Meditation im Alltag

Aus Yogawiki

Vortrag zum 18. Kapitel der Bhagavad Gita, eine Übersetzung eines Vortrags von Swami Chidananda, Schüler von Swami Sivananda.

Meditation im Alltag.

Meditation im Alltag

Geliebter unsterblicher Atman. Gesegnete Kinder des Göttlichen. Unsterbliche pilgernde Seelen, die vorübergehend in einem Zustand der körperlichen Verkörperung sich befinden mit psychologischen Grenzen und Beschränkungen. Während dieser kurzen Erden-Pilgerreise seid ihr sehr glücklich, dass ihr während dieser Inkarnation nicht nur pilgernde Seelen seid, sondern dass ihr auch suchende Seelen seid. Schon so viele Male seid ihr gekommen, so viele Male seid ihr wieder gegangen. Gott gibt einen Hinweis darüber zu Arjuna. Krishna sagt in der Bhagavad Gita: „Ich werde dir dieses uralte, geheime Wissen geben, das Wissen des Höchsten, das ich schon Manu und anderen weisen Königen der Ikshvaku-Dynastie erzählt hatte. Und jetzt werde ich es dir erzählen.“

Das Wissen des Höchsten

Arjuna fragt: „Wie soll ich das denn verstehen? Du und ich oh Krishna, wir sind vor kurzem geboren worden. Aber diese Wesen, die in diese geheime und heilige Wissenschaft eingeführt worden sein sollen, sie lebten doch vor vielen Zeitaltern. Wie kannst du sie gelehrt haben?“ Und Krishna antwortet auf diese Frage: „Oh Arjuna, das ist nicht das erste Mal, dass wir hier sind, du und ich. Viele Male waren wir schon vorher hier. Ich kenne all diese Zeiten, ich bin immer wieder erschienen, und ich habe dieses große Werk vollbracht. Aber du hast vergessen, dass dieses Wissen schon häufig gegeben wurde. Es ist eine große Gnade. Wenn du all deine vergangenen Inkarnationen kennen würdest, dann wäre es dir unmöglich zu leben. Du würdest all das erinnern, was andere dir zugefügt haben und was du ihnen zugefügt hast, und es gäbe so viele emotionale Verwicklungen.“

Glücklicherweise sind die vergangenen Leben ein geschlossenes Buch und so gibt es dieses Muster seit Beginn der Schöpfung. Man kommt in die Existenz, man bleibt eine Weile hier und geht wieder, um dann wieder zu kommen. Aber dann gab es Zeiten, wo alles Milch und Honig erschien. Da käme man wieder und wieder und würde denken, dass alles sehr schön ist. Es wäre aber gar nicht schön, wenn alles immer nur schön wäre, denn dann würden wir ja immer wieder kommen wollen. Und so hat es Gott gemacht, dass dieser phänomenale Prozess von Schöpfung, Erhaltung und Auflösung nicht nur schön, sondern auch unschön ist. Letztlich sagt Krishna zu Arjuna: „Oh Arjuna, diese Welt hier ist eine Welt der Sorge.“

Sinnesvergnügen

Achtes Kapitel, 15. Vers Dukkha alayam asasvatam – Dieser Ort ist ein Ort der Sorge und des Leides. Warum? Hier ist alles vergänglich, voller Sorgen. Und daher gibt es keine dauerhafte Freude. Vergnügliche Berührungen ja, aber wirkliches Glück gibt es nicht. Vergnügliche Berührung ist eine Reaktion unseres Nervensystems auf externe Reize. Es gibt Vergnügen wegen dem, was man sieht, je nachdem, wie die optischen Nerven funktionieren. Es gibt Vergnügen, wenn man etwas berührt oder wenn man berührt wird. Auch das hängt dann wiederum vom Netzwerk der Nerven ab, die mit dem Berühren zu tun haben. Genauso gibt es wunderbare Erfahrungen, vergnügliche Erfahrungen, wenn man schönen Dingen zuhört. Das hängt mit den auditorischen Nerven zusammen. Menschen haben auch Vergnügen, wenn sie gute Gerüche wahrnehmen, das hängt mit den olfaktorischen Nerven zusammen. Und es gibt vergnügliche Erfahrungen, die durch den Geschmackssinn kommen. Wenn alle Sinne gut funktionieren, dann hat man diese vorübergehenden vergnüglichen Erfahrungen.

