Gheranda Samhita 3. Unterweisung
Gheranda Samhita, 3. Unterweisung, "Mudraprayoga" genannt: Die Gheranda Samhita ist eine der 4 Hauptschriften des Hatha Yoga. Das dritte Kapitel behandelt die Mudras, also die Energie Erweckungs-Techniken. Es geht um die 25 Hauptmudras. Hier die Verse der 3. Unterweisung bzw. des dritten Kapitels der Gheranda Samhita. Übersetzung von Lore Tomalla, bearbeitet von Mitarbeitern von Yoga Vidya. Texte von Swami Digambarji vom Kaivalya Dham Institut, Lonavla, Maharashtra, Indien.
Gherandha Samhita 3. Unterweisung, Text
Die 25 Mudras
1.-3. Die folgenden 25 Mudras bewirken Erfolg der Yogis: Mahamudra, Nabhomudra, Uddhiyana, Jalandhara, Mula Bandha, Maha Bandha, Mahavedha, Kechari, Viparitakarani, Yoni, Vajroli, Shakti Chalini, Tadagi, Manduki, Shambhavi, die fünf Dharanas, Ashvini, Pashini, Kaki, Matangi und Bhujangini.
Mahamudra
4.-5. Presse den Damm fest mit der linken Ferse, strecke das rechte Bein aus und fasse die Zehen mit den Händen, lege das Kinn an die Brust und fixiere den Blick zwischen den Augenbrauen: Das nennen die Weisen Mahamudra.
6. Wenn man Mahamudra praktiziert, arbeiten die Verdauungsorgane besser. Bei Husten wird der Auswurf gefördert, Stuhlverstopfung und vergrößerte Milz wird behoben, sowie Magenverstimmung.
Nabho Mudra
7. Mit welcher Tätigkeit sich auch der Yogi gerade beschäftigt, sollte er immer die Zunge aufwärts gewendet halten und das Atemanhalten üben. Das nennt man Nabho Mudra. Alle Unpässlichkeiten werden dadurch vertrieben.
Uddhiyana Bandha Mudra
8. Ziehe den Bauch über und unter dem Nabel ein, dadurch hebt sich das Zwerchfell. Dieses Bandha nennt man Uddhiyana Mudra. Das ist wie ein Löwe dem Todeselefanten gegenüber.
9. Zwischen den Bandhas ist Uddhiyana von besonderer Wichtigkeit. Wenn es sorgfältig praktiziert wird, führt es normalerweise zur Befreiung.
Jalandhara Bandha Mudra
10. Ziehe die Kehle zusammen und lege das Kinn auf die Brust. Wenn dieses Jalandhara Bandha geübt wird, werden alle 16 Adharas unter Kontrolle gebracht. Diese große Jalandhara Mudra besiegt den Tod.
10. Wenn ein Yogi Jalandhara Bandha meistert, bewirkt das Erfolg. Derjenige, der es 6 Monate übt, ist ohne Zweifel ein Yogaadept.
Mula Bandha Mudra
12.-13.Man presst mit der linken Ferse den Damm und zieht den Afterschließmuskel zusammen. Dann zieht man mit großer Anstrengung den Bauch ein und legt die rechte Ferse skrupellos auf das Geschlechtsorgan. Diese Mudra nennt man Mula Bandha, sie bewahrt vor Alterschwäche.
Maha Bandha Mudra
14.-15.Man sollte den Damm sehr fest mit der linken Ferse pressen. Dann sollte der weise Yogi diese Ferse mit dem rechten Fuß pressen, dabei das Fußgelenk leicht schütteln, den Beckenboden zusammenziehen, Jalandhara Bandha durchführen und den Atem anhalten. Das nennt man Maha Bandha0.
16. Maha Bandha ist ein großes Bandha, das Verfall und Tod vorbeugt. Wenn man dieses Bandha meistert, bekommt man, was immer man sich wünscht.
Mahavedha Mudra
17. So wie Schönheit, Jugend und Charme einer Frau in Abwesenheit eines Mannes zu nichts nütze ist, so ähnlich sind Mula Bandha und Maha Bandha ohne Mahavedha Mudra nutzlos.
