Evaluation der Yoga Vidya Fitnessreihe: Unterschied zwischen den Versionen

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Bös & Brehm ergänzen die genannten Faktoren noch um den Aspekt der Entspannungsfähigkeit, die als „fünfte Perspektive“ im Modell der grundlegenden muskulären Aktivierung gilt und über welches in der [[Sportwissenschaft]] derzeit weitgehend Einigkeit herrscht (vgl. Bös & Brehm, 1999; nach z. B. Bös / Wydra & Karisch, 1992; Bouchard & Shepard, 1994; Israel. 1995; Wydra, 1996).
Bös & Brehm ergänzen die genannten Faktoren noch um den Aspekt der Entspannungsfähigkeit, die als „fünfte Perspektive“ im Modell der grundlegenden muskulären Aktivierung gilt und über welches in der [[Sportwissenschaft]] derzeit weitgehend Einigkeit herrscht (vgl. Bös & Brehm, 1999; nach z. B. Bös / Wydra & Karisch, 1992; Bouchard & Shepard, 1994; Israel. 1995; Wydra, 1996).
====2.4.2 Stärkung von psychosozialen Gesundheitsressourcen====
Unter psychosozialen Gesundheitsressourcen versteht man [[Kognition|kognitive]], soziale und [[Emotion|emotionale]] Ressourcen, die sowohl die Lebensqualität verbessern können, als auch zur [[Bewältigung]] von gesundheitlichen [[Belastung]]en dienen können. Abgezielt wird einerseits darauf, bei den Teilnehmern [[Wohlbefinden]] und Lebens[[zufriedenheit]] zu fördern. Andererseits soll ihnen aufgezeigt werden, mit [[Alltag]]sbelastungen besser umgehen zu können. Vermittelt werden soll ein positives [[Körper]]bild. Durch eine gezielte Vermittlung, bewusst oder unbewusst, soll das Handlungs- und Effektwissen gesteigert werden. Das heißt, Wirkungen und Möglichkeiten sportlicher Aktivität sollen den Teilnehmern bewusst werden.
====2.4.3 Verminderung von Risikofaktoren====
„[[Bewegungsmangel]]“ gilt als [[Risikofaktor]] für die [[Gesundheit]] und kann weitere Risikofaktoren, wie z. B. [[Bluthochdruck]], erhöhte Blutzuckerwerte, Störungen des [[Fettstoffwechsel]]s, [[Übergewicht]] und muskuläre Dysbalancen nach sich ziehen“ (Hartmann, Opper, Sudermann, 2005, S. 67). Dem gilt es entgegenzuwirken, bereits ab dem [[Kind]]esalter. Eine Hierarchie der Risikofaktoren wurde von Schaefer (1978) aufgestellt. Ihre kausalen Zusammenhänge werden in Abbildung 2-1 aufgezeigt. Zielstellung innerhalb präventiver Programme besteht in der [[Früherkennung]] dieser Risikofaktoren und der Verminderung dieser Verhaltensweisen. Das Salutogenese-Modell und das [[Sozialisation]]smodell hingegen stellen Gesundheit als Interaktion zwischen belastenden und entlastenden Faktoren dar (Hurrelmann, 2006, S.124-129). Man kann dabei von einem Wechselverhältnis von Risiko- und Schutzfaktoren sprechen.


==Siehe auch==
==Siehe auch==

Version vom 15. Februar 2014, 11:16 Uhr

Die Forschungsarbeit Evaluation der Yoga Vidya Fitnessreihe, vorgelegt im Dezember 2007 von Franz Wegener (Leitung), Robert Wudtke, Sebastian Klintzsch, Hendrik Bloch und Katharina Nehring, wurde im Rahmen des Studiums am Institut für Sportwissenschaft sowie der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften angefertigt. Betreuende Professorin der Arbeit war Prof. Dr. A. Hökelmann - ebenfalls von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

1 Einleitung

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit – dem Theorieteil – soll zunächst jene Zielgruppe herausgestellt werden, welche in unserer modernen Lebensweise in typischer Form immer häufiger wird: Sportabstinente Personen mittleren Alters mit Bewegungsmangel. Diese Bevölkerungsgruppe ist im Zuge des biologisch determinierten Alterungsprozesses durch einen zunehmenden Rückgang des koordinativen Potenzials gekennzeichnet, was ohne entsprechende gesundheitsbezogene Interventionen zu drastischen negativen Folgen bezüglich der Lebensqualität führt (vgl. Schaller, 2002, S. 163).

