Tantra: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Philosophie von Tantra basiert auf dem Konzept der Doppelnatur aller Dinge. Nichts ist einzeln, sondern alles ist bipolar oder doppelpolig. Die sogenannte Einheit der Dinge ist nur eine Erscheinungsform, welche angenommen wird von dem besonderen Verhalten des Zusammentritts zweier Kräfte, nämlich Shiva und Shakti, wir könnten auch sagen, der positiven und negativen Pole. Um diese mystische Konzeption des Universums verstehen zu können, möchten wir auf die traditionellen Lehrsätze der Puranas verweisen, Manusmriti und Mahabharata, die besagen, dass es im Anbeginne eine universelle Einzelzelle gegeben hat, die schon immer da war, bekannt als Brahmanda, und die sich dann zweiteilte.Der eine Teil wurde zum Kosmischen Mann und der andere zur Kosmischen Frau. Wenn wir wollen, können wir diese Teile auch Shiva und Shakti nennen. Selbst unsere modernen Naturwissenschaften scheinen diese Sichtweise zu bestätigen, wenn sie sagen, dass das Universum im Anfang ein einzelnes Atom war, welches sich zuerst zweiteilte und sich dann in die Vielfalt der gegenwärtigen Formen des Universums aufspaltete. | Die Philosophie von Tantra basiert auf dem Konzept der Doppelnatur aller Dinge. Nichts ist einzeln, sondern alles ist bipolar oder doppelpolig. Die sogenannte Einheit der Dinge ist nur eine Erscheinungsform, welche angenommen wird von dem besonderen Verhalten des Zusammentritts zweier Kräfte, nämlich Shiva und Shakti, wir könnten auch sagen, der positiven und negativen Pole. Um diese mystische Konzeption des Universums verstehen zu können, möchten wir auf die traditionellen Lehrsätze der Puranas verweisen, Manusmriti und Mahabharata, die besagen, dass es im Anbeginne eine universelle Einzelzelle gegeben hat, die schon immer da war, bekannt als Brahmanda, und die sich dann zweiteilte.Der eine Teil wurde zum Kosmischen Mann und der andere zur Kosmischen Frau. Wenn wir wollen, können wir diese Teile auch Shiva und Shakti nennen. Selbst unsere modernen Naturwissenschaften scheinen diese Sichtweise zu bestätigen, wenn sie sagen, dass das Universum im Anfang ein einzelnes Atom war, welches sich zuerst zweiteilte und sich dann in die Vielfalt der gegenwärtigen Formen des Universums aufspaltete. | ||
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Da diese zwei Teile und ihre darauffolgenden Unterteilungen eigentlich zu einem gesamten Ganzen gehören, gibt es eine natürliche Anziehungkraft, die von einem Teil zum anderen Teil ausgeübt wird. Es gibt also eine beidseitige Zugkraft zwischen den positiven und negativen Polen auf der kosmischen Ebene sowie auf der ihrer niedrigeren vielfältigen Abstammungsformen, sogar hinunter bis zum Atom. Wir wissen heute, dass auch das Atom in einer bipolaren Struktur aufgebaut ist, mit dem Nukleus im Zentrum und den Elektronen, die ihn in absolut rätselhafter Weise umkreisen. Die Reaktion der zwei verschiedenen Teile eines jeden einzelnen Organismus scheint eine doppelte Auffassung von Bewusstsein gegenüber Einheit und Zweiheit zur selben Zeit zu sein. Es kann keine Anziehung zwischen dem Positiven und Negativen geben, solange sie nicht zwei Pole formen und nicht nur ein einzelnes Etwas. Dennoch kann es andererseits ohne eine grundlegende Einheit, die in und zwischen ihnen wirkt, gar nicht diese Anziehung geben, wenn es zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Das ist also das Geheimnisvolle, das Mysterium und auch die Schwierigkeit, jenes Phänomen zu verstehen, welches als Anziehung bekannt ist und gewöhnlich in der Gemeinsprache Liebe oder Zuneigung genannt wird. | |||
===Bipolarität=== | ===Bipolarität=== |
Version vom 6. Juli 2014, 08:36 Uhr
Tantra (Sanskrit: तन्त्र tantra n.) Webstuhl; Gewebe, Kontinuum, Zusammenhang; Lehrwerk, Lehre; eine Klasse von Werken, die ursprünglich streng geheim gehaltene (esoterische) Inhalte lehrten und sich hauptsächlich mit Mystik, Magie und Techniken zur Selbsterkenntnis und Erlösung (Moksha aus dem Kreislauf der Wiedergeburt, Samsara) beschäftigen.
