Alvar
Alvar (Tamil: ālvār) ist die Bezeichnung mystischer Dichter aus Südindien, die vom 6. bis zum 9. Jahrhundert ihre Liebe zu Vishnu, Krishna und Rama in der tamilischen Sprache besangen und poetische Hymnen verfassten.
Die Anzahl der Alvars wird mit 12 angegeben, von denen rund 4000 Lieder überliefert sind. Die Alvars kamen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten und zählten auch eine Frau namens Andal zu ihren Reihen. Sie werden noch heute verehrt und in südindischen Tempeln finden sich Bilder von ihnen.
Alvars, Gottesverehrer, Mystiker und große Dichter
Die Alvars waren gefühlsvolle Mystiker und vishnuitische Bahkti Yogis, die nicht nur eine tiefe Liebe zu Gott empfanden, sondern sie spürten auch, dass das Göttliche ebenfalls dasselbe Sehnen nach der Wiedervereinigung verspürt, da doch alle Geschöpfe ein Teil seines Selbst sind. Ihr wichtigstes Mantra ist das Ashtaksharamantra: "Om, Verehrung dem Narayana!". Die Gottesliebe der Alvars ging manchmal so tief und war häufig derart exstatisch, dass manche von ihnen als "verrückt" empfunden wurden.
Nach der Geschichtsschreibung erreichten die Alvars ihre Blütezeit zwischen dem sechsten und neunten Jahrhundert nach Christus und ihre in Tamil verfassten Hymnen, als gesammeltes Gesamtwerk Nalayim Divya Prabandham (die viertausend Hymnen) genannt, nahmen einen herausragenden Platz in der frommen Andachtsliteratur Indiens ein.
Die 12 Alvars
- Poygai Alvar (7.Jh.) wurde als Findelkind beim Teich nahe eines Vishnutempels gefunden.
- Bhudattalvar (7.Jh.), von ihm ist nur wenig bekannt.
- Pey Alvar (7.Jh.), auch er wurde der Legenda nach in einem Teich aufgefunden.
- Tirumalishai (Anfang 8.Jh.) war ein Paria.
- Nammalvar (um 800) war ein Bauer und gilt als der größte Alvar.
- Madhurakavi war ein Schüler von Nammalvar.
- Kulashekara war ein König von Travancore in Kerala, der um Gott zu suchen auf den Thron verzichtete.
- Periyalvar (auch Vishnucitta) war ein Brahmane und vermochte mit seinen Liedern den König der Pandya bekehren.
- Andal Goda war die einzige Frau der Alvar und war die Adoptivtochter von Periyalvar.
- Tondaradippodi war ein Sünder der durch Vishnus Gnade die Erlösung erlangte.
- Tiruppan Alvar war ein Unberührbarer. Auf Vishnus Geheiß trug der höchsten Priester ihn in den Tempel.
- Tirumangai Alvar war ein Räuber, der durch seine Frau zur Religion fand und aus dem Raubgut einen Tempel errichtete.
Die ersten drei Alvars, Poygai Alvar, Bhudattalvar und Pey Alvar wurden in Kanchipuram, Mamallapuram (Mahabalipuram) und Mylapore (Chennai) geboren und reisten an viele verschiedene Orte um von der Herrlichkeit Vishnus zu singen. Einst trafen sie in Tamil Nadu aufeinander, wo sie Gottesverwirklichung erfuhren und daraufhin einhundert Verse verfassten, die jeweils als der erste, zweite und dritte Andhadhi bekannt wurden.
Tirumalishai Alvar stammte aus der Ortschaft Tirumalishai (bei Chennai). Er studierte den Buddhismus, Jainismus und Shaivismus und realisierte, dass Shiva das höchste Wesen darstellte. Daraufhin verfasste er Nanmukhan Tiruvandadi und Tirucchanda Viruttam.
Nammalvar ist der von den Vaishnavas am meisten verehrteste Alvars. Sein großartiges Werk Tiruvaymozhi wird als tamilischer Veda betrachtet. Nammalvar, auch bekannt als Sadagopa (Shatakopa) kam aus Tirukurugur (nahe Tirunelveli). Schon als Kind versank er in tiefste Meditation und Liebe zu Vishnu und zeigte kein Interesse am weltlichen Dasein.