Die neue Yoga Vidya Fitnessreihe wurde entwickelt, um einen Beitrag zum Gesundheitsport im Handlungsfeld Bewegungsgewohnheiten (nach Leitfaden Prävention IKK-Bundesverband, 2006, S. 27-33) zu leisten. Diese soll sportabstinente Menschen mittleren Alters mobilisieren, um Bewegungsmangel entgegenzuwirken, das Herz-Kreislauf-System zu stärken und den Stütz- und Bewegungsapparat zu kräftigen. Darüber hinaus wird eine Verbesserung der allgemeinen Koordination angestrebt (vgl. Schilling, 1974) die eine Ökonomisierung von Bewegungen begünstigt. Ob die neue Fitnessreihe in den Gesundheitssport integriert werden kann, soll anhand der folgenden Untersuchung bewertet werden.

Anschließend wird der international anerkannte Gesundheitsbegriff der WHO und die Kernziele, die im Leitfaden der Spitzenverbände der Krankenkassen für den Bereich der Primärprävention (IKK-Bundesverband, 2006) festgelegt wurden, genauer dargelegt. Eines dieser Kernziele, die physischen Gesundheitsressourcen, welche heute weitgehend für alle bewegungsbezogenen Interventionen von besonderer Bedeutung sind, sollen dabei genauer beleuchtetet werden. Koordination, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer spielen diesbezüglich und im Kontext komplexer Dekonditionierungserscheinungen bei der besagten Zielgruppe eine wesentliche Rolle (vgl. z. B. Spring / Dvorak / Dvorak / Schneider / Tritschler & Villinger, 2005). Darauf aufbauend werden die Begriffe Bewegung und Sport und das Verständnis von Fitness als ein umfassender Begriff zur Beschreibung einer guten körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit näher beschrieben, und geklärt, in welcher Weise diese als ein Bestandteil der Gesundheit zur Gesundheitserhaltung und Gesundheitsförderung beitragen.

Vor diesem Hintergrund wird die neue Yoga Vidya Fitnessreihe vorgestellt und die mit ihr verbundenen Lernziele mit denen des Gesundheitssports verglichen. Dabei wird sowohl auf die allgemeinen als auch auf die speziellen physiologischen Wirkungen während der einzelnen Abschnitte der Kursintervention eingegangen.

Im nachstehenden Experimentalteil finden nach einer kurzen allgemeinen Einführung zu den motorischen Tests eine Darlegung sowie eine Begründung für die zur Yogaintervention herangezogenen Tests statt. Dabei wurde ein allgemeiner Koordinationstest für Erwachsene mittleren Alters (KGKT), sowie verschiedene Tests zur Bestimmung des allgemeinen gesundheitlichkonditionellen Zustands verwendet. Dazu zählt u. a. eine gute Beweglichkeitsfähigkeit der Lenden-Becken-Hüft-Region (vgl. Schlumberger, 2005, S. 408) sowie eine gut ausgeprägte Kraftfähigkeit, die zur Bewältigung von Alltagsanforderungen ebenso benötigt wird, wie zur Vorbeugung von Haltungsschwächen oder Haltungsschäden und natürlich auch zur Erreichung von sportlichen Leistungen und zur Realisierung des entsprechenden sportlichen Trainings (vgl. Hirtz, o. J., S. 1 – 10). Des Weiteren wurde noch die allgemeine aerobe Ausdauer, deren gesundheitlicher Wert von besonderer Bedeutung etwa hinsichtlich der Prävention von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems ist, getestet (vgl. u. a. Pfeifer, 2004; vgl. Jordan & Linse, 2002; vgl. Bös & Brehm, 1999).

