Sanskrit Kurs Lektion 55: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 23. September 2018, 14:57 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Der Komparativ (2)

In Lektion 54 haben wir die Bildung und Verwendung des Komparativs betrachtet. Der folgende Beispielvers enthält einen Komparativ.


Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 87. Vers steht im Kontext der Meditation auf den inneren Ton (Nada).


महति श्रूयमाणेऽपि मेघभेर्यादिके ध्वनौ |
तत्र सूक्ष्मात्सूक्ष्मतरं नादमेव परामृशेत् || ४.८७ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
mahati śrūyamāṇe'pi meghabheryādike dhvanau |
tatra sūkṣmāt sūkṣmataraṃ nādam eva parāmṛśet || 4.87 ||


  • vereinfachte Transkription:
mahati shruyamane'pi meghabheryadike dhvanau |
tatra sukshmat sukshmataram nadam eva paramrishet || 4.87 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
mahati : mächtiger, gewaltiger (Mahat, Lok. Sg. m.)
śrūyamāṇe : wenn gehört wird (Partizip Präsens Passiv von śru, Lok. Sg. m.)
api : auch, selbst (Api, Verbindungspartikel)
megha-bhery-ādike : wie von einer (Gewitter-)Wolke (Megha), einer Kesselpauke (Bheri) usw. ("zum Anfang habend", Adika, Lok. Sg. m.)
dhvanau : ein Ton, Klang (Dhvani, Lok. Sg. m.)
tatra : bei diesen (verschiedenen Klängen, Tatra)
sūkṣmāt : als subtil, fein (Sukshma, Abl. Sg. n.)
sūkṣmataram : der subtiler, feiner ist (Sukshma-tara, Akk. Sg. m.)
nādam : auf den Klang (Nada, Akk. Sg. m.)
eva : nur (Eva, Partikel)
parāmṛśet : man soll achten, die Aufmerksamkeit richten (parā + mṛś, Verb)


  • Übersetzung:
Selbst wenn ein lauter (inner) Ton wie der einer Gewitterwolke oder einer Kesselpauke usw. gehört wird,
soll man die Aufmerksamkeit auf den allersubtilsten* Klang unter all diesen Klängen richten.


Erläuterungen

  • Syntax: Alle vier Lokative (Saptami) des ersten Halbverses (mahati śrūyamāṇe meghabheryādike dhvanau) bilden zusammen einen absoluten Lokativ, der die Voraussetzung für die nachfolgende Aussage beschreibt. Dieser besteht aus einem Substantiv (dhvanau, das hier noch durch ein Adjektiv und eine Apposition erweitert wurde) und einem Partizip Präsens Passiv (śrūyamāṇe). In der deutschen Übersetzung wird ein solcher absoluter Lokativ häufig mit "wenn" eingeleitet.
  • Das Adjektiv (Visheshana) mahati ist eine nähere Bestimmung zu dhvanau und steht daher ebenfalls im Lokativ Singular Maskulinum.
  • Das Partizip Präsens Passiv śrūyamāṇe ("der gehört werdende", Wurzel śru) bezieht sich ebenfalls auf dhvanau und steht gleichfalls im Lokativ Singular Maskulinum.
  • Die Stellung der in der Regel nachgestellten Verbindungspartikel api ("auch, selbst") nach śrūyamāṇe ist hier durch das Metrum bedingt; sie bezieht sich semantisch auf mahati.
  • Das Kompositum (Samasa) megha-bhery-ādike ist eine Apposition zu dhvanau und steht daher ebenfalls im Lokativ Singular Maskulinum.
  • Der Lokativ dhvanau ist innerhalb des absoluten Lokativs das logische Objekt (Karman) der als Partizip Präsens Passiv ausgedrückten Verbalhandlung śrūyamāṇe ("gehört werdend").
  • Das Adverb tatra "dort, unter diesen" bezieht sich auf megha-bhery-ādike dhvanau im zweiten Versviertel (Pada).
  • Der Ablativ (Panchami) sūkṣmāt ("als subtil") bezieht sich auf den Komparativ sūkṣmataram ("subtiler").
  • Der Komparativ sūkṣmataram (sūkṣma-tara) bezieht sich als Adjektiv auf nādam und steht daher ebenfalls im Akkusativ Singular Maskulinum. Wörtlich bedeutet der Ausdruck sūkṣmāt sūkṣmataraṃ nādam "auf den Klang, der subtiler als subtil ist", was sich mit "auf den allersubtilsten Klang" übersetzen lässt. Diese Form entspricht im Deutschen wiederum einer Elativ genannten Sonderform des Superlativs.
  • Der Akkusativ (Dvitiya) nādam ist logisches Objekt (Karman) der Verbalhandlung parāmṛśet.
  • Die emphatische Partikel eva "eben, gerade" hebt das vorangehende Wort (nādam) hervor oder steht, wie in diesem Falle, in der Bedeutung "nur".
  • Die Verbform parāmṛśet ("man soll/möge achten") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel (Dhatu) mṛś, die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) parā "achten, die Aufmerksamkeit richten" bedeutet. Der Optativ drückt einen Wunsch oder eine Möglichkeit, eine höfliche Aufforderung oder - wie in diesem Falle - eine neutrale Anweisung aus.
  • Sandhi: Das r in śrūyamāṇe bewirkt, dass das dentale n der Partizipialendung -māna zu zerebralem , d.h. zerebralisiert wird. Nach einem auslautenden e wird ein kurzes, anlautendes a (hier von api) elidiert, d.h. durch Apostroph ( ' ) bzw. Avagraha () ersetzt: śrūyamāṇe 'pi. Das lange ī von bherī wird vor ā zum Halbvokal y: °bhery-ādike.

Metrische Analyse des 3. und 4. Pada

Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal, oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:


Silbe 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8
Devanagari त्र सू क्ष्मा त्सू क्ष्म रं ना मे रा मृ शेत्
Transliteration ta tra kṣmā tsū kṣma ta raṃ da me va pa mṛ śet
Silbenlänge lang* kurz lang lang lang kurz kurz lang lang kurz lang kurz kurz lang kurz lang
Symbol υ υ υ υ υ υ υ


Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten. Die Positionslänge der 1. Silbe (Pada 3) ergibt sich durch die Aufteilung in tat-ra.


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