Herkunft
Das Wort "Tantra" wird von der Sanskritwurzel "tan" ("ausdehnen, spannen") abgeleitet. Die Ursprünge des Tantra als soteriologische (zur Erlösung hinführende) Systeme liegen etwa im 2. Jahrhundert, in seinen heute bekannten Ausprägungen wird es seit dem 7. oder 8. Jahrhundert weitergegeben. Aus der tantrischen Tradition stammt unter anderem die Lehre von den sieben Chakras.
Traditionelle Richtungen
Im wesentlichen gibt es in Indien drei Hauptrichtungen des Tantra, wozu noch die Form des tibetischen tantrischen Buddhismus (Vajrayana) kommt, der auch in Nepal praktiziert wird:
- 1. Vaishnavacara (vaiṣṇavācāra): Hier werden die Formen des Gottes Vishnu als höchstes Prinzip verehrt.
- 2. Shaivacara (śaivācāra): Hier werden die Formen des Gottes Shiva als höchstes Prinzip verehrt.
- 3. Shaktacara (śāktācāra): hier werden die Formen der Göttin (Shakti) als höchstes Prinzip verehrt. Die als Shakta bekannten Tantriker folgen ihrerseits einem der beiden folgenden Wege bzw. Lebenswandel (Acara): entweder dem "Weg der rechten Hand" (Dakshinacara dakṣiṇācāra), in dem keine sexuellen Praktiken ausgeübt, wenn überhaupt imaginiert werden, oder dem "Weg der linken Hand" (Vamacara vāmācāra), der auch sexuelle Praktiken in das Ritual integriert.
Tantra im Yoga
Tantra als Teil der yogischen Tradition und beruht auf der Shiva-Shakti-Philosophie. Shiva repräsentiert das Unveränderliche, das Unbewegte, das absolute Bewusstsein, im Vedanta "Brahman" genannt. Shakti repräsentiert die schöpferische Energie, welche das Universum in sechs Schritten in Analogie der sechs Chakras (unterhalb des Sahasrara Chakras, der Sitz von Shiva), geschaffen hat. Ursprünglich sind Shiva und Shakti eins. Durch eine erste Schwingung, "Spandana" („Spaltung“), trennt sich Shakti von Shiva und schafft erst die zwei Kausalwelten, dann die drei Astralwelten und schließlich die physische Welt. Zyklisch vereinigen sich Shiva und Shakti wieder (Auflösung), bleiben zusammen (Pralaya, kosmische Nacht) und trennen sich wieder (Schöpfung).
In jedem Teil des Kosmos sind Shiva und Shakti. Im Menschen manifestiert sich Shiva als reines Bewusstsein, als Satchidananda. Shakti manifestiert sich als die drei Körper mit den fünf Hüllen. Solange Shakti von Shiva getrennt ist, ist der Mensch unzufrieden. Im Laufe der individuellen Evolution über viele Leben hinweg erwacht die Kundalini (Shakti im Menschen) und vereinigt die individuelle Seele wieder mit der kosmischen Seele. Kundalini Yoga ist die Wissenschaft der Beschleunigung dieses natürlichen Evolutionsprozesses.
Drei Formen des Tantra
Es gibt außerdem eine weitere, modernere Einteilung in drei Arten von Tantra: weißes, rotes und schwarzes Tantra. Rotes Tantra sind die sexuellen Praktiken, schwarzes Tantra sind die magischen und schwarzmagischen Praktiken zur egoistischen Manipulation von Energien und Geistern für selbstsüchtige Zwecke. Weißes Tantra sind die Praktiken zur Reinigung des Astralkörpers und zur Erweckung der Kundalini ohne selbstsüchtige Motive und werden daher Kundalini Yoga genannt.
