Sanskrit Kurs Lektion 60: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. Januar 2018, 17:55 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Der Partizip Präsens Passiv (3)

In Lektion 58 und 59 haben wir die Bildung und Verwendung des Partizip Präsens Passiv betrachtet. Der folgende Beispielvers enthält ein solches Partizip.

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 59. Vers steht im Kontext der Absorption (Laya) des Geistes (Manas) in das Selbst.


कर्पूरमनले यद्वत्सैन्धवं सलिले यथा |
तथा सन्धीयमानं च मनस्तत्त्वे विलीयते || ४.५९ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
karpūram anale yadvat saindhavaṃ salile yathā |
tathā sandhīyamānaṃ ca manas tattve vilīyate || 4.59 ||


  • vereinfachte Transkription:
karpuram anale yadvat saindhavam salile yatha |
tatha sandhiyamanam cha manas tattve viliyate || 4.59 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
karpūram : Kampfer (Karpura, Nom. Sg. n.)
anale : im Feuer (Anala, Lok. Sg. m.)
yad-vat : so wie (Yadvat, adv.)
saindhavam : Steinsalz (Saindhava, Nom. Sg. n.)
salile : im Wasser (Salila, Lok. Sg. n.)
yathā : wie (Yatha, adv.)
tathā : genau so (Tatha, adv.)
sandhīyamānam : wenn er in Kontakt kommt ("verbunden werdend", sam + dhā, Nom. Sg. n.)
ca : auch (Cha, Partikel)
manas : der Geist (Manas, Nom. Sg. n.)
tattve : in der (höchsten) Realität (Tattva, Lok. Sg. n.)
vilīyate : verschwindet, löst sich auf (vi + , Verb)


  • Übersetzung:
So wie Kampfer sich im Feuer auflöst, so wie Steinsalz sich im Wasser auflöst,
genau so verschwindet auch der Geist in der höchsten Realität - dem Selbst - wenn er damit in Kontakt kommt (bzw. sich darauf konzentriert).


Erläuterungen

  • Der Nominativ (Prathama) karpūram ist das zweite logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung vilīyate.
  • Der Lokativ (Saptami) anale bezeichnet den Ort der Handlung (Adhikarana) in Bezug auf karpūram.
  • Das Adverb yadvat steht im Sinne eines Vergleichs und leitet einen Nebensatz ein.
  • Der Nominativ saindhavam ist das dritte logische Subjekt der Verbalhandlung vilīyate.
  • Der Lokativ salile bezeichnet den Ort der Handlung in Bezug auf saindhavam.
  • Das Adverb yathā steht gleichfalls im Sinne eines Vergleichs und leitet einen weiteren Nebensatz ein.
  • Das Adverb tathā "genau so", das den Hauptsatz einleitet, nimmt syntaktisch auf yadvat und yathā "so wie" Bezug.
  • Das Partizip Präsens Passiv sandhīyamānam "in Kontakt gebracht werdend" bezieht sich gleich auf drei sächliche Nominative: in den beiden Nebensätzen auf karpūram und saindhavam sowie auf manas im Hauptsatz - es steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Neutrum. Dieses Partizip ist von der Verbalwurzel dhā "setzen, stellen, legen" (3. bzw. Hu Klasse) abgeleitet, die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) sam "verbinden, in Kontakt kommen, konzentrieren" bedeutet.
  • Der Nominativ manas ist das erste logische Subjekt der Verbalhandlung vilīyate.
  • Der Lokativ tattve bezeichnet den Ort der Handlung in Bezug auf manas.
  • Die Verbform vilīyate ist die 3. Person Singular Indikativ (Präsens Medium bzw. Atmanepada) der Verbalwurzel "sich anschmiegen, verschwinden" (4. bzw. Div Klasse), die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) vi "schmelzen, sich auflösen" bedeutet. Diese Verbform bezieht sich sowohl auf den Nominativ manas im Hauptsatz (Pada 3 und 4) als auch auf die beiden Nominative karpūram (Pada 1) und saindhavam (Pada 2) in den Nebensätzen.
  • Sandhi: Die Endung m von saindhavam und sandhīyamānam geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara () über, welcher vereinfachend wie m ausgesprochen werden kann. In der traditionellen Rezitationsweise wird Anusvara jedoch als Klassennasal des Folgekonsonanten (im zweiten Fall somit als ñ vor palatalem c) ausgesprochen: sandhīyamānañ ca.


Metrische Analyse des 3. und 4. Pada

Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal, oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:


Silbe 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8
Devanagari था न्धी मा नं स्त त्त्वे वि ली ते
Transliteration ta thā sa ndhī ya naṃ ca ma na sta ttve vi ya te
Silbenlänge kurz lang lang* lang kurz lang lang lang** kurz lang* lang* lang kurz lang kurz lang
Symbol υ υ υ υ υ


Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten. Die Positionslänge der 3. Silbe (Pada 3) sowie der Silbe 2. und 3. (Pada 4) ergibt sich durch die Aufteilung in san-dhī und nas-tat-tve.

**Unabhängig von ihrer eigentlichen Kürze oder Länge gilt die 8. bzw. letzte Silbe eines Versviertels stets als lang, da ihr eine Pause folgt.


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