Todesfurcht

Aus Yogawiki
Den Tod überwinden

Todesfurcht, die Angst vor dem Tod, ist allen Lebewesen gemeinsam. Patanjali, der Autor des Yogasutra, beschreibt Abhinivesha, Todesangst bzw. Todesfurcht, als eine der Kleshas, Ursachen des Leidens. Svatmarama, der Autor der Hatha Yoga Pradipika erwähnt immer wieder, dass Yoga, insbesondere Hatha Yoga, von Todesfurcht befreit.

Todesfurcht durch Pranayama überwinden

Pranayama - ein Mittel den Tod zu transzendieren

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Kommentar zu Vers 39-40 des 2. Kapitels der Hatha Yoga Pradipika.

Die Götter haben aus Angst vor dem Tod Pranayama geübt

Vers 39:

Sogar die 30 Götter, beginnend mit Brahma sind, aus der Angst vor dem Tod, süchtig nach der Praxis des Pranayama geworden. Deshalb soll der Yogi Atemübungen (Pranayama) praktizieren.

Brahma und die Götter wurden, indem sie sich der Praxis des Pranayama hingaben, vor der Angst vor dem Tod befreit. Also sollte man es praktizieren. Wenn der Atem angehalten ist, solange der Geist fest und beständig ist, solange das Auge zur Mitte der Augenbrauen gerichtet ist, warum sollte man den Tod fürchten?

Ein wiederkehrendes Thema in der Hatha Yoga Pradipika ist die Angst vor dem Tod. Menschen in allen Zeiten haben Angst vor dem Tod gehabt. In unserer heutigen Gesellschaft wird die Angst vor dem Tod eher ins Unterbewusste verdrängt. Menschen verdrängen den Tod und sie denken, der Tod betrifft mehr die anderen.

Wir leben natürlich länger als zur Zeit von Svatmarama. Wir leben 2017 in Mitteleuropa in einer Gesellschaft, wo es seit 1945 keinen Krieg mehr gegeben hat. Auch Mord und Totschlag sind verhältnismäßig selten, ebenso Epidemien oder Naturkatastrophen mit tausenden von Toten. Wenn Menschen sterben, werden sie im Krankenhaus oder im Hospiz untergebracht, sodass man es nicht ganz so stark merkt. Die Furcht vor dem Tod wird mehr ins Unterbewusstsein gebracht, denn jeder Mensch merkt, dass er doch irgendwann sterben muss.aus Angst vor dem Tod praktiziert

Auf der anderen Seite hat der westliche Mensch eine eigenartige Besessenheit vom Tod. Er liebt es, in Nachrichten von Tod in anderen Weltregionen zu hören und zu sehen. Er liebt es, Krimis anzuschauen. Er liebt Kinofilme, in denen Viele sterben. Tod ist irgendwo etwas Exotisches und betrifft einen selbst erstmal nicht. Aber es gibt doch eine unterbewusste Furcht vor dem Tod, die immer dann ausbricht, wenn er dann plötzlich ins Leben kommt.

Als spiritueller Lehrer bin ich immer wieder erstaunt, dass jemand, wenn er die Diagnose Krebs bekommt, plötzlich an allem zweifelt, was bisher war. Als ob er nie damit gerechnet hätte, dass er jemals eine Krankheit bekommen könnte, die lebensbedrohend ist. Man könnte sagen, Svatmarama war dort erheblich realistischer. Er wusste: Tod kann jeden betreffen. Zwar kann man durch die Veränderung des Lebensstils eine Menge machen; wenn du Yoga übst und vegetarisch lebst, auf Alkohol und Zigaretten verzichtest, ist deine Lebenserwartung einige Jahre, vielleicht sogar ein bis zwei Jahrzehnte länger, als würdest du ungesund leben.

