Surya Bheda
Surya Bheda und Surya Bhedana (Sanskrit: सूर्यभेद sūrya-bheda m.; सूर्यभेदन sūrya-bhedana n.) – wörtlich: „das Öffnen“ (Bheda) „der Sonne“ (Surya) beziehungsweise des Sonnenkanals (Pingala) – sind Atemtechniken des Pranayama. Sie gehören zu den acht Mahakumbhakas.
Bei dieser Übung wird durch das rechte Nasenloch eingeatmet und durch das linke Nasenloch ausgeatmet. Es handelt sich um eine Atemübung zur Erhöhung der Sonnenenergie im Menschen.
Die Technik dient der Stärkung der Sonnenenergie im Körper, fördert innere Wärme, Vitalität und geistige Klarheit. Sie zählt zu den acht bedeutenden Mahakumbhakas im Yoga und eignet sich insbesondere, wenn ein energetischer Ausgleich durch die reguläre Wechselatmung auch Nadi Shodhana genannt nicht mehr ausreicht.
Vorsicht: Fortgeschrittenes Ujjayi oder Surya Bheda nur nach mindestens 3 Runden Kapalabhati und mindestens 15-20 Minuten Wechselatmung (Anuloma Viloma, beziehungsweise Nadi Shodana) machen.
Sukadev über Surya Bheda
Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Surya Bheda
Surya Bheda ist eine Atemübung, mit der du die Sonnenenergie stärkst – um Heilung zu bewirken oder einfach mehr Kraft, Energie, Durchsetzungsvermögen und innere Wärme zu entwickeln. Surya Bheda bedeutet wörtlich: „Abspalten der Sonnenenergie“.
Normalerweise übt man Anuloma Viloma, die Wechselatmung. Bei dieser atmest du durch das linke Nasenloch ein, hältst die Luft an, atmest durch das rechte Nasenloch aus, atmest dann rechts wieder ein, hältst erneut die Luft an und atmest schließlich links aus. Auf diese Weise werden Surya Nadi (auch Pingala Nadi genannt) – der rechte Energiekanal, welcher die Sonnenenergie transportiert – und Ida Nadi, der linke Energiekanal, der die Mondenergie leitet, harmonisiert.
Normalerweise ist das Ziel der Pranayama-Praxis, die Energien zu harmonisieren. Deshalb gilt Anuloma Viloma, auch bekannt als Nadi Shodhana, als die wichtigste der Atemübungen.
Manchmal jedoch möchtest du die Sonnenenergie gezielt abspalten beziehungsweise verstärken, das heißt: du möchtest sie stärker machen als die Mondenergie.
Angenommen, du leidest unter einem Übermaß an Vata – also unter Nervosität, Unruhe und innerer Kälte – oder unter einem Übermaß an Kapha – Trägheit, Antriebslosigkeit, verbunden mit Kälte –, dann brauchst du mehr Surya, mehr Sonnenenergie.
In solchen Fällen ist Surya Bheda besonders hilfreich: Du trennst den Sonnenteil von der Wechselatmung, indem du rechts einatmest, die Luft anhältst und links ausatmest. Beim Einatmen kannst du dir vorstellen, dass rechts die Sonnenenergie in dich hineinströmt, dich wärmt und mit Kraft erfüllt. Beim Ausatmen durch das linke Nasenloch stellst du dir vor, dass du vollständig entspannst und loslässt.
Surya Bheda ist also eine Atemübung, um die Sonnenenergie zu stärken.
Wenn du an einer Übungsanleitung für Surya Bheda interessiert bist, dann besuche www.yoga-vidya.de. Gib oben ins Suchfeld „Surya Bheda“ ein – dort findest du verschiedene Anleitungen, sowohl als Internetseiten als auch als Videos. So kannst du direkt in die Praxis von Surya Bheda eingeführt werden und gleich mit dem Üben beginnen.
Surya Bheda ist eine Atemübung, um die Sonnenenergie zu stärken, um Wärme zu erzeugen, um spirituelle Kraft zu fördern, ebenso wie Mut, Willenskraft und Begeisterung. Diese Übung ist besonders dann geeignet, wenn die reguläre Wechselatmung nicht ausreicht, um deine Energien ins Gleichgewicht zu bringen – etwa bei zu viel Kälte, Unruhe oder Trägheit.
Am liebsten übersetze ich Surya Bheda mit Sonnenatem.
Wirkungen
Surya Bheda beruhigt den Geist und erhöht die Vitalkapazität (Lungenvolumen). Es steigert das Prana im gesamten Körper, reinigt die Sushumna-Nadi, erweckt die Kundalini-Shakti und zieht sie zum Ajna Chakra empor (in der vollständigen Variation nur für Fortgeschrittene empfohlen).