Aber sie sind niemals dauerhaft, man kann sich nicht auf sie verlassen. Denn wenn irgendetwas in deinem System nicht richtig funktioniert, dann wird dir das, was dir normalerweise Vergnügen bereitet, nicht die gleiche Erfahrung geben. Wenn etwas mit deinem zentralen Nervensystem nicht mehr richtig funktioniert, dann kannst du überhaupt nichts wahrnehmen. Es ist eine einfache Analyse von dem, was wir Vergnügen nennen - Sinnesvergnügen.

All das ist nichts als etwas Vorübergehendes, ein Phänomen des Prozesses von irgendwelchen Nervenstimulierungen, durch die äußere Berührungen, Reize, durch das Nervensystem ins Hirn gebracht werden und dort zu einer bestimmten Art von Empfindung führen. Das ist das, was die Erfahrung auf der menschlichen, physischen, Ebene ist - durch die fünf Sinne sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken. Das ist aber noch kein Geisteszustand. Der Geist mag auf diese Sinneseindrücke reagieren, er mag sie für gut oder nicht gut halten. Wenn der Geist mit der Form des Ja-Etiketts reagiert, dann nennen wir das Vergnügen: Ich genoss das, es war wunderschön. Und wenn der Geist in Form von nein darauf reagiert, dann genießen wir es nicht, wir mögen es nicht mehr, leiden darunter und etikettieren es als Schmerz.

Wahre Freude

Der höchste Zustand ist der Zustand vollkommener Wonne.

Das ist die gesamte Anatomie einer großen Bandbreite von Erfahrungen, die der Mensch macht. Vom dem Moment an, in dem er aus dem Tiefschlaf aufwacht und dann die ganze Welt als Rupa – Form -, Rasa – Geschmack -, Shabda – Klang –, Sparsha – Berührung – und Gandha – Geruch – erfährt. Das geht weiter, bis man einschläft und das äußere Universum verschwindet. Wenn die fünf Wahrnehmungsorgane im Tiefschlaf aufhören zu funktionieren, geht man in einen anderen Zustand über. Dann verschwindet das gesamte äußere Universum mit all seinen unendlichen sogenannten Vergnügungen; all diese Objekte existieren für uns dann nicht mehr. Das äußere Universum ist dann weg. Jeden Tag denken wir, dass wir unser Vergnügen durch äußere Dinge bekommen, und dass diese uns Glück bringen. Aber wer denkt schon einen Moment nach, was Glück überhaupt ist? Was ist genau das, was ich hier zu finden suche? Was ist unsere Definition dieses Konzepts von Glück? Wahre Freude – das ist letztlich ein innerer Geisteszustand. Und alles, was davon abhängt, hat schon seine Freiheit verloren und ist in einem Zustand der Sklaverei. Wenn wir Glück also als Geisteszustand definieren und alles andere davon abhängt, sind wir letztlich ein Sklave des Geistes.

Gott hat dieses Universum geschaffen und er weiß natürlich, alles ist gut. Gott in der Gestalt von Krishna sagt: „Oh Arjuna, diese Welt ist ein Ort der Sorge und der Trauer.“ Wenn man in diese Ebene von Asukha kommt, von Trauer/Sorge, wenn du wirklich Glück suchst, dann suche es da, wo es tatsächlich ist. In dem ewigen kosmischen Prinzip, das sich niemals verändert, ist die wahre Natur der Wonne. Dieses ewige Element Nitya Tatva nennen wir Bhagavad – Gott –, Parabrahman – das höchste Brahman –, Nirvana, und die Jains nennen es Siddha Avastha – vollkommener Zustand. Wir können es das Königreich Gottes, Jehova, Jahwe, Adonai, Allah, Ahura Mazda, Tao und Satori nennen. Es spielt keine Rolle, welchen Ausdruck man verwendet. Der höchste Zustand ist der Zustand vollkommener Wonne. Dort werden alle menschlichen Bestrebungen erfüllt, alle Bestrebungen, die man seit Beginn der Schöpfung gehabt hat. Hier ist hundert Prozent absolute Wonne.