Tantra und Schamanismus – Energien im Fluss
Interview mit Maharani Fritsch de Navarrete, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 27, Herbst 2013
Anlässlich des Yoga Kongress 2012 ‚Chakra, Tantra, Kundalini‘ haben wir mit Maharani Fritsch de Navarrete gesprochen. Als Yogini und Schamanin mit westlicher psychologischer Ausbildung schlägt sie energetische Brücken zwischen Amazonien und Indien.
Ich durfte in meinem Workshop wunderbare Zusammenhänge zwischen Yoga, Tantra und Schamanismus herstellen und diese hoffentlich nicht nur durch den informativen Part, sondern auch vor allem durch den rituellen Teil zum Ausdruck bringen. Diese alten holistischen Systeme sind nur scheinbar voneinander getrennt- in allen geht es um Heilung, Heil-Werden, Ganz-Werden, Heilig-Werden, Verbunden-Sein. Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich auf die Brücken hinweisen darf, auf die Ur-Quelle und die Ur-Verbindung. Höheres Sein bedeutet immer ein höheres Verbundensein. Für Yogis, für Tantriker, für Schamanen, für Bewusste.
Nach so vielen Jahren spiritueller Praxis verschiedenster Traditionen, als Yogalehrerin und Schamanin - siehst du Verbindungen zwischen Tantra und Schamanismus und wenn ja, welcher Art?
Für den Schamanen geht die kosmische Evolution vom Schamanismus (Ur-Form des spirituellen Ausdrucks) über den Hinduismus zum Buddhismus. Tantra und Schamanismus decken sich dermaßen, dass sie fast identisch sind in der Vorstellung, dass männlich und weiblich oder auch das Spiel der Gegensätze die Grundlage aller Prozesse im Universum sind. Vor allem in Nepal, wo ich - neben Peru - auch meine Lehrer habe, ist dies sehr gut sichtbar. Dort fließen Yoga, Tantrismus und Schamanismus permanent zusammen und sind nur schwer voneinander zu trennen. Ein Yogi gilt als Shivait, was mit Tantriker gleichgesetzt wird, und ein Tantriker ist in diesem Kontext auch ein Schamane. Zum Beispiel schamanische Elementenverehrung, also Naturrituale, verfeinerten sich nach und nach in der vedischen Zeit zum Havan/Agni Hotra, Puja und Yajna (Feuer- und andere Rituale). Shiva selbst ist ja der Urahne der Schamanen als Pashupati, Herr der Tiere, als Shankar und Bhairava.
Gleichzeitig ist er der Ur-Tantriker und Ur-Asket als Mahadev,
Mahesvar und Yogeshwara, der Vater des Yoga. Er zieht einsam,
mit Asche beschmiert, auf seiner Damaru trommelnd,
durch die Wälder und hält sich auch an den Ghats, den Verbrennungsstätten
(Orte der Transformation), auf. Gleichzeitig
meditiert er als Sadashiva über das Höchste und als Nataraj
tanzt er das Spiel der Gegensätze und Transformation.
Der Name Shaman bedeutet ja: „der, der wirklich sieht”.
Ein Drsthi also, ein Seher.
Und wer kann besser sehen, als der dreiäugige Shiva? Yoga- Asanas entsprangen der Nachahmung der Natur und viele haben Tier- oder Pflanzennamen.
Weitere Gemeinsamkeiten gibt es im Verständnis, dass alles miteinander verbunden ist, dass wir vom Energieuniversum umgeben sind, das heißt, dass Schwingung die Grundlage der grobstofflichen Manifestation ist.
Gibt es dann in der schamanischen Energiemedizin auch eine Art von Kundalini-Erfahrung?
