Gutes Benehmen
Gutes Benehmen - eine Tugend? Was ist gutes Benehmen? Woher stammt der Ausdruck "gutes Benehmen?" Gutes Benehmen bedeutet, zum Beispiel Höflichkeit, Sittsamkeit und gute Manieren zu haben. Im Zuge der 1968er Generation wurde gutes Benehmen einige Jahre lang für nebensächlich, ja für scheinheilig gehalten. Äußere Freundlichkeit und innere Feindschaft wirkt aufgesetzt.
Seit den 1980er Jahren wird gutes Benehmen wieder höher geschätzt. Denn es ist durchaus notwendig, dass der Mensch lernt, sein Verhalten zu steuern. Wenn man einfach seinen Neigungen und Emotionen folgt, dann führt das oft zu Verletzungen. Gutes Benehmen bedeutet Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen und sich in jemand anderen Hineinversetzen. Gutes Benehmen ist vom Wunsch geprägt, mit anderen liebevoll umzugehen, damit man gemeinsam Gutes bewirken kann.
Gutes Benehmen als hilfreiche Tugend
Auszug aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Heute geht es um etwas, was keine Tugend ist, was aber dennoch in der Gesellschaft hilfreich ist und im Umgang mit anderen Menschen, und zwar gutes Benehmen. Gutes Benehmen heißt, sich so zu verhalten, wie es hilft, mit anderen gut auszukommen. Das ist im Grunde genommen die Grundeigenschaft von gutem Benehmen.
Auch der Freiherr von Knigge, der ja ein Benimmbuch geschrieben hat, das bis heute immer wieder neu aufgelegt wird, hat gesagt: „Die Grundlage von allem guten Benehmen ist der Wunsch, sich so zu verhalten, dass man anderen gegenüber respektvoll ist, dass man anderen gegenüber Güte hat, dass man mit einander mit Freundlichkeit und mit Höflichkeit umgeht und so, dass das Zwischenmenschliche angenehm ist.
In diesem Sinne ist gutes Benehmen bis heute etwas Wichtiges. Ich bin jetzt in einem Ashram, bei Yoga Vidya Bad Meinberg, einem großen Seminarhaus, auch eine spirituelle Gemeinschaft, bei uns ist jetzt keine große Förmlichkeit. Also, Menschen laufen in Freizeitkleidung rum und auch die Yogalehrer, gut, sie haben weiß und gelb an, aber ziehen sich eben so an, wie es angenehm ist.
Manche haben kurze Haare, manche lange Haare, man sitzt auf dem Boden, wir essen, aber es sind sicherlich nicht die vornehmsten Tischmanieren, sondern so wie es eben in der Freizeit ist, letztlich, alle machen es so, wie sie es in der Familie machen. Und das verleitet dann manche dazu, dann auch unhöflich zu sein. Auch hier ist aber gutes Benehmen wichtig und die Mehrheit hat dieses gute Benehmen, auch aus der Tiefe heraus.
Wir wollen es unseren Gästen angenehm machen und wir wollen auch uns gegenseitig Freundlichkeit schenken. Das gute Benehmen ist jetzt vielleicht nicht Knigge gemäß, also mindestens nicht dem formellen Knigge gemäß, aber aus dem Geist des Knigge heraus, sich so zu verhalten, dass das Zwischenmenschliche angenehm ist, dass man Rücksicht nimmt auf andere.
Gutes Benehmen kann dann heißen, wenn man in den Yoga-Raum geht, dass man sich eben nicht direkt an die Tür setzt, sondern weiter nach innen, dass andere noch dazukommen können. Gutes Benehmen kann heißen, wenn man sich auf einen Stuhl setzt, dass man sich nicht in die Mitte des Raumes setzt, dass hinter einem niemand was sieht, sondern dass man mehr an der Seite ist.
Gutes Benehmen kann heißen, dass man im Rahmen eines Vortrags eben zuhört und nicht vorzeitig rausgeht usw. Also, auch in Yogakreisen gibt es durchaus ein gutes Benehmen. Auch in der Yogastunde - , man kommt rechtzeitig, man verlässt nicht die Yogastunde und insbesondere während der Tiefenentspannung, oder Meditation verlässt man einen Raum nicht.
All das sind Aspekte des guten Benehmens und natürlich auch in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Ich muss zwar zugeben, ich habe diesen Ausdruck „gutes Benehmen“ vermutlich in den letzten Jahren nie gebraucht, es ist nicht die Terminologie, die bei Yoga Vidya üblich ist, aber die Geisteshaltung, die ursprünglich hinter „gutes Benehmen“ steckt, eben Rücksichtnahme, Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen und der Wunsch, anderen etwas Gutes zu tun, das ist etwas Wichtiges, auch und gerade im Yoga.
Wenn man Gott verwirklichen will, die Erleuchtung erlangen will, die Freiheit erlangen will, seine wahre Natur erlangen will, dort gilt es, Güte zu zeigen, dort gilt es, Liebe zu anderen zu entwickeln, es gilt, zu dienen, und zu all dem gehört auch gutes Benehmen.
In diesem Sinne überlege vielleicht, was heißt in deinem Leben gutes Benehmen? Es müssen jetzt nicht formelle Höflichkeitsregeln, einer längst vergangenen Zeit sein und du musst dir auch jetzt nicht so viele Gedanken machen, ob die innere oder die äußere Gabel die richtige ist, obgleich auch das helfen kann. Aber wichtiger ist dieser Wunsch, anderen Gutes zu tun, anderen zu dienen, Gott in allem zu sehen, Rücksichtnahme zu üben und sich so zu verhalten, dass man eine Quelle des Wohlergehens für andere ist.