2 Ziele der Studie

2.1 Begründung der Zielgruppe

Die Yoga Vidya Fitnessreihe versucht insbesondere Frauen und Männer mittleren Alters, das heißt zwischen 30 und 50 Jahren, anzusprechen. Es handelt sich hierbei um gesunde Versicherte mit Bewegungsmangel, Bewegungseinsteiger und –wiedereinsteiger, jeweils ohne behandlungsbedürftige Erkrankungen (IKK-Bundesverband, 2006, S.28). Nun stellt sich die Frage, warum diese Altersgruppe ausgewählt wurde? Schaller (2002) betont, dass der biologisch determinierte Alternsprozess für die

Entwicklung der Bewegungskoordination dramatische Folgen hat und macht auf den Rückgang des koordinativen Potenzials bereits zur Lebensmitte um das 30. Lebensjahr aufmerksam. Ohne Übung nimmt die koordinative Ausstattung relativ kontinuierlich ab, bis es schließlich ab dem 50. Lebensjahr zu einer deutlichen Rückbildung kommt. Die Folge ist, dass hierdurch die Lebensqualität älterer Menschen deutlich in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. S. 163). Nach Roth und Winter (1994) sind allerdings für die Bewertung der beobachtbaren Regelverläufe weitere Einflussfaktoren zu erwähnen. Dazu gehören einige Personfaktoren wie z. B. das biologische Alter, der Gesundheitszustand und das Geschlecht sowie ferner einige Umweltfaktoren, wie etwa eine anregende Umgebung und die Art der Bewegungsaufgaben (vgl. S. 198).

Im Alter werden uns Probleme bei der Bewegungskoordination kaum bewusst, da die Gewohnheit vorherrscht, „Alltagshandlungen“ wie Zähneputzen, Treppensteigen und Essen routinemäßig und stereotyp auszuführen. Irritationen treten erst dann auf, wenn abverlangt wird, gewohnte Bewegungen unter ungewohnten oder neuen Bedingungen auszuführen. Dies tritt nach Schaller & Wernz (2000) unter folgenden Umständen ein:

  • während des motorischen Lernprozesses
  • bei der Ausführung von Bewegungen unter ungewohnten oder neuen Bedingungen
  • nach längerer Passivität
  • infolge des biologischen Altersprozesses (vgl. S. 12).

Mit all diesen Faktoren ist der Mensch im Laufe seines Lebens fortlaufend bzw. irgendwann einmal konfrontiert und während Jüngere hinsichtlich ihrer Fähigkeiten noch ein entsprechendes Anpassungsvermögen besitzen, haben besonders die Älteren diesbezüglich eine schlechtere Ausgangsposition. Deshalb versucht die Yoga Vidya Fitnessreihe im Rahmen einer gesundheitsbezogenen Intervention gezielt die Menschen mittleren Alters zu erreichen, um den oben genannten Verhältnissen rechtzeitig entgegen wirken zu können.

Im folgenden Abschnitt wird auf den Gesundheitsbegriff, die Kernziele des Gesundheitssports und dessen Lernziele sowie auf den Begriff der Fitness genauer eingegangen, um diese anschließend mit den Lernzielen und dem „gesundheitlichen Wert“ der Yoga Vidya Fitnessreihe vergleichen zu können.

2.2 Gesundheitsbegriff

Als grundlegend für den Begriff Gesundheit gilt heute weitgehend die Definition der WHO (World Health Organization), in der festgehalten wird: „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen" (Originaltext WHO, 1984).

