Begierde
Begierde oder Begehren bezeichnet den seelischen Antrieb zur Behebung eines subjektiven Mangelerlebens mit einem damit verbundenen Aneignungswunsch eines Gegenstandes oder Zustandes, welcher geeignet erscheint, diesen Mangel zu beheben. Richtungsgebend für den seelischen Antrieb sind beim Begehren mehr die damit verbundenen geistigen Faktoren (Emotionen, Phantasie, Wünsche bzw. Ausgleich der dazugehörigen Bedürfnisse), bei der Begierde dagegen mehr die körperlichen (Triebe, Schmerz, Sucht, Hunger, Durst bzw. Ausgleich der dazugehörigen Bedürfnisse). Das zugehörige Verb ist in beiden Fällen begehren.
Die Macht der Begierde
- Auszug aus dem Buch "Die ersten Stufen des Yoga" von Swami Sivananda -
- 1. Bhartrihari sagt: „Meine Nahrung ist das, was mir das Betteln einbringt. Sie ist geschmacklos und täglich nur eine Mahlzeit. Mein Bett ist die Erde, mein Diener ist mein Kör¬per, als Kleidung habe ich eine abgetragene, hundertmal ge¬flickte Decke. Nur die Begierde verließ mich noch nicht."
- 2. Ein verheirateter Mann, der bereits Rauchen und Trinken aufgab, sollte auch keusch leben. Seine Frau hat nichts dagegen, aber er selbst findet diese Zuchtübung sehr schwer, besonders macht ihm die Beherrschung seiner Blicke noch Schwierigkei¬ten. „Die Straße ist mein größter Feind", sagte er jüngst zu mir. Das will besagen, daß seine Blicke durch gut gekleidete Frauen angezogen werden. Ein Schüler sagte: „Solange ich fleißig Atemkontrolle (Pranayama), Japa und Meditation aus¬übte, konnte nichts meine Gedanken beschmutzen, nicht einmal wenn ich halbnackte junge Frauen sah. Sobald ich aber meine Übungen unterbrach, konnte ich meine Blicke nicht mehr be¬herrschen. Ich wurde von gut gekleideten Frauen auf den Stras¬sen und halbnackten Bildern vor den Kinos gefesselt. Der Ba¬destrand und die Hauptstraße sind meine Feinde."
- 3. Der Heilige Hieronymus schreibt an den keuschen Eucha-rius über seinen Kampf um Enthaltsamkeit und über die Macht der Begierde: „O wie vielemale in der Wüste, in der weiten Einsamkeit, die von der Sonnenhitze versengt, den Mönchen nur einen schrecklichen Aufenthalt bietet, träumte ich mich in die Freuden Roms: Ich war allein. Meine Glieder waren von einem armseligen Sack bedeckt und meine Haut so schwarz wie die der Neger. Jeden Tag weinte und stöhnte ich und wenn ich gegen meinen Willen von Schlaf übermocht wurde, lag mein hagerer Leib auf der nackten Erde. Ich sage nichts über das, was ich esse und trinke, denn in der Wüste haben auch Kranke nichts anderes als Wasser zu trinken. Nein, ich, der ich aus Furcht vor der Hölle mich selbst in dieses Gefäng¬nis als Gefährten der Skorpione und wilden Tiere verbannte, befinde mich in der Fantasie oft inmitten einer Schar junger Mädchen. Mein Gesicht war blaß von Fasten, meine Gedanken in meinem eiskalten Körper glühten vor Begierde. Das Feuer der Lust loderte immer noch in meinem Körper, der schon lange tot zu sein schien.' So groß ist die Macht der Begierde!
