Gnade
Gnade: (althochdeutschen ginada und mittelhochdeutschen genade, mit dem Wortstamm neth und dem indogermanischen *net und dem altindischen nath verwandt: um Hilfe bitten); außerdem göttliche Gnade (lat. gratia, griech. charis)].
Religionswissenschaftlich die Hilfe [eines] Gottes, in den prophetischen Religionen (z.B. Judentum, Christentum, Islam) vornehmlich als unverdiente Vergebung menschlicher Sünden, in den mystischen Religionen indischer Herkunft in erster Linie als Erlösung aus irdischer Vergänglichkeit. Der Hinduismus kennt den Erlösungsweg der "Hingebung" (Bhakti), der im vertrauenden Glauben an die Gnade eines monotheistischen Gottes besteht, der "Herr" (Ischwara) oder "Erhabener" (Bhagawan) genannt wird.
Innerhalb des Buddhismus ist die Japanische "Schule des reinen Landes" (Dschodo-schu) typische Vertreterin einer Gnadenreligion. Sie bekennt sich, dass allein die Gnade des Amida Buddha (Aamitabha) erlöse und aus dieser Welt zum "reinen Land" (Dschodo) führe. Die Grundposition des Islams ist gekennzeichnet durch das häufigste Attribut, mit dem der Prophet Mohammed im "Koran" das Wesen Allahs kennzeichnet, "der barmherzige Erbarmer".
Gnade ist die Bezeichnung für etwas Gutes, das kommt, ohne dass man es subjektiv gesehen verdient bzw. bewusst herbeigeführt hat. Gnade kann sein (1) die Güte Gottes, oft die verzeihende Güte Gottes (2) die Gunst eines sozial bzw. gesellschaftlich höher Gestellten gegenüber einen gesellschaftlich niedriger Gestellten (3) die Milde und Nachsicht in Bezug auf eine verdiente Strafe - man erlässt Gnade vor Recht. Gnade kommt vom althochdeutschen Ginada, göttliches Erbarmen, Hilfe und Schutz. Wir ruhen in Gottes Gnade - in göttlichen Armen.
Gnade - eine Tugend. Was versteht man unter Gnade? Was will man mit diesem Wort sagen? Wozu ist Gnade gut? Was sind Begriffe mit ähnlicher Bedeutung, was Begriffe mit entgegengesetzter Bedeutung zu Gnade? Wäre es wünschenswert, diese Eigenschaft zu kultivieren, stärker werden zu lassen? Dieser Yoga Wiki Artikel will dich auch zum Nachdenken anregen.
Gnade und eigene Anstregung als hilfreiche Tugend
Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Gnade ist ein wichtiger Begriff in allen spirituellen Traditionen oder mindestens in den meisten spirituellen Traditionen. Manchmal wird ja den fernöstlichen Traditionen vorgeworfen, dass sie meinen, man könnte sich das Heil selbst erarbeiten, selbst erwirken. Aber das stimmt so nicht, sondern es wird immer gesagt, spiritueller Fortschritt ist eine Mischung aus eigenem Bemühen und Gnade. Da gibt es Abhyasa, das ist das Bemühen, und es gibt Vairagya, das Loslassen, was darauf vertraut, dass Kripa, die Gnade, schon kommen wird. Und so geht das in allem, wir bemühen uns und manchmal muss man erkennen, aus eigener Kraft kriegt man es nicht hin. Dann wird man eben letztlich sich bemühen, so gut, wie man kann. Man kann nicht alles selbst erreichen, aber wir können uns bemühen. Und in diesem Bemühen, dort liegt dann auch die Eigenverantwortung. Und im Vertrauen auf göttliche Gnade liegt das Loslassen. Bei Yoga Vidya leben wir in Lebensgemeinschaften, die sich bemühen oder wo alle Mitglieder sich bemühen, ein Leben zu führen, das dem spirituellen Fortschritt förderlich ist. Und wir bemühen uns in jeglicher Hinsicht, unser Leben kreist um die so genannten vier „S“, Sadhana, Sattva, Seva und Satsang. Wir gehen regelmäßig in den Satsang, die Meditation, Mantrasingen, Arati, Lesung, jeden Tag nach Möglichkeit. Dort bemühen wir uns und dort setzen wir uns hin und wir öffnen uns, wir bitten um göttliche Gnade. Wir meditieren und wir bemühen uns, unseren Geist unter Kontrolle zu bringen, gleichzeitig lassen wir los, öffnen uns. Dann singen wir Mantras und mit den Mantras stimmen wir uns ein auf göttliche Gnade und Segen und hoffen und erwarten und bitten darum, dass wir die göttliche Gegenwart spüren. Wir verbinden uns mit anderen im Raum, mit den anderen Aspiranten und wir hoffen, dass wir auf diese Weise uns mit allen verbinden. Wir üben Sadhana, spirituelle Praktiken, z.B. Asanas, Yogastellungen, Pranayama, Atemübungen, eigene