Die Definition der WHO, welche als Grundlage entlang von sämtlichen gesundheitsorientierten Konzepten angeführt wird, beschreibt das (dauerhafte) Wohlbefinden eines jeden Menschen für sich persönlich, das unter Umständen auf sehr individuellem Weg zu erreichen ist (vgl. Jordan & Linse, 2002, S. 11).

Bei der Definition der WHO wird besonders die subjektive Dimension von Gesundheit unterstrichen, wobei gleichsam von einem dynamischen Zustand oder Balancezustand gesprochen wird. Dieser objektive und subjektive Balancezustand einer Person ist dann gegeben, wenn die Person sich in Einklang mit körperlichen, seelischen und sozialen Bereichen der Entwicklung, den eigenen Möglichkeiten, Zielen und den äußeren Lebensbedingungen befindet.

Der Balancezustand muss zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt aufrecht gehalten bzw. erneut wiederhergestellt werden und ist von persönlichen Faktoren und Faktoren der Umwelt abhängig. Man kann also festhalten, dass die sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Lebensbedingungen den Entwicklungsrahmen für die Gesundheit geben. „Gesundheit hat somit Prozesscharakter und ist hiernach das Ergebnis der Auseinandersetzung mit Belastungen und Anforderungen und das auf psychosozialer und physischer Ebene“ (vgl. DGB-BWT Thüringen, o. J.).

In Ergänzung dazu und im Sinne der „Ottawa Charta“ von 1986 ist Gesundheitsförderung „ein Prozess, der Menschen dazu in die Lage versetzen soll, mehr Einfluss auf ihren Gesundheitszustand zu entwickeln und ihre Gesundheit aktiv zu verbessern. Ziel ist die Erreichung eines Zustandes vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, der dadurch erreicht werden soll, dass Individuen und Gruppen unterstützt werden, eigene Wünsche wahrzunehmen und zu realisieren, Bedürfnisse zu befriedigen, sowie die Umgebung zu verändern oder sich an diese anzupassen. Gesundheit ist ein positives Konzept, das sowohl soziale und individuelle Ressourcen als auch körperliche Fähigkeiten betont. Aus diesem Grund ist Gesundheitsförderung nicht nur im Kompetenzbereich des Gesundheitssektors anzusiedeln, sondern Gesundheitsförderung geht weiter als ein gesunder Lebensstil zum Wohlbefinden“ (Originaltext WHO, 1986).

Zusammengefasst heißt es bei Woll, Tittlbach, Schott, Bös (2004) also: „Gesundheitsförderung ist ein Prozess, der darauf abzielt, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Lebensumstände und ihre Lebensumwelt zu ermöglichen“ (S. 11). Hervorzuheben hierbei ist der entwicklungsperspektivische Charakter, welcher Gesundheitsförderung als Prozess darstellt und nicht als statischen Zustand. Im Blickpunkt stehen dabei vor allem die Wechselbeziehungen hinsichtlich des Abbaus von Risikofaktoren auf der einen Seite, und dem Aufbau Gesundheitsressourcen auf der anderen Seite.

2.3 Begriffsklärung Gesundheitssport

Gesundheitssport „zielt zum einen auf eine gezielte Stärkung der Gesundheitsressourcen, verbunden mit einer gezielten Meidung und Minderung von Risikofaktoren sowie einer möglichst effektiven Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden“ ab (Bös & Brehm, 1998, S.10). Angestrebt werden Verhaltenswirkungen die insbesondere durch den Aufbau von Bindungen an die gesundheitssportliche Aktivität nachhaltig gemacht werden sollen. Das schließt eine möglichst flächendeckende Verbreitung von gesundheitssportlichen Angeboten sowie die Vermittlung eines langlebigen Bedürfnisses nach Sport mit ein. „Gesundheitssport ist eine Form der sportlichen Betätigung, die gezielt eine Stabilisierung, Verbesserung und Wiederherstellung von Gesundheit anstrebt“ (Hartmann, Opper, Sudermann, 2005, S. 65) Damit trägt der Gesundheitssport sowohl präventiven als auch [Rehabilitation|rehabilitativen]] Charakter.

