Sanskrit Kurs Lektion 28
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Das Kompositum (1)
Ein Kompositum (Samasa, Pl.: Komposita) ist ein zusammengesetztes Substantiv bzw. ein aus mehreren Einzelwörtern bestehendes Wort. Wie im Deutschen ist auch im Sanskrit das Bilden von Komposita ein wichtiger Bestandteil der Wortbildung.
- padmāsana aus padma "Lotus" + āsana "Sitz": Lotussitz (Padmasana)
- prāṇāyāma aus prāṇa "Atem, Lebensenergie" + āyāma "Ausdehnung, Kontrolle": Atemkontrolle, Atemverlängerung (Pranayama)
- parameśvara aus parama "höchster" + īśvara "Herr, Gebieter": der höchste Herr (Parameshvara)
- prātaḥ-kāla aus prātar "Morgen" + kāla "Zeit": Morgenzeit (Pratahkala)
- yathā-śakti aus yathā "wie" + śakti "Vermögen": nach Vermögen (Yathashakti)
- prati-dinam aus prati "gegen" + dina "Tag": täglich, Tag für Tag (Pratidinam)
Beim Zusammensetzen der einzelnen Wörter sind an den "Schnittstellen" die Wohllautregeln des Sandhi zu beachten (Einzelheiten siehe hier). Dabei verschmelzen gleichartige Vokale (Svara) zu einem Langvokal, z.B. wird a + ā zu ā. Ungleichartige Vokale werden besonders behandelt, z.B. wird a + ī zu e.
Im Sanskrit kann ein Kompositum innerhalb eines Satzes (Vakya) als Substantiv, Adjektiv oder Adverb verwendet werden.
Übung 1
- Devanagari: प्राणायामे पद्मासनस्थितो योगी प्राणं यथाशक्ति धारयति |
- wissenschaftliche Transliteration: prāṇāyāme padmāsanasthito yogī prāṇaṃ yathāśakti dhārayati |
- vereinfachte Transkription: pranayame padmasanasthito yogi pranam yathashakti dharayati |
- Wort-für-Wort-Übersetzung: Beim Pranayama (Lok. Sg. m.) der im Lotusitz befindliche (Padmasana-Sthita, Nom. Sg. m.) Yogi (Yogin, Nom. Sg. m.) den Atem (Prana, Akk. Sg. m.) nach Vermögen (Yatha-Shakti, adv.) hält an (dhṛ, Verb), d.h. "Beim Pranayama hält der im Lotusitz befindliche Yogi den Atem nach Vermögen an."
Erläuterungen
- Dieser Satz enthält drei Komposita (Samasa), die jeweils als Substantiv (prāṇāyāme), Adjektiv (padmāsana-sthitaḥ) und Adverb (yathā-śakti) fungieren.
- Der Lokativ (Saptami) prāṇāyāme bezeichnet den Zeitpunkt der Handlung.
- Der Nominativ (Prathama) yogī ist das logische Subjekt bzw. der Agens (Kartri) der Verbalhandlung dhārayati.
- Das Kompositum padmāsana-sthitaḥ (padmāsana + sthitaḥ) bezieht sich als Adjektiv auf yogī und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum. Sthita ist das Partizip Präteritum Passiv der Verbalwurzel (Dhatu) sthā "stehen, sich befinden".
- Der Akkusativ prāṇam ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung dhārayati.
- Das Adverb yathā-śakti (yathā + śakti) "nach Vermögen" ist als Umstandsbestimmung der Art und Weise ebenfalls eine nähere Bestimmung zum Verb dhārayati.
- Die Verbform dhārayati ("er hält an") ist die 3. Person Singular (Indikativ Präsens Aktiv bzw. Parasmaipada) von der Verbalwurzel dhṛ "halten, anhalten".
- Sandhi: Das auslautende kurze a von prāṇa und das anlautende lange ā von āyāma verschmilzt zu einem langen ā in prāṇāyāme. Die Form padmāsanasthito steht für padmāsanasthitaḥ, da auslautendes -aḥ vor stimmhaften Konsonanten (hier: y) zu -o wird.
Übung 2
- Devanagari: प्रतिदिनं प्रातःकाले ब्राह्मणः शीघ्रवहायां नद्यां स्नाति |
- wissenschaftliche Transliteration: pratidinaṃ prātaḥkāle brāhmaṇaḥ śīghravahāyāṃ nadyāṃ snāti |
- vereinfachte Transkription: pratidinam pratahkale brahmanah shighravahayam nadyam snati |
- Wort-für-Wort-Übersetzung: Täglich (Pratidinam, adv.) zur Morgenzeit (Pratahkala, Lok. Sg. m.) der Brahmane (Nom. Sg. m.) im schnell fließenden (Shighravaha, Lok. Sg. f.) im Fluss (Nadi, Lok. Sg. f.) badet (snā, Verb) , d.h. "Täglich zur Morgenzeit badet der Brahmane im schnell fließenden Fluss."
Erläuterungen
- Auch dieser Satz enthält drei Komposita (Samasa), die jeweils als Substantiv (prātaḥ-kāle), Adjektiv (śīghra-vahāyām) und Adverb (prati-dinam) fungieren.
- Der Lokativ prātaḥ-kāle bezeichnet den Zeitpunkt der Handlung.
- Das Adverb prati-dinam (prati Prati + dina Dina) "täglich" ist als Umstandsbestimmung der Zeit eine nähere Bestimmung zum Verb snāti.
- Der Nominativ brāhmaṇaḥ ist das logische Subjekt bzw. der Agens (Kartri) der Verbalhandlung snāti.
- Das Kompositum śīghra-vahāyām (śīghra Shighra + vaha Vaha) bezieht sich als Adjektiv auf nadyām und steht daher ebenfalls im Lokativ Singular Femininum.
- Der Lokativ nadyām bezeichnet den Ort der Handlung (Adhikarana).
- Die Verbform snāti ("er badet") ist die 3. Person Singular (Indikativ Präsens Aktiv bzw. Parasmaipada) von der Verbalwurzel snā "baden".
- Sandhi: Das auslautende r von prātar in prātaḥ-kāla wird vor anlautendem k in kāla in der Schreibung zu einer Variante von Visarga ḥ, die als der Kehllaut Jihvamuliya ausgesprochen wird.
Analyse der Komposita
Betrachten wir abschließend noch einmal die einzelnen Komposita hinsichtlich ihrer syntaktischen Verwendung im Satz und der ursprünglichen Wortart ihrer Bestandteile bzw. Glieder (die Komposita erscheinen in ihrer Stamm- bzw. Wörterbuchform).
Verwendung als Substantiv
- prāṇāyāma: prāṇa (Substantiv) + āyāma (Substantiv)
- prātaḥ-kāla: prātar (Adverb) + kāla (Substantiv)
Verwendung als Adjektiv
- padmāsana-sthitaḥ: padma (Substantiv) + āsana (Substantiv) + sthita (Adjektiv)
- śīghra-vaha: śīghra (Adjektiv) + vaha (Adjektiv, nur am Ende von Komposita)
Verwendung als Adverb
- yathā-śakti: yathā (Adverb) + śakti (Substantiv)
- prati-dinam: prati (Nominalpräfix) + dina (Substantiv)
Adverbiell verwendete Komposita werden als Avyayibhava bezeichnet.
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Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
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