Avidya
Avidya (Sanskrit: अविद्या avidyā f.): Nichtwissen, Unwissenheit; der grundlegendste der fünf Kleshas (Ursachen des Leidens). Aus Unwissenheit hält der Mensch das Vergängliche, Unreine, Schmerzvolle und das Nicht–Selbst fälschlich für das Ewige, Reine, Gute und das Selbst. Er identifiziert sich mit dem Körper, ebenso wie mit der Persönlichkeit, den Talenten, Fähigkeiten und Neigungen: „So bin ich halt“. Er hält das Schmerzvolle für das Gute, Freudvolle. Alles Sinnliche ist letztlich nicht wirklich freudvoll, aber er denkt, dies oder jenes zu erreichen, müsste freudvoll sein.
Raja Yoga Sutras von Patanjali
अविद्या क्षेत्रमुत्तरेषां प्रसुप्ततनुविच्छिन्नोदाराणाम् ||2.4|| अनित्याशुचिदुःखानात्मसु नित्यशुचिसुखात्मख्यातिरविद्या ||2.5||
- avidyā kṣetram uttareṣāṃ prasupta-tanu-vicchinnodārāṇām ||2.4||
- anityāśuci-duḥkhānātmasu nitya-śuci-sukhātma-khyātir avidyā ||2.5||
Unwissenheit ist die Ursache (Quelle) von den oben erwähnten Leiden (kleśa), die ihr folgen, ob sie nun latent, schwach, unterdrückt, oder akut sind. Durch Unwissenheit hält man das Vergängliche, Unreine, Leidvolle, das Nicht-Selbst fälschlicherweise für das Ewige, Reine Freudvolle, das Selbst.
Fragen zu Avidya
Dialog zwischen Lehrer und Schüler, aus: Swami Sivananda [1]: Vedanta für Anfänger
Schüler: Was ist die Ursache der Projektion (Adhyasa)?
Guru: Unwissenheit (Avidya).
Schüler: Wem widerfährt diese Unwissenheit?
Guru: Brahman.
Schüler: Wie kann im reinen Brahman eine Unwissenheit herrschen?
Guru: Dies ist mit Worten nicht beschreibbar (Anirvacchaniya). Aus Sicht des Absoluten gibt es weder Jiva (individuelle Seele), noch Unwissenheit, noch die fünf Hüllen. Unwissenheit existiert nur für die individuelle Seele.
Schüler: Wie nennt man Avidya noch?
Guru: Anandamaya Kosha (Wonnehülle) oder Karana Sharira (Kausalkörper) der individuellen Seele.
Guru: Woraus besteht Avidya?
Guru: Sie besteht aus Vasanas (subtile Samen von Wünschen) und Samskaras (Eindrücke im Unterbewusstsein). Alle Eindrücke des Sanchita Karmas (angesammeltes Karma, Ursache und Wirkung vergangener Handlungen) deiner vorangegangenen Leben sitzen hier.
Copyright Divine Life Society
Maya und Avidya - Grundlagen des Jnana Yoga
Auszug aus dem Buch "Jnana Yoga" von Swami Sivananda, S. 12
So wie der Spiegel durch Staub matt wird, so wird Wissen durch Avidya matt. Deshalb sind alle Menschen der Täuschung verfallen. Sie haften an Vergänglichem und halten fälschlicherweise den Körper für den reinen Atman. Sie halten die illusorische Welt von Name und Form für real. Mulaprakriti ist die verborgene Urnatur des Universums, auch Mahasushupti genannt, der Zustand, in dem die Gunas sich noch im Gleichgewicht befinden. Werden die Gunas gestört, wird Mulaprakriti unterschiedlich benannt, so zum Beispiel Maya, Avidya, Tamas. Brahman ist ohne Anfang und ohne Ende. Maya ist ohne Anfang, doch sie hat ein Ende. Sie endet in dem Moment, in dem man das Wissen über das Selbst erlangt.
Sukadev über Avidya
Avidya ist das Gegenteil von Vidya. Vidya heißt Wissen, Weisheit. Wir nennen uns ja bei Vidya "Yoga Vidya", Wissen, Weisheit, Wissenschaft. Und Avidya ist dem entgegengesetzt. Avidya gilt als der ursprüngliche Grund für alle Probleme. Im Yoga Sutra finden wir die so genannten fünf Kleshas, leidverursachende Verhaftungen, beginnend mit Avidya, Unwissenheit. Der Mensch vergisst, wer er wirklich ist, das ist Avidya. Dann anschließend folgt Asmita.
Asmita heißt Identifikation. Dann folgt Raga und Dvesha, Mögen und Nicht-Mögen, schließlich Abhinivesha, Angst, Furcht. Alles beginnt mit Avidya. Patanjali definiert Avidya als Unwissenheit und er sagt: "Unwissenheit hält das Unwirkliche für das Wirkliche und das Wirkliche für das Unwirkliche, hält das Selbst für das Nicht-Selbst und das Nicht-Selbst für das Selbst, hält das Ewige für das Vergängliche und das Vergängliche für das Ewige, hält das Nicht-Freudevolle für freudvoll und das Freudevolle für nicht freudvoll." Das ist Avidya. Das sind die vier Formen von Avidya. Zunächst mal das Ewige und das Vergängliche. Alles in dieser Welt ist relativ und daher vergänglich.
