yaska, Jyotisha in Garga und die Kalpas (Srauta, Grihya, Dharma und Sulba) von denen mehrere Rishis die Autoren waren.

  • Siksha ist Wissen über Phonetik. Siksha behandelt Aussprache und Akzent. Der Text der Veden ist in verschiedenen Formen oder Pathas angeordnet. Pada-Patha gibt jedem Wort seine eigene Form. Krama-Patha verbindet die Worte zu Paaren.
  • Vyakarana ist die Grammatik des Sanskrit. Paninis Bücher sind sehr berühmt. Ohne Wissen über Vyakarana kannst du die Veden nicht verstehen.
  • Chhandas ist das Versmaß und behandelt den Satzrhythmus.
  • Nirukta ist Philologie oder Etymologie.
  • Jyotisha ist Astronomie und Astrologie. Es behandelt die Bewegungen der Himmelskörper, Planeten etc., und deren Einfluss auf die Angelegenheiten der Menschen.
  • Kalpa ist das Vorgehen beim Ritual. Die Srauta Sutras, die das Opferritual erklären, gehören zu Kalpa. Die Sulba Sutras, die die Messungen beschreiben, die notwendig sind, um die Opferbereiche vorzubereiten, gehören ebenfalls zu Kalpa. Die Grihya Sutras, in denen es um das häusliche Leben geht, und die Dharma Sutras, in denen es um Moral, Bräuche und Gesetze geht, gehören ebenfalls zu Kalpa.

Die Pratishakhyas, Padapathas, Kramapathas, Upalekhas, Anukramanis, Daivatsamhitas, Parishishtas, Prayogas, Paddhatis, Karikas, Khilas und Vyuhas sind weitere Darstellungen der Rituale aus den Kalpa Sutras.

Unter den Kalpa Sutras gehören Asvalayana, Sankhyana und Sambhavya zum Rigveda. Mashaka, Latyayana, Drahyayana, Gobhila und Khadira gehören zum Samaveda. Katyayana und Paraskara gehören zum Sukla Yajurveda. Apastamba, Hiranyakesi, Bodhayana, Bharadvaja, Manava, Vaikhanasa und Kathaka gehören zum Krishna Yajurveda. Vaitana und Kaushika gehören zum Atharvaveda.

(Aus: Swami Sivananda: All About Hinduism)copyright by Divine Life Society

Literatur

  • Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
  • Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985, Vol I - III
  • Sri Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
  • Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989

Einiges über den Veda

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.

Zur Orientierung

Der große, noch nicht völlig zu übersehende Schriftenkomplex, welcher den Namen Veda, d.h. "das (theologische) Wissen" führt, und dessen Umfang den der Bibel wohl mehr als sechs Mal übertreffen mag, gliedert sich zunächst in vier Abteilungen, den Rigveda, Samaveda, Yajurveda und Atharvaveda; bei jedem dieser vier Veden haben wir drei nach Inhalt, Darstellungsform und Zeitalter verschiedene Schriftgattungen zu unterscheiden: 1) die Samhita, 2) das Brahmanam, 3) das Sutram; endlich sind die meisten dieser zwölf Abteilungen, je nach den Schulen, denen sie zum Studium dienten, in verschiedenen, mehr oder weniger abweichenden Redaktionen vorhanden, welche man gewöhnlich als die Shakhas, d. h. als "die Zweige" des Vedabaumes bezeichnet.

Zum Verständnisse dieser komplizierten Verhältnisse wird es förderlich sein, zu unterscheiden zwischen der Gestalt, in welcher der Veda gegenwärtig vorliegt, und dem historischen Entwicklungsgange, durch welchen er zu dieser Gestalt erwachsen ist.

Der literarische Bestand des Veda

Zunächst nun sind die vier Veden in der Form, wie sie uns entgegentreten, nichts anderes als die Manuale der brahmanischen Priester (Ritvij), welche diesen das zum Opferkultus erforderliche Material an Hymnen und Sprüchen an die Hand geben, sowie den rechten Gebrauch desselben lehren sollen. Zu einer vollständigen Opferhandlung nämlich gehören vier, ihrem Studiengange und Amte nach verschiedene Hauptpriester: 1) der Hotar, welcher die Verse (Ric) der Hymnen rezitiert, um dadurch die Götter zum Genusse des Soma oder sonstigen Opfers einzuladen, 2) der Udgatar, der die Bereitung und Darbringung des Soma mit seinem Gesange (Saman) begleitet, 3) der Adhvaryu, welcher die heilige Handlung vollzieht, während er die entsprechenden Verse und Opfersprüche (Yajus) hermurmelt, 4) der Brahman, dem die Beaufsichtigung und Leitung des Ganzen obliegt.

