Kshurika Upanishad

Aus Yogawiki

Kshurika Upanishad (Sanskrit) ist ein Teil der indischen Heiligen Schriften, die Veda genannt werden. Sie gehört zum Atharvaveda und wird außerdem den Yoga Upanishaden zugeordnet. Kshurika bedeutet Messer. Die kurze Kshurika Upanishad gibt an, wie ein Yogi den Kreislauf von Geburt und Tod überwinden kann, indem er mittles seines Geistes (Manas) seine Körperteile "abschneidet" und somit die Identifikation mit dem Körper löst.

"Ich will, zur Yogavollbringung die schneidhafte Fixierung hier verkünden, wer sie als Yogin erlangt, wird nicht geboren mehr." Einleitungsankündigung der Kshurika Up.

Kshurika Upanishad mit Erläuterungen nach Paul Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 766 - 770.

Einleitung

"Die Geheimlehre von der Kshurika sc. Dharana, von der wie ein Messer (Kshura) abschneidenden Fixierung", heißt dieses Stück, welches neben den aus anderen Upanishaden bekannten Zügen der Yoga-Praxis (der Ort und die Art des Sitzens v. 2; die Zurückziehung des Manas von den Sinnendingen und Einschließung desselben im Herzen, v. 3; die drei Arten der Atemregelung, Puraka, Kumbhaka, Recaka, v. 4-5, vgl. unten, S. 650) einen eigentümlichen Gedanken enthält, dessen Einzelheiten bei der Unsicherheit der Lesarten; grammatischen Unkorrektheit der Diktion und Mangelhaftigkeit des Kommentares oft schwer zu deuten sind.

Der Yogin hat sich nicht nur von allen Außendingen, sondern auch von seiner eigenen Leiblichkeit loszulösen, und diese Loslösung erscheint als eine sukzessive Abschneidung der einzelnen Teile des Leibes, welche mittels des Manas als Messer (Kshura, v. 11, - schwer vereinbar mit der Einschließung des Manas im Herzen, v. 3) dadurch vollbracht wird, daß man auf die einzelnen Körperteile seine Aufmerksamkeit fixiert (Dharana) und sich eben dadurch gegen dieselben sukzessive abschließt (Nirodha; in v. 6-7 soll zu Dve ergänzt werden Dharane und zu Trayas, wie der Schol. behauptet, Nirodhah). So löst man sich sukzessive von den großen Fußzehen, den Unterbeinen, Knien, Schenkeln, Anus und Penis los und gelangt zum Nabel; von hier auf der Sushumna (schon Chand. 8,6,6, wenn auch nicht mit diesem Namen, als die 101. Hauptader erwähnt) zum Herzen und weiter in den Hals, wo die Sushumna allen anderen Adern als Unterlage (Taitilam, Kopfkissen) dient und von zweien derselben, Ida und Pingala, speziell umgeben und geschützt wird. Wieder schneidet man mit dem Manas-Messer alle anderen Adern ab und fährt auf der Sushumna aufwärts und hinaus, indem man alle guten und bösen Zustände (Bhava) in ihr zurückläßt, gleichsam das Sushumna-Kissen mit ihnen ausstopft (v. 20; vgl. Samkhyakarika v. 40 Bhavair Adhivasitam Lingam). Indem man in dieser Weise alle Körperteile durch meditierende Fixierung derselben abschneidet, bricht man alle Fesseln des Samsara und braucht nicht mehr wieder geboren zu werden (v. 21-24). - Auffallend ist namentlich der Gebrauch von Dharana, welches sonst Fesselung des Manas, hier aber Konzentration der Aufmerksamkeit auf die einzelnen Körperteile zum Zweck der Losschneidung von ihnen bedeutet, sowie der schon erwähnte, damit zusammenhängende Widerspruch, daß das Manas im Herzen eingeschlossen wird (v. 3) und doch zugleich das Messer (Kshura) sein soll, mit dem man die Körperteile einzeln abschneidet, wovon die ganze Upanishad den Namen erhalten hat.

Die Kshurika Upanishad

"Unsterblichkeit erlangt einer, der sich frei von Begierden macht, wer, von Wünschen sich lossagend, den Strick durchschneidet, bleibt befreit." Zitat: Kshurika Up.

1. Ich will, zur Yogavollbringung

Die schneidhafte Fixierung hier
Verkünden; wer sie als Yogin
Erlangt, wird nicht geboren mehr.

