Gedächtnis

Aus Yogawiki
Gehirn2.jpg

Schulung des Gedächtnisses – Ein Artikel von Swami Sivananda

Swami Sivananda, der indische Yoga Meister, schrieb über die Schulung des Gedächtnisses:

Wer sein Unbewusstes bewusst gemacht hat und seine Erinnerung lebendig hält, sein Gedächtnis und Chitta beherrscht, ist Herr seines Inneren, ist sein Selbst, der unsterbliche Atman. Ihm gilt meine Bewunderung und Verehrung.

Die Schulung des Gedächtnisses ist äußerst wichtig, sie führt zur Selbstverwirklichung. Ein vergesslicher Mensch wird in seinem Streben stets versagen und immer wieder Fehler machen. Ein Mensch mit starkem und beständigem Gedächtnis wird zuverlässigen Erfolg in all seinen Unternehmungen haben, seine geschäftlichen Aufgaben gut erfüllen, seine Studien erfolgreich beenden. Intelligenz ist nur ein Zehntel des Gedächtnisses.

Das Sanskritwort fur Gedächtnis ist Smriti. Smarana heißt sich erinnern. Dies ist die Funktion des Unbewussten. Die Samskaras des Denkens und Handelns sind tief in Chitta eingeprägt.

Dieses gleicht der empfindsamen Platte eines Fotoapparates oder eines Grammophons. Alle Eindrücke werden unauslöschlich eingeprägt. Sobald du den Versuch machst, dich an vergangene Ereignisse oder Dinge zu erinnern, kommen diese wieder an die Oberfläche des Bewusstseins. So wie ein Mensch durch einen Seitenvorhang auf die Bühne tritt, wie der Gefangene aus einer kleinen Tür des großen Haupttores das Gefängnis verlässt, so treten auch die Eindrücke aus der Falltür des Unterbewussten hervor. Sie gleichen großen Gedankenwellen oder mentalen Bildern.

Wenn man hellsichtig ist oder ein astrales Auge hat, kann man deutlich alle unterschwelligen Bewegungen dieser Bilder im unterbewussten Werkraum des Mentalen, in seiner unterirdischen Fabrik, beobachten. Das Wort Gedächtnis, Erinnerung wird in zweierlei Weise benutzt. Wir sagen: »Herr John hat ein gutes Gedächtnis." Dies besagt, dass seine Denkfähigkeit, mit der er seine vergangenen Eindrücke aufspeichert, sehr gut ist. Manchmal sagt man auch: »Ich kann mich an diese Begebenheit nicht mehr erinnern.« Dies drückt aus, dass man ein Ereignis, das vor einigen Jahren geschah, nicht mehr in seiner ursprünglichen Form als Erinnerung an die Oberfläche des Bewusstseins bringen kann.

Wenn die Erfahrung noch neu ist, wirkt das Gedächtnis wie ein Rückruf. Die Erinnerung kann nur Wiederholungen, nicht neue Erkenntnisse bringen. Nimm an, dein Freund hätte dir ein hübsches Geschenk gemacht. Wenn du es in Benutzung hast, wird es dich an ihn erinnern. Eine Zeitlang wirst du an ihn denken. Das Geschenk ist der Grund deiner Erinnerung.

Folgendes sind die vier positiven und charakteristischcn Merkmale eines guten Gedächtnisses:

  1. Wenn du einmal eine Stelle durchgelesen hast und diese fast ohne Fehler wiedergeben kannst, dann ist dies Zeichen von gutem Gedächtnis und wird Sugamata genannt.
  2. Wenn du das Gleiche wiedergibst ohne etwas hinzuzufügen oder abzuziehen, heißt dies Avaikalya.
  3. Wenn du eine beträchtlich lange Zeit eine Tatsache, eine Zeile oder irgendetwas anderes behältst, wird dies ein konzentriertes Gedächtnis, Dharana, genannt.
  4. Wenn du ein Ereignis sofort ohne Schwierigkeiten wiedergibst, heißt dies Upaharana.

Wenn dein Bruder ein Feigling ist, wirst du durch irgendeinen ähnlich feigen Menschen an diesen Bruder erinnert. Ein solches Gedächtnis gründet auf Ähnlichkeit (Sadrishata).

Nimm an, du hättest einen Zwerg in Madras gesehen. Wenn du nun einem großen Menschen begegnest, wirst du an diesen Zwerg erinnert. Ein großer Palast wird dich an eine Bauernhütte oder an die Grashütte eines Sannyasin an den Ufern des Ganges erinnern. Diese Erinnerung stammt aus der Ungleichheit der Dinge (Viaparitata). Wenn du an einem stürmischen Tag auf der Straße zufällig einem gestürzten Baum begegnest. wirst du annehmen, der Sturm habe ihn umgeworfen. In diesem Fall beruht deine Erinnerung auf der Beziehung von Ursache und Wirkung (Karya Karana Sambandha).

