Vedanta für Anfänger
Vedanta für Anfänger - Die Vedanta-Philosophie ist der Höhepunkt der Veden (älteste klassische indische Schriften). Durch sie tritt man in das Studium Brahmans ein. Sie ist die Wissenschaft, durch die der Mensch über die weltliche Ebene hinausgehoben wird. Sie ist der rationale Ansatz, über das höchste Absolute - das Unendliche, das Ewige - zu meditieren.
Vedanta für Anfänger
- Auszug aus dem Buch "Vedanta für Anfänger" von Swami Sivananda -
Einleitung
Vedanta ist der Gipfel menschlicher Erfahrung und das Ende unserer Art zu denken. Es ist das größte und höchste Wissen, das den alten Weisen offenbart wurde.
Die Seher und Heiligen von einst haben Experimente und Nachforschungen über Meditation durchgeführt und ihre spirituellen Erfahrungen weitergegeben. Dieses Wissen ist Autorität. Wir dürfen keine Zeit damit verschwenden, ihre anfänglichen Experimente zu wiederholen. Dazu reicht die Lebenszeit einfach nicht aus. Diese Erfahrungen der Heiligen ist mit Tabletten aus der Apotheke vergleichbar: Du brauchst einfach nur die Gebrauchsanweisung mit ungeteiltem völligen Vertrauen und Hingabe zu befolgen. Nur dann kannst du spirituelle Fortschritte machen und das Lebensziel erreichen.
Um zur Erlangung der vollständigen Befreiung Sadhana (spirituelle Übungen) zu praktizieren, solltest du bereits zu Beginn um die richtige Technik und Methodik wissen. Du solltest dir über das Wesen von Bindung, der Ursache der Bindung und die Weise, wie du von Bindung frei wirst, bewusst sein. Das Leben selbst gilt es zu erforschen und seine Mysterien zu ergründen.
Karma
Du bist aufgrund deines Karmas (Taten, Handlungen) vergangener Leben in diese Welt geboren worden. Dein jetziger Körper und Geist resultieren beide aus der Wirkung des vergangenen Karmas. Was aber ist „Karma“?
Anfänglich kommt in dir ein subtiler Wunsch (Vasana) auf. Folglich strengst du dich an, das begehrte Objekt zu besitzen. Das ist Karma, denn wirkliches Karma ist der Gedanke. Die äußere Aktion ist nur die Manifestation/Konsequenz des Gedankens. Nachdem du das Objekt besitzt, genießt du es. Das ist Bhoga. Bhoga stärkt Vasana. Dieser Teufelskreis aus Vasana, Karma und Bhoga dreht sich ewig weiter. Gib daher Bhoga auf! Übe dich in Entsagung, Unterscheidungsvermögen und Leidenschaftslosigkeit. Zerstöre die Gewohnheiten durch das Auslöschen von Unwissenheit (Ajnana) durch Brahma Jnana – das Wissen über Brahman, das Unvergängliche. Nur dann wird das Rad, das dich an diesen ewigen Kreislauf (Samsara) bindet, aufhören, sich zu drehen.
Wer ist der „Mörder“ des Atman?
Das wahre Selbst zu vergessen und stattdessen Sinnesfreuden nachzujagen, bedeutet, den Atman (das höhere Selbst) zu töten. Sogar wenn man irgendwie diese seltene Geburt als Mensch bekommen hat, mit einer angeborenen Tendenz zu Nivritti (Umkehr; ohne Gedanken an Äußeres) und man dann nicht nach Befreiung strebt, ist man ein Mörder Atmans. Man ist dann kein Atmavan sondern ein Atmaha.
Entsagung
Der Atman kann nur durch Entsagung verwirklicht werden. Du bist in Millionen Leben Sinnesfreuden nachgegangen. Du hast die Sinnesfreuden auch in diesem Leben schon so viele Jahre genossen. Wenn du davon immer noch keine Zufriedenheit bekommen hast, wann wird sie dann je kommen? Laufe nicht der Illusion der Sinnesobjekte hinterher. Die Sinne täuschen dich. Entwickle Leidenschaftslosigkeit und Entsagung. Verwirkliche den Atman. Dann wirst du immerwährende Zufriedenheit erlangen, ewigen Frieden und nie endende Glückseligkeit. Wache aus deinem Schlaf der Unwissenheit auf, oh weltlicher Dummkopf!
Angenommen, deine Kleidung stünde in Flammen. Wie eilig würdest du dann wohl zum Wasser laufen, um dich zu kühlen? Genauso musst du dich aufgrund des brennenden Feuers des Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) fühlen. Du solltest spüren, wie du im Feuer des Samsara geröstet wirst. Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) und Mumukshutwa (starker Wille zur Befreiung) sollten in dir aufsteigen. Du solltest zum Guru eilen, damit er dich retten kann. Der Genuss von Sinnesobjekten stärkt Vasanas und Trishnas (Sehnsüchte) und verstärkt die Unruhe des Geistes. Genuss führt zu keiner Befriedigung der Begierden. Darüber hinaus zieht Trishna Energie ab und schwächt die Sinne.