Gutes Benehmen und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der gutes Benehmen in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie gutes Benehmen
Ähnliche Eigenschaften wie gutes Benehmen, also Synonyme zu Gutes Benehmen sind z.B. Höflichkeit, Freundlichkeit, Rücksichtsnahme.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Gutes Benehmen übertrieben kann ausarten z.B. in Äußerlichkeit, Scheinheiligkeit, Arroganz, Hochmut. Daher braucht Gutes Benehmen als Gegenpol die Kultivierung von Offenheit, Herzlichkeit, Authentizität.
Gegenteil von Gutes Benehmen
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von gutes Benehmen, Antonym zu Gutes Benehmen :
- Positive Gegenteile von gutes Benehmen, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Offenheit, Herzlichkeit, Authentizität
- Negative Gegenteile von gutes Benehmen, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Nachlässigkeit, Wutausbruch, Rücksichtslosigkeit, Unhöflichkeit
Gutes Benehmen im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Gutes Benehmen gehört zur Tugendgruppe 4 Zuverlässigkeit, Ordentlichkeit, Ehrlichkeit. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Zuverlässigkeit, Verantwortung und Ehrlichkeit
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Gutes Benehmen zum Persönlichkeitsfaktor C1 Gewissenhaftigkeit hoch: effektiv, organisiert, verlässlich, auch
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Gutes Benehmen zur Grundverhaltenstendenz G - Gewissenhaftigkeit
- Im Ayurveda zählt man gutes Benehmen zum Kapha Temperament bzw. Dosha.
Entwicklung von gutem Benehmen
Gutes Benehmen kommt meist über die Erziehung. Menschen mit gutem Benehmen hatte meistens eine gute Kinderstube. Aber gutes Benehmen kann man auch sehen als Fähigkeit, die man stärker werden lassen kann. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang dein gutes Benehmen zu kultivieren. Du kannst nicht mehrere Tugenden auf einmal entwickeln. Aber es ist möglich, jede Woche eine Tugend, eine Eigenschaft, wachsen zu lassen.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich gutes Benehmen trainieren. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein Mensch mit besserem Benehmen zu sein."
- Sage dir: "Ich bin ein Mensch, der sich gut benehmen kann". "Ich bin jemand, der Freude an gutem Benehmen hat".
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die gutes Benehmen ausdrückt. Mache jeden Tag etwas, was du sonst nicht tun würdest, was aber dem entspricht, was man als gutes Benehmen bezeichnet.
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle gutes Benehmen ".
- Überlege dir immer wieder: Was würde man in dieser Situation als "Gutes Benehmen" bezeichnen?
- Wenn du dich besser benommen hast als du das normalerweise tun würdest, dann halte einen Moment inne und sage dir: "Toll, das hast du gut hinbekommen". Lobe dich selbst. Vielleicht klopfe dir sogar selbst auf die Schulter...
Vortragsmitschnitt zu Gutes Benehmen - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu gutes Benehmen, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden.
Erziehung anderer zu gutem Benehmen
Willst du andere zu gutem Benehmen erziehen?
Dann viel Spaß dabei...
Eigene Kinder kann man zu gutem Benehmen erziehen - das gehört ja zu den Erziehungsaufgaben. Wenn du Führungskraft bist, dann kannst du in freundlichem Feedback deinen Mitarbeiter, deine Mitarbeiter darauf aufmerksam machen, dass gutes Benehmen für berufliches Vorankommen hilfreich ist, und Tipps geben.
Wenn du einen Partner hast, der sich nicht gut benimmt, dann kannst du ihm sagen, dass dich das stört. Aber wenn du dich in jemanden verliebt hast, der sich nicht gut benimmt - warum willst du ihn dann ändern? Vielleicht würde er für dich langweilig werden, wenn der gutes Benehmen an den Tag legt...
Meistens ist es am klügsten, Menschen nicht umerziehen zu wollen, es sei denn es sind deine eigenen Kinder unter 12 Jahren... Akzeptiere Menschen wie sie sind. Drücke deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche aus - aber versuche nicht andere zu gutem Benehmen zu erziehen.
Wenn du andere erziehen willst, bekomme eigene Kinder, oder werde Erzieher, d.h. Kindergärtner, Kindergärtnerin...
Siehe auch
- Tugend
- Raja Yoga
- Yoga Psychologie
- Meditation - Viele Infos und praktische Anleitungen
- Yoga Übungen
- Yogaschulen und Yoga Zentren
Eigenschaften im Alphabet vor gutes Benehmen
Eigenschaften im Alphabet nach Gutes Benehmen
Literatur
- Sukadev Bretz, Ulrike Schöber: Der Königsweg zur Gelassenheit; 2014
- Sukadev Bretz: Karma und Reinkarnation
- Sukadev Bretz: Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von Heute
- Sukadev Bretz: Die Yoga-Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute / Band 1
- Sukadev Bretz: Die Yoga-Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute / Band 2
- Sukadev Bretz: Die Yoga-Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute / Folge 3-E-book
- Sukadev Bretz: Die Yoga-Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute / Folge 4-E-book
Weblinks
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