Stille
Stille ist die Abwesenheit von Geräuschen und sonstigen Klangphänomenen.
Stille
Buchbesprechung des Romans "Stille" von Tim Parks, Goldmann Verlag, ISBN 078-3-442-46222-3.
Diesmal hat Tim Parks einen Roman geschrieben. Die Hauptperson, Harold Cleaver, ist ein bekannter und erfolgreicher Journalist. Sein Sohn schreibt ein Buch, das offensichtlich von seinem Vater, also Harold Cleaver, handelt und aufdeckt, wie dieser wirklich ist. Das Buch des Sohnes heißt: "Im Schatten des Allmächtigen." Harold Cleaver steckt in der Krise und nimmt geradezu reißaus; lässt Frau, Familie, sein gesamtes Umfeld, Beruf und Öffentlichkeit hinter sich und zieht in ein entlegenes Dorf und schließlich eine einsame Hütte "über der Lärmgrenze" in Südtirol zurück. Er sucht die Stille und begegnet der Unruhe und den Konflikten in sich. Ein interessantes Buch, das uns zeigt, was uns erst mal erwarten kann, wenn wir in die Stille gehen, sei es in der berühmten Höhle im Himalaya, sei es in einer Hütte "über der Lärmgrenze" oder in der Stille, der Einkehr, der Meditation. Diesbezüglich wird auch von "dem Paradoxon der Meditation" gesprochen; in der Stille wird es bewegt und unruhig in uns. Aber keine Sorge, das geht auch wieder vorüber. (Devani)
Raum der Stille. Ein Erfahrungsbericht
Vor einigen Jahren bin ich mit einem Gast-Yogalehrer aus Amritsar auf eine kleine Sightseeing Tour durch Berlin gegangen. Wir klapperten die üblichen Hot Spots im Zentrum ab, an denen ich als Berliner wie selbstverständlich vorübergehe. Sightseeing gehört weiß Gott nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Denkmäler, Museen, Touristenschwärme und ein Lärmpegel wie auf einer Baustelle (die Berlin ja irgendwie immer ist). Am Brandenburger Tor halten wir inne und sehen auf der rechten Seite einen kleinen Aufsteller, auf dem geschrieben steht: Raum der Stille – Room of Silence. Ohne einen Augenblick zu verlieren zieht es meinen verehrten Gast und mich wie von selbst zur Eingangstür. Wir kommen zunächst in ein kleines Foyer, an dessen Wand in zahlreichen Sprachen und Schriften das Wort „Frieden“ steht. Ich atme tief aus. Die Dame am Empfang weist uns freundlich den Weg zum Eingang in den Raum der Stille. Wir treten ein und es ist – mitten im Herzen von Berlin – still. So still, dass es beinahe unwirklich wirkt. Eine wohlige Kühle umgibt uns, ohne kalt zu sein. Die Hitze des brüllenden Sommers klingt ab. Außer uns sind noch zwei andere Menschen im Raum, die bewegungslos auf einem der runden Sitzkissen verharren. Jeder von uns sucht sich einen Platz und genießt und erfährt die Stille auf seine Weise. Hier gibt es nichts zu sehen und nichts zu tun. Die Antithese zum Tourist sein, zum im Außen der Sinne sein. Hier sind wir drinnen, mitten im Auge des Wirbelsturms Berlin. Der Raum um uns wird zum Raum in uns. Nach einer unbekannten Zeitdauer verlassen wir gemeinsam den Raum. Zum Abschied tragen wir uns in das dicke Gästebuch ein, in das sich schon Tausende vor uns eingetragen haben und es noch Tausende nach uns tun werden. Mein Gast schreibt für den Raum der Stille das Wort „Frieden“ in Gurmukhi nieder, auf dass es vielleicht später zu den vielen anderen „Frieden“-Worten in den unterschiedlichen Sprachen an der Wand ergänzt werden kann. Der Raum der Stille ist Teil des Berliner Brandenburger Tors und existiert seit 1994. Es gibt nichts Heiligeres als die Stille. Er ist ein heiliger Ort, welcher an keine Konfession oder Glaubensrichtung gebunden ist. Er steht allen Menschen täglich zur inneren Einkehr und Erfahrung der Stille offen. Er ist ein Symbol für Toleranz, Frieden und Menschsein. In der Stille sind wir alle Eins. Bisher haben ihn über 1 Million Menschen aus aller Welt besucht.