- 4. Du kannst nidit hoffen, Selbstverwirklichung oder Er-kenntnis des Selbst zu erlangen, wenn du nicht in Brahmadha-rya fest gegründet bist. Brahmadiarya ist der Hauptsdilüssel, um die Bereiche ewiger Seligkeit zu öffnen. Brahmadiarya ist die eigentliche Grundlage des Yoga. Wie ein Haus, das auf morschem Unterbau errichtet ist, bestimmt einstürzen wird, so wirst auch du aus deiner Meditation fallen, wenn du keine tragfähige Unterlage bereitet hast, nämlich vollkommene Ent-haltsamkeit. Du kannst zwölf Jahre lang meditieren und wirst dennoch ohne Erfolg nach der Ekstase (Samadhi) streben, wenn du nicht das feinste Begehren oder die Saat des Verlangens, welche im innersten Winkel deines Herzens verborgen ist, ver¬nichtet hast. Du wirst diese schreckliche feindliche Begierde sehr sorgfältig ausfindig machen müssen, die in den verschiedenen Winkeln deines Herzens sich verbirgt. Wie sich der Fuchs im Gebüsch verbirgt, so versteckt sich auch diese Begierde in den tieferen Schichten und Winkeln des Denkens. Du kannst sie nur dann feststellen, wenn du sehr wachsam bist. Strengste Selbstprüfung ist unbedingt notwendig. Wie man mächtige Feinde nur dann besiegen kann, wenn man sie von allen Sei¬ten her angreift, so kannst du auch die machtvollen Sinne nur dann unter Kontrolle halten, wenn du sie von allen Seiten, von innen und von unten her angreifst.
- 5. Du darfst nicht der Selbsttäuschung verfallen, du hättest die Begierde schon vollständig ausgerottet, indem du deine Diät ein wenig änderst, gelegentlich Atemkontrolle (Prana-yama) und ein wenig Japa treibst und meinst, sonst nichts mehr unternehmen zu müssen. Die Versuchung oder Mara kann dich jeden Augenblick wieder überfallen. Ewige Wachsamkeit und strengste geistige Disziplin (Sadhana) sind sehr notwendig, um diesen mächtigen Feind zu töten. Mit begrenzten Anstrengun-gen kannst du keine vollkommene Keuschheit durchhalten. Wie man ein Maschinengewehr braucht, um einen mächtigen Feind zu erlegen, so ist auch andauernde, strenge, energische geistige Disziplin (Sadhana) notwendig, um diesen mächtigen Feind, die Begierde, zu vernichten. Du darfst dich nicht im Stolze blä¬hen, wenn du gelegentlich keusch lebst. Wenn du ernstlich auf die Probe gestellt wirst, wirst du hoffnungslos versagen. Du mußt dir immer deiner Unzulänglichkeit bewußt bleiben und ununterbrochen darum ringen, sie los zu werden. Die aller¬größten Anstrengungen sind nötig. Nur dann wirst du in die¬ser Hinsicht vollen Erfolg haben.
- 6. Es ist leicht, einen wilden Tiger oder Löwen oder Ele¬fanten zu zähmen. Es ist leicht, mit einer Kobra zu spielen. Es ist leicht, durch Feuer zu gehen. Es ist leicht, Feuer zu essen und die Fluten des Ozeans auszutrinken. Es ist leicht, das Hi-malayagebirge zu versetzen und leicht, auf dem Schlachtfeld zu siegen. Aber es ist schwer, die Begierde auszurotten. Du brauchst jedoch deshalb nicht im geringsten zu verzweifeln. Glaube nur an Gott, an Seinen Namen und an Seine Gnade. Die Begierde kann nur durch die Gnade Gottes vollständig ausgerottet werden. Du bist ja dazu bestimmt, Erfolg zu ha¬ben, wenn du nur an Ihn glaubst. Du kannst die Begierde in einem einzigen Augenblick ausrotten. Der Herr gibt einem Stummen die Sprache und einem Lahmen die Kraft, um einen steilen Hügel hinanzusteigen. Nur menschliches Mühen allein wird nicht genügen. Die göttliche Gnade ist dazu nötig. Gott hilft denen, die sich selber helfen. Wenn du dich vorbehaltlos hingibst, wird die göttliche Mutter selber das Sadhana für dich tun. Regelmäßige Meditation und Wiederholen der heiligen Formeln (Mantra Japa), reine (Sattwa) Nahrung, Gemein¬schaft mit Weisen (Satsangh), Atemkontrolle (Pranayama), Sirsh- und Sarvangasanas (Stellungen), Studium religiöser Bü¬cher, Erforschung des Atmawesens (Vichara) oder der Frage: „Wer bin ich?", drei Monate Abgeschiedenheit am Ufer eines heiligen Flußes werden die Begierde vollständig ausrotten, so stark auch die alten Eindrücke (Samskaras) und Begierden (Vasanas) sein mögen. Das Positive überwindet immer das Negative. Du brauchst den Mut keineswegs zu verlieren. Ver-senke dich ernsthaft in Meditation, töte die Versuchung (Ma¬ra) und du wirst sicher als Sieger aus dem Kampf hervorge¬hen. Strahle als leuchtender Yogi. Du bist immer relines Atma. Fühle das, o Viswaranjan!
