Genuss
Genuss: Was ist Genuss ? Woher stammt das Wort? Wozu ist Genuss gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Genuss ? Genuss bedeutet Befriedigung, eine Freude. Genuss bedeutet etwas mit Freude tun zu können.
Man kann es lernen, das was zu tun ist, mit Genuss zu tun. Und man kann lernen, bewusst und mit Genuss zu essen – das hilft, die inneren Instinkte, die Körperintelligenz wirken zu lassen. Genuss hilft auch zu mehr Gelassenheit. Die Fähigkeit zu genießen ist laut Ayurveda besonders im Kapha-Temperament stark ausgeprägt.
Sukadev über Genuss
Niederschrift eines Vortragsvideos (2015) von Sukadev über Genuss
Genuss, ein Ausdruck, der vielfältige Bedeutung hat. Es gibt die so genannten Genussmenschen, die genießen ihr Leben und die freuen sich über alle kleinen Dinge. Im Ayurveda würde man sie als Kapha-Typen bezeichnen. Kapha-Typen sind die Genussmenschen, sie genießen ihr Leben. Wenn sie essen, dann essen sie gut und es schmeckt ihnen. Wenn sie ihre Wohnung einrichten, dann machen sie es so, dass sie es genießen können. Und wenn sie Freizeit haben, Genuss steht dort im Vordergrund. Genuss ist etwas, mit Gemütlichkeit dabei, es ist etwas anderes als intensive Sinnesfreude, Genuss hat durchaus auch etwas Ruhiges und Harmonisches.
Natürlich, es gibt nicht nur die Genussmenschen. Es gibt z.B., im Ayurveda würden wir sagen, die Vata-Typen, die Luft-Menschen, bei denen ist mehr schnelle, intensive Freude angesagt, sich darüber freuen und darüber freuen und das toll finden und jenes toll finden. Und wenn sie etwas toll finden und danach schon wieder das nächste, die Kapha-Menschen würden sagen: „Der genießt doch gar nicht richtig.“ Also, ein Kapha-Mensch hat diesen Genuss. Und für einen Pitta-Typen ist das jetzt alles gar nicht so erheblich, ihm kommt es weniger darauf an, jetzt irgendwas zu genießen und den Genuss von irgendetwas zu haben oder diese intensive Kurzfreude. Der Pitta-Mensch will etwas bewegen, es geht darum, etwas Sinnvolles zu tun, man hat Aufgaben und die sind zu erledigen und das andere ist nicht ganz so wichtig.
Freude hat auch der Pitta-Mensch. Der Pitta-Mensch schöpft die Freude daraus, dass er etwas tut, dass er aktiv ist, dass er etwas bewirkt, dass er etwas für andere Menschen bewirkt, dass er Erfolg hat, dass er gelobt wird, dass er Anerkennung bekommt. Das ist für den Pitta-Mensch etwas, man könnte sagen, das genießt er. Und so haben unterschiedliche Menschen unterschiedliche Weisen, Freude zu empfinden, Genuss ist eine davon. Es ist trotzdem gut, dass jeder Typ auch mal lernt, etwas zu genießen. Manchmal ist es gut, auch für die luftigen Menschen, auch für die feurigen Menschen, mal einen Gang runterzuschalten und mal etwas Ruhe zu haben und in Ruhe zu genießen. Manchmal ist es gut, beim Essen einfach nur das Essen zu schmecken und es sich gemütlich zu machen, eine Kerze anzuzünden und ganz in Ruhe essen und es ganz genießen. Manchmal ist es vielleicht auch mal gut, z.B. in die Ayurveda-Oase nach Bad Meinberg zu kommen und dort in den Genuss einer Ayurveda-Massage zu kommen, sich einfach hinzulegen und dann gibt es einen schönen Duft und dann gibt es eine schöne Musik, die spielt, und dann wird man angenehm berührt, dann gibt es die Öle, das ist wirklich Genuss pur.
Und manchmal ist es auch gut, in der Natur mal ruhig zu gehen. Ich bin normalerweise jemand, der gerne etwas flotter geht, auch körperliche Bewegung, das ist gut für den Kreislauf und gut für die Gelenke und die Muskeln und irgendwo hat es auch etwas, in Bewegung zu sein. Es gibt manchmal aber auch Momente, da ist es gut, einfach langsamer zu sein, einfach ruhiger zu sein und die Natur zu genießen. Genauso auch im Umgang mit deinem Partner, auch ist der ruhige Genuss etwas, was schön ist. Auch mit deinen Kindern, nicht immer müssen die Kinder immer so Produktives machen und für die Schule lernen usw. Kinder können manchmal den Moment genießen und du kannst auch die Zeit mit den Kindern genießen oder einfach voller Genuss anschauen, was sie gerade wieder für einen Unsinn anstellen. Anstatt sich gleich darüber zu ärgern und zu schimpfen, nimm es mal von der amüsanten Seite, voller Genuss, mit welchem Eifer und Enthusiasmus Kinder dort irgendwie spielen.