Jeder Vaishnava Tempel der tamilischen Länder verfügt über eine Skulptur dieses großen Heiligen. Sein Zeitgenosse und Schüler war Madhurakavi Alvar, der in Tirukolur aufwuchs und von nichts anderem sang, als von seinem Meister Nammalvar.
Kulashekara Alvar, ein König aus Kerala, sehr versiert in Sanskrit und Tamil, war auch ein großer Verehrer Narayanas. In seinem späteren Leben übergab er sein Königreich an seinen Sohn und beschloss, sich voll und ganz dem Dienst an Gott zu widmen. Er pilgerte zum Ranganatha Swami Tempel in Srirangam und später nach Tirupati, Kanchipuram sowie zu anderen verehrten Vaishnava Zentren. Er verfasste das Perumal Tirumozhi und auch das berühmte Sanskrit-Werk Mukundamala wird ihm zugeschrieben.
Periyalvar (oder Vishnuchitta) kam aus Srivilliputtur der süd-indischen Tamil-Dynastie Pandiyan. Er studierte die heiligen Schriften und entschied sich, sein Leben allein der Hingabe und dem Dienst an Gott zu widmen. Als Erhalter eines Gartens pflegte er Girlanden aus Tulasi Blättern zu fertigen und täglich den Srivilliputtur Tempel zu schmücken. Obwohl äußerst gebildet, war er nie ordnungsgemäß von einem Lehrer unterrichtet worden. Jedoch erhielt er, mit Gottes Führung, Zugang zu den spirituellen Gesprächskreisen herausragender Gelehrter und Wissenschaftler.
Andal, die Pflegetochter Perialvars, ist berühmt als Verfasserin der unvergänglichen Werke Tiruppavai und Nachiyar Tirumozhi. Sie war eine große Anhängerin Krishnas und wollte sich mit niemand anderem vermählen als Vishnu.
Tondaradippodi Alvar war auch bekannt als Vipranarayana. Als äußerst gebildete Person war er Anhänger von Ranganatha aus Srirangam und verbrachte seine Zeit mit der Pflege eines Gartens in der Nähe des Tempels, aus dessen Blüten er Girlanden für die Gottheit darbrachte. Zu seinen Werken zählt die Tirupalliyezhuchi, welche in den meisten Vishnu Tempeln am frühen Morgen rezitiert wird, um die Gottheit aufzuwecken, ebenso Tirumalai, ein wunderbarer Reigen aus Versen.
Tiruppan Alvar war ein Heiliger, der sich als Barde dem Gesang und dem Spielen des Saiteninstrumentes Yazh verschrieben hatte. Tiruppan Alvar war völlig aufgegangen in Hingabe an Ranganatha aus Srirangam und verbrachte seine gesamte Zeit damit, sein Lob zu singen. Er wurde Eins mit dem Heiligen von Srirangam. Sein bekanntestes Werk ist die Amalanadapiran. Er ist auch bekannt als Munivahana und als Kavishwarar.
Einer der berühmtesten Alvars ist Tirumangai Alvar, auch bekannt als Parakalan. Er besuchte viele Vishnu-Schreine in allen Gebieten Indiens und sang unzählige Hymnen in Anbetung der Heiligen der dort ansässigen Tempel. Eine Sammlung dieser Hymnen findet man in der Periya Tirumozbi, durchdrungen von Bhakti und Hingabe. Genau wie Nammalvar war er ein Meister der Spiritualität und der Kunst hingebungsvoller Liebe.
Swami Sivananda über Alvars
Artikel aus dem Buch "Lives of Saints" der Divine Life Society
Einleitung
Wenn ein Verfall der Rechtschaffenheit sich abzeichnet, immer wenn Menschen unreligiös und unaufrichtig werden, wird ein großer Heiliger geboren, um die Menschen zu inspirieren und sie spirituell zu erheben. Die Alvars inkarnierten sich in Südindien, damit sie die Menschen von einer solchen Krise bewahrten. Alvars sind die Vaishnava Mystiker oder Heiligen im Süden Indiens. Sie sind ein besonderer Schatz Südindiens. Ihre Leben zeichnen sich aus, durch ihre kristallene Klarheit und tiefen Glauben in Gott, Gott Narayana.