Es ist sehr wichtig für diejenigen, die ein gutes Gedächtnis entwickeln wollen, dass sie die Arbeit des Unbewussten kennenlernen. Die meisten mentalen Tätigkeiten spielen sich im Unterbewusstsein ab. Das bewusste Denken kann sich ausruhen, das unbewusste arbeitet 24 Stunden. Das Unbewusste bringt die Antwort blitzartig am frühen Morgen hervor, wenn du nachts keine Lösung gefunden und dein Gehirn Stunden um Stunden durchwühlt hast. Das Unbewusste ist ein sehr zuverlässiger Diener, wenn du die Technik, es zu handhaben, meisterlich beherrschst . Du kannst eine sehr starke Hilfe finden.

Alle wunderbaren Menschen und alle intellektuellen Größen der Welt kennen die Beherrschung dieses Teils ihres Mentalen. Chitta analysiert, sortiert, ordnet Fakten und Erscheinungen ein, holt aus den verschiedenen Löchern des Unbewussten alte Erinnerungen hervor und stellt am frühen Morgen oder irgendeiner anderen Tageszeit eine klare Zusammenstellung der Tatsachen aus deiner Einsicht und Rückschau zur Verfügung.

Ehe du dich zum Schlafen hinlegst, solltest du Chitta Anweisungen geben. Am frühen Morgen wird es die Antwort bereithalten. Wenn du dich in einer Ausweglosigkeit befindest, wenn du am Ende deines Wissens und in voller Verwirrung bist, wenn du nicht weißt, wie man ein Problem lösen soll, dann gib deinem Chitta Anweisungen. Gib ihm eine hestimmte Aufgabe, indem du ihm die Art der Schwierigkeit vorstellst. Morgens um vier Uhr wirst du eine klare Antwort haben. Versuche und übe dies.

Eine wunderbare Überzeugung und Stärke wird über dich kommen. Du wirst einen guten Freund im unbewussten Denken finden. Ein Mensch mit einem starken, ausdauernden Gedächtnis kann im Augenblick gewaltige Arbeit leisten.

Wenn du die Einleitung zum »Pranaya Vada« liest, die Sri Babu Bhagavan Das aus Varanasi geschrieben hat, wirst du erfahren, dass er das ganze Material zu diesem großen dreibändigen Werk durch Rezitationen eines Pandit bekommen hat. Dieser war von Geburt an blind und kannte den Inhalt vieler Bücher auswendig. Er kannte auch die Nummern der Seiten.

In früheren Zeiten konnten Sanskrit-Gelehrte alle Veden auswendig. Das Gurukula-System der Erziehung hat seine eigenen Vorteile. Es entwickelt das Gedächtnis in wunderbarem Ausmaß. Selbst heute noch gibt es einen Pandit in Varanasi, der die ganzen Upanishaden, die Gita, die Brahma Sutras, Khandan Khadyam, Chit Sukhi und Advaita Siddhi, das riesige Werk über Vedanta im Gedächtnis hat. Es gibt auch kleine Jungen im Darshan Maha Vidyalaya des Sri Raghavachari in Rishikesh, die sich der achtzehn Kapitel der Gita erinnern.

Keuschheit, Einhalten von Diät und Zucht der Sinnesorgane (Indriyas) sind sehr wesentlich für die Entwicklung des Gedächtnisses. Die Samenenergie hat eine unmittelbare nahe Beziehung zu den Zellen des Chitta und des Gehirns. Du musst das Äußerste versuchen, um jeden Tropfen des Lebensstroms zu erhalten. Meist kommt das schlechte Gedächtnis durch einen schweren Verlust dieser lebenspendenden Energie.

Junge Menschen der Schule oder Universität erkennen nicht die lebenswichtige Bedeutung der Enthaltsamkeit. Sie tasten in äußerster Finsternis umher. Ihre Gedanken sind mit Leidenschaft durch Betrachtung von Bildern nackter Menschen und ihrer Umarmung im Film erfüllt. Sie erfreuen sich an Berichten, die ihr sinnliches Begehren wecken. Ihre Begleitung ist schlecht und sie sind eingebildet, hochmütig und eigenwillig, maßlos im Essen und haben keine Ahnung von Sattva-Diät und von den Auswirkungen ungesunder Nahrung auf die verschiedenen Teile des Gehirns.