Und trotzdem ist nicht alles in unserer Kontrolle. So nimmt man an, dass etwa die Hälfte von Krebs mit beeinflusst werden kann durch Lebensstil-Faktoren. Aber die andere Hälfte sind zufällige genetische Mutationen, die auftreten, egal wie du lebst. Krebs kann einen Menschen, der absolut gesund lebt, im Alter von 15, 25, 35, 45 oder 55 betreffen – daran kann man nichts ändern. Das gehört dazu.

Es wäre also klüger, sich bewusst zu machen, dass dein Leben morgen zu Ende sein kann. Und dass das etwas ganz Natürliches wäre. Beim nächsten Arztbesuch könnte dir die Diagnose einer unheilbaren und tödlichen Krankheit gestellt werden. Das soll dich nun nicht mit Todesfurcht anreichern, sondern deutlich machen, dass der westliche Mensch das, was Svatmarama hier anspricht, verdrängt hat. Um so stärker überwältigt es einen Menschen, wenn er merkt, dass seine Vorstellung, sich vor dem 80. oder 90. Geburtstag keine Gedanken über den Tod machen zu müssen, unrealistisch ist.

Unter 150 Menschen einer gemischten Bevölkerungsgruppe stirbt typischerweise ein Mensch pro Jahr bis zum 70. Lebensjahr. Die Frucht vor dem Tod ist also nicht so weit weg. Und andere Zivilisationen gehen wesentlich offener damit um als unsere.

Wie kann man die Furcht vor dem Tod überwinden?

Im 39. Vers heißt es, dass auch die Tridasha (30 Götter, bestimmte Devas wie zum Beispiel Indra, Varuna, Agni und so weiter, aber insbesondere Adaya, angefangen mit Brahma dem Schöpfergott) Pranayama geübt haben. Das muss man sich jetzt nicht so vorstellen, dass sie die Luft angehalten haben, denn auf der Ebene der Feinstoffwesen gibt es keine physische Luft. Aber sie beherrschen Prana, die Lebensenergie. Und wer die Lebensenergie beherrscht, braucht keine Angst vor dem Tod zu haben.

Sie haben die Praxis des Pavana geübt, also die Praxis des Lebenswindes bzw. von Prana. Und sie haben Tatpara geübt, sich also eifrig bemüht. Sie haben sich eifrig bemüht, Prana unter Kontrolle zu bekommen und dadurch Antaka Bhaya (die Furcht vor dem Tod) überwunden. Und so sagt Swatmarama: deshalb sollte man Pavana Abhyasa üben, also die Beherrschung des Lebenswindes bzw. der Lebensenergie.

Es gibt auch den Mythos, dass die Götter und Engel letztlich zu Göttern und Engeln wurden, weil sie viel Pranayama geübt haben. Indem du Pranayama übst, lernst du den physischen Körper zu überwinden. So könnte man diesen Vers auch interpretieren: Übe viel Pranayama und du merkst, du bist nicht der physische Körper. Wenn du viel Pranayama übst, merkst du, dass dein Astralkörper weit über den physischen Körper hinausgeht. Und du nimmst auch Pranawelten, Feinstoffwelten wahr. Du merkst: dieser physische Körper ist eigentlich nur ein Kleidungsstück, ein Fahrzeug, ein manchmal beengendes, manchmal deine Fähigkeiten reduzierendes Fahrzeug.

Wenn du erstmal merkst, dass du auf der Energieebene und der geistigen Ebene so viel mehr bist, dann brauchst du keine Angst mehr vor dem Tod zu haben, sondern du weißt, dass der Tod eine Befreiung von der Materie ist. Und so ist eine Interpretation des 39. Verses, dass man über die Herrschaft über das Prana die Grenzen des physischen Körpers überwindet und dann in eine Seinsebene hineinkommt, die einem sehr viel an Erfahrungen ermöglicht – und auch daran, was man bewirken kann, ohne sich um den physischen Körper zu kümmern.

Wer sein Prana beherrscht braucht den Tod nicht zu fürchten

Du bist nicht auf den Körper beschränkt

Vers 40:

Solange der Atmen angehalten ist, solange der Geist fest und beständig ist, solange das Auge zur Mitte der Augenbrauen gerichtet ist, warum sollte man den Tod fürchten?