Natürlich! Im nepalesischen, aber auch im peruvianischen (dort gibt es mehrere Schulen) Schamanismus sind Energieerfahrungen die tägliche Praxis-Erfahrung. Mahakali (Indien und Nepal) und Pachamama (Peru, Bolivien, Ecuador) ist die Urquelle der schöpferischen Kundalini-Shakti. Das Erwachen im schamanisch-tantrischen Sinne ist die konstante Rückverbindung mit dieser Kraft, die allen Phänomenen zugrunde liegt. Bei meinen ersten Peru-Reisen staunte ich nicht schlecht, als ich entdeckte, dass das Energiesystem der Schamanen und die Vorstellung vom Energieuniversum und Energiemedizin sich mit dem Kundalini Yoga deckt bzw. ihm sehr, sehr ähnelt. Natürlich werden andere Termini benutzt, für die Inka-Schamanen sind die Chakras Nawis oder Ojos de cinturon, also „Augen”, das Aufsteigen von Kundalini heißt el kawsay und sushumna Nadi heißt kurku. Statt Sahasrara haben wir Uma oder Pujuy... etc. Aber die Phänomene sind exakt die gleichen.
Du hast den Workshop ‚Schamanische Energiemedizin für das neue Zeitalter gehalten’, was sind die Kennzeichen des neuen Zeitalters aus deiner Sicht und wie kann man sich energetisch darauf vorbereiten?
Für die Schamanen ist die Periode momentan eine besondere Zeit, vor allem im Inka Schamanismus - diese Zeit wird Pachakutec (Wandel) genannt. Aber: es gibt keinen Erlöser, keinen Heiland von außen, keinen Zauberstab, der dich rettet… Für die Schamanen, für bewusste Spiritualisten ist die Zukunft jetzt schon da! Der erwartete Pachakuti-Inka, der letzte König ist kein erlösender Avatar, sondern vielmehr eine besondere Schwingung zum Empfangen hochfrequenter spiritueller Energie. Das Bewusstsein ist entscheidend und dein eigenes JA zur Heilung auf allen Ebenen- das ist die Absichtserklärung an das Universum. Es geschieht momentan, dass mir in meinen Kursen und Ausbildungen immer mehr Menschen begegnen, die an der Heilung aus der ersten Hand interessiert sind, nicht an den Dogmen alter schulmedizinischer Systeme... Und immer mehr Menschen machen die reale Erfahrung, dass dein innerer Heiler nur darauf wartet, wieder aktiviert zu werden! Für bewusste Yogis, Tantriker, Schamanen, Spiritualisten ist dies eine Zeitqualität des Umschwungs. Mein Meister in Peru sagte einmal so schön: „Diese Zeit ist eine Entwicklungshilfe.”...
Tantra Yoga, Nada Yoga and Kriya Yoga - Erläuterungen von Swami Krishnananda
Einleitung von Swami Krishnananda zu Swami Sivanandas Buch „Tantra Yoga, Nada Yoga and Kriya Yoga“ der Divine Life Society, 5. Auflage, 2000, Shivanandanagar, S. VII - XII., ISBN 81-7052-042-8
Tantra
Das System, welches Tantra genannt wird, wurde schon von jeher als esoterischer Geheimpfad der spirituellen Praxis betrachtet und war nicht jedem Ungeübten oder dem gemeinen Volk zugänglich. Das Geheimnis dieser Praxis scheint aus einem ungewöhnlichen Weltentwurf zu bestehen, der dem Suchenden abverlangt, die Dinge auf eine vollständig andere Art zu interpretieren und zu bewerten und der abweicht von der normalen, gewohnten Betrachtungsweise der Dinge. Die Tantra Lehrer sagen, dass ein Suchender auf diesem Pfad der sozialen und sogar menschlichen Sichtweise entwachsen und eine übermenschliche und göttliche Sicht der Dinge entwickeln muss. Da dies jedoch vom gemeinen Menschen dieser Welt zuviel abverlangen würde, soll der Tantra auch ein verschlossenes Geheimnis sein und bleiben, dessen Türen nur mit dem Schlüssel geöffnet werden kann, den allein ein befähigter Guru zur Verfügung stellt.