Erbe des ewigen Ruhmes

Krishna sagt in der Bhagavad Gita, 9. Kapitel, 33. Vers: „Anityamasukham lokamimam praapya bhajasva maam - Die Welt um dich herum ist geschaffen worden durch meine Maya und sie wird aus allem geschaffen und erscheint sehr attraktiv.“ Wenn du inmitten dieser attraktiven Objekte leben, Tag für Tag durch sie hindurch gehen, zur gleichen Zeit nicht verwirrt sein und deinen Weg nicht verlieren willst, dann mache Gott zu deinem Ziel. Mache Gott zu deinem ein und alles. Lebe für das Erreichen Gottes. Mache all deine anderen Arbeiten, aber wisse, das ist zweitrangig. Du bist nicht hier her gekommen, um Arbeiten zu erledigen. Du bist geboren für größere Dinge.

Du bist Erbe des ewigen Ruhmes. Denn du bist ein Teil Gottes. Dafür will ich dir sagen: „Daivii hyeshhaa gunamayii mama maayaa duratyayaa. Maameva ye prapadyante maayaametaam taranti te. – Meine Maya ist sehr schwierig und außergewöhnlich großartig, aber wer Zuflucht sucht in mir [sagt Krishna] wird einfach diese große Samsara Sangara, den Ozean von Samsara, übertreten, überwinden (7. Kapitel, 14. Vers, Baghavad Gita).“ Genauso wie man über eine kleine Pfütze, die durch die Fußabdrücke einer Kuh geschaffen wurde, hinübertreten kann, gilt es den Weg zu gehen, der zu gehen ist. Mache mich zu deinem Ziel - was soll das heißen? Erfülle deine Pflichten, erfülle deine Aufgaben. Mache all das, was getan werden muss – Kartavya Karma. Aber die großartigste aller Aufgaben ist es, deine göttliche Bestimmung zu erfüllen. Und das ist das Erreichen des höchsten Wissens, deiner wahren Identität, deines wahren Wesens. Gottes Gnade, Gottes Licht kann dabei jegliche Form annehmen.

Maharishi Tagore

Der große Maharishi Tagore war der Vater von Gurudev Rabindranath Tagore, und er hatte eine außergewöhnliche Erfahrung. Zu ihm kam das Licht in einer ganz außergewöhnlichen Weise. Er wartete auf einen Fährmann, der ihn über einen Fluss rudern sollte. Der Fährmann war mit anderen Menschen auf die andere Seite des Ufers gefahren, und so musste Maharishi Tagore warten, bis er zurückkam. Er war ein Mystiker, er sah den Staub auf den trockenen Blättern, er sah andere Dinge, und dann sah er ein kleines Stück Papier, das gelandet war, beugte sich nieder und nahm es auf. In diesem Moment berührte ihn Gott, denn dieses Stück Papier war eine zerrissene Seite der Ishavasya Upanishad, auf der die erste Shloka - also die erste Strophe - der Upanishad geschrieben stand.

All das, was auch immer sich im Universum bewegt und all das, was sich nicht bewegt, wird bedeckt und durchdrungen von Gott. Als Shri Rabindranath Tagore das gesehen hatte, erreichte es ihn wie eine großartige Erleuchtung. Ein großes Licht erstrahlte in seinem Geist. Er war nicht mehr das gleiche Wesen. Die Augen, die vorher die Welt als ein Objekt wahrgenommen hatten, das Universum als unbelebte Materie, war von dem Moment an etwas ganz anderes. Als er die bestimmte Textstelle gelesen und immer wieder gelesen hatte, wurde auf einmal der Schleier von seinem Geist und seinem Intellekt, weggerissen. Er erhob seinen Kopf, und was er sah, war nicht mehr irgendetwas Materielles, irgendetwas Unbelebtes. Was er wahrnahm, war die höchste Wirklichkeit Ishvahra Tatva Ota Protha. Ishvahra ist die Essenz von allen Elementen. Er sah den göttlichen Geist manifest in allem, was seine Augen wahrnahmen. Von dieser Zeit an erkannte er, dass er in Gott und Gott in ihm war, dass es keinen Unterschied zwischen Gott und ihm gab. Er erkannte, dass er das bis zu diesem Zeitpunkt nicht verstanden hatte, dass er bis zu diesem Alter immer in Gott gelebt, es aber nicht erkannt hatte. So stand das gesamte Universum in einem ganz anderen Licht vor ihm. Und so kam Gott in sein Leben und berührte ihn. Es war die Gnade Gottes, welche den Wind blasen ließ und ihn diese Wahrheit über das Universum gebracht hat.

