Sankhya
1. Sankhya (Sanskrit: सङ्ख्या saṅkhyā und संख्या saṃkhyā f.) Zahl, Anzahl, Zählung; Zahlwort; grammatische Zahl (Numerus)
2. Sankhya (Sanskrit: सङ्ख्य saṅkhya und संख्य saṃkhya n.) Schlacht, Kampf
3. Sankhya (Sanskrit: साङ्ख्य sāṅkhya und सांख्य sāṃkhya n.) Klassifizierung, Aufzählung
- 1. dualistisches Philosophiesystem, eines der sechs orthodoxen Systeme (darshana)
- 2. in der Bhagavad Gita: Jnana Yoga
Sankhya im Sinne von Zahl
als Beispiel ein Vers aus den Sutras von Patanjali:
बाह्याभ्यन्तरस्तम्भवृत्तिर्देशकालसंख्याभिः परिदृष्टो दीर्घसूक्ष्मः ||2.50||
bāhyābhyantara-stambha-vṛttir deśa-kāla-saṃkhyābhiḥ paridṛṣṭo dīrgha-sūkṣmaḥ ||2.50||
(Die Atemregelung) besteht aus den Vorgängen (vritti) des Ausatmens, Einatmens und Anhaltens (stambha), und sie ist lang (dirgha) oder subtil (sukshma), wenn Ort (desha), Dauer (kala) und Zählung (saṃkhyā) beobachtet werden.
Anm.: Die Begriffe des Ausatmens und Einatmens lauten wörtl.: äußerliche (bahya) Atemfunktion (vritti), innerliche (abhyantara) Atemfunktion (vṛtti).
Sankhya als dualistisches Philosophiesystem
Der Urtext des Sāṅkhya ist die Sankhyakarika des Ishvarakrishna. Das jüngere Sankhyasutra, welches auf der Sankhyakarika basiert, wird dem Weisen Kapila zugeschrieben.
Es handelt sich um ein atheistisch geprägtes Philosophiesystem, welches über das reine Bewusstsein, die Seele (Purusha) und die Urnatur (Prakriti) handelt. Letztere bestehet aus den drei Gunas, den Grundeigenschaften der Natur. Demnach trennen sich Purusha und Prakriti, da Purusha die Welt erleben möchte und sich daher zunächst als Spandana (kosmische Urschwingung), dann als Prakriti manifestiert.
Purusha nimmt in der Welt mit ihren zahllosen Lebewesen Gestalt an. Durch die Identifikation mit der äußeren Welt und das Vergessen des wahren Wesens entsteht Leiden, Avidya (Nichtwissen). Das Sāṅkhya enthält daneben eine Theorie der Wahrnehmung und des Geistes und Methoden, wie die Identifikation überwunden werden kann: vivekakhyati (ununterbrochene Unterscheidungskraft), vairagya (Entsagung) und sakshibhava (reines Beobachten).
Eine Ausprägung des Sāṅkhya besagt, dass es so viele purushas gibt wie Seelen. Mit Beenden der Identifikation und Verhaftung kehrt jede Seele zu ihrem eigenen purusha, ihrer eigenen Bewusstseinsebene, zurück.
Sankhya aus der Sicht des Indologen Wilfried Huchzermeyer
Sankhya oder auch Samkhya wurde von Kapila begründet und stellt in der Philosophie Indiens eines der sechs Shaddarshanas (orthodoxe Systeme) dar. Die Sankhya Philosophie handelt von der kosmischen und der spirituellen Befreiungslehre. Weil in der Sankhya sogenannte Tattvas (Grundregeln, 25 Stück), aufgezählt werden, spricht man von Sankhya auch als Zahl, beziehungsweise Aufzählung, wobei es gleichermaßen auch um die "Ergründung" dieser Prinzipien geht.