Hartmann, Opper und Sudermann (2005) zitieren dazu Schwenkmezger (1993), der die Zweckbestimmung des Gesundheitssports hervorhebt und damit die Abhängigkeit seiner Gestaltung von seinen Zielen aufzeigt. Dementsprechend wurden die Ziele der Yoga Vidya Fitnessreihe insbesondere auf eine Stärkung des Bewegungssystems, welche unter den Punkt der physischen Gesundheitsressourcen einzuordnen ist, festgelegt. Diese werden nachstehend im Zusammenhang mit den Kernzielen des Gesundheitssports genauer dargelegt.

2.4 Kernziele des Gesundheitssports

2.4.1 Stärkung von physischen Gesundheitsressourcen

„Die Förderung physischer Gesundheitsressourcen durch körperliche Aktivität und Gesundheitssport meint vor allem die Verbesserung von Ausdauer, Kraft, Dehnfähigkeit, Koordinationsfähigkeit und Entspannungsfähigkeit als Komponenten der gesundheitsbezogenen Fitness“ (Pfeifer, 2004, S. 32). Pfeifer (2004) betont, dass eine allgemeine Förderung der körperlichen Fitness im Kontext der allgemeinen Gesundheitsförderung, für die Prävention von Rückenschmerzen sinnvoll ist (vgl. S. 32). „Eine Aktivierung des Muskelsystems löst immer komplexe Anpassungsprozesse des gesamten Organismus aus und kann so dazu beitragen, diesen widerstandsfähig und gesund zu halten“ heben Bös & Brehm (1998) hervor.

Trotz des bisherigen Ausbleibens von prospektiven Studien, die eine ausreichende Grundlage für die Bewertung von Fitnessfaktoren als Risikofaktor für die Entstehung von Rückenschmerzen zulassen würden, zeigt eine Reihe von Querschnittuntersuchungen zum muskulären Status von Personen mit Rückenschmerzen, eine vor allem hinsichtlich der Muskelkraft und Muskelmasse ausgeprägte „Dekonditionierung“ (Pfeifer, 2004, S. 33; nach Verbunt et al. 2003). Von Müller et al. (2003) werden 27 Querschnittstudien zusammengefasst, wobei ein Großteil derer eine reduzierte Muskelkraft (bzw. ein reduziertes Drehmoment) oder eine geringere Kraftausdauer der Rückenmuskulatur bei Personen mit Rückenschmerz ergab. (Pfeifer, 2004, S. 33). Andere Studien konnten weiterhin Defizite in der neuromuskulären Ansteuerung der Rückenmuskulatur sowie deren Muskelquerschnitt darstellen, so Pfeifer (vgl. S. 33).

Die Kraft oder die Kraftausdauer der Rücken- bzw. der Rumpfmuskulatur ist also spätestens mit dem Auftreten von Rückenschmerzen assoziiert, deshalb erscheint eine Einbeziehung von Übungsformen zur Verbesserung von Muskelkraft und Kraftausdauer als Schwerpunkt in Interventionsprogrammen sinnvoll. Die Expertise von Pfeifer (2004) zeigt, dass dies auch gilt, wenn nicht klar ist, welche Rolle diesen Fitness-Komponenten hinsichtlich der Entstehung von Rückenschmerz zuzuschreiben ist (vgl. S. 33).

Wenn man die Rolle der Rücken- und Rumpfmuskulatur in Bezug zur Funktion der Wirbelsäule betrachtet, werden zwei Funktionsaspekte deutlich:

  • 1. Bewegungsfunktion: Die Muskulatur wird in Synergie mit der Extremitätenmuskulatur eingesetzt, um die Wirbelsäule entsprechend der durch Bewegungsaufgaben und Umwelt entstehenden Anforderung zu bewegen.
  • 2. Haltungsfunktion: Die Muskulatur wird eingesetzt, um die Wirbelsäule bzw. den gesamten Rücken bei der Fortbewegung bzw. bei Bewegungen der Extremitäten aufrecht und stabil zu halten (vgl. Pfeifer, 2004, S. 33).

