Gepflogenheit
Gepflogenheit ist das Übliche, das was man regelmäßig macht. Eine Gepflogenheit wird zu einer ungeschriebenen Regel, an die sich alle halten – eben weil man es "immer schon so gemacht hat". Sich an Gepflogenheiten zu halten, hilft dem zwischenmenschlichen Zusammenleben.
Manchmal muss man aber die Gepflogenheiten in Frage stellen – denn nicht jede Gepflogenheit ist auch hilfreich. Wenn man in eine neue Situation kommt, ist es hilfreich, sich erst mit den Gepflogenheiten vertraut zu machen – um dann zu schauen, an welche man sich halten will. Manchmal braucht es frischen Wind von außen, weil allzu viele Gepflogenheiten zu Scheuklappen geworden sind.
Gepflogenheit - eine Tugend. Was versteht man unter Gepflogenheit? In welchem Kontext gebraucht man dieses Wort? Wozu ist Gepflogenheit gut, wozu nicht? Was sind Synonyme, was Antonyme, also ähnliche und entgegengesetzte Begriffe, von Gepflogenheit? Umfangreicher Artikel mit Vortragsvideo und Tipps.
Gepflogenheit als hilfreiche Tugend
Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Gepflogenheit, vielleicht steckt dort der Ausdruck "pflügen" dahinter. Wenn ein Weg z.B. gepflügt ist, dann geht es in eine bestimmte Richtung. Im Yoga kennen wir auch den Ausdruck "Samskara", das heißt, man tut etwas, was üblich ist. Gepflogenheiten, man kann sagen, sind auch Gewohnheiten, wobei Gepflogenheiten nicht nur individuelle Gewohnheiten sind, sondern Gepflogenheiten sind kollektive Gewohnheiten, also, eine ganze Gruppe von Menschen macht es so. Man kann sagen, Gepflogenheiten zu haben, ist wie ein Algorithmus, damit der Geist nicht ständig neu überlegen muss, "was soll ich denn tun" und damit man nicht ständig neu verhandeln muss, was sollte man tun.
Wenn man z.B. sagt, es gibt die Gepflogenheit, man fängt morgens um 09:00 Uhr mit der Arbeit an, gut, dann braucht man nicht jeden Morgen überlegen, "wann stehe ich auf", man muss nicht jeden Morgen ausmachen mit den anderen, "wann kommst du", sondern man weiß, ja, man kommt halt dann und dann. Oder man hat regelmäßige Gespräche, Besprechungen, dann hat man auch dort eine gewisse Gepflogenheit.
Oder auch, es gibt Gepflogenheiten, was man vielleicht als anständig oder als unanständig bezeichnet. In manchen Ländern ist es wichtig, dass man langärmlig gekleidet ist, in anderen gibt es Mode für Frauen und für Männer usw. Irgendwo, wo man sagt, "ja, das sind so Gepflogenheiten, das ist für alle irgendwo ok" und da muss man sich nicht ständig Gedanken machen: "Verletze ich die Gefühle von anderen Menschen, schafft es Unruhe? Usw."
Und das ist gerade auch wichtig, wenn man in eine andere Kultur kommt, da gibt es andere Gepflogenheiten. Z.B. angenommen, du kommst in einen indischen Ashram, da wirst du feststellen, da sitzen typischerweise die Männer auf einer Seite, die Frauen sitzen auf einer anderen Seite. Da kannst du dich darüber ärgern und du kannst furchtbar darüber schimpfen und so alle im Ashram nerven oder du sagst: "Das ist dort halt Gepflogenheit."