Das kanonische Buch für den Hotar ist der Rigveda (wiewohl die Rigveda Samhita schon von Haus aus eine weiter greifende, nicht bloß rituelle, sondern literarische Bedeutung hat), das für den Udgatar der Samaveda, das für den Adhvaryu der Yajurveda, während hingegen der Atharvaveda mit dem Brahman, der alle drei Veden kennen muss, eigentlich nichts zu tun hat und sich nur zum Scheine in Beziehung zu demselben setzt, um seiner Erhebung zur Dignität eines vierten Veda, die ihm lange Zeit verweigert wurde, Vorschub zu leisten. Praktische Verwendung findet derselbe einerseits beim häuslichen Kultus (Geburt, Hochzeit, Totenbestattung, Krankheiten, Erntesegen, Viehbesprechungen usw.), andererseits bei gewissen Staatsaktionen (Königsweihe, Schlachtsegen, Verwünschung der Feinde usw.); in letzterer Hinsicht ist er der Veda der Kshatriya Kaste, wie die drei anderen Veden die der Brahmanen sind, und mag in einem ähnlichen Verhältnisse zum Purohita (Hauspriester des Fürsten) gestanden haben, wie jene zu den Ritvijs (vgl. Yajnavalkya 1,312).

Jeder der genannten Priester bedarf bei seinen Verrichtungen zweierlei, eine Sammlung von Gebetsformeln (Mantra) und eine Anweisung zur richtigen liturgischen und rituellen Verwendung derselben (Brahmanam). Beide finden wir, mit Ausnahme des schwarzen Yajurveda, mehr oder weniger streng voneinander gesondert und in zwei verschiedene Abteilungen verwiesen.

I. Die Samhita jedes Veda ist, wie der Name besagt, eine „Sammlung" der ihm zugehörigen Mantras, welche entweder Verse (Ric) oder Gesänge (Saman) oder Opfersprüche (Yajus) sind. So besteht die Rigveda Samhita aus 1017 Hymnen in 10580 Versen, aus welchen der Hotar den für den jedesmaligen Zweck erforderlichen Preisruf (Shastram) zusammenzustellen hat; die Samaveda Samhita enthält eine, wenn nicht aus der Rigveda Samhita, so doch aus dem dieser zugrunde liegenden Materiale getroffene Auswahl von 1549 (oder mit den Wiederholungen 1810) Versen, welche bis auf 78 sämtlich auch im Rigveda sich vorfinden und zum Zwecke des Gesanges (Saman) weiterhin in mannigfacher Weise moduliert werden. Die Samhita des weißen Yajurveda enthält teils Opfersprüche (Yajus) in Prosa, teils Verse, welche letztere ebenfalls größtenteils aus dem Materiale der Rigveda Samhita, entnommen sind. Hingegen besteht die Atharvaveda Samhita wiederum aus 760 Hymnen, von denen nur etwa ein Sechstel ihr mit dem Rigveda gemeinsam ist, während die übrigen eine selbständige, in vieler Hinsicht ganz eigentümliche Stellung in dem Ganzen der vedischen Mantra-Literatur einnehmen. Jede dieser vier Samhitas ist, je nach den Shakhas oder Schulen, in denen sie studiert wurde, in verschiedenen Rezensionen vorhanden, welche jedoch in der Regel nicht erheblich voneinander abweichen. Anders ist es, wie sogleich zu zeigen, mit der zweiten Abteilung der vedischen Literatur.

II. Das Brahmanam, dessen nächste Bestimmung im allgemeinen die ist, den praktischen Gebrauch des in der Samhita vorliegenden Materiales zu lehren, geht in seiner meist sehr breiten Anlage weit über diesen unmittelbaren Zweck hinaus und zieht mancherlei in seinen Bereich, was man (mit Madhusudana) unter den drei Kategorien Vidhi, Arthavada und Vedanta unterbringen kann.