Gottes Gnade

Mein Ursprung ist Gott, ich bin eins mit ihm.

Gott kann kommen durch das Zuhören in einem Vortrag, indem man ein Buch liest, durch das Zuhören einer Unterhaltung zwischen zwei Menschen, aber auf die ein oder andere Weise ist es die Gnade, die in unser Leben kommt und uns verändert, von einem einfachen Pilgernden zu einem Suchenden. Wenn du eine pilgernde Seele bist, dann gehst du den Weg, wie die anderen ihn auch gehen. Und du weißt nicht, wo dieser Weg hinführt. Du folgst einfach dem Muster aller anderen um dich herum und wie es seit Generationen um Generationen dein Vater, Großvater, Urgroßvater und Mutter, Großmutter, Urgroßmutter usw. gemacht haben und alle anderen, die du kennst. Aber wenn Gottes Gnade erleuchtet, wenn Gottes Gnade zu strahlen beginnt, dann erkennen wir, das ist nicht alles, ich bin mit einem definitiven Ziel hier in diese Welt gekommen. Ich bin hier her gekommen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und das Ziel des Lebens ist eben, dass wir die höchste Erfahrung erreichen wollen. Denn genau das ist das spezifische Ziel, der Zweck des Lebens, nichts weniger als die Verwirklichung deiner ewigen Beziehung mit der kosmischen Quelle, deiner ewigen Wohnstätte, die Wurzel und der Ursprung deines Wesens.

Körperlich, geistig, psychologisch magst du vielleicht ein menschliches Individuum sein, du magst deinen Ursprung haben in einem menschlichen Zuhause, aber in Wahrheit wohnst du in dieser menschlichen Persönlichkeit. Sage dir immer wieder: „Ich bin zeitlos, ich bin alterslos, ich gehöre nicht diesem materiellen Universum. Mein Ursprung ist Gott, ich bin eins mit ihm. Er ist mein Adi - mein Ursprung, Matya – meine Mitte, und Anta – mein Ende. In ihm habe ich mein ganzes Sein, in ihm, dem Göttlichen, lebe ich mein ganzes Leben. Und ich will bewusst daran arbeiten, dass ich dieses großartige Schicksal erfülle und dafür habe ich dieses Bewusstsein, diese Bewusstheit. Ich bin hier hergekommen mit einem Ziel.“

Die Erkenntnis des Selbst

Leben ist eine wunderbare goldene Gelegenheit, die uns gegeben wird, um die großartige Bestimmung zu erreichen. Und diese Bestimmung ist Atman Jnana – die Erkenntnis des Selbst. Die Bestimmung ist die Verwirklichung der unveränderlichen Wirklichkeit, die hinter dem Panorama der immer wieder sich verändernden Namen und Formen verborgen ist. Alles hier ist vorübergehend. Es kommt und es geht. Aber es gibt etwas, das sich niemals verändert. Inmitten all dieser vorübergehenden, sich verändernden Erscheinungsformen gibt es eine ewig gegenwärtige Wirklichkeit. Diese zu erfahren, das ist die goldene Chance, die goldene Gelegenheit, die mir gegeben wurde.

Im 13. Kapitel sagt Krishna: „Nur der sieht wirklich, der die ewige Wahrheit in allen nicht ewigen Erscheinungsformen sieht.“ Sat Chid Ananda – Sein, Wissen und Glückseligkeit – ist verborgen hinter Nama und Rupa – hinter Namen und Form –, hinter den sich immer wieder verändernden Schleiern, die alles verbergen. Hinter diesen Schleiern gibt es nichts anderes, als das leuchtende Prinzip des Bewusstseins, und die Quintessenz von absoluter Wahrheit. Diese Sat Chid Ananda Tatva – dieses reine Prinzip von Sein, Wissen und Glückseligkeit –, das ist mein Ziel. Ich muss durch diesen Schleier hindurch schneiden, und ich muss die höchste Wahrheit erreichen. Diese Bewusstheit wurde dir gegeben, und daher inmitten allem Vyavahara – inmitten all deiner weltlichen Aktivitäten – kultiviere diese Sehnsucht. Kultiviere diese große Sehnsucht, ich muss diese Wirklichkeit erfahren, ich muss sie erkennen. Deshalb hat Gott mich einen Menschen gemacht. Deshalb habe ich diese besondere Fähigkeit zu denken, zu fühlen, zu überlegen, zu verstehen, zu analysieren, nachzudenken und letztlich zu verwirklichen, zu erfahren.