Umgang mit Begierde anderer
Vortrag von Sukadev Bretz
Wenn Menschen Begierden haben, dann kannst du dir überlegen, ob du sie dabei unterstützen willst oder auch nicht. Es den Einfluss der 3 Gunas (Sattva,Rajas,Tamas) auf die Gier eines Menschen. Im Yoga teilen wir alles ein in Sattva, was rein ist, was gut ist und erhebend, in Rajas, was in die Aktivität mündet und eher etwas mit Ego und der eigenen Befriedigung zu tun hat und in Tamas, was unethisch, nicht sattwig ist und den Geist grob macht. Wenn du mit Menschen zu tun hast, die tamassige Begierden haben, also zum Beispiel nach Alkohol, Zigaretten oder anderem, was nicht angemessen ist, dann gilt es dort kein Öl ins Feuer zu gießen und die Menschen dazu zu inspirieren und zu motivieren dem eben nicht nachzugeben. Vielleicht indem du ihnen Möglichkeiten gibst zu entspannen und sich besser zu fühlen. Zum Beispiel mit Yoga und Meditation.
Wenn Menschen rajassige Begierden haben, also zum Beispiel viel Zucker wollen oder anderes, was ethisch in Ordnung ist, weder schädlich ist noch besonders gut, dann halte dich da am besten raus. Wenn Menschen sattwige Bedürfnisse haben, nach etwas begehren, wie zum Beispiel viel zu bewirken oder gesund zu leben oder anderen Menschen in größerem Maße zu helfen oder anderen Gefallen zu tun, dann bestärke sie darin. Gib ihnen Unterstützung, zeige ihnen Wertschätzung und spüre auch innerlich, wie schön es ist mit Menschen zu sein, die Anderen Gutes tun wollen.
Der Begriff „Begierde“ wird in Sprache, Dichtung und Literatur häufig als Metapher für die sexuelle Lust verwendet, während „Begehren“ unter anderem durch die Begriffsprägung Jacques Lacans („désir“) vor allem in den Wortschatz der Wissenschaft, v.a. der Psychoanalyse und der feministischen Philosophie (etwa bei Judith Butler) Eingang gefunden hat. Gabriel Tarde hat das Begehren zu einem Ausgangspunkt soziologischer Theorie genutzt.