Oder als Frau in Indien solltest du ein langärmliges Hemd haben, du solltest nicht im T-Shirt rumlaufen, für Inder ist ein T-Shirt, wenn es Frauen anziehen, wie eine Art Unterhemd. Das wäre so ähnlich, wie wenn man eben in Deutschland in Unterhose rumlaufen würde, das macht man auch nicht, ist die Gepflogenheit. Umgekehrt, früher war die indische Kleidung, das sah im Westen wie ein Schlafanzug aus und dann konnte man im Westen nicht mit der indischen Kleidung rumlaufen, weshalb die Inder sich angewöhnt haben, im westlichen Kontext eben westliche Kleidung zu tragen. Und sogar ist es so weit gegangen, dass heute die meisten Inder, die Geschäftsleute sind, auch in Indien andere Kleidung tragen. Also, es gibt bestimmte Gepflogenheit.
Genauso auch, in Indien sollten Frauen nicht einen zu großen Ausschnitt haben und kurze Hose oder kurze Rücke, das ist ein absolutes No-Go. Da kann man sich darüber ärgern, aber muss man auch nicht. Es gilt, solche Gepflogenheiten zu beachten. Ebenso, wenn man in einen südindischen Tempel als Mann geht, dann sollte man das Oberteil ausziehen, in jedem Fall sollte man die Schuhe ausziehen, das gilt dann für Männer und Frauen.
Wenn man in eine Synagoge geht, sollte man den Kopf bedeckt haben. In einer christlichen Kirche sollte man den Kopf unbedeckt halten. Das sind Gepflogenheiten. Indem man sich an sie hält, vermeidet man überflüssige Konflikte. Natürlich, man kann auch sagen, es gibt bestimmte Gepflogenheiten, die sind nicht gut. Und insbesondere wenn es Gepflogenheiten sind, wo man sagt, das widerspricht der Ethik, dann kann man auch schauen: "Kann ich da etwas tun, um sie zu ändern." Da musst du auch überlegen: "Rentiert sich das und wie kann ich das machen?" Einfach nur laut loszuschimpfen, nutzt selten etwas. Da musst du schauen: "Die Gepflogenheiten, wer könnte das ändern, wie könnten sie geändert werden, wen bräuchtest du, der das mit ändern kann? Wie geht man dort geschickt um? Welche Verbündete brauchst du? Usw."
Also, auch Gepflogenheiten können geändert werden, aber da muss man auch schauen: "Rentiert sich der Aufwand?" Denn erinnere dich, Gepflogenheiten sind eine Weise, wie man Energieaufwand reduzieren kann. Du kannst dich selbst daran halten, du musst weniger mit anderen ausmachen und es braucht nicht immer wieder Streitigkeiten, sondern Gepflogenheiten helfen, dass man harmonischer miteinander zurechtkommt.
Und die Gepflogenheiten zu kennen, jetzt nicht nur in Indien, sondern auch wenn du in einer neuen Firma bist, wenn du in einem Verein Mitglied wirst, wenn du in eine Initiative hineingehst, wenn du in einen anderen gesellschaftlichen Kontext gehst, wenn du in ein Museum, ein Theater gehst, die Gepflogenheiten zu kennen, vermeidet überflüssige Konflikte. Und so schwierig, die herauszukriegen, ist ja heute nicht, du kannst ja auch einfach jemanden fragen, indem du sagst: "Ich bin heute zum ersten Mal da, was gäbe es denn zu beachten, welche Gepflogenheiten gelten dort?" Du wirst jemanden finden, der dir das gerne erklärt. Oder ansonsten gibt es natürlich auch das Internet.
Auch bei uns, bei Yoga Vidya Bad Meinberg, haben wir Gepflogenheiten, z.B. gibt es Nachtruhe ab 22:45 Uhr, wir haben morgens vor der Meditation Schweigen, also bis 07:30 Uhr wird nicht gesprochen. Wir haben Gepflogenheiten, dass in den Gebäuden nicht geraucht werden darf, es darf kein Alkohol und kein Fleisch in den Ashram mit reingebracht werden. Selbst auf dem Ashram-Gelände sollte man nicht rauchen, außer auf ausgewiesenen Gebieten, wir haben ein paar Quadratmeter, wo die Raucher auch hingehen können. Und in ein paar Metern ist man ja auch außerhalb des Ashram-Geländes, wo jeder machen kann, mehr oder weniger, was er will als einfacher Gast oder Seminarteilnehmer. Ansonsten gibt es bestimmte Gepflogenheiten.