18. Indem man die Maha Bandha Haltung einnimmt, die Luft anhält und Uddhiyana ausführt, erlangt man den Erfolg durch Mahavedha.
19. Der Yogi der täglich Maha Bandha, Mula Bandha und Mahavedha durchführt, ist der Beste zwischen allen, die Yoga kennen.
20. Er hat keine Angst vor dem Tode und kennt keine Altersschwäche. Dies Vedha sollte von den Yogaadepten als Geheimnis bewahrt werden.
Khechari Mudra
20. Man schneidet das Häutchen unter der Zunge, bewegt sie regelmäßig und reibt sie mit Öl ein. Man zieht heftig und fest an der Zunge.
22. Wen man das regelmäßig übt, wird die Zunge so lang, dass sie die Stelle zwischen den Augenbrauen erreichen kann. Dann ist Khechari Mudra erreicht.
23. Langsam bringt man die Zunge in den Atemweg hinter dem Gaumen. Wenn die zurückgelegte Zunge die Höhle über dem Gaumen erreicht und der Blick zwischen die Augenbrauen gerichtet wird, ist Khechari Mudra erreicht.
24. Durch die Praxis des Khechari wird man nie mehr ohnmächtig. Man fühlt weder Hunger, Durst noch Faulheit. Krankheiten, Alterserscheinungen und Tod sind überwunden. Ein strahlender Körper wird erlangt.
25. Der Körper kann durch Feuer nicht verbrannt, vom Wind nicht ausgetrocknet und vom Wasser nicht durchnässt werden. Wer das übt, den beißt keine Schlange.
26. Der Körper wird schön. Der Übende erreicht sehr bald Samadhi. Die Zunge berührt die Öffnung in der Schädeldecke und schmeckt verschiedene Flüssigkeiten.
27. -28.Nach und nach erfährt der Übende die herrlichen Gefühle, die durch diese verschiedenen Flüssigkeiten entstehen. Die Zunge schmeckt zuerst Salz, dann Bitteres, Butterschmalz, Milch, Quark, Buttermilch, Honig, Grapefruitsaft und zuletzt Nektar.
Viparitakarani Mudra
29. Die Sonne wohnt am Grunde des Nabels und der Mond am Grunde des Gaumens. Der Mensch unterliegt dem Tod, weil die Sonne die Ambrosia verbraucht.
30. Dieser Vorgang, durch den die Sonne nach oben gebracht wird und der Mond nach unten, nennt man Viparitakarani Mudra, die in allen Yogatexten geheim gehalten wird.
30. Man beruhigt sich, legt den Kopf und die Hände auf den Boden, hebt die Beine und bleibt so bewegungslos. Das nennt man Viparitakarani.
32. Man praktiziert diese Mudra regelmäßig. Dadurch befreit man sich von Alterserscheinungen und dem Tode. Wer das übt, wird in allen Welten respektiert als ein Erfolgreicher und vergeht sogar zur Pralaya-Zeit nicht.
Yoni Mudra
33. Man sitzt in Siddhasana, schließt die Ohren mit den Daumen, die Augen mit den Zeigefingern, legt die Mittelfinger an die Nasenflügel und schließt den Mund mit den Ring- und kleinen Fingern.
34.-38. Ziehe Prana ein mitKaki Mudra und verbinde es mit Apana. Konzentriere dich auf die sechs Chakras der Reihe nach und erwecke die schlafende Göttin Kundalini, indem du die Mantren hum und hamsah wiederholst. Bringe die Shakti mit dem Jiva ins Sahasrara. Identifiziere dich mit der Shakti, werde Eins mit Lord Shiva. Stelle dir die unterschiedlichsten Vergnügen und Freuden vor, sowie die höchste Glückseligkeit während der Andacht. Verwirkliche die Vereinigung von Shiva und Shakti und halte dein Denken in höchster Andacht. Das verleiht schöpferische Kräfte. Diese Yoni Mudra sollte sorgfältig bewahrt werden. Sie ist sogar für Götter nicht leicht erreichbar. Wenn man diesen Zustand einmal erreicht, ist der Yogi wahrhaftig in Samadhi eingetreten.
Vajroli Mudra
39. Lege die Handflächen auf den Boden, verschränke die Fersen hinter dem Kopf und hebe das Gesäß vom Boden. Die Weisen sagen, dass diese Vajroli Mudra den Rücken kräftigt und zu langem Leben führt.
