Sanskrit Kurs Lektion 73
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Konsonantische Nominalstämme (3)
In Lektion 72 haben wir die acht Fälle des Singulars der konsonantisch auslautenden Stämme auf -in betrachtet. Der folgende Beispielvers enthält ein solches Partizip in Zusammenhang mit einem absoluten Lokativ.
Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika
Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem ersten Kapitel (Upadesha), das der Asana-Praxis gewidmet ist. Der 59. Vers enthält drei mit dem Suffix -in gebildete Nomen.
- ब्रह्मचारी मिताहारी त्यागी योगपरायणः |
- अब्दादूर्ध्वं भवेत्सिद्धो नात्र कार्या विचारणा || १.५९ ||
- wissenschaftliche Transliteration:
- brahmacārī mitāhārī tyāgī yogaparāyaṇaḥ |
- abdād ūrdhvaṃ bhavet siddho nātra kāryā vicāraṇā || 1.59 ||
- vereinfachte Transkription:
- brahmachari mitahari tyagi yogaparayanah |
- abdad urdhvam bhavet siddho natra karya vicharana || 1.59 ||
- Wort-für-Wort-Übersetzung:
- brahma-cārī : einer, der Enthaltsamkeit pflegt ("im Brahman wandelt, Brahmacharin, Nom. Sg. m.)
- mitāhārī : der maßvoll isst ("wessen Nahrung maßvoll ist", Mitaharin, Nom. Sg. m.)
- tyāgī : der Entsagung, Verzicht übt, freigebig ist (Tyagin, Nom. Sg. m.)
- yoga-parāyaṇaḥ : dessen höchstes Ziel, Hauptzweck (Parayana, Nom. Sg. m.) der Yoga (m.) ist
- abdāt : einem Jahr (Abda, Abl. Sg. m.)
- ūrdhvam : nach (Urdhva, adv.)
- bhavet : wird, ist (bhū, Verb)
- siddhaḥ : ein Vollkommener (Siddha, Nom. Sg. m.)
- na : nicht (Na)
- atra : hierüber (Atra, adv.)
- kāryā : ist angebracht ("ist zu tun", Karya, Nom. Sg. f.)
- vicāraṇā : ein Zweifeln ("Bedenken", Vicharana, Nom. Sg. f.)
- Übersetzung:
- Einer, der Enthaltsamkeit pflegt, maßvoll isst, und dessen höchstes Ziel der Yoga ist,
- der wird innerhalb eines Jahres ein Vollkommener - hierüber besteht kein Zweifel.
Erläuterungen
- Die Nominative (Prathama) brahma-cārī, mitāhārī, tyāgī und yoga-parāyaṇaḥ sind Attribute zu siddhaḥ und stehen daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum. Die Komposita brahma-cārī, mitāhārī und yoga-parāyaṇaḥ gehören zum Typ Tatpurusha. Sie bestehen jeweils aus zwei Gliedern: brahma (Brahman "das Heilige, Absolute") und cārin (Charin "wandelnd"), mita (Mita "maßvoll") und āhārī (Ahara "Nahrung" + -in) sowie yoga (Yoga) und parāyaṇa- (Parayana "höchstes Ziel").
- Der Ablativ (Panchami) abdāt bezeichnet in Zusammenhang mit dem Adverb ūrdhvam den zeitlichen Ausgangspunkt der Handlung (Apadana).
- Die Verbform bhavet ("er wird, sollte sein") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel bhū "sein, werden" (1. bzw. Bhu Klasse). Der Optativ drückt hier eine Möglichkeit aus, die in der Zukunft eintritt.
- Der Nominativ siddhaḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung bhavet.
- Die Negationspartikel na verneint die als Gerundivum erscheinende Verbalhandlung kāryā.
- Das Adverb atra "hier, hierüber" bezieht sich auf die gesamte in Pada 1-3 gemachte Aussage.
- Das Gerundivum kāryā bezieht sich als Verbaladjektiv auf vicāraṇā und steht daher auch im Nominativ Singular Femininum. Es erfordert eine passive Konstruktion, bei der das logische Objekt im Nominativ steht. Das Gerundivum kāryā ist von der Wurzel kṛ "machen, tun" abgeleitet.
- Der Nominativ vicāraṇā ist logisches Objekt (Karman) der als Gerundivum erscheinenden Verbalhandlung kāryā. Im Sanskrit liegt hier eine passive Konstruktion (Karmani Prayoga) zugrunde, wörtl.: "ein Zweifeln ist (nicht) zu tun".
- Sandhi: Gleichartige Vokale (Svara) verschmelzen am Wortende und -anfang sowie in Komposita zu einem Langvokal: a + ā/a wird zu ā in mitāhārī (mita + āhārī) und in nātra (na + atra). Das stimmlose dentale t von abdāt wird vor Vokal (hier: ū) zu stimmhaftem d. Die Endung m von ūrdhvam geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara (ṃ) über, welcher wie m ausgesprochen wird. Die Form siddho steht für siddhaḥ, da auslautendes -aḥ vor stimmhaftem Konsonant (hier: n) zu -o wird.
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Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
- Sanskrit Kurs Lektion 10
- Sanskrit Kurs Lektion 11
- Sanskrit Kurs Lektion 12
- Sanskrit Kurs Lektion 13
- Sanskrit Kurs Lektion 14
- Sanskrit Kurs Lektion 15
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