Gerade der zweiten Komponente wird im Hinblick auf die komplexe Steuerung und Aktivierung der Muskulatur zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt. So wird der wirbelsäulennahen Rückenmuskulatur sowie der synergistischen Stabilisationsmuskulatur (wie die wirbelsäulenfernere Rücken- und Bauchmuskulatur) vor allem die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Wirbelsäulenhaltung unter ständig variierenden Umgebungsbedingungen zugeschrieben. Cholewicki & McGill (1996), Richardson et al. (1999) oder McGill (2001) argumentieren für den Einsatz von Übungen zur Kräftigung und Stabilisation des Rückens, wobei die Fähigkeit zur Stabilisierung der Wirbelsäule einerseits abhängig ist von der Kraft der umgebenden Muskulatur und andererseits zu einem großen Teil vom qualitativen Einsatz der Muskelkraft im Sinne einer adäquaten Koordination (vgl. Pfeifer, 2004, S. 33).

Somit ergeben sich vor dem geschilderten Hintergrund folgende Teilziele für die Zielsetzung der Stärkung physischer Ressourcen:

  • Verbesserung der Muskelkraft und Kraftausdauer von Rücken- und Rumpfmuskulatur
  • Verbesserung der intermuskulären Koordination der vorderen, seitlichen und hinteren Rückenmuskulatur für eine adäquate Stabilisation der Wirbelsäule.

In Ergänzung zu den Übungsformen, die eine Verbesserung der Kraftquantitäten und -qualitäten anstreben, sollen im Sinne einer Verbesserung der allgemeinen Fitness zudem Übungsformen für die Verbesserung der Dehnfähigkeit und Beweglichkeit in das Programm aufgenommen werden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Modells der muskulären Dysbalancen (z.B. Hasenbring 1999, Pfingsten et al. 1999), welches in Bezug zu Rückenschmerzen häufig diskutiert wird. Bös & Brehm (1998) heben in diesem Zusammenhang hervor, dass bereits bei einem einmal wöchentlich realisierten systematischen Training der Kraft- und der Dehnfähigkeit, wesentliche Funktionen des Halte- und Bewegungsapparates erhalten bleiben und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Beschwerden (Rückenschmerzen) verringert wird (vgl. Bös & Brehm, 1998; nach Banzer & Neumann, 1998; Badtke & Bittmann, 1998).

Außerdem sollen in bewegungsbezogenen Interventionsprogrammen mit dem Ziel einer Stärkung der körperlichen Fitness auch Übungsformen zur Verbesserung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit enthalten sein (vgl. Pfeifer, 2004, S. 34). „Im Vordergrund sollten dabei Maßnahmen stehen, die gerade in Bezug auf das postulierte Ziel einer Bindung an körperliche Aktivität zu einer eigenständigen Durchführung von ausdauerorientiertem Gesundheitssport hinführen“ (Pfeifer, 2004, S. 34). Zusammengefasst ergeben sich also folgende Zielsetzungen für Gesundheitssportprogramme zur Prävention von Rückenschmerz im Hinblick auf physische Gesundheitsressourcen bzw. Risikofaktoren:

  • Verbesserung von Kraft und Kraftausdauer der Rücken- bzw. Rumpfmuskulatur zur Vermeidung von Dekonditionierungszuständen infolge von Bewegungsmangel
  • Verbesserung der Koordination der Rücken- bzw. Rumpfmuskulatur zur Stabilisation des Rückens
  • Verbesserung der allgemeinen körperlichen Fitness mit den ergänzenden Komponenten Ausdauer und Beweglichkeit im Sinne einer Förderung physischer Gesundheitsressourcen (vgl. Pfeifer, 2004, S. 34).