Auch in der Spiritualität gibt es einen Genuss, der wichtig ist. Z.B., wenn du Pranayama übst, die Atemübungen. Ja, auch Atemübungen sind Genuss. Du sitzt einfach da, atmest ein, hältst die Luft an, atmest aus, bist ganz im Hier und Jetzt, das ist so schön, ein reiner Genuss. Auch die Asanas, die Yogastellungen, du gehst in die Stellungen, du gehst angenehm hinein, so weit, wie du kannst, du atmest sehr ruhig und gleichmäßig und dann spürst du dieses wunderbare Gefühl im Herzen, auch das ist Genuss pur. Oder du meditierst, auch Meditation, du sitzt einfach ruhig, du lässt die Gedanken vorbei fließen, schließlich merkst du, es werden weniger Gedanken oder sie werden irrelevant, du spürst in dir diese tiefe Freude, du öffnest dich, du lässt dich berühren von einer höheren Wirklichkeit. Das ist Genuss pur, mehr Genuss kann es gar nicht geben.
Es gibt auch anderen Genuss. Ich bin ja z.B. auch Veganer und es gibt manche Menschen, die sagen: „Willst du nicht auch mal genießen?“ Falls du jetzt noch kein Vegetarier oder Veganer bist, kann ich dir nur sagen, das Essen schmeckt besser, wenn man auf ungesunde Sachen verzichtet und wenn man aufhört, andere Lebewesen für einen leiden zu lassen. Selbst wer das aus seinem Bewusstsein herausgebracht hat, dass für Fleisch Tiere gequält werden, umgebracht werden und oft schon vorher gequält werden, im Unterbewusstsein weiß das jeder Mensch und im Unterbewusstsein spürt das jeder. Daher, der Verzicht darauf ermöglicht auch den Genuss. Und die vegane Schokolade schmeckt genauso gut wie die andere Schokolade. Und eine Veggie-Ente beim Thai schmeckt genauso gut wie eine andere.
Ich muss zwar zugeben, ich kann das gar nicht mehr beurteilen, ich bin ja inzwischen seit über 36 Jahren Vegetarier und seit über 4 Jahren Veganer, der andere Geschmack ist gar nicht mehr in meinem Mund. Aber ich kann sehr gut sagen, ich genieße das Essen und es gibt so viele gute Sachen, die gesund sind. Einen Apfel bewusst zu essen, ist großer Genuss. Oder auch sogar einfach, Vollkornreis bewusst zu essen, ist großer Genuss. So kannst du Genuss haben mit einfachem, aber es gibt auch inzwischen Sterneköche, die vegetarisch, vegane Mahlzeiten richtig so zubereiten wie es der hohen Küche entspricht.
Vielleicht zum Abschluss noch, Leben ist aber nicht einfach nur zum Genuss da, Leben ist da, um zu lernen, zu wachsen, etwas zu bewirken, sich der Erleuchtung zu nähern und letztlich Erfahrungen zu machen. Du kannst etwas mehr Momente von Genuss in dein Leben hineinbringen, aber es wird auch Momente geben, da gibt es keinen Genuss, sondern da sind andere Dinge dran und das ist auch ok, Leben ist Wachstum. In den alten indischen Schriften heißt es, es gibt Kama Bhumi und Karma Bhumi. Kama Bhumi ist die Ebene des Vergnügens und des Genusses. Und es gibt Karma Bhumi, die Ebene des Arbeitens, des Wirkens und des spirituellen Wachsens. Und da heißt es, diese physische Welt ist sehr häufig Karma Bhumi. Wenn wir irgendwann mal diese physische Welt verlassen nach dem Tod, dann folgt Kama Bhumi. Wer ein halbwegs oder weitestgehend gutes, ethisches Leben geführt hat, soll dann zwischen zwei Leben einen angenehmen Genuss haben in dieser Zeit in der Astralwelt. Wir wissen das nicht sicher und deshalb ist es gut, auch schon jetzt in diesem Leben Genuss öfters zu haben, aber im Bewusstsein, Hauptsinn des Lebens ist nicht Genuss, Hauptsinn des Lebens ist auch nicht Fröhlichkeit. Sinn des Leben ist, zur Erleuchtung zu kommen, über Erfahrungen zu wachsen, seine Kräfte zu entfalten, Neues zu lernen, Gutes zu bewirken und irgendwann mit Gott verschmelzen.