Die Ereignisse von fünfzig Jahren laufen im Traum innerhalb einer Stunde ab. Du fühlst tatsächlich, dass fünfzig Jahre vergangen sind. Was ist wirklich – die eine Stunde des schlafenden Bewusstseins oder die fünfzig erlebten Stunden des träumenden Bewusstseins? Beide sind wirklich. Der Wachzustand und der Traumzustand sind von gleicher Natur und Qualität. Sie sind identisch (Samana). Unterscheiden tun sie sich darin, dass der Wachzustand ein langer Traum (Dirghasvapna) ist. Wenn du das Höchste, Absolute, Parabrahman, verwirklichst, wirst du erkennen, dass dieses Leben auf der Erde nur ein abstruser Traum des Geistes ist.
Upasana
Praktiziere Upasana (wörtlich: „nahe sitzen; Verehrung oder Meditation über Gott), um den Geist zu konzentrieren. Es gibt verschiedene Arten von Upasana:
- 1. Pratika Upasana
- 2. Pratima Upasana (Verehrung eines Götterbildes)
- 3. Panchakopasana (Verehrung der fünf Gottheiten: Ganesha, Shiva, Vishnu, Durga und Surya)
- 4. Verehrung von Avataren wie Rama oder Krishna
- 5. Ahamgraha Upasana.
Ahamgraha Upasana ist Nirguna Upasana (abstrakte Meditation auf Gott ohne Form). Der Aspirant meditiert über sein Selbst als Brahman. Er identifiziert sein individuelles Selbst mit dem höchsten Selbst, das heißt mit Brahman. Er versucht, das innerhalb der fünf Hüllen versteckte wahre Selbst hervorzubringen. Daher der Name „Ahamgraha“ (Selbstidentifikation) Upasana.
„Nahrung ist Brahman.” „Akasha (Äther, Raum) ist Brahman.” „Surya (Sonne) ist Brahman.” „Der Geist ist Brahman.” „Prana ist Brahman” - sind Upasana-Vakyas (Meditationsanleitungen) aus den Upanishaden (metaphysischer philosophischer Teil der Veden). Sie sind alle Pratika Upasanas. Pratika ist ein Symbol Brahmans. All dies sind Symbole Brahmans. Du kannst Brahman durch Verehrung dieser Pratikas verwirklichen. Dun musst fühlen, dass Brahman in diesen Pratikas verborgen ist. Du musst darüber nachdenken, dass Adhishthana, das Substrat, die Grundlage dieser Pratikas, Brahman selbst ist. Dies sind einige der bekannten Wege von Brahman Upasana (Meditation auf Brahman).
Beherrschung der Sinne
Um sich auf Brahman zu konzentrieren, müssen die Sinne völlig kontrolliert sein. Augen und Ohren sind genauso unruhig und schädlich wie die Zunge. Die Augen möchten immer neue Formen sehen, neue Szenen, neue Bilder und neue Orte, von denen der Geist während eines Gesprächs erfahren hat. Angenommen, du bist noch nie in Paris gewesen und hörst nun von denen, die bereits dort gewesen sind: „Paris ist ein schöner Ort. Der Anblick der Gebäude und Parks ist wundervoll“, dann werden dich die Augen mit Unterstützung des Geistes wieder und wieder antreiben, bis du schließlich nach Paris gehst. Augen und Ohren sollten stattdessen aufhören, etwas zu wollen.
Zunge und Geschlechtsorgane bereiten von allen Sinnen am meisten Probleme. Wer in Genüssen der Zunge und der Geschlechtsorgane schwelgt, ist für das Praktizieren von vedantischem Sadhana nicht geeignet. Die vier Mittel des Sadhana sollten gut geübt werden. Nur ein Meister dieser vier Mittel kann dann die Praxis des vedantischen Sadhana aufnehmen.
Der Geist und seine Funktionen
Guru und Schüler
Ein Aspirant vergangener Zeiten hielt ein Bündel Stöck (Samit) in der Hand, wenn er zum Guru ging, um spirituelle Unterweisung zu erhalten. Wofür steht das? Er bat seinen Lehrer: „Oh anbetungswürdiger Guru! Lass mein Bündel Sünden und weltlicher Begierden durch deine Gnade im Feuer der Weisheit verbrennen. Lass das Göttliche Licht in mir wachsen. Gewähre mir die höchste Erleuchtung. Lass mich den inneren aus sich selbst strahlenden Atman verwirklichen. Lass meine Sinne, meinen Geist, mein Prana und meinen Egoismus Opfergaben für das Feuer der Weisheit sein. Lass mich als Licht der Lichter scheinen!“.