Bös & Brehm ergänzen die genannten Faktoren noch um den Aspekt der Entspannungsfähigkeit, die als „fünfte Perspektive“ im Modell der grundlegenden muskulären Aktivierung gilt und über welches in der Sportwissenschaft derzeit weitgehend Einigkeit herrscht (vgl. Bös & Brehm, 1999; nach z. B. Bös / Wydra & Karisch, 1992; Bouchard & Shepard, 1994; Israel. 1995; Wydra, 1996).

2.4.2 Stärkung von psychosozialen Gesundheitsressourcen

Unter psychosozialen Gesundheitsressourcen versteht man kognitive, soziale und emotionale Ressourcen, die sowohl die Lebensqualität verbessern können, als auch zur Bewältigung von gesundheitlichen Belastungen dienen können. Abgezielt wird einerseits darauf, bei den Teilnehmern Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit zu fördern. Andererseits soll ihnen aufgezeigt werden, mit Alltagsbelastungen besser umgehen zu können. Vermittelt werden soll ein positives Körperbild. Durch eine gezielte Vermittlung, bewusst oder unbewusst, soll das Handlungs- und Effektwissen gesteigert werden. Das heißt, Wirkungen und Möglichkeiten sportlicher Aktivität sollen den Teilnehmern bewusst werden.

2.4.3 Verminderung von Risikofaktoren

Bewegungsmangel“ gilt als Risikofaktor für die Gesundheit und kann weitere Risikofaktoren, wie z. B. Bluthochdruck, erhöhte Blutzuckerwerte, Störungen des Fettstoffwechsels, Übergewicht und muskuläre Dysbalancen nach sich ziehen“ (Hartmann, Opper, Sudermann, 2005, S. 67). Dem gilt es entgegenzuwirken, bereits ab dem Kindesalter. Eine Hierarchie der Risikofaktoren wurde von Schaefer (1978) aufgestellt. Ihre kausalen Zusammenhänge werden in Abbildung 2-1 aufgezeigt. Zielstellung innerhalb präventiver Programme besteht in der Früherkennung dieser Risikofaktoren und der Verminderung dieser Verhaltensweisen. Das Salutogenese-Modell und das Sozialisationsmodell hingegen stellen Gesundheit als Interaktion zwischen belastenden und entlastenden Faktoren dar (Hurrelmann, 2006, S.124-129). Man kann dabei von einem Wechselverhältnis von Risiko- und Schutzfaktoren sprechen.

Siehe auch

Literatur

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  • Spring / J. Dvorak / V. Dvorak / Schneider / Tritschler & Villinger (2005). Theorie und Praxis der Trainingstherapie (2. unveränderte Aufl.). Stuttgart: Thieme.
  • Teipel, D. (1998). Psychologische Aspekte des Sports mit Älteren. In G. Kirch- ner, A. Rohm & G. Wittemann (Hrsg.). Seniorensport. Therorie und Praxis. Aa- chen: Meyer & Meyer Verlag.
  • Tidow, G. (2005). Muskelfunktion: Kraftdiagnostik. In J. Hildebrandt / G. Müller & M. Pfingsten (Hrsg.). Lendenwirbelsäule - Ursachen, Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen (S. 393 – 413). München: Urban & Fischer.
  • Tittlbach, S., Kolb, H., Woll, A. & Bös, K. (2005). Karlsruher gesundheitsorien- tierter Koordinationstest (KGKT). Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 21, 253-258.
  • Vaitl, D. (2000). Psychophysiologie der Entspannung. In D. Vaitl & F. Peter- mann (Hrsg.). Handbuch der Entspannungsverfahren. Band 1: Grundlagen und Methoden (2. erweiterte Aufl.). (S. 29-76). Weinheim: Psychologie Verlags Uni- on.
  • Woll, A., Tittlbach, S., Schott, N. & Bös, K. (2004). Diagnose körperlich- sportlicher Aktivität, Fitness und Gesundheit. Methodenband II. Berlin: Disserta- tion.de-Verlag im Internet GmbH.

Weblinks

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