Erbarmen
Erbarmen ist tiefes Mitleid das zu helfen bemüht ist. Erbarmen heißt Liebe und Mitgefühl, das sich in konkretem Engagement äußern will. Erbarmen kann auch heißen, einem anderen etwas zu geben, was ihm eigentlich nicht zusteht, einem anderen Menschen zu vergeben, bzw. auch mal auf Konsequenzen aus einer Verfehlung zu verzichten. In diesem Sinne kann Erbarmen auch Gnade heißen. So spricht man auch vom Erbarmen Gottes.
Erbarmen - eine Tugend. Was ist Erbarmen ? Woher stammt das Wort? Wozu ist Erbarmen gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Erbarmen ? Mit vielen praktischen Tipps, Videos und Anleitungen.
Erbarmen als hilfreiche Tugend
Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Erbarmen ist ein Wort, das etwas altertümlich klingt, Erbarmen ist tiefes Mitgefühl, tiefes Mitleid, Erbarmen ist auch die Bereitschaft, das Normale zu verlassen und einem Menschen mehr zu geben, als ihm eigentlich zusteht. Erbarmen, da steckt das Wort "Barm" drin, das hat etwas mit Liebe zu tun, es hat etwas mit Herz zu tun, es gibt ja auch die Barmherzigkeit, das heißt, man hat ein Herz, das voller Liebe ist, voller Mitgefühl und was eben die uneigennützige Nächstenliebe ist.
Also,- Barmen, es gibt ja auch die Barmer Ersatzkasse, das ist also eigentlich eine, wo es darum geht, anderen zu helfen, um Leiden zu mindern. So gibt es Erbarmen, man kann z.B. Erbarmen mit einem Menschen haben, und Erbarmen mit einem Menschen kann man aus zwei Gründen haben, sei es, dass der Mensch stark leidet.
Du siehst jemanden, dem geht es gar nicht gut, er hat nichts, du hast Erbarmen mit ihm und du hilfst ihm. Ein zweiter Grund, Erbarmen zu haben, jemand hat einen schweren Fehler gemacht und eigentlich müsstest du jetzt irgendetwas tun und irgendwelche Konsequenzen machen. Erbarmen mit dem Menschen zu haben, hieße, dass du jetzt nicht die Konsequenzen ziehst, die eigentlich jetzt angemessen sind. So ist also Erbarmen wie ein Gegenpol zur Justitia, zur Gerechtigkeit.
Es braucht Regeln und Regeln brauchen auch Konsequenzen. Es braucht durchaus Vorgehensweisen und es braucht auch Verhaltensweisen, die für andere irgendwo so sind, dass sie darauf vertrauen können. Aber manchmal muss man Gnade vor Recht ergehen lassen, deshalb gibt es durchaus auch etwas von Erbarmen.
Allerdings, interessanterweise, je diktatorischer Regimes sind, umso mehr gibt es Erbarmen, im Sinne von, die mittelalterlichen Könige, da konnte man an ihre Gnade appellieren und dann haben sie nachher Urteile wieder revidiert. Oder wenn ein König an die Regierung gekommen ist, dann wurden Gefangene entlassen.
Je mehr eine Gesellschaft demokratisch ist und je mehr sie ein Rechtsstaat ist, umso weniger Raum gibt es für Gnade und Erbarmen. Also, je willkürlicher Urteile sind, umso mehr kann man an das Erbarmen appellieren. Es gibt natürlich auch im deutschen Rechtssystem, dass Menschen vorzeitig entlassen werden, aber weniger, weil sie an das Erbarmen appellieren oder weil ihre Familie, Freunde oder irgendein einflussreicher Mensch um Erbarmen fleht, sondern wegen guter Führung. Man wird frühzeitig aus dem Gefängnis entlassen wegen guter Führung. Man kann dann darum bitten.
