Charakterstärke

Aus Yogawiki

Charakterstärke könnte man bezeichnen als die Gesamtheit einer Vielzahl guter Eigenschaften oder Tugenden wie Mut, Selbstbeherrschung, Pflichtbewusstsein, Kontrolle niederer Instinkte, von denen ein Mensch sich auch unter widrigen Umständen nicht abbringen lässt. Mahatma Gandhi wäre ein gutes Beispiel für einen Menschen mit einem starken Charakter.

Swami Sivananda über Charakterstärke

Swami Sivananda schreibt über diese Tugend:

Ein Mensch mag sterben. Aber sein Charakter bleibt. Seine Gedanken bleiben. Der Charakter gibt dem Menschen Kraft und Macht. Charakter ist Macht. Man sagt "Wissen sei Macht", aber ich sage mit allem Gewicht: "Charakter ist Macht". Ohne Charakter ist es unmöglich, Wissen zu erlangen. Wer keinen Charakter hat, ist praktisch tot für diese Welt. Er wird von der Gemeinschaft ignoriert und verachtet. Willst du Erfolg im Leben haben, willst du Einfluss auf andere ausüben, willst du auf dem geistigen Pfad voranschreiten, Selbstverwirklichung und Gotteserfahrung erlangen, musst du einen fehlerfreien und makellosen Charakter haben. Das Wesentliche des Menschen ist sein Charakter. Er überlebt ihn oder lebt über ihn hinaus. Shankara, Buddha, Jesus und andere Meister frühester Zeiten sind heute noch in lebendiger Erinnerung, weil sie einen wunderbaren Charakter hatten. Sie übten großen Einfluss auf Menschen aus und verwandelten sie durch die Kraft ihres Charakters.

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Geld bedeutet nichts gegenüber Charakterstärke. Diese ist eine mächtige Seelenkraft. Sie gleicht einer weithin duftenden Blume. Ein Mensch, der edel und von gutem Charakter ist, be- sitzt eine ungeheure Persönlichkeit. Diese ist nichts anderes als der Ausdruck des Charakters. Selbst einem begabten Dichter oder Wissenschaftler, der keinen Charakter hat, fehlt die richtige Stellung in der Gesellschaft: Die Menschen werden ihn verachten.

Charakter ist ein umfassender Begriff. In beschränkterem Maß bedeutet er moralische Haltung. In weiterem Sinn erwartet man von einem charaktervollen Menschen, daß er freundlich, barmherzig, großzügig, vergebend, tolerant ist und dass er sattvahafte Tugenden besitzt. Er mag sehr moralisch sein - eine große Auszeichnung -, wenn er aber die Unwahrheit sagt, wenn er selbstsüchtig und gierig ist, wenn er die Gefühle anderer verletzt, hat er dennoch einen schlechten Charakter.

Ein Mensch von vollkommen fehlerlosem Charakter hat die Eigenschaften, die im 13. und 16. Kapitel der Bhagavad Gita erwähnt werden. Er sollte folgende Tugenden besitzen: Demut, Unvoreingenommenheit, Harmlosigkeit, Kraft der Vergebung. Dienstbereitschaft, Reinheit, Standhaftigkeit, Selbstkontrolle, Gleichgültigkeit gegenüber den Sinneswahrnehmungen, Selbstlosigkeit, Einsicht in Leiden und Übel, die Geburt, Tod, Alter und Krankheit bewirken, Furchtlosigkeit, Sauberkeit. Er muss Almosen geben, die Schriften studieren, nüchtern, offen sein, ohne Zorn, bereit zu Verzicht, er muss ein Mensch des Friedens sein, dem alles Krumme zuwider ist, der Mitleid hat mit den lebenden Wesen, der ohne Geiz, voller Milde und Bescheidenheit, beständig, stark, kräftig erscheint und weder Neid noch Stolz besitzt.

Du säest eine Handlung und erntest eine Gewohnheit. Du säest eine Gewohnheit und erntest einen Charakter. Du säest einen Charakter und erntest ein Schicksal. Die Eindrücke von Gedanken, Gefühlen und Handlungen werden unauslöschlich in das Unbewußte eingeprägt. Auch wenn du stirbst, werden sie bleiben. Diese Einprägungen bringen dich in das Weltall zurück. Die Eindrücke von Gedanken und Handlungen verbinden sich und entwickeln eine Gewohnheit. Die Gewohnheiten verbinden sich und formen einen Charakter. Du bist der Urheber dieser Gedanken und Gewohnheiten. Was du heute bist, ist das Ergebnis deiner Vergangenheit. Alles ist Gewohnheit. Du kannst sie durch Gedanken und Handlungen schaffen und wieder auflösen.