Die Praxis hilft insbesondere bei der Harmonisierung beziehungsweise Reduzierung von Vata – besonders in der einfachen Variation ohne Jalandhara Bandha.
Ausführung
Setze dich in Padmasana oder Siddhasana. Schließe die Augen. Verschließe das linke Nasenloch mit dem kleinen Finger der rechten Hand. Atme langsam und geräuschlos durch das rechte Nasenloch ein.
Halte anschließend den Atem an und senke dabei sanft das Kinn in Richtung Brustkorb (Kinnverschluss). Konzentriere dich auf den Schädel und die Schädeldecke – dies lenkt die Energie dorthin und reinigt den Schädel energetisch. Halte den Atem so lange an, bis du ein leichtes Schwitzen an den Haarwurzeln und den Fingerspitzen spürst.
- Dieser Punkt wird nicht sofort erreicht – du solltest die Dauer des Atemanhaltens schrittweise steigern, bis du diesen Zustand erreichst. Er markiert deine individuelle Übungsgrenze für Surya Bheda.
Danach verschließe das rechte Nasenloch mit dem rechten Daumen und atme sehr langsam und geräuschlos durch das linke Nasenloch aus.
Diese Übung gilt als reinigend und heilend: Sie zerstört Darmwürmer und hilft bei Darmkrankheiten. Sie unterstützt bei Rheumatismus, Ozaena (chronischer Nasenschleimhautentzündung) sowie verschiedenen Formen der Neuralgie.
Surya Bheda hilft dabei, Alter und Tod zu überwinden und erweckt die Kundalini-Shakti.
Surya Bheda für Anfänger
- Atme rechts ausschließlich mit Bauchatmung ein, dabei aktiviere Mula Bandha.
- Halte den Atem an (Antara Kumbhaka) – mit Mula Bandha und Uddhiyana Bandha – so lange es angenehm ist.
- Atme dann links ohne Bandhas aus.
- Halte nach dem Ausatmen den Atem an (Bahya Kumbhaka) und aktiviere dabei Uddhiyana Bandha.
Dann beginne von vorne – also wieder rechts einatmen.
Dies ist Surya Bheda in einer sanften und angepassten Form für Anfänger.
Surya Bedha für Fortgeschrittene
So üben fortgeschrittene Yoga-Übende Surya Bheda:
- Rechts vollständig einatmen mit aktiviertem Mula Bandha.
- Atem anhalten (Antara Kumbhaka) mit vollständigem Maha Bandha (also Mula Bandha, Uddhiyana Bandha und Jalandhara Bandha) – so lange, wie es angenehm bleibt. Dabei die Hände auf die Oberschenkel abstützen.
- Links ausatmen, ohne Anwendung von Bandhas.
- Danach den Atem nach dem Ausatmen anhalten (Bahya Kumbhaka) und dabei Uddhiyana Bandha setzen.
Dann wieder von vorne beginnen – also rechts einatmen.
Die Konzentration während der gesamten Übung liegt auf dem Ajna Chakra – dem Punkt zwischen den Augenbrauen.
Surya Bedha im Hormonyoga
Lege dich flach auf den Rücken. Stelle die Beine auf. Schiebe den rechten Fuß in Richtung Gesäß, das rechte Knie liegt auf dem Boden. Lege den linken Fuß auf das rechte Knie. Strecke die Arme nach hinten über den Kopf. Die linke Hand greift das rechte Handgelenk – so entsteht eine Dehnung der rechten Körperseite.
Löse die linke Hand. Verschließe mit dem linken Ringfinger das linke Nasenloch.
Führe drei Runden mit jeweils sieben Aktivierungsatmungen durch. Setze dabei Mula Bandha, lege die Zunge an den weichen Teil des Gaumens und halte die Luft an. Die Konzentration liegt auf der Nasenspitze.
Greife erneut mit der linken Hand das rechte Handgelenk und dehne die rechte Seite. Danach: linke Hand lösen, mit dem linken Ringfinger das linke Nasenloch verschließen, rechts ausatmen, und die Energielenkung zum rechten Eierstock führen.
Zum Abschluss erfolgt eine Bauchkontraktion:
- Lege die Arme nach unten,
- nimm einen tiefen Atemzug,
- halte die Luft mit leeren Lungen an,
- führe die Arme nach hinten hinter den Kopf,
- und senke sie anschließend beim Einatmen wieder über den Bauch.
Dann folgt die Wiederholung mit der anderen Seite.