Meditation, Mantra-Rezitation, Pujas, Homas usw. Da können unterschiedliche Menschen Unterschiedliches üben und die gleichen Menschen probieren ja unterschiedliche Techniken aus. Auch hier wieder, bemühen und dann loslassen in der Hoffnung, Gottes Gnade ist spürbar. Sattva ist ein wichtiger Teil, reiner Lebensstil. Wir enthalten uns von dem Verzehr von Fleisch, Fisch, Alkohol, Drogen, Tabak und wir bemühen uns auch sonst, in der Sprache eine mitfühlende Sprache zu haben, in unserem Umgang miteinander freundlich zu sein, mit unseren Gästen, mit unseren Teilnehmern. Wir bemühen uns, aber wir sind nicht vollkommen. Wir wissen, wir bemühen uns und manchmal gelingt es uns besser, manchmal weniger gut. Und in diesem Loslassen und Vertrauen auf Gnade beruht auch wieder sehr viel. Angenommen, es würde einem gelingen, alles so umzusetzen, wie wir es denken, dann würde es ein dickes Ego geben. Aber gerade dadurch, dass wir wissen, wir können nicht alles aus uns selbst heraus machen, vertrauen wir auf Gnade. Und dann gibt es schließlich noch als vierten Punkt Seva, Seva heißt uneigennütziges Dienen, Seva heißt aber auch allgemein Praxis, Seva heißt, in einer spirituellen Lebensgemeinschaft zusammen mit anderen wirken. Und so wollen wir dienen, wir wollen engagiert dienen, wir wollen gut dienen, wir wollen uneigennützig dienen, wir wollen verhaftungslos wirken. Unser Ideal ist es, so zu leben, dass wir viel Gutes bewirken, dass wir aber gleichzeitig nicht haften an den Früchten unserer Handlungen, nicht haften an Ergebnissen, nicht haften an Lob, uns nicht ärgern über Tadel, über Kritik. Das ist nicht immer einfach und nicht immer gelingt es, gutes Seva zu machen, nicht immer gelingt diese Bedingungslosigkeit und diese Verhaftungslosigkeit. Auch hier gilt wieder, wir können es machen, so gut wir es können und anschließend loslassen. Und wir bitten um Gnade. Und manchmal ist das, was im Christlichen gerne gemacht wird, gar nicht so schlecht, wo wir sagen: „Oh Gott, ich kriege es alleine nicht hin, ich schaffe es nicht, meinen eigenen und den Ansprüchen, wie es in der Schrift steht, gerecht zu werden. Nur mit deiner Gnade komme ich dorthin. Bitte, hilf mir. Bitte, schicke mir dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten. Bitte, hilf mir, ich vertraue auf deine Gnade.“ In diesem Sinne, auch wenn du nicht in einer Lebensgemeinschaft wohnst, mache dir bewusst, spiritueller Fortschritt ist eine Mischung aus eigener Anstrengung und Gnade. Und so bemühe dich und vertraue dann auf die göttliche Gnade. Krishna hat z.B. in der Bhagavad Gita gesagt: „Jeder Mensch, der sich um Gutes bemüht, dem werde ich helfen. Egal, was du tust, bringe es Gott dar, vertraue auf göttliche Gnade, vertraue auf göttlichen Segen.“ Krishna hat auch gesagt: „Niemand, der sich für Gutes entschlossen hat und Gutes tut, wird jemals verlassen werden.“ Du musst also nicht perfekt sein, bemühe dich, Gottes Gnade wird dir weiter helfen.
Aussagen anderer zum Thema Gnade
Gebete Sivanandas
Das Bitten um Gottes Segen
- Oh barmherziger Gott!
- Die Zeit verfliegt. Die Sinne rebellieren.
- Der Geist springt umher. Maya führt in die Irre.
- Die drei Feuer brennen. Die fünf Leiden quälen.
- Freunde stören. Krankheiten plagen. Die Hitze des Sommers ist sengend. Fliegen, Moskitos, Käfer und Skorpione reizen.
- Der Zauber der Welt ist verführerisch. Ich kann weder meditieren noch mich konzentrieren.
- Ich kann auf dem spirituellen Pfad gar nichts tun ohne Deine gütige Gnade.
- Oh Herr! Du bist ein Ozean der Gnade. Segne mich.
- Wenn ich nur einen Tropfen aus dem Ozean erlange, wird er vertrocknen?
Die Suche nach Gott
- Oh anbetungswürdiger Gott!
- Die Menschen verkünden, dass Du Deenabhandhu, Deenanath, Kripa Nidham, Karuna Sagar, Anatha Rakshaka bist.
- Du hast Ahalya, Draupadi, Prahlad, Dhruva, Gajendra erretet, aber in meinem Fall hast Du nichts getan.
- Ich bin immer noch in Schmerz, Qual und Dunkelheit.
- Ich rufe laut nach Deiner Gnade und Hilfe.
- Oh Du abwesender Herr dieser Welt! Wohin bist Du gegangen?
Gott ist die Seel‘ meiner Seele
- Oh strahlender Gott!
- Der Fisch kann nicht ohne Wasser leben.