Eih Landstreicher bleibt nicht immer Landstreicher, eine Prostituierte nicht immer Prostituierte. Bringe diese Menschen in die Umwelt eines Heiligen, dann werden sie neu geformt und in Heilige mit tugendhaften Fähigkeiten verwandelt. Es liegt in der Macht eines jeden Menschen, daß er seinen schlechten Charakter und seine häßlichen Gedanken verändert. Werden gute Gedanken und Ideale lasterhaften Gedanken und falschen Gefühlen aufgepropft, dann wird dieser Mensch auf dem Pfad der Tugend vorankommen. Ein Lügner wird zu einem wahrhaftigen Menschen, ein Schurke zum Heiligen.

Die Methoden von Pratipaksha Bhavana (an das Gegenteil denken) können die Gewohnheiten, Eigenschaften und den Charakter eines Menschen ändern. Denke an Mut und Wahrhaftigkeit, dann wirst du mutig und wahrhaftig. Furcht und die Gewohnheit zu lügen werden automatisch vergehen. Denke an Entsagung und Zufriedenheit, dann werden Gier und Lust schwinden. Diese Methode ist ganz wissenschaftlich. Gewöhnlich meinen unwissende Menschen, die nichts vom Unbewußten und von der yogahaften Methode der Veränderung von Gewohnheiten und Charakter wissen, dass sie ihr ganzes Leben lang die gleichen schlechten Züge behalten. Der Charakter aber ist Sproß der Gedanken, Ideale und mentalen Bestrebungen. Wenn diese geändert werden, wandelt sich auch der Charakter.

Hier möchte ich dir eine Übung und Unterweisung geben:

Nimm an, du wolltest Mut entwickeln. Ich habe schon erwähnt, dass das Unbewußte euer gehorsamer Diener ist und ihr wissen müßt, wie ihr es einschaltet. Es wird einen neuen Charakter, neue Ideale und neue mentale Bestrebungen und Gewohnheiten bilden. Zuerst müßt ihr ein starkes Verlangen nach einer Tugend - hier dem Mut - haben. Nur dann ist der Erfolg leicht. Hilfe kann erst kommen, wenn nach ihr verlangt wird. Dies ist ein Gesetz.

Wenn kein Verlangen nach Entwicklung der Tugend vorhanden ist, muss dieses erst geschaffen werden. Nach dem Verlangen muss der Wille eingesetzt werden. Empfinde das Gefühl, dass du tatsächlich diese Eigenschaft besitzt. Wiederhole in Gedanken und mit aller Festigkeit: "Om, Mut." Erwecke das Gefühl: "Ich besitze diese Eigenschaft.« Empfinde sie immer wieder, wenn du meditierst oder an diese Tugend denkst. Setze auch deine Einbildungskraft ein. Bilde dir ein, du habest diese Eigenschaft und versuche sie im täglichen Benehmen auszudrücken.

Mache dir ein genaues Bild von dieser Tugend und denke immer von neuem an die riesigen Vorteile, die du durch Mut erwerben kannst. Wiederhole diese Übung oft. Dann wird sich die Tugend langsam entwickeln. Warte ohne Erregung ab, verliere nicht die Geduld. Es dauert eine gewisse Zeit, eine Tugend zu entwickeln, weil die Kraft der alten falschen Samskaras, Schüchternheit und Furcht, vorhanden sind. Es wird ein innerer Kampf zwischen den alten und neuen Samskaras stattfinden.

Immer aber wird, nach dem großen Gesetz der Natur, das Positive das Negative überwinden . Vertraue und glaube unerschütterlich, dass du bald mutig sein wirst. Bleibe achtsam. Du wirst in Kürze Erfolg haben. In dieser Weise kannst du jede Tugend und deinen Charakter entwickeln. Du mußt ein klares Bild von dem haben, was du ausbilden oder entwickeln willst. Die neue Gewohnheit wird sich um dieses Bild formen.

Das Verändern des Charakters wandelt die Gewohnheiten. Yoga sucht euch zu diesem Ziel zu führen. Im 17. Kapitel der Gita werden die Eigenschaften gezeigt, die den Weg dorthin pflastern.

Wenn es euch schwer fallt, den Charakter zu formen, dann bleibt in der Begleitung von Heiligen und Weisen. Ihre starken geistigen Ströme werden euch verwandeln. Beklagt euch nicht, wenn ihr solche Meister nicht findet. Dies ist euer Fehler. Seid demütig und aufrichtig und ihr werdet sie finden. Ihr könnt auch in unserem Ashram nachfragen.

Forme deinen Charakter. Dies wird dir Erfolg im Leben geben. Bemühe dich jeden Tag, alte schlechte Gewohnheiten fortzuräumen. Richte täglich tugendhafte gesunde Gewohnheiten auf. Dies wird dir helfen, das Ziel des Lebens zu erlangen.

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