Sanskrit Kurs Lektion 99

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Die Verben der 4. Klasse bzw. Div Klasse (3)

In Lektion 97 und 98 haben wir die Beugung (Konjugation) der Verben der 4. Klasse (Div Klasse, thematische Konjugation) in der Gegenwart betrachtet. Nun folgt ein weiterer Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika, die Auflösung des Formen-Rätsels aus Lektion 98 sowie ein neues Formen-Rätsel.

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 52. Vers gibt einen Vergleich für das Auflösen des Geistes bzw. Denkens im Zusammenhang mit Khechari Mudra.


एवमभ्यस्यतस्तस्य वायुमार्गे दिवानिशम् |
अभ्यासाज्जीर्यते वायुर्मनस्तत्रैव लीयते || ४.५२ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
evam abhyasyatas tasya vāyu-mārge divā-niśam |
abhyāsāj jīryate vāyur manas tatraiva līyate || 4.52 ||


  • vereinfachte Transkription:
evam abhyasyatas tasya vayu-marge diva-nisham |
abhyasaj jiryate vayur manas tatraiva liyate || 4.52 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
evam : so, auf diese Weise (Evam, adv.)
abhyasyataḥ : der (Khechari Mudra) übt, praktiziert (abhi + as, Gen. Sg. m.)
tasya : für den (Tad, Gen. Sg. m.)
vāyu-mārge : auf der Bahn (Marga, Lok. Sg. m.) des Windes (Vayu)
divā-niśam : Tag und Nacht (Divanisham, adv.)
abhyāsāt : aufgrund des (regelmäßigen) Übens (Abhyasa, Abl. Sg. m.)
jīryate : sich auflöst ("verdaut wird", jṝ, Verb)
vāyuḥ : (wo der) Lebenshauch, Atem, Prana ("Wind", Vayu, Nom. Sg. m.)
manaḥ : (auch) der Geist (Manas, Nom. Sg. n.)
tatra : da, dort (Tatra, adv.)
eva : eben (Eva)
līyate : löst sich auf, wird absorbiert (, Verb)


  • Übersetzung:
Für den, der auf diese Weise Tag und Nacht auf der Bahn des Windes (der Sushumna) praktiziert, löst sich der Atem ("Wind") auf, und an ebendiesem Ort (in demselben Chakra) löst sich auch der Geist auf.


Erläuterungen

  • Das Adverb evam "so, auf diese Weise" bezieht sich auf den Genitiv abhyasyataḥ.
  • Das Demonstrativpronomen tasya ("dieses, des") bezieht sich auf das Partizip Präsens abhyasyataḥ und steht daher ebenfalls im Genitiv Singular Maskulinum.
  • Der Lokativ (Saptami) vāyu-mārge bezeichnet den Ort der Handlung (Adhikarana) bzw. die Stelle, wo etwas geschieht.
  • Das Adverb divā-niśam "Tag und Nacht" ist eine nähere Bestimmung (Kriyavisheshana) zum Partizip Präsens abhyasyataḥ.
  • Der Ablativ (Panchami) abhyāsāt bezeichnet hier eine Ursache bzw. Voraussetzung.
  • Der Nominativ (Prathama) vāyuḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung jīryate.
  • Der Nominativ manaḥ ist das logische Subjekt der Verbalhandlung līyate.
  • Das Adverb tatra "dort" bezieht sich auf den (jeweiligen) Ort der Konzentration, bspw. auf ein Chakra, in dem sich der Atem bzw. "Wind" während der Übungspraxis auflöst.
  • Die emphatische Partikel eva "eben, genau" hebt das vorangehende Wort (tatra) hervor: tatraiva "genau dort, ebenda".


Fragen und Feedback

Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.

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