- Die Sonnenblume kann nicht ohne Sonne leben.
- Die Pativrata kann nicht ohne ihren Mann leben.
- Der Geist kann nicht ohne Prana leben.
- Die Flamme der Lampe kann nicht ohne Öl brennen.
- Und so kann auch ich nicht leben ohne Dich.
- Oh Herr, komm, komm, nimm Deinen Thron in meinem Herzen.
- Du bist das Prana meines Pranas.
- Du bist die Seele meiner Seele.
Gott ist die Seele des Universums
- Du bist Göttliches Licht.
- Du bist das Licht des Wissens.
- Du vertreibst die Dunkelheit.
- Du bist der höchste Guru.
- Du bist jenseits von Geist und Sprache.
- Du bist jenseits aller Begrenzungen.
- Du bist die Überseele.
- Du bist das Selbst des Universums.
- Du leuchtest aus Dir selbst.
- Du bist ohne Teile, ohne Handlung, ohne Glieder, ohne Makel oder Fehler, ohne Geburt und Tod.
- Du bist unser Vater, Mutter, Bruder, Freund, Guru, Verwandter und einzige Zuflucht.
- Du verkörperst Frieden, Glückseligkeit, Wissen, Macht, Stärke und Schönheit.
Was geschieht durch Gottes Gnade?
- Oh gnädiger Gott! Durch Deine Gnade ...
- ... möge ich die Wahrheit erkennen!
- ... möge ich immer erhabene Gedanken denken!
- ... möge ich mich als das Göttliche Licht verwirklichen!
- ... möge ich der Menschheit mit höchster Hingabe dienen!
- ... möge ich frei sein von Gier, Lust, Egoismus, Eifersucht und Hass!
- ... möge ich das eine süße unsterbliche Selbst in allen Wesen erblicken!
- ... möge ich Brahman mit reinem Verständnis verwirklichen!
- Möge dieses Licht der Lichter mich immer führen!
- Möge Er meinen Geist von allen Unreinheiten befreien!
- Möge Er mich inspirieren! Möge Er mir Kraft, Mut und Stärke verleihen!
- Möge Er die Schleier von meinem Geist beseitigen!
- Möge er alle Hindernisse auf dem spirituellen Pfad beseitigen!
- Möge Er mein Leben glücklich und fruchtbar machen!
- Ich verneige mich vor Dir, oh Gott der Götter, oh Herr der Herren, oh Brahman der Upanischaden, Unterstützer von Maya und Ishvara!
Biblische Aussagen
Die Gnade ist im Neuen Testament durch Jesus Christus geworden:
- Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Moses gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.
Die Gnade steht im Gegensatz zum eigenen Rühmen:
- Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
Die Gnade Gottes ermöglicht ein christliches Leben:
- Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, daß wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken.
Die Gnade Gottes ist unausschöpflich:
- Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, läßt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.
Die Gnade ist mächtiger als die Sünde:
- Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger geworden.
Das Wort Gnade
Gnade - Antonyme, Synonyme und andere Persönlichkeitsmerkmale
Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Gnade in Beziehung zu anderen Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Gnade - Synonyme
Ähnliche Eigenschaften wie Gnade, also Synonyme zu Gnade sind z.B. Wohlwollen, Vergebung, Erbarmen, Milde, Nachsicht, Begnadigung, Segen, Güte, Gottesgnade.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Gnade übertrieben kann ausarten z.B. in Lethargie, Passivität, Trägheit, Gleichgültigkeit . Daher braucht Gnade als Gegenpol die Kultivierung von eigenes Bemühen, aus eigener Kraft, Anstrengung.
Gegenteil von Gnade - Antonyme
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Gnade, Antonyme zu Gnade:
- Positive Gegenteile von Gnade, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: eigenes Bemühen, aus eigener Kraft, Anstrengung
- Negative Gegenteile von Gnade, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Ungnade, gnadenlos, Herzlosigkeit, Unduldsamkeit
Gnade Antonyme auf einen Blick
Direktheit Antonyme (Gegenteile) auf einen Blick:
- Gnade, also Gegenteile, sind eigenes Bemühen, aus eigener Kraft, Anstrengung, Ungnade, gnadenlos, Herzlosigkeit, Unduldsamkeit.
Siehe auch
Eigenschaften im Alphabet vor Gnade
Eigenschaften im Alphabet nach Gnade
Literatur
- Kostenloses Online-Buch Upanishaden von Swami Krishananda
- Klassische Upanishaden - Die Weisheit des Yoga von Paul Deussen, 1980
- Das Kronjuwel der Unterscheidung von Shri Shankaracharya, Kommentar von Emanuel Meyer, 2002
- Swami Vivekananda, Vedanta - Der Ozean der Weisheit
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
- Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis
- Swami Sivananda: Inspirierende Geschichten
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda: Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Licht, Kraft und Weisheit
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Die Wissenschaft des Pranayama
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Swami Sivananda: Göttliches Elixier
- Swami Sivananda: Götter und Göttinnen im Hinduismus
Weblinks
- Großes Yoga Portal
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