Shakti Chalini Mudra
40. Im Muladhara Chakra schläft die absolute Energie (Kundalini). Sie hat die Form wie eine dreieinhalb Mal gewundene Spirale.
40. Solange die absolute Energie im Körper schläft, ist der Jiva nur ein Tier. Man sollte all die vielen Yogas üben, solange man höchste Erkenntnis nicht erreicht hat,
42.Wie eine Tür durch einen Schlüssel geöffnet wird, so erweckt man die absolute Energie durch Hatha Yoga, bis sie die Sushumna durchdringt.
43.-44. Man sollte Shakti Chalini Mudra in einem geschlossenen Raum üben, indem man nur die Nabelregion mit einem Stück Stoff bedeckt und nicht nackt nach draußen geht. Das Nabeltuch sollte 9 Zoll lang und 3 Zoll breit sein, weich, weiß und eine feine Struktur haben. Man befestigt es mit einem Gürtel.
45.-46. Man beschmiert den Körper mit Asche, sitzt in Siddhasana, atmet durch beide Nasenlöcher ein und verbindet kräftig Prana mit Apana. Dann führt man Ashvini Mudra aus, zieht den Afterschließmuskel langsam zusammen. Das bewirkt, dass der Vayu in die Sushumna strömt, was man spüren kann.
47. Indem man den Vayu einschränkt, wirkt das auf die absolute Energie wie der Choke beim Auto: Sie steigt aufwärts.
48. Ohne Shakti Chalini Mudra ist Yoni Mudra wirkungslos. Man sollte zuerst Shakti Chalini üben und dann Yonimudra.
49. Auf diese Weise wird Shakti Chalini beschrieben. Man sollte versuchen, es geheim zu halten, selber aber täglich üben.
Tadaki Mudra
50. Ziehe den Bauch ein, damit er aussieht wie ein Teich. Das nennt man die große Tadagi Mudra, die Alter und Tod vertreibt.
Manduki Mudra
50. Schließe den Mund und bewege die Zungenwurzel. Dann schlucke langsam den Nektar. Das nennt man Manduki Mudra.
52. Der Mensch, der Manduki übt, bekommt keine Gesichtsfalten. Er wird nicht alt, erfreut sich immerwährender Jugend und sein Haar wird nicht grau.
Shambhavi Mudra
53. Indem du den Blick zwischen die Augenbrauen fixierst, richte dein Denken auf den Atman. Dieses ist Shambhavi Mudra. Man ist eifrig darauf bedacht, es in allen Tantras geheim zu halten.
54. Die Veden, die Shastras und die Puranas zusammen genommen, sind nicht so wertvoll wie diese Shambhavi Mudra.
55. Derjenige, der diese Shambhavi Mudra kennt, besitzt schöpferische Kräfte.
56.-57.Shambhavi Mudra wurde erklärt, jetzt werden die Panchadharanas, die fünf Dharanas beschrieben. Wer dies beherrscht, was könnte er nicht erreichen.
58. Er kann Zugang zu Svargaloka erreichen, während er in diesem Körper bleibt und kann sich mit Gedankenschnelle bewegen. Auf diese Weise erreicht er die Fähigkeit, Khechari Mudra auszuführen.
Bhuta Dharanas, die Elemente-Konzentrationen
59. Das Erdelement wird dargestellt als goldfarbiges Quadrat oder als die Silbe Lam. Fühle dieses im Muladhara, lasse es zum Herzen aufsteigen und halte Prana im Denkorgan zwei Stunden lang. Das nennt man Adhodharana. Das bringt den Yogis Stetigkeit und die Fähigkeit bewegungslos längere Zeit zu sitzen.
60. Ambhasi Dharana führt man aus wie folgt: das Wasserelement wird weiß dargestellt wie ein Muschelhorn, wie der Mond oder die Kundablume. Es hat Nektar. Die Silbe Vam gehört zu diesem erhaltenden Prinzip. Lasse dieses glückverheißende Wasserelement zwei Stunden lang mit Prana und dem Denkorgan verschmelzen. Das vertreibt unerträgliche Leiden und Sünden.