Unter allen lebendigen Wesen, die Gott geschaffen hat, ist der Mensch einzigartig in der Fähigkeit, bewusst nach Gott zu streben. Daher will ich dieser besonderen Gabe gerecht werden. Ich werde meinen Intellekt verwenden, meinen Geist, mein Herz, um zur höchsten Verwirklichung zu kommen. Dieses Erwachen ist ein Erwachen zu einer Dimension deines Wesens jenseits der offensichtlichen, physischen Dimension. Und auch jenseits der psychologischen Dimension.

Ein Geschenk Gottes

Natürlich, niemand hat jemals den Geist gesehen. Geist, Denken, ist letztlich nur ein Konzept. Man sagt, dass dieser Denkprozess ein Phänomen des Geistes ist. Ich denke, ich erinnere mich, ich plane, ich überlege. All diese Prozesse sind nur deshalb möglich, weil es dahinter etwas gibt, das man Geist nennt. Man hat durch Schlussfolgerung auf den Geist geschlossen. Du glaubst, dass es da etwas gibt, eine Fähigkeit, eine Persönlichkeit, die du niemals gesehen hast. Niemand hat jemals den Geist oder die Psyche gesehen und gesagt: „Ah, da ist der Geist, da ist die Psyche.“ Man mag das Gehirn sehen, und auch die Super-Wissenschaft heutzutage und der wissenschaftliche Fortschritt haben uns in die Lage versetzt, vieles zu sehen: Hirn, Hirnfunktionen und so weiter. Aber den Geist selbst hat noch niemand gesehen. Du magst die Alpha- und Beta-Impulse sichtbar machen und du magst wunderbare Hirnscan Bilder machen können, aber das sind die Funktionen des Gehirns; der Geist selbst ist eine mysteriöse Sache.

Der Geist ist etwas, das noch niemand gesehen hat, aber trotzdem ist er alles. Dieser Geist ist das, was dich dazu macht, was du bist. Du bist die Fähigkeit von Denken, Nachdenken, Dich-Erinnern, Die-Zukunft-Planen und dir Einbilden. All diese wunderbaren komplizierten Dinge sind ein Geschenk Gottes, und deshalb bist du ein Mensch. Damit ausgestattet denkst du, da muss es etwas geben, eine Dimension, von der ich noch nicht wusste, dass sie existiert. Es gibt Menschen, die diese höchste Dimension erfahren haben und jenseits alles Begrenzten gegangen sind. Sie haben sich selbst erfahren als das Zentrum der höchsten Wirklichkeit. Wenn du so nachdenkst, dann wirst du zu einer suchenden Seele. Der Mumukshutva – dieses intensive Verlangen nach Befreiung, diese Sehnsucht nach höchster Wirklichkeit – ist letztlich auch ein Geschenk Gottes.

Der Weg zur höchsten Verwirklichung

So habe ich jetzt das Privileg, vor einer Reihe von irdischen Pilgern zu sitzen, die erkannt haben, dass es ein göttliches Schicksal gibt, eine göttliche Bestimmung. Leben hat einen göttlichen Zweck, der jenseits der Erd-Ebene liegt. Leben ist dieses besondere Geschenk Gottes, das uns dazu in die Lage versetzt, den höchsten Bewusstseinszustand zu erreichen, der uns für immer von allen schmerzhaften Erfahrungen befreit und der uns hilft, jenseits allen Leidens zu gehen, welches dieses Erdenleben ausmacht. Dieses Erdenleben ist eine Leiter zum höchsten Segen, zur höchsten Freude. Darin liegt seine große Natur und sein großer Sinn. Es ist daher wert, alle Hochs und Tiefs des irdischen Lebens auszuhalten – die verschiedenen Probleme, Schmerzen und Leiden. All das wird zu einem Spiegel, wenn du erkennst, dass es hier eine wunderbare Chance gibt, die dir gegeben wurde.