Wirkungen:
- Aktivierung der Eierstöcke
- Anregung des Stoffwechsels
Surya Bedhana in der Hatha Yoga Pradipika
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2020 -
Kommentar zur Hatha Yoga Pradipika 2. Kapitel, Vers 48-50
Svatmarama über Surya Bheda:
Vers 48:
„Der Yogaübende möge einen bequemen Sitz einnehmen und lange darin verweilen. Dann soll er langsam die äußere Luft durch das rechte Nasenloch, Pingala Nadi, einatmen. Das ist Surya Bheda.“
Man kann diese Übung Surya Bheda oder Surya Bhedana nennen. Bheda bedeutet „Durchstoßen“, Surya ist die Sonne. Surya Bheda lässt sich also als „Durchstoßen des Sonnenkanals“ übersetzen.
Man atmet dabei stets durch das rechte Nasenloch ein – es entspricht Pingala-Nadi, auch als Surya Nadi oder „Sonnenkanal“ bezeichnet.
Dann soll man durch diesen rechten Nasengang, also durch den entsprechenden Energiekanal, die äußere Pavana einziehen. Pavana bedeutet sowohl Luft als auch Wind oder Prana.
Bei Surya Bheda wird langsam eingeatmet – nicht schnell. Sanft und allmählich nimmt man Luft und Prana auf. Anders als bei der Wechselatmung, wo die Einatmung relativ zügig erfolgt, die Luft viermal so lange angehalten wird und die Ausatmung doppelt so lange dauert wie die Einatmung.
Vers 49:
„Nun soll der Yogi das Prana im Körper halten, bis er bis zu den Haar- und Fingerspitzen von Prana durchströmt wird. Danach sollte er das Prana langsam durch das linke Nasenloch ausatmen.“
Man hält das Prana so lange, bis es von den Zehen bis zu den Haarwurzeln spürbar ist – eine sehr schöne und bildhafte Beschreibung. Wenn du Surya Bheda übst, stelle dir vor, dass das Prana durch deinen ganzen Körper pulsiert, von unten bis oben. Halte den Atem so lange (Kumbhaka) an, bis dieses Erleben eintritt. Anschließend wird das Pavana, der Wind, das Prana, langsam und bewusst durch das linke Nasenloch ausgeatmet.
Vers 50:
„Dieses vorzügliche Surya Bhedana sollte immer wieder geübt werden. Es reinigt den Schädel. Es stört die Neigung zur Unstetigkeit und beseitigt auch die Plage von Parasiten.“
Surya Bhedana bringt Klarheit des Geistes. Wenn du dich unklar, verwirrt oder unruhig fühlst, ist Surya Bheda besonders hilfreich. Es reduziert außerdem überschüssiges Vata (Dosha) und hilft gegen Befall durch parasitäre Würmer.
Fazit: Übe es regelmäßig – immer wieder. Vor allem, wenn du zu viel Vata hast oder geistige Klarheit brauchst.
Formen von Surya Bheda
Es gibt verschiedene Variationen von Surya Bheda, je nach Erfahrungsstufe:
Mittelstufe
Für Mittelstufenschüler bietet sich folgende Praxisform an:
- Nach der Wechselatmung ein paar Runden Surya Bheda üben.
- Einfach rechts einatmen, Atem anhalten, links ausatmen.
- Im Unterschied zur Wechselatmung wird hier die Einatmung verlängert – sie ist der wichtigste Teil der Übung.
Tipp: Atme so langsam wie möglich ein.
Stelle dir vor, wie du Prana und Sonnenenergie aufnimmst.
Halte die Luft so lange wie angenehm und spüre die Sonnenenergie bis in die Zehen und Haarspitzen.
Atme anschließend links aus – und beginne wieder mit der rechten Einatmung.
Fortgeschritten
In der fortgeschrittenen Praxis wird Surya Bheda mit allen drei Bandhas geübt:
Diese Form ist besonders intensiv, verstärkt die Wirkung auf die Kundalini und sollte nur bei entsprechender Erfahrung praktiziert werden.
Video - Surya Bhedana in der Hatha Pradipika
Hier ein Vortrag zum Thema „Surya Bhedana in der Hatha Yoga Pradipika“, von und mit Sukadev Bretz, aus der Reihe Yoga Vidya Schulung – Vorträge zum ganzheitlichen Yoga.
Dieser Vortrag ist ein Kommentar zu den Versen 48–50 des zweiten Kapitels der Hatha Yoga Pradipika.
Weblinks
Siehe auch
- Suryabhedana
- Suryahva
- Suryavarta
- Surya Siddhanta
- Suryahva
- Pashanabheda
- Purishabheda
- Mahabandha
- Acht Mahakumbhakas
- Unmani Avastha
- Ujjayi Kumbhaka
- Sitkari
- Shitali
- HYP Jahresgruppe
- Sanskrit Kurs Lektion 1
Literatur
- André van Lysebeth, Die große Kraft des Atems
- Audio CD Pranayama für Anfänger
- Audio CD Pranayama für Fortgeschrittene
- Swami Satyananda Saraswati, Asana Pranayama Mudra Bandha
Seminare
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