  • 1) Als Vidhi (d. h. Vorschrift) befiehlt das Brahmanam die Zeremonie, erörtert ihre Veranlassung sowie die Mittel zu ihrer Ausführung und schildert endlich den Gang der heiligen Handlung selbst.
  • 2) Hieran schließen sich unter dem Namen Arthaveda (d. h. Erklärung) die mannigfachsten Erörterungen, welche den Inhalt der Vorschrift exegetisch, polemisch, mythologisch, dogmatisch usw. begründen sollen. 3) Hierbei erhebt sich nun die Betrachtung zu Gedanken philosophischer Art, welche, weil sie meist gegen Ende der Brahmanas vorkommen, Vednnta (d. h. Veda-Ende) heißen. Sie sind der wesentliche Inhalt der Nachträge zu den Brahmanas, welche Aranyakas heißen, und deren ursprüngliche (wiewohl nicht streng durchgeführte) Bestimmung gewesen zu sein scheint, für das Leben im Walde (Aranyam), welchem der Brahmane im Greisenalter obliegen soll, einen Ersatz für den, wenn nicht ganz wegfallenden, so doch wesentlich beschränkten Kultus zu bieten. Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass wir in ihnen vielfach eine wundersame Vergeistigung des Opferkultus antreffen: An die Stelle der praktischen Ausführung der Zeremonie tritt die Meditation über dieselbe und mit ihr eine symbolische Umdeutung, welche dann weiter zu den erhabensten Gedanken hinüberleitet.

Die wichtigsten Stücke dieser Aranyakas hob man später unter dem Namen Upanishad aus ihnen heraus und fasste sie aus den verschiedenen veden zu einem Ganzen zusammen: Ursprünglich aber hat, wie wir annehmen müssen, jede Vedaschule ihr besonderes rituelles und daneben ein mehr oder weniger reiches dogmatisches Textbuch gehabt, und wenn wirklich, wie die Muktika Upanishad (Ind. St. III, 324) behauptet, 21 + 1000 + 109 + 50 = 1180 Shakhas bestanden hätten, so müsste es auch, wie sie daraus folgert, 1180 Upanishads gegeben haben. In Wirklichkeit stellt sich jedoch die Sache viel einfacher dar, sofern die Anzahl der Shakhas, die wir wirklich kennen, sich für jeden Veda auf einige wenige beschränkt, deren Textbücher den gemeinsamen rituellen und dogmatischen Stoff in verschiedener Anordnung, Bearbeitung und Ausführung darbieten. So sind uns zum Rigveda nur zwei Chakas näher bekannt, die der Aitareyins und die der Kaushitakins, deren jede ein Brathmanam und ein Aranyakam besitzt, welches letztere die Upanishad der Schule einschließt. — Zum Samaveda kennen wir für die Brahmana-Abteilung bis jetzt genau und vollständig nur eine Chakha, die der Tandins, auf welche folgende Schriften zurückgehen:

  • a) das Paucavinca Brahmanam,
  • b) das Shadvinsha Brahmanam, welches sich schon durch den Namen als einen Nachtrag dazu zu erkennen gibt,
  • c) auch das noch nicht näher bekannte Chandogya Brahmanam dürfen wir wohl der Schule der Tandins zuweisen, sofern Shankara, p. 892,9, unter ihrem Namen eine Stelle zitiert, welche nach Rajendralala Mitra (The Chandogya-Upanishad, Introduction, p. 17 N.) den Anfang des Chandogya Brhmanam bildet,
  • d) endlich zitiert Shankara wiederholt die Chandogya Upanishad als die der Tandins; so Chandogya 3,1(3 (zitiert p. 889,10. 890,8) 8,13,1 (p. 899,3. 907,7. 908,5) 6,8,7 (p. 923,8).

Ein zweites selbständiges Ritualbuch zum Samaveda ist möglicherweise das Talavakara Brahmanam der Jaiminiya Chakha (vgl. die Mitteilungen Shankaras zur Kena Upanishad, p. 28, und Burnells bei Müller, Upanishads I, p. XC), nach Burnell in fünf Adhyayas, deren vorletzter die bekannte kleine Kena Upanishad enthält (zitiert p. 70,1.4.10. 163,3. 808,10), während der letzte aus dem Arsheya Brahmanam besteht (zitiert p. 301,8). Die vier übrigen Brahmanass des Samaveda (Samavidhana, Vansha, Deratadhyaya, Samhitopanishad) können auf den Namen selbständiger Textbücher von Schulen keinen Anspruch machen. — Beim Yajurveda haben wir zwei Formen zu unterscheiden, den schwarzen (d. h. ungeordneten) und den weißen (geordneten) Yajurveda. Jener enthält den Brahmana-artigen Stoff mit den Mantras verbunden bereits in der Samhita. In solcher Form haben uns den Yajurveda die Schulen der Taittiriyakas (deren Brahmanam und Aranyakam bloße Fortsetzungen der Samhita sind), der Kathas und der Maitrayaniyas überliefert.