Es ist die Gnade des Gurus, die den Schleier der Unwissenheit vom Schüler entfernt. Seine Gnade tritt in das Herz des Schülers ein und stärkt in ihm das Brahmakara-Vritti (Gedanke an Brahman). Der höchst erhabene Brahmanishtha Guru (der das Absolute verwirklicht hat), für den es keine Welt gibt, kommt aus seinem erhabenen Zustand herab, um den Schüler zu unterweisen.
Ethik im Vedanta
Wenn du Vedanta oder Jnana Yoga praktizieren möchtest, solltest du immer fröhlich sein und lächeln. Bedrückte und freudlose Menschen mit einem Rizinusölgesicht können kein Adhikari (eine für Vedanta bereite Seele) werden. So jemand sollte stattdessen in einer Zelle eingeschlossen werden, weil er für Andere eine Quelle der Infektion und Verunreinigung ist. Meide den Umgang mit solchen negativen Menschen. Nur Menschen mit Viveka (Unterscheidungskraft) sind für Vedanta Sadhana geeignet. Und jemand mit Viveka ist immer friedlich und fröhlich.
Die Natur Brahmans
Brahman ist absolutes Sein und hat die Natur von Wissen und Glückseligkeit.
Die Welt selbst erstrahlt als Brahman, wenn der Schleier der Unwissenheit durch das Wissen um das unzerstörbare Absolute ersetzt ist. Siehe Brahman in deinem Guru, in der Welt und in einfach Allem.
In Wirklichkeit gibt es keine Schöpfung. Die Welt ist eine Erscheinungsform von Brahman. Durch Adhyaropa (Überlagerung, Überstülpung) ist die Welt Brahman überlagert. Durch Apavada-Yukti wird diese Überlagerung aufgehoben und alles wird als das absolute Brahman erkannt.
Der Zug bewegt sich, aber du bewegst dich nicht. Das Boot bewegt sich, aber du nicht. Genauso bewegt sich der Körper, aber der Bewohner des Körpers, der stille Zeuge, der mit dem absoluten Brahman beziehungsweise Atman identisch ist, bewegt sich niemals.
Der Begriff „Atman” bezieht sich auf die individuelle Seele. „Brahman“ meint die gemeinsame Seele aller Wesen und Objekte im Universum.
Brahman ist Glückseligkeit
Der König kehrt nachts von einer langen Reise zu seinem Palast zurück. Er ist völlig erschöpft und möchte sofort schlafen gehen. Er möchte nicht einmal mehr mit seiner Frau, der Königin, reden, denn all dies bereitet ihm in diesem Moment keine Freude. Er möchte nur die Glückseligkeit des Schlafes genießen. Aber woher kommt dieses Glück während des Schlafes, wo doch alle Dinge, die Freude geben könnten, im Schlaf abwesend sind? Der König (beziehungsweise Jiva) ist im Tiefschlaf in Kontakt mit der fortwährend glückseligen höchsten Seele und erholt und stärkt sich an ihr. Brahman ist die Quelle allen Friedens und aller Glückseligkeit.
Video - Vedanta Meditation - Bodyscan Achtsamkeitsmeditation
Meditationsanleitung zur Bodyscan Achtsamkeitsmeditation. Keine langen Erläuterungen – es geht gleich los. Setze dich also schon mal gleich zur Meditation hin. Egal ob kreuzbeinig, kniend oder auf einem Stuhl. Du kannst in tiefe Meditation kommen. Du gehst durch deinen Körper (Bodyscan), beobachtest alles, reagierst auf nichts. Mit dieser Bodyscan Achtsamkeitsmeditation erfährst du: Ich bin nicht der Körper, ich bin der Beobachter. Die Bodyscan Achtsamkeitsmeditation führt zu einer tiefen inneren Einsicht, hilft zur Erkenntnis zu kommen: Wer bin ich? Die Bodyscan Achtsamkeitsmeditation hat sich aber auch bei der Behandlung von chronischen Schmerzen als hilfreich erwiesen und führt zu einer tiefen [1].
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- James Swartz: Die Wirklichkeit verstehen
- James Swartz: Yoga der Liebe
- Sri Shankaracharya: Das Kronjuwel der Unterscheidung
- Sri Shankaracharya: Atma Bodha und Aparoksha Anubhuti auch als eBook
- Sri Sankaracharya: Das Herz des Vedanta
- Swami Vivekananda: Vedanta - Der Ozean der Weisheit
- Eknath Easwaran: Die Upanishaden
Seminare
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