Es gibt natürlich auch noch im begrenzten Maße, dass es irgendwo ein Gnadenerlass geben kann, aber heutzutage im deutschen Rechtssystem, Erbarmen und Gnade spielt weniger eine Rolle als in einem Willkürsystem. Das muss man auch irgendwo so wissen. Aber auf einer anderen Ebene spielt in der deutschen Gesellschaft Erbarmen eine größere Rolle als es früher war, nämlich, es gibt einen Sozialstaat und der soll dafür sorgen, dass kein Mensch hungers sterben muss, jeder Mensch soll ein Dach über dem Kopf haben, jeder soll essen können, jeder soll ein menschenwürdiges Dasein haben.
So ist dieses Erbarmen einzelner letztlich kollektiviert worden, was auch heißt, dass es heute anders als früher nicht mehr üblich ist, dass du draußen auf der Straße jemanden siehst, der nichts zu essen hat und hungers sterben wird und dass du, mindestens in Mitteleuropa, niemanden siehst, der auf der Straße liegt und weil er keinen Arzt bezahlen kann, krank ist und irgendwo dort zu Tode siecht. Diese Art von Erbarmen, die man früher haben musste, wie z.B. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter, die einzelne Menschen haben mussten, diese Art von Erbarmen ist heute nicht mehr gefragt, denn diese Art von Erbarmen und Barmherzigkeit haben wir glücklicherweise kollektiviert.
Man könnte sagen, auch hier, wenn ein Staat gerecht ist, wenn er demokratisch ist, wenn er insgesamt barmherzig als Ganzes ist, dann sind weniger Voraussetzungen an das Erbarmen einzelner gestellt. Trotzdem, auch heute gibt es Menschen, die im Leid sind, auch heute ist notwendig, Menschen zu helfen, auch heute wirst du sehen, ja, es gibt Menschen, die deine Hilfe im besonderen Maße brauchen und wo du besonders sagen kannst: "Ja, ich investiere meine Zeit, ich gebe dem Menschen mein Ohr, ich werde ihm Gutes tun, ich werde ihm auch materiell helfen, emotional helfen." Diese Art von Erbarmen braucht es.
Und manchmal ist eben auch hilfreich, der andere hat einen Fehler gemacht, der andere müsste jetzt mit Konsequenzen rechnen, aber es ist gut, Erbarmen mit ihm zu haben. Denke selbst nach über Erbarmen, auch darüber, dass vielleicht in einer etwas gerechteren Gesellschaft, etwas weniger willkürlichen Gesellschaft, in einem Sozialstaat weniger Notwendigkeit für Erbarmen ist an die Herrschenden, dass aber trotzdem man darüber hinaus Menschen helfen sollte und bis heute Barmherzigkeit, Erbarmen, uneigennützige Nächstenliebe eine Rolle spielt. Und bei aller Notwendigkeit für Justitia, Gerechtigkeit, braucht es auch manchmal Erbarmen.
Erbarmen und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Erbarmen in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Erbarmen
Ähnliche Eigenschaften wie Erbarmen, also Synonyme zu Erbarmen sind z.B. Gnade, Barmherzigkeit, Vergebung .
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Erbarmen übertrieben kann ausarten z.B. in Inkonsequenz, Weichheit, Arroganz, Herablassen, Hochmut . Daher braucht Erbarmen als Gegenpol die Kultivierung von Gerechtigkeit, Disziplin, Verlässlichkeit .
Gegenteil von Erbarmen
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Erbarmen, Antonym zu Erbarmen :
- Positive Gegenteile von Erbarmen, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Gerechtigkeit, Disziplin, Verlässlichkeit
- Negative Gegenteile von Erbarmen, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Starrheit, Gefühlskälte, Rücksichtslosigkeit
Erbarmen im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Erbarmen gehört zur Tugendgruppe 3 Liebe, Zuneigung, Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Großzügigkeit. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Liebe und Empathie
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Erbarmen zum Persönlichkeitsfaktor A1 Verträglichkeit hoch: kooperativ, liebevoll, freundlich, mitfühlend
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Erbarmen zur Grundverhaltenstendenz S - Stetigkeit, Mitgefühl, Teamfähigkeit
- Im Ayurveda zählt man Abgeklärtheit zum Kapha-Vata Temperament bzw. Dosha.
