Mahavakya: Unterschied zwischen den Versionen

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Die [[Upanishaden]] kennen vier große, markante Sätze oder Erkenntnisse, die sogenannten vier »Mahavâkyas«. In diesen vier kurzen, fast [[Mantra|mantrischen]] Sprüchen wird die innerste Botschaft der Upanishaden markiert. Alle vier drehen sich um das große Geheimnis der Selbst-[[Erkenntnis]], um das [[Mysterium]] der verborgenen [[Göttlichkeit]] des Menschen.
Die [[Upanishaden]] kennen vier große, markante Sätze oder Erkenntnisse, die sogenannten vier »Mahavâkyas«. In diesen vier kurzen, fast [[Mantra|mantrischen]] Sprüchen wird die innerste Botschaft der Upanishaden markiert. Alle vier drehen sich um das große Geheimnis der Selbst-[[Erkenntnis]], um das [[Mysterium]] der verborgenen [[Göttlichkeit]] des Menschen.


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:Ayam âtma brahma: Dieser Atman ist Brahman. (Mandukya Up. II)
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SELBST-Erkenntnis nach den Upanishaden ist GOTTES-Erkenntnis. Es ist die [[Erfahrung]] der [[Einheit]] des innersten Wesenskernes des [[Mensch]]en mit der absoluten [[Quelle]] allen [[Leben]]s. In der [[Verwirklichung]] des [[Atman]], in der [[Erleuchtung]]serfahrung, »begegnet die [[Seele]] [[Gott]], und 'erkennt' sie ihn - in einem inneren [[Zustand]], der ebenso unaussprechlich und unbeschreiblich ist wie der Gott selbst, den sie entdeckt, oder vielmehr wie die [[Lehrer]] des [[Vedanta]] sagen, dessen [[Transzendenz|transzendente]] [[Nichtdualität]] mit ihr selbst sie erkennt: Tat tvam asi.«<ref>Le Saux, Weg, S. 37.</ref>
SELBST-Erkenntnis nach den Upanishaden ist GOTTES-Erkenntnis. Es ist die [[Erfahrung]] der [[Einheit]] des innersten Wesenskernes des [[Mensch]]en mit der absoluten [[Quelle]] allen [[Leben]]s. In der [[Verwirklichung]] des [[Atman]], in der [[Erleuchtung]]serfahrung, »begegnet die [[Seele]] [[Gott]], und 'erkennt' sie ihn - in einem inneren [[Zustand]], der ebenso unaussprechlich und unbeschreiblich ist wie der Gott selbst, den sie entdeckt, oder vielmehr wie die [[Lehrer]] des [[Vedanta]] sagen, dessen [[Transzendenz|transzendente]] [[Nichtdualität]] mit ihr selbst sie erkennt: Tat tvam asi.«<ref>Le Saux, Weg, S. 37.</ref>

Version vom 25. Mai 2014, 10:30 Uhr

Die Mahavakyas (Sanskrit: महावाक्य mahāvākya n. "großer Leitsatz") sind wichtige Sinnsprüche aus den Upanishaden, den grundlegenden Texten der vedischen Literatur. Obwohl es sehr viele Mahavakyas gibt, werden vier von ihnen besonders hervorgehoben. Jedes von ihnen stammt aus einem anderen Upanishaden-Text. Die vier Leitsätze bezeichnen in einer kurzgefassten und präzisen Form das Hauptthema und die Essenz aller Upanishaden: das Einssein des Selbst mit dem Einen (Brahman).

Swami Sivananda

Die Mahâvâkyas - Einführung nach Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 29-31.

Die Upanishaden kennen vier große, markante Sätze oder Erkenntnisse, die sogenannten vier »Mahavâkyas«. In diesen vier kurzen, fast mantrischen Sprüchen wird die innerste Botschaft der Upanishaden markiert. Alle vier drehen sich um das große Geheimnis der Selbst-Erkenntnis, um das Mysterium der verborgenen Göttlichkeit des Menschen.