Und es gibt natürlich noch mehr Gepflogenheiten, dazu haben wir dann eben auch eine Hausordnung und dort stehen die wichtigen drin. Natürlich, Gepflogenheiten sind oft nicht nur verschriftlicht, aber in der heutigen Zeit ist es oft so, dass Gepflogenheiten mit ein bisschen Einfühlungsvermögen und Nachfragen man gut finden kann. Und ab und zu mal, gerade wenn man eine Weile schon in einer Gruppe drin ist, kann man auch mal die Gepflogenheiten in Frage stellen und manchmal kann man ja neue Gewohnheiten, neue Gepflogenheiten entwickeln.
Gepflogenheit - Antonyme und Synonyme
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und Persönlichkeitsmerkmale beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Gepflogenheit in Beziehung zu anderen Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Gepflogenheit - Synonyme
Ähnliche Eigenschaften wie Gepflogenheit, also Synonyme zu Gepflogenheit sind z.B. Gewohnheit, Tradition, Brauch, Weise, Usus, Regel,.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Gepflogenheit übertrieben kann ausarten z.B. in Trott, Tretmühle, alte Leier. Daher braucht Gepflogenheit als Gegenpol die Kultivierung von Spontanität, aus dem Augenblick heraus, Dynamik, Veränderung.
Gegenteil von Gepflogenheit - Antonyme
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Gepflogenheit, Antonyme zu Gepflogenheit :
- Positive Gegenteile von Gepflogenheit, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Spontanität, aus dem Augenblick heraus, Dynamik, Veränderung
- Negative Gegenteile von Gepflogenheit, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Unregelmäßigkeit, Zerstreutheit, Durcheinander
Gepflogenheit Antonyme
Antonyme Gepflogenheit, also Gegenteile, sind Spontanität, aus dem Augenblick heraus, Dynamik, Veränderung, Unregelmäßigkeit, Zerstreutheit, Durcheinander.
Gepflogenheit als Teil von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Gepflogenheit gehört zur Tugendgruppe 4 Zuverlässigkeit, Ordentlichkeit, Ehrlichkeit. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Zuverlässigkeit, Verantwortung und Ehrlichkeit
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Gepflogenheit zum Persönlichkeitsfaktor C1 Gewissenhaftigkeit hoch: effektiv, organisiert, verlässlich
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Gepflogenheit zur Grundverhaltenstendenz G - Gewissenhaftigkeit
- Im Ayurveda zählt man Gepflogenheit zum Kapha Temperament bzw. Dosha.
Bewusste Stärkung der Fähigkeit Gepflogenheit
Gepflogenheit ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das man stärken kann, sofern man es will. Vielleicht willst du ja Gepflogenheit entwickeln als eine wichtige Eigenschaft in dir. Hierzu einige Tipps:
- Nimm dir vor, eine Woche lang diese Eigenschaft der Gepflogenheit zu kultivieren. Vielleicht kannst du nicht alle guten Eigenschaften auf einmal kultivieren. Aber es ist möglich, innerhalb einer Woche oder innerhalb eines Monats eine Tugend, eine Eigenschaft, stark werden zu lassen.
- Triff den Entschluss: "Während der nächsten Woche will ich die Tugend, die Eigenschaft, Gepflogenheit wachsen lassen, stärker werden lassen. Ich freue mich darauf, in einer Woche ein gepflogenerer Mensch zu sein."
- Mache jeden Tag wirklich etwas, was du sonst nicht tun würdest und das Gepflogenheit ausdrückt. Tue jeden Tag etwas, was du sonst nicht tun würdest, was aber diese Tugend zum Ausdruck bringt.