Genussfähigkeit und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Genuss in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Genuss bzw. Genussfähigkeit
Ähnliche Eigenschaften wie Genuss, also Synonyme zu Genuss sind z.B. Amüsement, Erheiterung, Lust.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Genuss übertrieben kann ausarten z.B. in Luxussucht, Völlerei, Verschwendung. Daher braucht Genuss als Gegenpol die Kultivierung von Entsagung, Einfachheit, Askese.
Gegenteil von Genuss
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Genuss, Antonym zu Genuss :
- Positive Gegenteile von Genuss, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Entsagung, Einfachheit, Askese
- Negative Gegenteile von Genuss, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Härte, Hartherzigkeit, Verzweiflung
Genuss im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Genuss gehört zur Tugendgruppe 1 Freude. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Freude und Genuss
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Genuss zum Persönlichkeitsfaktor N1 Neurotizismus/Labilität hoch: emotional, verletzlich, ängstlich, auch E1 Extraversion hoch: gesellig, außenorientiert, gesprächig, auch O1 Offenheit hoch: neugierig, erfinderisch, experimentierfreudig, auch N1 Neurotizismus/Labilität hoch: emotional, verletzlich, ängstlich
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Genuss zur Grundverhaltenstendenz I - Initiative, Extravertiertheit, Enthusiasmus
- Im Ayurveda zählt man Genuss zum Kapha-Vata Temperament bzw. Dosha.
Swami Sivananda über Genuss
Aus: „Licht, Kraft und Weisheit“ von Swami Sivananda:
- „Opfere Genuss, um der Seligkeit willen“.
- „Geistige spirituelle Arbeit und Yogaübungen sind ihrem Wesen nach sehr freudevoll, manchmal erscheinen sie aber bitter. Sinnliche Betätigungen aber, die in Wirklich bitter sind, erscheinen süß. Das ist die Folge, der durch die Unwissenheit verursachten Verwirrung des Geistes. Wähle einige Gottesgesänge aus und wiederhole sie im Laufe des Tages oder des Abends! Selbst bei täglicher Beschäftigung, singe Mantras! So wirst du die Stetigkeit des auf Gott gerichteten Denkens sichern. Mögest du alle Zeit im göttlichen Licht und im unerschöpflichen Reichtum des Atman Jnana, der Erkenntnis des Selbst, leuchten, der das Besitztum der gesamten Menschheit ist.“
Entwicklung von Genuss
Genuss bzw. Genussfähikgiet kann man sehen als Tugend, als eine positive Eigenschaft. Vielleicht willst du ja Genuss in dir stärker werden lassen. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang deine Genussfähigkeit zu kultivieren.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich die Fähigkeit, Genuss zu empfinden, stärker werden lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein genussfähigerer Mensch zu sein."
- Nimm dir vor, jeden Tag mindestens eine Handlung auszuführen, die Genuss ausdrückt. Mache jeden Tag etwas mit großem Genuss. Am besten ist es, einfache Sachen mit Genuss zu tun, z.B. genüsslich ein Glas Wasser trinken, voller Genuss aus dem Fenster schauen, voller Genuss eine Scheibe Brot essen.
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: "Ich entwickle meine Fähigkeit zu genießen.
Vortragsmitschnitt zu Genuss - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Genuss, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden. <html5media>http://tugenden.podspot.de/files/Genuss-Lexikon-der-Tugenden-Yoga-Vidya.mp3</html5media>
Siehe auch
Eigenschaften im Alphabet vor Genuss
Eigenschaften im Alphabet nach Genuss
Literatur
- Adiraja Dasa: Vedische Kochkunst (Alle rezepte aus der Hare-Krishna Bewegung)
- Armin Risi und Ronald Zürrer: Vegetarisch leben
- Petra Skibbe und Joachim Skibbe: Ayurveda - Die Kunst des Kochens
- Omraam Mikhaél Aívanhov: Yoga der Ernährung
- Helma Danner: Biologisch kochen und backen
- Das Yoga VEGAN Kochbuch, Yoga Vidya Verlag
- Jérôme Eckmeier : VEGAN Tut gut-Schmeckt gut
- Sukadev Bretz, Ulrike Schöber: Der Königsweg zur Gelassenheit; 2014
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Mantra-Buch: Zauberworte für alle Lebenslagen
Weblinks
- Meditation - Viele Infos und praktische Anleitungen
- Yoga Übungen
- Yogaschulen und Yoga Zentren
Seminare
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