Begierde und wahre Liebe
Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2016
Liebe auf den ersten Blick ist oft bloß Begierde
Das Begierde und Liebe etwas anderes sind, dass weiß vermutlich jeder Mensch. Es gibt unterschiedliche Formen von Begierden, es gibt unterschiedliche Formen von Liebe. Wenn Du von Partnerliebe sprichst, also Liebe zwischen Mann und Frau oder zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau, dann gibt es Begierde und es gibt wahre Liebe. Müssen die entgegen gesetzt sein? Nein. In einer typischen Partnerbeziehung zumindest zu Anfang der Beziehung gehören ja beides zusammen. Manchmal ist die Begierde zuerst da und daraus entwickelt sich wahre Liebe. Manchmal ist auch erst die wahre Liebe da und dann entwickelt sich Begierde. Z.B. es gibt einen Menschen, und auf dem ersten Blick ist dort Liebe. Du spürst ein inneres Begehren. Wenn Du auf den ersten Blick verliebt bist, dann ist es höchstwahrscheinlich erstmal nicht wahre Liebe, sondern es ist erstmal Begierde. Da ist irgendetwas, was auf der Hormonebene passiert, irgendetwas auf der Geruchsebene passiert, irgendetwas, was dort geschieht. Dann gibt es eben den Wunsch, die Begierde, mit den anderen zusammen zu sein, in den Armen zu halten, Zärtlichkeiten auszutauschen und mehr. Das nennt man Begierde.
Begierde und Liebe
Diese Begierde kann auch vorbei gehen. Und angenommen Du bist in einer festen Beziehung, und Du hast plötzlich Begierde nach jemand anderen, dann wäre der gute Tipp und wichtige Tipp, widerstehe der Begierde. Sie geht vorüber, sie geht vorbei. Die wahre Liebe, die Du vielleicht zu Deinem festen Partner hast, ist viel wichtiger. Wenn Du nicht in einer festen Partnerschaft bist. Müsstest Du Dir überlegen: Seid ihr kompatibel? Habt ihr ähnliche Interessen, sind Eure Lebensstile, so dass sie zusammen funktionieren, zusammen passen. Langfristig werden diese Begierden verschwinden, oder schwächer werden zumindest. Dann werdet ihr zusammen leben, und dann sind andere Dinge wichtig. Es kann auch umgekehrt sein, dass wahre Liebe erst da ist. Da sind Kollege mit dem verstehst Du Dich sehr gut, und Du willst ihm oder ihr helfen, und er oder sie hilft Dir, da ist ein intuitives Verständnis und ihr habt irgendwo das Gefühl, ihr kennt Euch beide aus früheren Leben. Aber es ist keine Begierde da. Manchmal geschieht es, dass durch längeres Zusammensein auch die Begierden erwachen und vielleicht entsteht dann aus einer gewissen Liebe - im griechischen würde man sagen aus Filia oder aus Storge, also einer freundschaftlichen Liebe – entsteht auch eros, die sinnliche Liebe. Und beides zusammen wird dann vielleicht zur Agape, zur reinen Liebe, zur Gottesliebe, zur Nächstenliebe.
Wie Liebe sich aus Begierde entwickeln kann
In diesem Sinne kann man ja auch unterscheiden, wenn wir das jetzt in einen philosophischen Kontext rücken wollen, dort gibt es ja den Philosoph Platon, der hat etwa im vierten Jahrhundert vor Christus darüber gesprochen von den drei Arten von Liebe: Eros, Agape und Filia. Filia ist die freundschaftliche Liebe. Agape ist die reine Liebe, die uneigennützige Liebe. Und Eros ist die sinnliche Liebe. Das sind drei Arten von Liebe. Manchmal entsteht aus der sinnlichen Liebe die freundschaftliche Liebe und idealerweise die wahre Liebe, die uneigennützige Liebe, die Liebe um der Liebe willen. Eine Partnerschaft, wenn sie dauerhaft werden will, muss irgendwann in Richtung Agape gehen. Man liebt den anderen, ohne etwas von ihm zu wollen. Man weiß aber auch, der andere liebt einen auch, ohne etwas von ihm zu wollen. Wenn’s dem anderen schlecht geht, ist man für ihn da. Wenn’s dem anderen gut geht, freut man sich mit dem. Man kann sich mit ihm oder ihr austauschen, das ist Filia. Man will alles tun, dass es dem anderen gut geht, und dass er sich entwickelt, dass der andere auf dem spirituellen Weg voran kommt, das ist Agape. Man freut sich über Berührungen des anderen, man freut sich über Zärtlichkeiten, man genießt den Sex, das ist Eros. Aus Eros wird Filia, aus Filia wird Agape. Aus Filia – freundschaftliche Liebe – kann auch Eros werden – sinnliche, erotische Liebe – und das kann zu Agape werden.
