Sanskrit Kurs Lektion 76

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Vokalische Nominalstämme (4)

In Lektion 65 haben wir den Singular der weiblichen Substantive auf betrachtet. Nun schauen wir uns den Plural an.


Übersicht: Plural der weiblichen Substantive auf -ā

In der folgenden Übersicht wurde das weibliche Wort Kanya ("Mädchen, Jungfrau, Tochter") in allen acht Fällen des Plurals (Mehrzahl, Bahuvachana) dekliniert. Diesem Bildungstyp folgen alle weiblichen Substantive auf .

Fall (Kasus) Sanskritname Frage Devanagari Transliteration Transkription deutsche Wiedergabe
1. Nominativ Prathama Wer? Was? कन्याः kanyāḥ kanyah "die Mädchen"
2. Akkusativ Dvitiya Wen? Wohin? कन्याः kanyāḥ kanyah "die Mädchen"
3. Instrumental Tritiya Mit wem? Womit? कन्याभिः kanyābhiḥ kanyabhih "mit den Mädchen"
4. Dativ Chaturthi Wem? कन्याभ्यः kanyābhyaḥ kanyabhyah "den Mädchen"
5. Ablativ Panchami Von wem? Von wo? कन्याभ्यः kanyābhyaḥ kanyabhyah "von den Mädchen (her)"
6. Genitiv Shashthi Wessen? Wovon? कन्यानाम् kanyānām kanyanam "der Mädchen"
7. Lokativ Saptami Wo? कन्यासु kanyāsu kanyasu "bei den Mädchen"
8. Vokativ Sambodhana Rufform (oh ..., he ...!) कन्याः kanyāḥ kanyah "(he) Mädchen!"


Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 46. Vers steht im Kontext der Praxis von Khechari Mudra).


सोमाद्यत्रोदिता धारा साक्षात्सा शिववल्लभा |
पूरयेदतुलां दिव्यां सुषुम्णां पश्चिमे मुखे || ४.४६ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
somād yatroditā dhārā sākṣāt sā śiva-vallabhā |
pūrayed atulāṃ divyāṃ suṣumṇāṃ paścime mukhe || 4.46 ||


  • vereinfachte Transkription:
somad yatrodita dhara sakshat sa shiva-vallabha |
purayed atulam divyam sushumnam pashchime mukhe || 4.46 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
somāt : vom Mond (Soma, Abl. Sg. m.)
yatra : bei deren (Ausführung, Yatra, adv.)
uditā : herabfließt ("ausgegangen ist", Udita, Nom. Sg. f.)
dhārā : (ein) Strom (von Nektar, Dhara, Nom. Sg. f.)
sākṣāt : (ist die) leibhaftige ("vor Augen stehende", Sakshat, )
 : diese (Khechari, Tad, Nom. Sg. f.)
śiva-vallabhā : Geliebte (Vallabha, Nom. Sg. f.) Shivas
pūrayet : man fülle (pṝ, Verb)
atulām : (die) unvergleichliche (Atula, Akk. Sg. f.)
divyām : himmliche, göttliche (Divya, Akk. Sg. f.)
suṣumṇām : Sushumna, Akk. Sg. f.)
paścime : im hinteren (Pashchima, Lok. Sg. n.)
mukhe : Mund(raum, Mukha, Lok. Sg. n.)


  • Übersetzung:
Diese Khechari Mudra, bei deren (Ausführung) ein Strom (von Nektar) herabfließt, ist die leibhaftige Geliebte Shivas.
Man fülle die unvergleichliche, göttliche Sushumna im hinteren Mundraum (mit der nach hinten gebogenen Zunge).


Erläuterungen

  • Syntax: Dieser Vers besteht aus zwei Sätzen (Vakya). Der erste Satz im ersten Halbvers (Pada a-b) besteht wiederum aus zwei Teilsätzen: einem mit yatra beginnenden Relativsatz, und einem mit beginnenden Hauptsatz. Der zweite Satz erstreckt sich über den zweiten Halbvers (Pada c-d).
  • Der Ablativ (Panchami) somāt bezeichnet den Ausgangspunkt (Apadana) der Handlung, hier den Herkunftsort bzw. Ursprung des Nektarstromes.
  • Das Adverb yatra "wo, wobei, bei welcher" bezieht sich inhaltlich auf den Nominativ khecarī im vorangehenden Vers (4.45). Syntaktisch bezieht sich yatra im Sinne eines Relativpronomens auf das Demonstrativpronomen .
  • Das Adverb sākṣāt bezieht sich auf die Verbform "ist", die hier im Sanskrit mitverstanden wird, da es sich im ersten Halbvers um einen sogenannten Nominalsatz, d.h. einen Satz (Vakya) ohne finite Verbform, handelt.
  • Das Demonstrativpronomen "diese" bezieht sich auf śiva-vallabhā und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Femininum. Syntaktisch bezieht sich auf das vorangehende Relativpronomen yatra und damit auf das aus dem vorangehenden Vers (4.45) ergänzte khecarī: "Diese () Khechari Mudra, bei deren (yatra) ...".
  • Das Kompositum (Samasa) śiva-vallabhā ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) des Hauptsatzes im zweiten Pada innerhalb des Nominalsatzes im ersten Halbvers. Es steht im Nominativ und gehört zum Tatpurusha genannten Typ. Es bedeutet wörtlich "Shiva-Geliebte" und bezieht sich auf die in diesem Vers nicht ausdrücklich genannte Khechari Mudra.

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