Philosophie
Die Philosophie von Tantra basiert auf dem Konzept der Doppelnatur aller Dinge. Nichts ist einzeln, sondern alles ist bipolar oder doppelpolig. Die sogenannte Einheit der Dinge ist nur eine Erscheinungsform, welche angenommen wird von dem besonderen Verhalten des Zusammentritts zweier Kräfte, nämlich Shiva und Shakti, wir könnten auch sagen, der positiven und negativen Pole. Um diese mystische Konzeption des Universums verstehen zu können, möchten wir auf die traditionellen Lehrsätze der Puranas verweisen, Manusmriti und Mahabharata, die besagen, dass es im Anbeginne eine universelle Einzelzelle gegeben hat, die schon immer da war, bekannt als Brahmanda, und die sich dann zweiteilte.Der eine Teil wurde zum Kosmischen Mann und der andere zur Kosmischen Frau. Wenn wir wollen, können wir diese Teile auch Shiva und Shakti nennen. Selbst unsere modernen Naturwissenschaften scheinen diese Sichtweise zu bestätigen, wenn sie sagen, dass das Universum im Anfang ein einzelnes Atom war, welches sich zuerst zweiteilte und sich dann in die Vielfalt der gegenwärtigen Formen des Universums aufspaltete.
VII
Da diese zwei Teile und ihre darauffolgenden Unterteilungen eigentlich zu einem gesamten Ganzen gehören, gibt es eine natürliche Anziehungkraft, die von einem Teil zum anderen Teil ausgeübt wird. Es gibt also eine beidseitige Zugkraft zwischen den positiven und negativen Polen auf der kosmischen Ebene sowie auf der ihrer niedrigeren vielfältigen Abstammungsformen, sogar hinunter bis zum Atom. Wir wissen heute, dass auch das Atom in einer bipolaren Struktur aufgebaut ist, mit dem Nukleus im Zentrum und den Elektronen, die ihn in absolut rätselhafter Weise umkreisen. Die Reaktion der zwei verschiedenen Teile eines jeden einzelnen Organismus scheint eine doppelte Auffassung von Bewusstsein gegenüber Einheit und Zweiheit zur selben Zeit zu sein. Es kann keine Anziehung zwischen dem Positiven und Negativen geben, solange sie nicht zwei Pole formen und nicht nur ein einzelnes Etwas. Dennoch kann es andererseits ohne eine grundlegende Einheit, die in und zwischen ihnen wirkt, gar nicht diese Anziehung geben, wenn es zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Das ist also das Geheimnisvolle, das Mysterium und auch die Schwierigkeit, jenes Phänomen zu verstehen, welches als Anziehung bekannt ist und gewöhnlich in der Gemeinsprache Liebe oder Zuneigung genannt wird.
Bipolarität
Das Konzept von Shiva und Shakti repräsentiert also in seiner höchsten Essenz diese Oberste Kosmische Dualität. Man kann sich vornehmlich vorstellen, dass dort nur Anziehung und Liebe zusammenwirken, so dass Shiva und Shakti als untrennbare Aspekte einer einheitlichen Realität zu betrachten sind, welche manchmal auch Ardhanareesvara, der kosmische Androgyn, genannt wird. Auf den niedrigeren Ebenen jedoch wirkt das Prinzip der Abstoßung, was bedeutet, dass Abneigung mit Zuneigung zusammengeht, so wie auch Liebe mit Hass. Dort nimmt die bipolare Einheit eine Vielfalt an Form an, so dass ein bipolares Element nicht die Beeinflussung oder manchmal sogar nicht einmal die bloße Gegenwart solch eines anderen bipolaren Elementes tolerieren kann - aus Angst davor, seine isolierte, sich selbst bewusste bipolare Hälfte und dadurch seine Einheit zu verlieren. Dieses subtile Zusammenspiel kann in seiner groberen Art offenkundig werden, wenn z. B. eine Familiengruppe Schwierigkeiten hat, eine andere anzuerkennen und ihr die gleiche Liebe zu schenken wie der eigenen. Auf dieser Ebene können sich dann eine Gesellschaft, eine soziale Schicht und sogar eine bipolare Einzelperson nicht ohne einigem Argwohn und gewissen Vorbehalten gegenübertreten.