Aham brahmasmi: Ich bin Brahman. (Brihadaranyaka Up. L4,10)
Tat tvam asi: Das bist Du. (Chandogya Up. VI,8,7)
Prajnânam brahma: Brahman ist Erkenntnis. (Aitareya Up. V,3)
Ayam âtma brahma: Dieser Atman ist Brahman. (Mandukya Up. II)

SELBST-Erkenntnis nach den Upanishaden ist GOTTES-Erkenntnis. Es ist die Erfahrung der Einheit des innersten Wesenskernes des Menschen mit der absoluten Quelle allen Lebens. In der Verwirklichung des Atman, in der Erleuchtungserfahrung, »begegnet die Seele Gott, und 'erkennt' sie ihn - in einem inneren Zustand, der ebenso unaussprechlich und unbeschreiblich ist wie der Gott selbst, den sie entdeckt, oder vielmehr wie die Lehrer des Vedanta sagen, dessen transzendente Nichtdualität mit ihr selbst sie erkennt: Tat tvam asi.«[1]

Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wollte man leichthin diese »große Erfahrung« mit dem begrenzten menschlichen Ego verknüpfen. Die Persönlichkeit ist nur ein blasses Abbild des wirklichen, göttlichen Selbst, wie Henri Le Saux in seiner Kommentierung der Mahâvâkyas deutlich macht. Wenn es heißt, der Atman sei Brahman, so »bedeutet dies gewiss nicht, dass der Rishi die individualisierenden Teile seines Körpers oder auch seiner Psyche (manas) oder seines phänomenalen Bewusstseins mit dem ganzen Sein identifiziert. Aber er hat erkannt, dass in allem in Wahrheit nur dieser Akt des Seins ist, dieser Lichtstrahl des reinen Selbstbewusstseins, dieses Mysterium des Absoluten, das in seiner eigenen letzten Tiefe leuchtet.«[2]

Trotz seiner alles verwandelnden Einheitserfahrung begeht der Rishi der Upanishaden nicht den Fehler, Atman und Brahman gleichzusetzen. Atman und Brahman sind nicht, wie in einer mathematischen Gleichung, beliebig austauschbar. Die Erkenntnis seines göttlichen Atman führt den Seher nicht dazu, Brahman durch den Atman zu definieren, sondern Brahman wird im Atman als Brahman erfahren. Hier geht es um die Einsicht: »Ich und der Vater sind eins« (Joh. 10,30) und zugleich um das Wissen »Der Vater ist größer als ich« (Joh. 14,28).

Die englischen Theosophen Annie Besant und Charles W. Leadbeater haben die Einheit von Erkenner, Erkennen und Erkenntnis in zwei kurzen Abhandlungen sehr erhellend beschrieben, wobei vor allem Annie Besant in ihrem Denken stark von den Upanishaden beeinflusst wurde.[3] Sie führt in ihrem Werk »Gedankenkraft« aus: »Wenn das Bewusstsein nach langer Entfaltung die Kraft entwickelt hat, in sich alles zu reproduzieren, was außerhalb existiert, dann fällt die materielle Hülle, in der es sich betätigt hat, ab, und das Bewusstsein, das Erkenntnis ist, identifiziert sein Selbst mit allen den Selbsten, unter denen es sich entwickelt hat, und betrachtet den Stoff, der mit jenem Selbst in gleicher Weise verbunden ist, als das Nicht-Selbst. Das ist der »Tag sei bei uns«, die Vereinigung, die der Triumph der Entwicklung ist, wenn das Bewusstsein sich selbst und die anderen kennt - und die anderen als sich selbst. Durch die Gleichheit des Wesens wird vollkommene Erkenntnis erlangt, und das Selbst erlebt jenen wunderbaren Zustand, in dem die eigene Identität nicht aufhört, die Erinnerung nicht verlorengeht, aber die Gesondertheit ihr Ende findet - und Erkenner, Erkennen und Erkenntnis eins sind.«[4]

Leadbeater zielt in die gleiche Richtung, macht in seinen Darlegungen jedoch deutlich, dass auch in der Erleuchtung, in der Erkenntnis des »Aham brahmasmi«, der Einheit von Selbst und Gott, die Kontinuität des Bewusstseins nicht verlorengeht. Es handelt sich bei der großen Einheitserfahrung um eine immense Erweiterung des Bewusstseins, nicht um eine Vernichtung oder Auflösung des Individuums. »Vielleicht mag es nicht ganz mit Unrecht als eine Vernichtung alles dessen, was wir in der physischen Welt von dem Menschen kennen und denken, erklärt werden; denn seine ganze Persönlichkeit, alle niederen Eigenschaften sind längst gänzlich verschwunden. Jedoch die Wesenheit ist da, der wahre Mensch ist da; der von der Gottheit selbst herabgestiegene göttliche Funke ist noch da, obschon nun zur Flamme entfacht - einer Flamme, die mit Bewusstsein ein Teil dessen wird, von dem sie ausgegangen; denn hier taucht alles Bewusstsein in ihm unter, obwohl es alles beibehält, was das Beste im individuellen Fühlen war. Der Mensch fühlt sich immer noch genau so wie jetzt, aber erfüllt von einer Freude, einer Kraft, einem Fähigsein, wofür wir hier unten einfach keine Worte haben. Er hat keineswegs seine persönlichen Erinnerungen verloren. Er ist gerade so sein Selbst wie immer, nur ist es ein erweitertes Selbst. Er weiß noch: »Ich bin ich«; aber er weiß ebenso: »Ich bin Er«.«[5]