Ein Lehrer sollte seine Position niemals ausnutzen
Aus Apage kann aber auch Eros werden. Und dann kann es manchmal auch gefährlich werden, z.B. in einer Lehrer- Schüler Beziehung. Ein Schüler liebt den Lehrer, also der spirituelle Schüler liebt den spirituellen Lehrer, einfach weil er etwas ausstrahlt, etwas Göttliches ausstrahlt. Er sieht in dem Lehrer die Manifestation des Göttlichen, er will ihm oder ihr dienen. Der Lehrer am Anfang will auch dienen und strahlt uneigennützige Liebe aus, wahre Liebe. Aber dann mischt sich das plötzlich mit eros, mit erotischer Liebe, angezogen sein zur Schülerin oder zum Schüler. Der Schüler spürt das auch. Und dann wird aus wahrer Liebe erotische Liebe. Dieser Schritt ist meistens problematisch. Wenn aus dieser spirituellen Liebe erotische Liebe wird, ist es oft nicht so einfach. Trotzdem ist auch dieser Schritt möglich, aber er ist schwierig. Er ist sehr schwierig, wenn sich diese wahre Liebe, die sich ja auf viele Menschen richten kann, in erotischer Liebe zu vielen Menschen wandelt. Dann wird es sehr kompliziert und sehr schwierig und dann spricht man auch von Missbrauch der Lehrer – Schüler Beziehung durch den Lehrer. Umgekehrt auch, wenn der Lehrer konfrontiert wird von erotischen Angeboten seitens seiner Schüler und Schülerinnen, dann wird’s auch schwierig. Natürlich muss der Lehrer sagen, nein, ich empfinde diese Art von Liebe nicht. Meine Liebe gilt vielen Menschen und letztlich ist es göttliche Kraft, die ich versuche durch mich hindurch zu lassen. Aber auf einer menschlichen Ebene möchte ich mit Dir nichts direkt zu tun haben. Also man muss klare Grenzen dort setzten. Also hier sind wir in ein schwieriges Terrain geraten, und ich will es auch nicht weiter ausbauen.
Aber einfach nochmal diese drei Arten von Liebe: sinnliche Liebe, Eros, freundschaftliche Liebe, Filia und uneigennützige Liebe, Agape. Aus Eros kann Filia werden und beide werden hoffentlich zur Agape. Aus Filia kann Eros werden und beide werden hoffentlich zur Agape. Agape kann mit Filia zusammen hängen. Aus Agape Eros werden zu lassen wird schwierig. In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Inspiration, viel Liebe, uneigennützige Liebe zu vielen Menschen und eine tiefe allumfassende Liebe zu Deinem Partner / Deiner Partnerin. Und überwinde vor rüber gehende Begierden, die eventuell Deine Partnerschaft in Schwierigkeiten bringen können. Und auch wenn in Deiner festen Partnerschaft vor rüber gehend Deine Begierden nicht befriedigt werden können, die wahre Liebe ist letztlich am Wichtigsten.
Viveka Chudamani - Befreie dich von den Fesseln der Begierde
- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 78 von Sukadev Bretz -
Wer sich von den schweren Fesseln der Begierde an Sinnesobjekten mühselig unter großer Anstrengung befreit, der erfüllt die Voraussetzungen zur Befreiung. Kein anderer. Selbst wenn er alle sechs philosophischen Schulen kennt.