Den Lehrsätzen oder dem Tantra nach ist die Ursache allen Leids im Leben die bipolare Existenz, diese in zwei geteilte Einheit, weil nicht eine duale Existenz in jeder ihr gegebenen Form die Wahrheit der Dinge ist, sondern das Eins-Sein. Da die zweifache Form allen Lebens in gewisser Hinsicht eine unnatürliche Art des Lebens darstellt, gibt es immer einen ambivalenten Standpunkt zwischen dem einen und dem anderen Pol von Mögen und Nicht-Mögen, zu ein und derselben Zeit. So wird Liebe niedergehalten, wenn Hass überwiegt und Hass unterdrückt , wenn Liebe die Oberhand behält. Fakt dabei ist jedoch, dass immer beide dieser Haltungen versteckt in einem Individuum da sind, aber nur einer dieser Aspekte zum Vorschein kommt, wenn oder wie die Situation es gerade erfordert. Anstelle der Zweiheit wieder die Einheit zu bekommen, das ist der Vorgang im Tantra Sadhana - wobei das jedoch die Zielsetzung eines jeden Sadhanas ist.
Unterschied
Was ist also das Besondere am Tantra, und wodurch unterscheidet er sich von anderen Sadhanas, um dieses Ziel zu ereichen? Der Unterschied ist sehr subtil und nicht leicht wahrzunehmen. In jeder Form religiöser Praxis gibt es meistens asketische Vorschriften für die Geisteshaltung des Praktizierenden. Das Äußere solle dem Inneren und das Materielle dem Spirituellen zuliebe abgelehnt werden. Jegliches Verlangen solle als schädliches Hindernis für den Sadhana unterbunden und alle Lebensfreude als Übel betrachtet werden, welches so früh wie möglich ausgemerzt werden muss. Nun, im Tantra sind die Dinge der Welt, die materiellen Formen der Wahrnehmung, nicht wirklich Hindernisse, und ein Verlangen nach ihnen kann nicht dadurch besiegt werden, dass man das Verlangen an sich ablehnt. Alles in dieser Welt, und sogar die ganze Welt selbst, befindet sich in einem Übergang von der Unvollkommenheit hin zur Vollkommenheit. Das Sichtbare ist ein Weg hin zum Unsichtbaren und nicht sein Hindernis. Menschliches Begehren erwächst gerade wegen jener unintelligenten Auffassung, die der Mensch gegenüber dieser Lust entwickelt hat. Er hat sozusagen Lust-Angst, seitdem ihm erzählt worden ist, dass jegliche Begierde schlecht ist und alle äußeren Dinge nur zu Knechtschaft führen. Der Tantra sagt, dass das äußere Ding, das Objekt, kein fesselnder Zwang ist, allein schon wegen der Tatsache, dass das Objekt untrennbar mit dem Subjekt verbunden ist. Das Objekt ist der andere Pol des Subjekts, der Komplementär-Pol sozusagen. Beide Pole ergänzen sich gegenseitig. Jegliche Erfahrung steht in einer Subjekt-Objekt Relation, und deshalb kann auch niemand nur im Geringsten daran denken, das Objekt der Begierde bewusst zu überwinden, ausgenommen, er hat vorher eine Beziehung zu dem Objekt hergestellt. Daher bedeutet die Überwindung des Objekts für uns immer wieder, in einen Teufelskreis einzutreten. Es gibt trotz aller Anstrengungen keine Möglichkeit, das Objekt loszuwerden, da schon im Bewusstsein die Gegenwart des Objekts da ist. Daher kommt also der großartige Tantra-Spruch, dass Begierde nur durch Begierde überwunden werden kann, genauso wie das Objekt nur vom Objekt bezwungen werden kann. Auch wird im Tantra gesagt, der andere Aspekt dieses Prinzips sei, "dass man sich durch das, wodurch man fällt, auch wieder aufrichten kann." (Yaireva patanam dravyaih siddhih taireva.)
Hier tritt der Kernpunkt der ganzen Sache hinsichtlich des Tantra zutage, welche ihn deutlich von allen anderen religiösen Praktiken und Sadhana-Formen abgrenzt. Warum diese Praxis schwierig und sogar gefährlich ist, wird durch die Art der Glaubenslehre offensichtlich, obwohl man wohl einräumen muss, dass der Glaubenssatz vielleicht etwas sehr rational verfasst ist und auf Tiefenpsychologie der menschlichen Natur basiert.