Die Alvars entzündeten die Flamme des Bhakti erneut in Südindien. Mit ihnen begann die Wiederauferstehung des Bhakti Kultes der Bhagavata Schule. Das Erscheinen der Alvars gab eine neue Glut, einen neuen Glanz, einen neuen Elan, einen neuen Antrieb und neue Lebenskraft der Bhakti Bewegung. Die Alvars lebten beständig in Gott. Ihr Leben war ein ununterbrochener Strom aus Meditation und Verbindung zu Gott. Sie sangen beständig die Glorie des Gottes Hari. Die Namen von Narayana, Rama, Krishna, Acyuta, Govinda, und Madhava waren fortwährend auf ihren Lippen. Sie fühlten die Präsenz des Gottes überall. Sie waren gottbesessene Heilige. Ihr Zustand kann nicht mit Worten beschrieben werden. Ihr Glühen für Gott war unaussprechlich. Ihr Geist war auf die Lotusfüße des Herrn fixiert. Ihr Herz war der heiligste Tempel des Gottes Hari. Gott spielte, sprach und lebte ununterbrochen mit ihnen. Sie transformierten alle Menschen, die mit ihnen in Berührung kamen.
Die Alvars kamen aus allen Kasten. Vier von ihnen waren orthodoxe Brahmanen. Zwei waren von einer anderen Kasten und einer entstammte einer unterdrückten Kaste. Ein Alvar war eine Frau. Vier waren "Ayonijas", beispielsweise wurden sie nicht von einem Frauenschoß geboren. Ein Alvar war Kshatriya. Nichts ist bekannt über die ersten Alvars – Poygai Alvar, Bhudattalvar und Pey Alvar, außer ihr Geburtsort.
Die Vaishnava Heiligen sind 12 an der Zahl. Sie sind als Alvars bekannt, weil sie beständig vertieft waren in ihrer Gottesliebe. Die Vaishnava Schriften erklären, dass Gott Hari in Form der zwölf Alvars Srivatsa, Kaustubha, Vaijayanti, Vanamala, Sridevi, Bhudevi, Nila Devi, Ananta, Garuda, Sudarshana, Panchajanya und Saranga inkarnierte, um Bhakti zu verbreiten und die Menschen von den Fängen der Ignoranz zu befreien. Vaishnavismus ist ein sehr wichtiger und vitaler Zweig im Hinduismus. Er hat eine sehr wertvolle Geschichte. Er repräsentiert noch immer eine sehr bedeutsame Gefolgschaft in Indien. Er verbreitete sich und wuchs in seinem Einfluss in Südindien viele Generationen vor dem Shaivismus. Die am frühesten Geborenen unter den Alvars erblühten lange bevor die Pallava und die Chola Könige Ruhm und Macht errangen.
Die drei ehemaligen Alvars
Poygai Alvar, Bhudattalvar, Periyalvar und Tirumalishai Alvar wurden am Ende des Dvapara Yuga geboren. Die anderen acht Alvars wurden in der Kali Ära geboren. Man geht davon aus, sie lebten zwischen dem vierten und achten Jahrhundert n. Chr.. Die Gedichte und Hymnen der Alvar Heiligen sind allgemein bekannt als "Nalayira Divya Prabhandam", einem Buch mit viertausend Versen. Diese Hymnen wurden gesammelt von dem großen Gelehrten Nada Muni. Sie waren die Ergüsse aus den Herzen der Alvar Heiligen. Die Divya Prabhandam ist ein heiliger Schatz von göttlichen Wissen. Sie enthalten die Quintessenz der Veden, der Ithihasas und Puranas in einer sehr attraktiven Formen. Ein glühendes Feuer der Hingabe atmet in jedem Vers.
Die Divya Prabhandam beinhalten verschiedene Kommentare, welche Arayirapopadi genannt werden. Die Vaishnava Hymnen werden mit alten Melodien gesungen, genannt Kurunji, Takkesi, etc., die heute nicht mehr im Gebrauch sind, da sie über die Jahre verloren gingen. Man gebraucht heute moderne Camatic Tunes. Die Divya Prabhandam, genannt die Thiruvoymothi, die inspirierenden Worte von den heiligen Lippen der Alvars – werden von den Vaishnavas zu Hause und im Tempel im Chor gesungen.
Siehe auch
Literatur
- Lives of Saints by the Divine Life Society, Yoga-Vedanta Forest Academy Press, Himalayas, India, 2009
- Jan Gonda: Der jüngere Hinduismus. (Die Religionen der Menschheit Bd.12). Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag (1963)
Seminare
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