Das Taittiriya Aranyakam enthält am Schluss zwei Upanishaden, die Taittiriya- (Buch VII. VIII. IX) und die Narayaniya Upanishad (Buch X). Zur Schule der Kathass gehört die Kathaka Upanishad, die heute nur noch in einer Atharva Rezension vorhanden ist, während sie zu Shankaras Zeit noch mit den übrigen Texten der Kathas ein Ganzes gebildet zu haben scheint, worüber später; unter dem Namen Maitri Upanishad ist uns ein spätes Produkt von sehr apokryphem Charakter erhalten; den Namen einer vierten Shaka des schwarzen Yajurveda, der Shvetâshvataras, trägt eine metrisch abgefasste Upanishad sekundären Ursprungs, welche jedoch vielfach von Shankara als „Shvetashvataranam Mantropanishad" (p. 110,5, vgl. 416,1. 920,4) und dem Anscheine nach auch schon von Badarayana (1,1,11. 1,4,8. 2,3,22) zitiert wird.

Im Gegensatze zu den Chakhas des schwarzen Yajurveda haben die 1 âjasaneyin's, die Hauptschule des weifsen Yajurveda, 6 Ç'ankara zitiert dieselbe nirgendwo (Maitre!i-hrâhmanam p. 385,8. 1006,5 bedeutet den Abschnitt Brih. 2,4 = 4,5); auch der Terminus S'ushumnâ Maitr. 6,21) kommt im Kommentar zu den Brabmastitra's noch nicht vor. nach Art der übrigen Veden Mantra's und Bràhmana's geson¬dert; erstere sind in der Vàjasaneyi-samhitù zusammengefafst, letztere bilden den Inhalt des C'alapatlta -breihtnananr, dessen letzter Teil (B. XIV) die grüfste und schönste aller Upanishad's, das Brihad-ârallyakain enthält. Ein ihr nahe verwandtes Stück ist (wohl nur wegen seiner metrischen Form) der Vàjasaneyi-samhità als Buch XI, angehängt worden und heifst, nach dem Anfangsworte, die t;•â-?Tanishad; im Kanon des Anquetil Duperron werden noch vier andere Stücke derselben Sam-hitâ, Çatarvdriyam (B. XVI), Purttshas'itktuni (XXXI), Tader,a (XXXII), und Çiva.saipkalpa (XXXIV, Anfang) als Upa¬nishad's auf'gefiihrt. — Neben den Vù jasaneyin's zitiert (, an-kara dreizehnmal eine andere Schule des weifsen Yajurveda, die Jdhâla's; neun dieser Zitate (p. 222,8. 223,1. 417,11. 988,$ — 991,4. 999,4i. 1000,1.3. 1025,8) finden sich, mit erheblichen Varianten, in der heute den Atharva-Upanishad's eingereihten Jdhâ1a-Upanishcrd wieder, vier andere (924,7 _ 1059,1. 931,4 033,4) hingegen nicht, so dafs, wie es scheint, dem kara ein vollständigeres Werk dieser Schule vorgelegen hat. Ob Bàdaràyana dieselbe (1,2, 2. 4,1,3 ) zitiert, bleibt unge-wifs.9 — Zum Atliarvaveda gehört das Gopatlua-/,ri manrttu, ein Werk von vorwiegend kompilatorischem Charakter und ohne nähere Beziehungen zur Atharva-samhitù. Bei t,'ankara finden wir kein Zitat aus demselben; vielmehr läfst sich viel¬leicht aus dem Imstande, dafs er zu :3,3,24, p. 889 fg., nicht auch Gopatha-hr. II, 5,4 berücksichtigt, wahrscheinlich machen, dal's er dieses \Verk nicht kannte oder nicht anerkannte. Endlich haben sich an den Atlrarvaveda, der wohl nicht in dem Grade wie die andern Veden durch zünftige Uher-wachung vor neuen Eindringlingen geschützt sein mochte, eine lange Reihe meist kurzer Upanishad's angeschlossen, von denen viele einen ganz apokryphen Charakter haben und nichts anderes als die Textbücher späterer indischer Sekten sind.


Literatur

Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.