Die Stufen des Tantra
Die Tantra Lehrer wissen, dass es große Schwierigkeiten gibt, wenn es darum geht, sich diese Lehrsätze einzuprägen und zu praktizieren. Insofern wird die Kunst des Sadhana auf diesem Pfad als gestaffelte Aufwärtsbewegung während der verschiedenen Stufen des Aufstiegs betrachtet. Indem man zu einem Zustand aufsteigt, wo eben jenes Verhältnis zwische Subjekt und Objekt transzendiert oder überwunden wird, erreicht man unterschiedliche Stufen von Erkenntnis und eine Loslösung des Subjekts von der Verstrickung des Objekts. Diese festgesetzten Stufen lauten: Vedechara, Vaishnavachara, Saivachara, Dakshinachara, Vamachara, Siddhantachara und zuletzt Kaulachara. Von diesen sieben aufgeführten Stufen sind die ersten drei für die niedrigere Kategorie der Sadhakas bestimmt, welche als Pasujiva (Personen, in welchen die tierische Natur vorherrschend ist) bekannt sind. Die nächsten zwei stehen für die Virajiva (Personen, in welchen der normale menschliche Instinkt vorherrscht) und die letzten zwei für die Divyajiva (Personen, in welchen das göttliche Element vorherrschend ist).
Es wird geglaubt, dass die ersten drei Acharas besonders für Karma stehen. Bhakti und Jnana, der Veda, der für das Ritual steht, Vaishnava für die Hingabe und Saiva für das Wissen. Der vierte Achara, welcher Dakshina genannt wird, versucht die Ergebnisse zu bewahren, die durch das Praktizieren der ersten drei Stufen erreicht wurden. Bis zu dieser Ebene ist die Bewegung fast linear und praktisch gerade. Auf der nächsten Stufe des Vamachara aber gibt es einen seltsamen Unterschied des Blickwinkels, denn dieser Begriff
beinhaltet den Beginn der Rückwärts-Strömung der Seelen-Bewegung hin zur Realität. "Vama" bedeutet nicht "links", wie die meisten Leute zu denken scheinen, sondern "Umkehr-Prozess", Nivritti oder die Rückkehr - im Gegensatz zu Pravritti oder dem Vorwärts-Fließen mit der natürliche Strömung der Sinne. Hier liegt der Beginn der allergeheimsten Praxis oder des esoterischen Aspektes des Tantra Sadhana, wo Objekte der Anziehung, des Reizes, egal welcher Art sie sind, gerade als Instrumente und Werkzeuge betrachtet werden, nicht, damit sie abgelehnt, sondern damit sie integriert und zu einem Teil seines eigenen Seins gemacht werden. Die Absicht dabei ist aber, jenes Bewusstsein zu überwinden, dass sie außerhalb von einem selbst sind, als so eine Art gegenüberliegendes, entgegengesetztes Objekt oder irgendein äußerliches Etwas. Diese besondere Phase soll eigentlich auch nicht erklärt, sondern nur auf direktem Weg von einem Lehrmeister gelernt werden.
Die Natur der Dinge
Im Allgemeinen werden Reichtum, Macht und Sex als die wohl größten Hindernisse auf dem Weg zu spiritueller Vollkommenheit betrachtet. Der Tantra jedoch versucht gerade diese sich nutzbar zu machen und zu überwinden, und zwar mit genau den Mitteln, mit welchen ein ungeübter Verstand sich ins Unheil stürzen würde. Die Pasu, Vira und Divya Bhavas entsprechen den tierischen, menschlichen und göttlichen Naturen und ziehen die groben, die feinen und die göttlichen Aspekte der Dinge in Betracht, welchen man in seinem spirituellen Leben als Gegensätze begegnen muss. Das ist das verbotene Gebiet von Tantra Sadhana, der Bereich, welchen der wahrhaft Suchende nicht offenlegt, da der gemeine Mensch ihn nicht wissen, verstehen oder aus ihm Nutzen ziehen soll. Jedes Objekt hat eine grobe, eine feine und eine göttliche Form, und jeder Sadhaka (Schüler) muss all diese Phasen durchlaufen. Der Tantra beharrt darauf, dass keine Stufe oder Phase als Hindernis abgelehnt werden soll, sondern von jedem Individuum selbst genommen und durchschritten werden soll. Mann kann nur ein unbekanntes Ding, ein Objekt der Angst, nicht unter seine Kontrolle bringen.