2. Denn dies als Veda-Hauptinhalt

Sprach als Gebot Svayambhu aus:
Einen lautlosen Ort wählend,
Dazu des Sitzens rechte Art,

3. Die Glieder zieht wie Schildkröten

Ein, das Manas ins Herz verschließt;
Der Moren Zwölfheit[1] anwendend
Unter Om-Sagen nach und nach

4. Den ganzen Leib mit Hauch anfüllt,

Alle Pforten desselben schließt,
Zum Herzen mählich hinneigend
Brust, Hüften, Angesicht und Hals.

5. So läßt der Yogin einströmen

Den Hauch, der durch die Nase geht;
Nachdem der Hauch im Leib weilte,
Läßt er ihn langsam wieder aus.
"So läßt der Yogin einströmen den Hauch, der durch die Nase geht, nachdem der Hauch im Leib weilte, läßt er ihn langsam wieder aus." Zitat: Kshurika Up.

6. Durch stet'ge Moren festmachend

Den Hauch, erst in die großen Zehn,
Dann in zwei Knöchel, zwei Waden,
Drei rechte, drei linke[2], vertiefend sich,

7. Dann in die Knie und Schenkel,

Anus und Penis, zweimal drei,
Kehrt endlich in des Hauchs Standort
Er in der Nabelgegend ein.

8. Da ist die Ader Sushumna,

Viele Adern umgeben sie.
Zartrote, gelbe und schwarze,
Und hochrote bis dunkelrot.

9. Er aber in die feinzarte,

Weiße Ader soll schlüpfen ein,
In ihr der Lebenshauch aufwärts,
Wie am Faden die Spinne klimmt.

10. So kommt er zu des Purusha

Rotlotosgleichem, großem Sitz,
Den als "kleine Lotosblüte"
Vedanta-Texte schildern uns.

11. Durch ihn dringend zum Hals steigt er,

Immer in jener Ader, auf.
Dann greift zum Manas als scharfem,
Erkenntnisblankem Messer er,

12. Wetzt es und schneidet von Grund aus

Die Gestalten und Namen ab,
Und gibt durch Manas, das scharfe,
Für ewig sich dem Yoga hin.

13. Wie Indras Donnerkeil, rühmlich,

Preist als fest man Gelenk und Bein,
Bis er durch Denkkraft, durch Yoga,
Durch Fixierung sie schneidet ab.

14. Versetzend sich in die Schenkel,

Löst Hauch er und Gelenke ab,
Durch Yoga, wiederholt vierfach,
Ohne Zaudern sie schneidend ab.

15. Dann versammelt im Halsinnern

Der Yogin seiner Adern Schar,
Von ihnen hundert und eine
Gelten als die vortrefflichsten.

16. Wo zur Linken hält Wacht Ida

Und zur Rechten die Pingala,
Ist der Hauptort zwischen ihnen;
Wer den kennt, vedakundig ist.

17. Sushumna, staublos, einmündend

In Brahman, dem sie ist verwandt,
Ist das Kopfkissen, auf welchem
Die zweiundsiebzigtausend ruh'n.

18. Alles spaltet der Denk-Yoga,

Die Sushumna er spaltet nicht.
Mit der Yogakraft blitzscharfem Messer,
Das wie das Feuer glänzt,

19. Der Adern hundert soll spalten

Wer weise ist hienieden schon.
Und gleichwie mit Jasminblüten
Ein Kopfkissen wird parfümiert,

20. So die Ader mit Zuständen,

Gut-und-bösen, staffier' er aus.
Also bereitet zieht hin er,
Von künftiger Geburt befreit.

21. Darum, im Geist wohl bewußt sich,

Einen lautlosen Ort er wählt,
Befreit von Welthang und Rücksicht,
Wahr-Yoga-kundig nach und nach.

22. Wie der Vogel, den Strick brechend,

Ohne Furcht in die Lüfte steigt,
So die Seele, den Strick brechend,
Übersteigt den Samsara dann.

23. Wie die Flamme, gebrannt habend,

Beim Auslöschen zunichte wird,
So der Yogin, verbrannt habend
Alle Werke, zunichte wird.

24. Wer als Yogin mit dem Messer,

Durch Hauchzwang spitz, durch Moren scharf,
Gewetzt am Stein der Entsagung,
Den Strick durchschneidet, bleibt befreit.

25. Unsterblichkeit erlangt einer,

Der sich frei von Begierden macht,
Wer, von Wünschen sich lossagend,
Den Strick durchschneidet, bleibt befreit.

Fußnoten

  1. Vgl. Nadabindu v. 8-11, unten S. 644.
  2. "Jedesmal drei Hemmungen (Nirodhah) vollziehend" (Schol.).

Siehe auch

Literatur

Weblinks

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