Zu erwarten, dass etwas beständig ist, das ist Avidya. Außer das Selbst selbst, das Selbst ist beständig, aber viele Menschen vergessen das, sie vergessen die Essenz des Seins und daher suchen sie die Ewigkeit im Vergänglichen, das ist Avidya. Avidya hält das Nicht-Selbst für das Selbst und das Selbst für das Nicht-Selbst. Das Nicht-Selbst ist der Körper, das Nicht-Selbst ist die Psyche, das Nicht-Selbst sind die Emotionen, die Gedanken, die Gefühle usw. All das bist du nicht. Wenn du sagt, "Ich bin so und so", egal, ob du jetzt sagst, "ich bin glücklich, ich bin traurig, ich bin gekränkt, ich bin fröhlich, ich bin über alle Maßen freudig usw." Das sind alles psychische Zustände, das bist du nicht wirklich. Du hast eine Stimmung, die so und so ist, aber du bist das nicht.
Manche Menschen sagen: "Ich habe ein höheres Selbst. Ich will mein höheres Selbst wahrnehmen." Dann macht man sein eigentliches Selbst zum Objekt: "Ich bin halt begrenzt, aber ich will mein höheres Selbst wahrnehmen." Das heißt, aus Atman Anatman machen. In Wahrheit bist du reines Selbst und du nimmst alles andere wahr, du wirkst durch alles andere. So also Avidya – die Unwissenheit. Es gilt, die Unwissenheit zu überwinden, Vidya zu finden. Und Vidya sowohl mit praktischem Wissen, anschließend Abhyasa zu üben, zu praktizieren. Vidya - mit richtiger Erkenntnis. Schließlich gibt es Para Vidya, das höchste Wissen, das Wissen über deine wahre Natur, das Wissen, welches verbunden ist mit Atmasakshatkara, mit der höchsten Selbstverwirklichung, Gottverwirklichung. Daher, Avidya – Unwissenheit, gilt es, zu überwinden mit Vidya, insbesondere mit Para Vidya, dem höchsten Wissen.
Siehe auch
- Vidya
- Jnana Yoga
- Ajnana
- Vedanta
- Vedanta Schulen
- Guru
- Meister
- Wer bin ich
- Brahma Jnanavali Mala
- Erkenntnis
- Satchidananda
- Glückseligkeit
- Selbstverwirklichung
- Erfahrung
- Mumukshu
- Moksha
- Samadhi
- Swami Sivananda
- Shankara
- Ramana Maharshi
- Adyashanti
- Raja Yoga
- Karma Yoga
- Anandamaya Kosha
- Patanjali
- Atman
- Bandha
- Traditioneller Yoga
Literatur
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda, Götter und Göttinnen im Hinduismus (2008)
- Swami Sivananda, Inspirierende Geschichten (2005)
- Swami Sivananda, Japa Yoga (2003)
- Swami Sivananda, Göttliche Erkenntnis (2001)
- Swami Sivananda, Autobiographie von Swami Sivananda (1999)
- Swami Sivananda, Shrimad Bhagavad Gita. Erläuternder Text und Kommentar von Swami Sivananda (1998)
- Swami Sivananda, Gedanken zur Kontemplation (1996)
- Swami Sivananda, Hatha-Yoga. Der sichere Weg zu guter Gesundheit, langem Leben und Erweckung der höheren Kräfte (1964)
- Swami Sivananda, Sadhana – Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Feste und Fastentage im Hinduismus, Yoga Vidya Verlag
- Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von Heute
- Das Yoga-Lexikon von Wilfried Hunzermeyer, ISBN 978-3-931172-28-2, Edition Sawitri.
- Spirituelles Wörterbuch Sanskrit-Deutschvon Martin Mittwede, ISBN 978-3-932957-02-4, Sathya Sai Vereinigung e.V.
Weblinks
- Swami Sivananda
- Swami Sivananda Fotogalerie
- Artikel von Swami Sivananda
- Swami Sivanandas Integraler Yoga
- Der ganzheitliche Yoga in der Tradition von Swami Sivananda
- Die sechs Yoga-Wege
- Meditation & Yoga
- Einführung in Vedanta
- Swami Sivananda: Was ist Jnana Yoga?
- Swami Sivananda, Göttliche Erkenntnis: Vedanta
- Swami Sivananda, Sadhana: Vedanta Sadhana
- Internetseiten der Divine Life Society
- Internetseiten von Yoga Vidya
- Über Shankara
- Direkte Verwirklichung des Selbst
- Swami Sivananda, Göttliche Erkenntnis: Yoga und der Spirituelle Weg
- Kommentar von Sukadev Bretz zu den Raja Yoga Sutras von Patanjali.
- The veil of avidyaPosted by Teachings of Swami Sivananda
- Yoga Vedanta Wörterbuchvon Swami Sivananda. Sanskrit Index
- Mysterium und Kontrolle des Geistes' von Swami Sivananda, Kapitel 7.
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Avidya - Unwissenheit
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Jnana Yoga und Vedanta - Einführung
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Vedanta Tiefenentspannung: Wer bin ich?
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Swami Sivananda – Leben und Werk
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