Sanskrit Kurs Lektion 102
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Die Wohllautregeln des Sandhi (2)
In der Lektion 101 haben wir begonnen, die Regeln des Sandhi etwas systematischer zu betrachten. Diese behandeln alle lautlichen Veränderungen, die beim Aufeinandertreffen von Wörtern (Shabda) oder Wortbestandteilen mit den beteiligten Lauten (Varna) nach genau beschriebenen Gesetzmäßigkeiten vor sich gehen. In dieser Lektion betrachten wir die Regeln für das Zusammentreffen zweier Vokale.
Überblick
Beim Aufeinandertreffen von Wörtern oder Wortbestandteilen gibt es grundsätzlich vier mögliche Fälle: Es treffen
- ein Vokal (Selbstlaut, Svara) und ein Konsonant (Mitlaut, Vyanjana) aufeinander (V + K, s. Lektion 101)
- ein Konsonant und ein Vokal aufeinander (K + V, s. Lektion 101)
- zwei Vokale aufeinander (V + V)
- zwei Konsonanten aufeinander (K + K).
Die Verbindung von End- und Anfangsvokalen
Teffen End- und Anfangsvokal zweier aufeinanderfolgender Wörter im Satz (Vakya) oder innerhalb eines zusammengesetzten Substantives (Kompositum, Samasa) aufeinander, so erliegen sie gewissen Veränderungen, je nachdem, ob es sich dabei um gleichartige (wie a und ā) oder ungleichartige Vokale (wie a und i) handelt.
Verbindung gleichartiger Vokale: a, i und u
Teffen gleichartige End- und Anfangsvokale zweier aufeinanderfolgender Wörter aufeinander, was besonders häufig innerhalb von Komposita geschieht, so "verschmelzen" diese in der Regel zu einem Vokal, wenn es sich nicht um die vier sogenannten Diphthonge e, ai, o und au handelt:
- a/ā und a/ā zu ā: prāṇa ("Atem") + āyāma ("Kontrolle, Lenkung") >> prāṇāyāma (Pranayama) "Atemkontrolle"
- i/ī und i/ī zu ī: buddhi ("Erkenntnis") + indriya ("Organ, Sinn") >> buddhīndriya (Buddhindriya) "Erkenntnisorgan, Erkenntnivermögen"
- u/ū und u/ū zu ū: laghu ("leicht") + uṣṇa ("warm") >> laghūṣṇa "leicht (Laghu) und warm (Ushna)"
Verbindung ungleichartiger Vokale: a, i, u und ṛ
- a/ā und i/ī verschmelzen zu e: gaṇa ("Schar") + īśa ("Herr") >> gaṇeśa "Ganesha, der elefantenköpfige Gott"
- a/ā und u/ū zu o: paścima ("Westen, Rücken") + uttāna ("Ausdehnung") + āsana ("Sitz, Stellung") >> paścimottānāsana "Zange (Pashchimottanasana), d.h. eine Vorbeuge mit geschlossenen gestreckten Beinen im Sitzen"
Die auslautenden Vokale i/ī, u/ū und ṛ/ṝ gehen vor ungleichartigem Vokal in den entsprechenden Halbvokal (Antahstha) (nämlich y, v und r) über, ebenso ṛ/ṝ nach a/ā:
- u/ū wird zu v: guru "schwer, wichtig" + artha >> gurvartha "eine wichtige Sache" (Gurvartha)
- ṛ/ṝ wird zu r: pitṛ "Vater, Ahn" + iṣṭa "erwünscht, lieb" >> pitriṣṭa "den Ahnen lieb" (Pitri Ishta)
- a/ā und ṛ verschmelzen zu ar: sapta "sieben" + ṛṣi "Seher" >> saptarṣi (Saptarshi) "die sieben Rishis"; mahā "groß" + ṛṣi "Seher" >> maharṣi (Maharshi) "großer Rishi"
Verbindung ungleichartiger Vokale: e und o
Die Vokale e und o gehen vor allen Vokalen außer kurzem a in a über:
- vane "im Wald" + āste ("er sitzt") >> vana āste "er sitzt im Wald (Vana)"
- mano + eṣām >> mana eṣām "deren Geist (Manas)"
Die Vokale e und o bleiben unverändert, wenn ihnen ein kurzes a folgt, welches wiederum in der Aussprache ausfällt (Elision) und graphisch durch ऽ bzw. Apostroph ( ' ) dargestellt wird:
- so (aus saḥ "der") + aham ("ich") >> so 'ham (सोऽहम्) "der (d.h. der Atman) bin ich"
Anmerkung: Ein auslautendes o geht, falls es sich nicht um den Vokativ eines u-Stammes handelt (wie Vok. śambho von Shambhu), auf as bzw. aḥ (Visarga) zurück, wie in namo namaḥ aus namaḥ namaḥ.
Ausnahmen
Das als archaische Ausnahme akzeptierte Nichtbeachten der Regeln des Sandhi, wie es häufig in der Rezitation des Veda vorkommt, wenn zwei Vokale aufeinandertreffen, wird als Pragrihya bezeichnet.
In der Rezitation des Veda erfordert das Versmaß (Metrum, Chhandas) häufig eine vom regulären Sandhi abweichende Aussprache: so wird in der ersten Verszeile des Maha Mrityunjaya Mantras das Wort tryambakaṃ nicht dreisilbig (tryam-ba-kaṃ), sondern viersilbig (tri-yam-ba-kaṃ) ausgesprochen, damit das Versmaß von 8 Silben pro Pada erhalten bleibt:
- triyambakaṃ yajāmahe ...
Fragen und Feedback
Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.
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Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
- Sanskrit Kurs Lektion 10
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