Wenn man das Prana im Körper hält (baddho marud dehe), solange ist man nicht tot. Solange du Pranayama übst, kannst du das Prana im Körper halten und brauchst nicht sterben. Du kannst aber das Prana auch aus dem Körper hinausbringen. Du weißt, wenn du Pranayama übst, bist du nicht beschränkt auf den physischen Körper. Du kannst dein Prana im physischen Körper haben, du kannst aber auch aus dem physischen Körper austreten. Und so brauchst du keine Angst haben, den Körper zu verlassen.

Solange du Pranayama übst, ist der Geist also ruhig und klar (chittam nirakulam), nicht verwirrt, nicht zerstreut. Wenn du also in der Lage bist, den Geist ruhig zu machen, dann brauchst du auch vor nichts Angst zu haben. Mit Pranayama hast du also eine Herrschaft über das Prana und eine Herrschaft über den Geist.

Wenn du den Blick auf den Punkt zwischen den Augenbrauen richtest (drishtir bhruvor madhye) … Drishti kann bedeuten, dass du die Augen nach oben bringst, aber es kann auch bedeuten, dass du deine ganze Sichtweise zum Ajna Chakra bringst, welches für Intuition, höhere Erkenntnis und Gotterkenntnis steht. Wenn du also deinen Geist auf die höheren Ideale, das Göttliche richtest, dann brauchst du auch keine Furcht vor der Zeit (kala bhayam) zu haben. Du musst also keine Angst haben, dass dir mit der Zeit alles Mögliche passiert, dass dir alles weggenommen wird und dass du irgendwann stirbst.

Mit anderen Worten: Mit Pranayama befreist du dich von den Wechselfällen des Lebens. Das ist nicht nur der Tod. Auf der physischen Ebene des Lebens gibt es viele verschiedene Wechselfälle: Mal gehen Dinge gut, mal gehen sie schlecht. Mal bekommst du, was du willst, mal bekommst du es nicht. Menschen sind mal nett, mal unfreundlich. Mal ist der Körper gesund, mal weniger gesund. Mal stirbt jemand in deiner Umgebung, mal hast du eine Erkrankung, die auch tödlich sein könnte. Und so weiter.

Aber: Pranayama löst dich davon. Du löst dich auf dreifache Weise:

  • Du erfährst dich selbst, dass du mit deinem Astralkörper über den physischen Körper hinausgehen kannst. Du erfährst Prana, die Lebensenergie, unabhängig vom physischen Körper.
  • Du lernst, deinen Geist ruhig zu halten, unabhängig von den äußerem Umständen. Wenn du erstmal gelernt hast, dass es dir nichts ausmacht, wenn du kritisiert wirst oder wenn Dinge schief gehen oder wenn deine Wünsche nicht erfüllt werden, hast du so viel Freiheit erlangt. Diese Unabhängigkeit des Geistes von äußeren Umständen kannst du durch Pranayama erreichen.
  • Konzentration auf Ajna Chakra; das heißt: Im übertragenen Sinne, die Ausrichtung auf Gott – nur das ist letztlich wichtig.

So kann dir Pranayama also entscheidend helfen, zur Freiheit zu kommen. Solange das Prana beherrscht wird, solange der Geist Festigkeit erlangt und solange dein Blick ausgerichtet ist zum Punkt zwischen den Augenbrauen und damit zum Göttlichen, brauchst du keine Angst zu haben vor der Zeit, die alles verändert.

Video - Todesfurcht durch Pranayama überwinden

Hier ein Vortrag zum Thema Todesfurcht durch Pranayama überwinden von und mit Sukadev Bretz aus der Reihe Yoga Vidya Schulung, Vorträge zum ganzheitlichen Yoga. Dies ist ein Kommentar zum 2. Kapitel der Hatha Yoga Pradipika, Verse 39-40.

Siehe auch

Literatur

Seminare

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