Entwicklung von Erbarmen
Erbarmen kann man sehen als Tugend, als eine positive Eigenschaft. Vielleicht willst du ja Erbarmen in dir stärker werden lassen. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Erbarmen zu kultivieren. Du kannst nicht mehrere Tugenden auf einmal entwickeln. Aber es ist möglich, jede Woche eine Tugend, eine Eigenschaft, wachsen zu lassen.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich die Tugend, die Eigenschaft, Erbarmen kultivieren, wachsen lassen, stärker werden lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein liebvoller Mensch zu sein."
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die Erbarmen ausdrückt. Mache jeden Tag etwas, was du sonst nicht tun würdest, was aber diese Tugend zum Ausdruck bringt
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle Erbarmen". Mehr Möglichkeiten zu Affirmationen findest du weiter unten
- Am Tag wiederhole immer wieder eine solche Affirmation: "Ich bin ein liebevoller Mensch".
Affirmationen zum Thema Erbarmen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Affirmationen für mehr Erbarmen Unter dem Stichwort "Affirmation" und "Wunderaffirmationen" erfährst du mehr darüber.
Klassische Autosuggestion für Erbarmen
Hier die klassische Autosuggestion:
- Ich bin ein Mensch voller Erbarmen
Im Yoga verbindet man das gerne mit einem Mantra. Denn ein Mantra lässt die Affirmation stärker werden:
- Ich bin voller Erbarmen. Om Om Om.
- Ich habe Barmherzigkeit. Om Namah Shivaya.
Entwicklungsbezogene Affirmation für Erbarmen
Manche Menschen fühlen sich als Scheinheiliger oder als Heuchler, wenn sie sagen "Ich habe Erbarmen" - und sie sind es gar nicht. Dann hilft eine entwicklungsbezogene Affirmation:
- Ich entwickle Barhmherzigkeit.
- Ich werde ein Mensch voller Erbarmen.
- Jeden Tag werde ich barmherziger.
- Durch die Gnade Gottes entwickle ich jeden Tag mehr Erbarmen.
Dankesaffirmation für Erbarmen
- Ich danke dafür, dass ich jeden Tag mehr Barmherzigkeit empfinde.
Gebet für Erbarmen
Auch ein Gebet ist ein machtvolles Mittel, um eine Tugend zu kultivieren. Hier ein paar Möglichkeiten für Gebete für mehr Erbarmen :
- Lieber Gott, bitte gib mir mehr Erbarmen
- Oh Gott, ich verehre dich. Ich bitte dich darum, dass ich ein barmherziger Mensch werde
- Liebe Göttliche Mutter, ich danke dir. Ich danke dir dafür, dass ich jeden Tag die Tugend Erbarmen mehr und mehr zum Ausdruck bringe
Was müsste ich tun, um Erbarmen zu entwickeln?
Du kannst dich auch fragen:
- Was müsste ich tun, um Erbarmen zu entwickeln?
- Wie könnte ich barmherziger werden?
- Lieber Gott, bitte zeige mir den Weg zu mehr Erbarmen.
- Angenommen, ich will barmherzig sein, wie würde ich das tun?
- Angenommen, ich wäre barmherzig, wie würde sich das bemerkbar machen?
- Angenommen, ein Wunder würde geschehen, und ich hätte morgen Erbarmen kultiviert, was hätte sich geändert? Wie würde ich fühlen? Wie würde ich denken? Wie würde ich handeln? Als erbarmender Mensch, wie würde ich reagieren, mit anderen kommunizieren?
Weitere Infos
Eigenschaften im Alphabet vor Erbarmen
Eigenschaften im Alphabet nach Erbarmen
Literatur
- Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis
- Swami Sivananda: Inspirierende Geschichten
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda: Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Licht, Kraft und Weisheit
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Die Wissenschaft des Pranayama
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Göttliches Elixier
- Swami Sivananda: Götter und Göttinnen im Hinduismus
Weblinks
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