Die Sankhyaphilosophie basiert hauptsächlich auf der Sankhyakarika des Ishvarakrishna. Diese stellt in Versform die "klassische Sankhyaphilosophie" dar. Anhand von 25 Tattvas wird hierin die Symbiose zwischen Mensch un dem Kosmos erklärt. Die wichtigsten Tattvas beziehen sich auf Prakriti und Purusha. Prakriti steht für die Natur und die unmanifeste Grundlage für die Vielfalt und Gesamtheit aller psychischen und stofflichen Formen der Erscheinung. Purusha repräsentiert das reine Bewusstsein oder den Geist. Da Leid und Schmerz nur auf der Prakriti Ebene vorhanden, wo eine Identifikation stattfindet. Mithilfe der Sankhya ist es möglich zu realisieren, dass Prakriti und Purusha voneinander getrennt sind, sodass eine Lösung von der Identifizierung möglich und die Befreiung von Leid und Schmerz stattfinden kann.
Die restlichen 23 Tattvas gehören zur Prakriti. Sie kommen aufgrund eines Ungleichgewichts der Gunas bei der Entstehung des Universums zum Vorschein. Weitere Tattvas werden in einer stetigen Verdichtung der von Grund auf zunächst unsichtbaren Elemente stufenweise gebildet. Dabei handelt es sich um Buddhi (auch Mahat genannt) und Ahamkara. Budhhi ist das Unterscheidungsorgan/die Vernunft und Ahamkara das "Ego", wodurch eine Trennung zwischen dem Ich und der Umgebung möglich wird. Aus Ahamkara entstehen die Sinne (11 Stück) und die Tanmatras (feinere Elemente).
Die Sinne lauten:
- Manas: "das Sinngebende Denken"
- Jnanendriyas: "die Fünf Erkenntnisvermögen": Sehen, Reichen, Schmecken, Fühlen, Hören
- Karmendriyas: Tavermögen (5 Stück): Gehen, Greifen, Sprechen, Zeugen
Die Tanmatras sind die "subtilen Energieformen":
- Sehen
- Geschmack
- Klang
- Berührung
- Geruch
Aus den Tanmatras gehen die Mahabhutas (grobe Elemente) hervor:
- Äther
- Luft
- Feuer
- Wasser
- Erde
Ayurveda: Sankhya und Vedanta in der Ayurveda Praxis, Vortrag mit Dr. Rhyner
Sankhya und Vedanta in der Ayurveda Praxis, ein aufschlussreicher Vortrag mit Dr. Hans Heinrich Rhyner, dem europäischen Ayurveda-Pionier. Was hat Philosophie in einer medizinischen Praxis zu suchen? - Die wichtigsten beiden Arbeitsmodelle der Ayurveda, wie Tridosha (Vata, Pitta und Kapha) und Triguna (Sattva, Rajas und Tamas) sind pragmatische Umsetzungen der Sankhya Philosophie. Vedanta löst die Frage jedes Menschen, der einen Arzt aufsucht, nämlich „Warum werde ich krank?".
Literatur
- Sankhya: Die heilige Lehre. Verlag World Teacher Trust, ISBN 3930637014
- Die Ayurveda Pflanzen-Heilkunde von Vasant Lad und David Frawley
- Das Yoga-Lexikon von Wilfried Huchzermeyer, ISBN 978-3-931172-28-2, Edition Sawitri.
- Spirituelles Wörterbuch Sanskrit-Deutschvon Martin Mittwede, ISBN 978-3-932957-02-4, Sathya Sai Vereinigung e.V.
Siehe auch
- Ayurveda
- Ayurveda Geschichte
- Ayurveda Philosophie
- Ayurveda Marma Massage
- Ayurveda Physiologie
- Ayurveda Konstitutionslehre
- Ayurveda Heilmittelkunde (Pharmakologie)
- Pranayama
- Yoga
- Darshana
- Purusha
- Prakriti
- Parinama
- Guna
- Evolution
- Ishvara
- Jnana Yoga
- Pradhana