Lass dich nicht von den Sinnen beherrschen
Shankara spricht hier nochmals über die Sinnesobjekte. Dies alles im Kontext seiner Aussage: „Du bist nicht der Körper, und damit auch nicht die Sinne, die damit zu tun haben.“ Über den Körper hast du Sinne, mit den Sinnen kommen Wünsche, und wenn du dich von den Wünschen beherrschen lässt, dann gibt es Probleme.
Zu sagen „Aham Brahmasmi“ - ich bin nicht beschränkt auf den physischen Körper - und dann zu schimpfen wenn dein Essen nicht gut ist, oder wenn dir jemand weniger geschenkt hat als jemand anderem, dann stimmt etwas nicht.
Du bist das unsterbliche Selbst, du bist nicht der Körper. Und du solltest dich befreien von der Sklaverei der Sinne. Werde dir immer wieder bewusst, wann du etwas wünschst, wann du etwas haben willst, wann du neidisch bist, wann du dich über etwas ärgerst und wann du vor etwas Angst hast.
Shankara geht letztlich immer wieder zum ganzheitlichen Yoga zurück. Er sagt zwar was zur Befreiung führt, nämlich „jnana“ - Erkenntnis, „atman jnana“ - Erkenntnis des Selbst - und „Brahma Jnana“ - Erkenntnis von Brahman. Aber um dort hinzukommen ist es notwendig, sehr viel dafür zu tun und sich nicht von den Sinnen beherrschen zu lassen. Daher sagt er hier: Befreie dich von den Fesseln der Begierde an Sinnesobjekte.
Übe Unterscheidung: Was ist sinnvoll
Interessant sind dabei drei Dinge:
- Erstens gibt es die Sinnesobjekte und sie sind neutral.
- Dann kannst du Begierden daran haben, was auch noch nichts Schlimmes ist.
- Nur wenn du Fesseln daran hast.
Ich sage auch gerne: Wünsche sind Handlungsempfehlungen mit Energie. Und die meisten Wünsche sind ja sinnvoll.
Wenn ich zum Beispiel Durst habe, ist das etwas Gutes. Der Körper sagt mir: du hast jetzt einige Vorträge gehalten, du hast viel gesprochen, du brauchst etwas Wasser. Wenn ich jetzt aber daran gefesselt bin – „Ich brauche jetzt unbedingt Wasser, ich muss sofort die Aufnahme unterbrechen, sonst geht gar nichts mehr“ – dann bin ich gefesselt. Wenn ich aber weiß – aha da ist Durst – kann ich überlegen: ist es jetzt sinnvoll etwas Wasser zu mir zu nehmen oder sollte ich lieber die Aufnahme zu Ende führen? Handlungsempfehlung mit Energie – du kannst ihr folgen oder auch nicht.
Vielleicht magst du dieses Konzept einmal überdenken. Wann immer du einen Wunsch hast, insbesondere sinnliche Wünsche oder auch andere, nimm sie als Handlungsempfehlung mit Energie und fühle dich frei, ihnen zu folgen oder auch nicht.
Begierde in Beziehung zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen
Begierde ist die Bezeichnung für einen starken sinnlichen Wunsch, für ein intensives Verlangen. Heutzutage spricht man häufiger von Trieben als von Begierden. Triebe beziehungsweise Begierden werden als unwillkürliches Verlangen angesehen, die man aber unter die Kontrolle des bewussten Wollens stellen kann - und nach Ansicht der meisten philosophischen und spirituellen Richtungen auch stellen sollte. Man spricht von sexueller Begierde, von sinnlichen Begierden. Im Buddhismus und im Yoga wird oft davon gesprochen, dass man seine sinnlichen Begierden unter Kontrolle bringen soll. Wer denkt, durch die Befriedigung von sinnlichen Begierden glücklich zu werden, irrt. Begierden kann man deuten wie alle Wünsche als Handlungsempfehlung des Unterbewusstseins verbunden mit Energie. Der bewusste Geist kann dieser Handlungsempfehlung folgen oder auch nicht.