Stille erleben
Stille ist etwas Besonderes geworden in unserer hektischen Welt. Oft machen uns erst Klänge der Natur, wie das Geräusch des Windes oder das Rauschen des Meeres, auf die Abwesenheit von Zivilisationslärm und menschlichen Stimmen aufmerksam. Tritt einmal wirklich Stille in unser Leben, dann können viele überhaupt nicht damit umgehen. Es meldet sich sofort die innere Unruhe und das Gefühl, etwas tun zu müssen, etwas zu bewegen, produktiv zu sein.
Stille auszuhalten, ist erst einmal nicht einfach. Helfen kann uns dabei der Atem. Die Achtsamkeit auf den Atem und das Immerwiederzurückkommen zum Atem bringt unsere Gedanken, unsere Emotionen, unseren Geist zur Ruhe. Patanjali sagt: Yoga ist das Zur-Ruhe-bringen der Gedanken im Geist. Üben wir, so oft es uns möglich ist. Gelegenheiten gibt es viele. Und unseren Atem haben wir immer dabei.
Still sein und der Seele lauschen
Artikel von Saskia Luick, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 27, Herbst 2013
Wissenschaftler haben mit einer hochempfindlichen Waage festgestellt, dass ein Mensch im Übergang vom Leben zum Tod einige Gramm leichter wird – 18 Gramm. Das soll also die Seele wiegen? Auch wenn wir das glauben würden, so wissen wir noch lange nicht, was die Seele ist.
Göttlicher Funke? Wesenskern? Teil des Absoluten? Ein Yogi würde seine Seele in der Tat als Teil des Absoluten, als unveränderliches Bewusstsein beschreiben. Das kann man sich vorstellen wie einen Regentropfen, der über Verdunstung, Wolken, Regen aus dem Ozean entsteht und wieder in ihn mündet. Der Regentropfen ist vom Ozean getrennt, aber dennoch nicht von ihm verschieden.
Nun ist dies ein schönes Gedankenspiel – aber bekomme ich dadurch einen Zugang zu meiner Seele?
Dazu eine Anekdote: Meine kleine Nichte bekam auf einer Feier ein Hasenbuch geschenkt. Sie freute sich sehr und betrachtete mit riesigen Augen das Geschenk. Ihr Vater mahnte sie sofort, brav ‚Danke‘ zu sagen. Da empörte sie sich mit den Worten „Aber ich habe mich doch noch gar nicht zu Ende gefreut!“
Wir können unseren Wesenskern, unsere Seele betrachten wie ein Kind – authentisch, unverstellt, noch fern von rationalen Konstrukten („Es gehört sich ‚danke’ zu sagen!“). Denn unsere Seele ist der Ursprung von der bloßen Freude am Sein.
Dieses Sein ist ein Geschenk, selbst wenn die äußeren Umstän - de mich unglücklich machen oder mein Körper schmerzt. Meine Seele ist weder mein unglückliches Ego, noch mein schmerzender Leib. Meine Seele ist das, was mich existieren lässt jenseits von Kategorien wie Raum, Zeit, Ursache-Wirkung. Ein Kind lebt im Jetzt und meine Nichte freut sich nicht nur über ein Geschenk, sondern sie befindet sich mit ihrem ganzen Sein in Freude. Das ist ein viel tieferer Zustand als jene Freude, die der Verstand als Reaktion auf eine Ursache auslöst. Hin zur Seele bedeutet also weg vom Kopf und dem Verstand, weg vom Körper und den Sinnen.
In einer alten Schrift von Patanjali heißt es: „Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken im Geist.“ Seinen Verstand zum Schweigen zu bringen und zu launischen, ob das innere Kind freudig gluckst oder vielleicht traurig seufzt – vielleicht nicht der klassische Begriff von Meditation, aber dennoch ein wichtiger Schritt hin zu dem Zustand, den man in der Meditation erreichen will. Eins-Sein mit dem Absoluten, dem Ozean, aber zunächst auch Regentropfen sein und sein eigenes Wesen erkennen – der Stoff, aus dem das Absolute gemacht ist.