60. Vaishvanaridharana führt man aus wie folgt: Das Feuerelement hat seinen Platz in der Nabelregion, ist rot wie die Mohnblüte und strahlend wie die Sonne. Die Silbe Ram gehört zu diesem zornbeherrschenden Prinzip. Lasse Prana zwei Stunden lang gemeinsam mit dem Denkorgan in diesem Prinzip aufgehen. Das vertreibt die schreckliche Angst vor dem Tod.
62. Vayavi Dharana übt man folgendermaßen: Vayutattva stellt man sich vor wie blau schimmerndes Rauchglas. Dazu gehört die Silbe Yam und hochgeistige, hingabevolle Einstellung zum Leben. Dieses wunschbeherrschende Prinzip lasse zwei Stunden lang mit Prana im Denkorgan aufgehen. Das verhilft dem Selbstbeherrschung übenden Aspiranten zu einem Gefühl der Leichtigkeit und der Vorstellung, als ob er schwebe.
63. Nabhodharana ist fähig, die Tür zur Befreiung aufzubrechen. Halte Prana zusammen mit dem Denkorgan zwei Stunden lang mit dem Vyoma Tattva, das wie kristallklares Seewasser aussieht. Darüber herrscht das Sadashiva- Prinzip und die Silbe Ham.
Ashvini Mudra
64. Ashvini Mudra führt man aus wie folgt: Ziehe die Analöffnung zusammen und lasse wieder los, übe dies wieder und wieder. Das erweckt die Shakti.
Pashini Mudra
65. Pashini Mudra führt man aus wie folgt: Bringe beide Beine um den Hals und halte sie, wie man eine Schlinge macht, das erweckt die Kundalini.
Kaki Mudra
66. Man formt den Mund wie einen Krähenschnabel und zieht die Luft ein, das ist Kaki Mudra, es vertreibt alle Krankheiten.
Matangini Mudra
67.-68. Stelle dich ins Wasser, dass es bis zum Hals reicht, ziehe Wasser durch die Nasenlöcher ein und spucke es durch den Mund wieder aus. Dann nimm Wasser in den Mund und stoße es durch die Nasenlöcher wieder hinaus. Man sollte dieses wieder und wieder tun. Das ist die große Matangini Mudra, die Altern und frühen Tod verhindert.
69. Spitze den Mund und ziehe durch die Kehle Luft ein, das nennt man Bhujangini Mudra. Das verhindert Verfall und Tod.
70. Wer immer Bhujangini Mudra übt, vertreibt schnell all seine Krankheiten, insbesondere Verdauungsschwäche u.s.w..
70. So endet die dritte Lektion, die Mudraprayoga genannt wird. Sie ist ein Teil des Ghatashtha Yoga im Dialog zwischen Gheranda und Chanda, in der ehrwürdigen Gheranda Samhita.
Gheranda Samhita, vollständiger Text
Du findest hier im Wiki den vollständigen Text der Gheranda Samhita in der deutschen Übersetzung:
- Gheranda Samhita - Viele Infos zu diesem Hatha Yoga Text.
- Gheranda Samhita 1. Unterweisung
- Gheranda Samhita 2. Unterweisung
- Gheranda Samhita 3. Unterweisung
- Gheranda Samhita 4. Unterweisung
- Gheranda Samhita 5. Unterweisung
- Gheranda Samhita 6. Unterweisung
- Gheranda Samhita 7. Unterweisung
Siehe auch
- Hatha Yoga Pradipika - der bekannteste klassische Hatha Yoga Text, geschrieben von Yogi Swatmarama
- Goraksha Shataka - die Hundert Verse des Goraksha - dre kürzeste der Hatha Yoga Texte
- Shiva Samhita - Die Sammlung des Shiva - ein ausführlicher Text, der Hatha Yoga und Vedanta miteinander verbindet
Literatur
Ausgaben der Gheranda Samhita
- Gherandha Samhita, Yoga Vidya Verlag, Bad Meinberg 2013. Übersetzung einer kritischen Ausgabe des Kaivalya Dhama Institutes Lonavla, Indien, übersetzt von Lore Tomalla
- Eine sehr ausführliche Ausgabe der Gheranda Samhita hieß "Das Große Geheimnis" von Boris Sacharow