Begierde gehört zur Gruppe der Persönlichkeitsmerkmale, Schattenseiten, Laster und Tugenden. Um dieses Charaktermerkmal besser zu verstehen, wollen wir es in Beziehung setzen mit anderen:
Synonyme Begierde - ähnliche Eigenschaften
Synonyme Begierde sind zum Beispiel Verführbarkeit, Sucht, Besessenheit, Habsucht, Begeisterung, Antrieb, Leidenschaft .
Man kann die Synonyme in zwei Gruppen einteilen, solche mit positiver Konnotation und solche mit negativer Konnotation:
Synonyme mit negativer Konnotation
Synonyme, die gemeinhin als negativ gedeutet werden, sind zum Beispiel
Synonyme mit positiver Konnotation
Synonyme mit positiver Konnation können helfen, eine scheinbare Schattenseite auch positiv zu sehen. Synonyme mit positiver Konnotation sind zum Beispiel
Antonyme Begierde - Gegenteile
Antonyme sind Gegenteile. Antonyme, also Gegenteile, von Begierde sind zum Beispiel Beständigkeit, Treue, Zufriedenheit, Gleichgültigkeit, Gefühllosigkeit, Abgestumpftheit . Man kann auch die Antonyme, die Gegenteile, einteilen in solche mit positiver Konnotation und solche mit negativer Konnotation.
Antonyme mit positiver Konnotation
Antonyme, also Gegenteile, zu einem Laster, einer Schattenseite, einer negativen Persönlichkeitseigenschaft, werden gemeinhin als Gegenpol interpretiert. Diese kann man kultivieren, um das Laster, die Schattenseite zu überwinden. Hier also einige Gegenpole zu Begierde, die eine positive Konnotation haben:
Antonyme mit negativer Konnotation
Nicht immer ist das Gegenteil einer Schattenseite, eines Lasters, gleich positiv. Hier einige Beispiele von Antonymen zu Begierde, die aber auch nicht als so vorteilhaft angesehen werden:
Eigenschaften im Alphabet davor oder danach
Hier einige Eigenschaften, die im Alphabet vor oder nach Begierde stehen:
Eigenschaftsgruppe
Begierde kann gezählt werden zu folgenden beiden Eigenschaftsgruppen:
- Schattenseiten-Kategorie Gier, Sucht, Triebgesteuertheit
Verwandte Wörter
Verwandte Wörter zu Begierde sind zum Beispiel das Adjektiv gierig, das Verb begehren, sowie das Substantiv Begehrender.
Wer Begierde hat, der ist gierig beziehungsweise ein Begehrender.
Literatur
- Sri Shankaracharya: Das Kronjuwel der Unterscheidung
- Meyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, Bibliographisches Institut Verlag, Mannheim 1973, Band 7, Seite 461.
- Yogalehrer/innen Handbuch, 11. Auflage 2011, Berufsverband der Yoga Vidya Lehrer/innen e. V. (BYV), Seite 55.
- Bhagavad Gita, Shrimad, Text und Erläuterungen von Swami Sivananda, deutsche Ausgabe 2012, Mangalam Books Verlag, Kapitel 12, S. 247 - 257.
Siehe auch
- Tugend
- Tugenden Podcast - Tipps zur Entwicklung von Tugenden und Positiven Eigenschaften
- Yoga Vorträge - Inspirationen zu allen Aspekten von Yoga, Meditation, Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität
- Yogalehrer Weiterbildungen
- Beratung Depression Blog
Seminare
Seminare zum Thema Energiearbeit:
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Bhakti Yoga
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Weitere Informationen zu Yoga und Meditation
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Zusammenfassung
Das Gefühl der Begierde beschreibt meist die erotische Liebe, also Eros. Es kann sich positiv ausdrücken, aber auch aus einem Mangel herraus entstehen. Aus ihm kann sich jedes Gefühl entwickeln. Die wahre Liebe ist hierbei am Meisten erstrebenswert.