Sie kennen keine Disziplin der Sinnesorgane. Deshalb versagen sie elendiglich in ihrem Leben, das ohne Freude in Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit abläuft. Wer sorgfältig in der Enthaltsamkeit ist, wer mit Sadhus und Sannyasins Umgang pflegt, ist gesichert. Er wird erfolgreich im Leben sein. Selbst wenn er einen Fehler begeht, werden weise Männer ihn korrigieren. Das Gesetz der Assoziation hilft sehr wesentlich mit bei der Entwicklung des Gedächtnisses. Die Erinnerung an ein Wort, das mit »heit« endet, wird andere Worte mit solcher Endsilbe ins Gedächtnis rufen, wie etwa: Verfressenheit, Dummheit, Überlegenheit etc. Die Erinnerung an ein Wort, das mit »tisch« endet wie etwa romantisch, wird an Worte wie fantastisch, asketisch, pathetisch etc. erinnern. Auf diese Weise kann man Dinge im Gedächtnis behalten. Man muß Wortgruppen in den verschiedenen Teilen des Gehirns zusammenstellen. Verbinde Gegenstände oder Ereignisse gleicher Art miteinander. Dann werden alle diese Dinge ganz bereitwillig und gehorsam in dein Gedächtnis zurückkehren.

Copyright Divine Life Society

Gedächtnisübungen

Ein weiterer Artikel von Swami Sivananda

Hier seien einige einfache Übungen für die Schulung des Gedächtnisses angegeben:

  • 1. Setze dich in Yogahaltung, in Virasana oder Padmasana. Schließe deine Augen. Stelle dir einen großen Garten vor. In einer Ecke wächst Jasmin, in der anderen Rosen, in wieder einer anderen Tulpen und in der letzten stehen Lilien. Zuerst denke an den Jasmin. Dann wende deine Gedanken zu den Rosen, später zu den Tulpen, zuletzt zu den Lilien. Und nun führe die Gedanken wieder zum Jasmin zurück. Wende sie in dieser Art zwei oder drei Minuten von einem zum anderen. Blicke nachts auf das Himmelsgewölbe und zähle die Sterne in einem kleinen abgegrenzten Bereich. Dies ist auch eine Art von Übung.
  • 3. Füge das Wort "V-I-B-G-O-R" in dein Gedächtnis. Versuche ebenso die verschiedenen Farben violett, indigo, blau, grün, gelb, orange, rot im Gedächtnis zu halten. Dann nimm das Codewort zur Hilfe. Jeder kann ein eigenes wählen.
  • 4. Man kann die Codeworte auch so zusammenstellen, dass sie mit A, B oder C etc. beginnen. Sie können auch mit einer gleichen Silbe wie etwa »reich« oder "ung" enden. Dies kann zu Verbindungen führen, an die man sich leicht erinnert.
  • 5. Japa, Meditation, Gebet, Hingabe, Yogaübungen und Atemschulung entwickeln das Gedächtnis auf wunderbare Weise. Hier sei eine kurze Beschreibung der Yogaübungen eingefügt. Shirshasana (Kopfstand) ist König aller Asanas (Stellungen): Lege ein Kissen auf die Erde. Hocke vor dem Kissen auf den Fersen und beuge den Rumpf so weit vor, bis der Kopf das Kissen auf deinen zusammengefalteten Fingern berührt. Stelle dich auf den Kopf und hebe langsam die Beine hoch. Dann führe sie wieder langsam ohne ruckartige Bewegungen zurück. Zu Anfang kannst du die Wand oder einen Menschen zu Hilfe nehmen. Mache dies eine Minute lang und verlängere die Zeit allmählich auf zehn Minuten. Leiden der Augen, der Ohren, des Blutes, des Magens, der Eingeweide, Verdauungsbeschwerden und auch Nervenstörungen werden hierdurch geheilt. Es ist ein Stärkungsmittel für Blut und Nerven.
  • 6. Hier noch einige Aussagen und Behauptungen, die zur Entwicklung des Gedächtnisses führen sollen. Meditiere und sprich:
  • Ich habe ein sehr starkes Gedächtnis OMOMOM.
  • Ich kann mich jetzt gut an Dinge erinnern OMOMOM.
  • Mein Gedächtnis hat sich sehr gebessert OMOMOM.
  • Ich habe ein wundervolles, anhaltendes Gedächtnis OMOMOM.
  • 7. Wiederhole diese Formel mehrere Male am Tag. Meditiere hierüber am Morgen fünfmal. Du wirst wunderbare Fortschritte machen. "Tag für Tag werde ich besser und besser, in jeder Weise, durch die Gnade Gottes." Meditiere über den Sinn dieser Worte und empfinde ihn auch.