Der Tantra sagt, dass die unreinen, häßlichen und unheiligen Dinge des Lebens eigentlich Dinge sind, die fälschlicherweise nicht in ihrem wirklichen Zusammenhang gesehen wurden, nicht von ihrer eigenen besonderen Position oder vom Standpunkt der Dinge selbst her. Sie sind weder gut noch schlecht, weder schön noch häßlich und weder heilig noch unheilig. Das alles sind nur Vorstellungen, die uns unser Verstand von einem speziellen Interessestandpunkt aus gibt. Unser Verstand sträubt sich dagegen, in Erwägung zu ziehen, dass es auch noch andere Interessen als seine eigenen geben könnte. Das Universum muss man von vielen Blickwinkeln aus sehen, nicht nur von einem. Vom Ersteren muss man zum Letzteren steigen, mit einer systematischen und progressiven Bewegung seines ganzen Seins durch den groben, den feinen und den göttlichen Aufbau der Dinge. Am Anfang hat man Kontakt mit dem Objekt. Als nächstes denkt man es mit seinem Verstand bloß noch. Zuletzt visualisiert man es nur noch als einen Unruheherd oder Stress-Punkt in der Universellen Realität. Die oben erwähnten Siddhantachara und Kaulachara vervollständigen den Prozess des Sadhana, wobei man in die wahre Natur der Dinge eintaucht und regelrecht übermenschlich wird. Die Aufgabe, welche die religiöse Praxis mit sich bringt, ist nicht die Ablehnung des Objektes oder des Dinges an sich, sondern die der Idee oder der Vorstellung, dass es, das Objekt, außerhalb von einem selbst sei. Die falsche Vorstellung weckt die Begierde, nicht das Objekt oder das Ding selbst. Die Verordnung ist hier in der Tat sehr subtil.
Ritual
Tantra Sadhana beinhaltet das Rezitieren von Mantras, die Ritualausführung mittels Yantras und die eigene Abstimmung mit einer speziellen Ebene der Realität, was eigentlich die spezifische Bedeutung des Tantra ist. Während dieses Prozesses muss man viele kleine Details direkt von seinem Guru lernen. Die Entschlackung des Körpers, die Reinigung seines Geistes und Klärung seiner sozialen Beziehungen sind alles wichtige Vorbereitungen des Sadhana. Die übliche Shodasopachara-Puja oder die sechzehn-gliedrige Gebetszeremonie, welche für eine Gottheit abgehalten wird, sind auch geeignete Maßnahmen für all das, was man bewundert, schätzt und liebt. Durch solch einen Gottesdienst sucht man die Verbindung mit der Gottheit durch die Aufhebung der Trennung zwischen ihr und einem selbst. Die geheimnisvollen Prozesse, Nyasa (Anga-Nyasa und Kara-Nyasa) genannt, sind wiederum nach innen gerichtete Techniken, mittels derer man das Objekt in einem selbst und die Gottheit in seinem ureigenen Sein fühlt. All das macht es mehr als deutlich, dass der Tantra Sadhana genauso höchst wissenschaftlich und präzise wie auch schwierig und gefährlich ist. Dies ist seine Besonderheit.
Siehe auch
Literatur
Weblinks
- Tantra Yoga
- "Tantra" aus Göttliche Erkenntnis von Swami Sivananda
- Yoga und Sexualität von Sukadev
- Literatur Bücher Kundalini Yoga
Seminare
Videos
Atma Kriya Yoga mit Rishi Tulsidasananda
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Die Entdeckung der Kundalini mit Sigmund Feuerabendt
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Was ist das Besondere an Tantra Meditationstechniken - Interview mit Dr. Nalini Sahay
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Multimedia
Kundalini Yoga: Tantra
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Das Ewige und das Vergängliche – Shiva-Shakti 1
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Sei verhaftungslos und … Shiva-Shakti 2
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Setze dich durch – und gebe nach – Shiva-Shakti 3
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