Bedeutungsvoll bleibt an dieser Stelle noch die Frage, ob das »Tat tvam asi« oder das »Aham brahmasmi« eine gewissermaßen finale Erfahrung darstellt. Gibt es so etwas wie eine endgültige, absolute Erleuchtung? Hier weichen auch innerhalb der verschiedenen Traditionen die Meinungen voneinander ab. Im Hinduismus stehen etwa Ramana Maharshi oder Sri Aurobindo sich als Antipoden gegenüber. Während Ramana Maharshi, als Vertreter des klassischen Vedanta, von einer bereits auf menschlicher Ebene möglichen völligen Vereinigung von Atman und Brahman ausging, lehnte Sri Aurobindo diese Lehre entschieden ab. Der evolutive Prozess ging für ihn immer weiter. Er vertrat in seinen »Briefen über den Yoga« die Überzeugung von einem immer »weiteren göttlichen Fortschreiten, von einer unendlichen Entwicklung«.[6] Ähnlich sieht es im Buddhismus aus, wo der Dalai Lama die Verwirklichung der »Buddha-Natur«, die der hier beschriebenen upanishadischen Erfahrung entspricht, als finale Erfahrung einstuft, während etwa Lama Angarika Govinda die evolutive Entfaltung in einem ständigen Fortschreiten zwischen individuellem und universellem Bewusstsein sah.[7] Vielleicht beschreibt es die Weisheit von »Licht auf dem Pfad« am treffendsten, wenn es dort heißt: »Ins Licht gehst du ein, die Flamme wirst du nicht berühren.«[8]

Die Vier Mahavakyas

Andere Mahavakyas

  • Neti Neti (नेति नेति neti neti) »Nicht so, nicht so!« aus der Brihadaranyaka Upanishad. Dieses Mahavakya besagt, dass Brahman nicht beschrieben werden kann.
  • Sarvam Khalvidam Brahma (सर्वं खल्विदं ब्रह्म sarvaṃ khalv idaṃ brahma) »All dies ist wahrhaftig Brahman«.

Meditation über Mahavakyas

Meditationsanleitung von Swami Sivananda:

»Mahavakyas« sind die vier heiligen Aphorismen, die in den offenbarten Büchern (Shrutis) enthalten sind.

  1. »Prajnanam Brahma«.
  2. »Aham Brahmasmi«.
  3. »Tat twam Asi«.
  4. »Ayam Atma Brahma«.

Der erste steht in den Aitareya Upanishaden des Rigveda, der zweite in den Brihadaranyaka Upanishaden des Yajurveda, der dritte in den Chandogya Upanishaden des Samaveda, der vierte in den Mandukya Upanishaden des Atharvaveda. Der erste Aphorismus ist die unfehlbare Erkenntnis (Lakshana Vakya), die Brahma beschreibt und die Erkenntnis des Selbst (Tatbodha Jnana) vermittelt. Der zweite vermittelt unmittelbar die Erkenntnis (Anubhava Vakya) des »einzigen Beweises des Weltalls« (Sakshi Jrtana). Der dritte ist das Wort der »Belehrung« (Upadesha Vakya), das aufgrund der Unterweisung des Gurus die Erkenntnis Shivas ermöglicht (Shivajnana). Der vierte gibt die unmittelbare Schau (Sakshatkara Vakya), die zur Erkenntnis Brahmas (Brahma Jnana) führt. Man kann den einen oder anderen der Mahavakyas auswählen und darüber wie über OM meditieren.

Seminare

Mahavakyas Videos

  1. Le Saux, Weg, S. 37.
  2. Ebd., S. 65.
  3. Vgl. Annie Besant, The Wisdom of the Upanishads, Adyar 1925.
  4. Dies., Gedankenkraft, Grafing 2005, S. 23 f.
  5. Charles W. Leadbeater, Das höhere Selbst, Grafing 1982, S. 71.
  6. Briefe über den Yoga, Bd. 1, Pondicherry 1977, S. 23 f.
  7. Vgl. dazu: Dalai Lama, Buddha-Natur, Grafing 2004 und Lama Anagarika Govinda, Schöpferische Meditation und Multidimensionales Bewusstsein, Freiburg 1977.
  8. Mabel Collins, Licht auf dem Pfad, Grafing 2001.