- Wenn du morgens aufwachst, dann sage eine Affirmation, z.B.: Ich entwickle Gepflogenheit.
- Am Tag wiederhole immer wieder eine Autosuggestion, Affirmation wie z.B.: Ich bin gepflogen.
Affirmationen zum Thema Gepflogenheit
Hier einige Affirmationen für mehr Gepflogenheit. Unter dem Stichwort "Affirmation" und "Wunderaffirmationen" erfährst du mehr zu Funktion und Wirkungsweise von Affirmationen. Nicht alle unten aufgeführten Affirmationen passen - nutze diejenigen, die für dich stimmig erscheinen.
Klassische Autosuggestion für Gepflogenheit Hier die klassische Autosuggestion:
- Ich bin gepflogen.
Im Yoga verbindet man das gerne mit einem Mantra. Denn ein Mantra lässt die Affirmation stärker werden:
- Ich bin gepflogen. Om Om Om.
- Ich bin ein Gepflogenheiten Beachtender, eine Gepflogenheiten Beachtende OM.
Entwicklungsbezogene Affirmation für Gepflogenheit Manche Menschen fühlen sich als Scheinheiliger oder als Heuchler, wenn sie sagen "Ich bin gepflogen " - und sie sind es gar nicht. Dann hilft eine entwicklungsbezogene Affirmation:
- Ich entwickle Gepflogenheit.
- Ich werde gepflogen.
- Jeden Tag werde ich gepflogener.
- Durch die Gnade Gottes entwickle ich jeden Tag mehr Gepflogenheit.
Dankesaffirmation für Gepflogenheit :
- Ich danke dafür, dass ich jeden Tag gepflogener werde.
Wunderaffirmationen Gepflogenheit Du kannst es auch mit folgenden Affirmationen probieren:
- Bis jetzt bin ich noch nicht sehr gepflogen. Und das ist auch ganz verständlich, ich habe gute Gründe dafür. Aber schon bald werde ich Gepflogenheit entwickeln. Jeden Tag wird diese Tugend in mir stärker werden.
- Ich freue mich darauf, bald sehr gepflogen zu sein.
- Ich bin jemand, der gepflogen ist.
Gebet für Gepflogenheit
Auch ein Gebet ist ein machtvolles Mittel, um eine Tugend zu kultivieren. Hier ein paar Möglichkeiten für Gebete für mehr Gepflogenheit:
- Lieber Gott, bitte gib mir mehr Gepflogenheit.
- Oh Gott, ich verehre dich. Ich bitte dich darum, dass ich ein gepflogener Mensch werde.
- Liebe Göttliche Mutter, ich danke dir. Ich danke dir dafür, dass ich jeden Tag die Tugend Gepflogenheit mehr und mehr zum Ausdruck bringe.
Frage dich: Was müsste ich tun, um Gepflogenheit zu entwickeln?
Du kannst dich auch fragen:
- Was müsste ich tun, um Gepflogenheit zu entwickeln?
- Wie könnte ich gepflogen werden?
- Lieber Gott, bitte zeige mir den Weg zu mehr Gepflogenheit.
- Angenommen, ich will gepflogen sein, wie würde ich das tun?
- Angenommen, ich wäre gepflogen, wie würde sich das bemerkbar machen?
- Angenommen, ein Wunder würde geschehen, und ich hätte morgen Gepflogenheit kultiviert, was hätte sich geändert? Wie würde ich fühlen? Wie würde ich denken? Wie würde ich handeln? Als gepflogener Mensch, wie würde ich reagieren, mit anderen kommunizieren?
Siehe auch
Eigenschaften im Alphabet vor Gepflogenheit
Eigenschaften im Alphabet nach Gepflogenheit
Literatur
- Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis
- Swami Sivananda: Inspirierende Geschichten
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda: Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Licht, Kraft und Weisheit
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Die Wissenschaft des Pranayama
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Göttliches Elixier
- Swami Sivananda: Götter und Göttinnen im Hinduismus
Weblinks
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