Du gehst durch all das, denn das ist die besondere Gelegenheit zu wachsen. Über die Erfahrungen des irdischen Lebens, über Leiden und Sorgen kannst du aufsteigen, du kannst aufsteigen zu deinem ursprünglichen, glorreichen Zustand von Freiheit und Furchtlosigkeit. Du kannst absolute Freiheit und Wonne erfahren. Daher kannst du dir innerlich sagen: „Ich werde mich mit allem abfinden, ich werde gerade nach vorne gehen, ich werde streben nach dem großen Ziel, so wie ein Pfeil vom Bogen abgeschossen wird. Ich werde mein ganzes Leben eine ununterbrochene Suche haben. Ich werde bestimmt sein, ich werde aushalten, ich werde durchhalten. Ich werde in diesem Leben, in diesem Körper, alles tun, um die höchste Gottverwirklichung, die Selbstverwirklichung, zu erreichen.“ Sage dir das jetzt nochmals, sage dir klar: „Ich werde mit allem umgehen lernen. Ich werde aus meinem Leben einen geraden Weg zur höchsten Verwirklichung machen.“

Das höchste Wesen erfahren

Indem du dieses Ziel hast, die höchste Wirklichkeit zu erfahren, bist du zum Sadaka geworden, zum spirituellen Aspiranten und zum Gottesverehrer. Als soche/r musst du auch Sadhana – spirituelle Praktiken – üben. Und du musst es in diesem irdischen Leben tun, mit all seinen unausweichlichen Komplikationen. Und hier ist der großartige Wert der Shrimad Bhagavad Gita. Die Bhagavad Gita ist vor allem eine Lehre der höchsten Verwirklichung, der Vervollkommnung und der Befreiung durch rechtes Handeln. Du kannst das höchste Wesen erfahren durch Liebe, durch Gebet, durch Hingabe, durch Verehrung. Das ist Bhakti Yoga.

In den verschiedenen großen, lebendigen Religionen der Welt gibt es einen mystischen Zweig, in dem Gott verwirklicht wird, in dem man die Sinne beherrscht, in dem man den Geist zurückzieht, in dem man sich in Konzentration auf die höchste Wirklichkeit übt. Das ist Dhyana Yoga. Aber du kannst nicht in einem Raum sitzen und 24 Stunden lang Dhyana – Meditation – üben. Der Hunger wird dich immer wieder dazu zwingen, rauszukommen. Und selbst wenn dein Hunger dich nicht dazu zwingt, dann werden deine Verwandten dir nicht erlauben, so einfach herumzusitzen. Sie werden sagen: „Was machst du da? Geh zur Arbeit und sorge dafür, dass wir etwas zu Essen haben!“ Das hat letztlich Radnaka dazu gebracht, ein Räuber zu werden.

Radnaka, der später zum Valmiki wurde, hatte einen Stamm, in den er eingeheiratet hatte. Er dachte, er würde von nun an ein schönes, bequemes Leben im Wald führen. Aber seine Frau sagte: „Du hast mich geheiratet, jetzt ist es deine Aufgabe, deinen Lebensunterhalt zu verdienen und die Familie zu ernähren.“ Er sagte: „Wie soll ich denn etwas verdienen? Ich bin nicht Teil deines Stammes. Ich bin nicht geschickt darin, das zu tun, was die anderen machen.“ Und sie sagte: „Das ist letztlich dein Problem. Du musst gehen und irgendwo dafür sorgen, dass wir etwas zu Essen haben.“

Geschick im Handeln

Krishna und Arjuna in der Bhagavad Gita

Im 3. Kapitel, 5. Vers der Bhagavad Gita sagt Krishna: „Es ist unmöglich für ein verkörpertes Wesen ohne Handlung zu bleiben. Handlung ist Teil der Natur von Rajas, wir müssen handeln. “ Aber wenn du handelst – aus Wunsch heraus, aus Ego, aus Unwissenheit –, dann wird sie dich binden. Wenn du mit Weisheit handelst und dabei weißt, ich bin einfach nur der Beobachter, und die Handlung, die geschieht, geschieht durch eine Kombination von Faktoren, dann wird sie dich nicht binden. Ich, das Bewusstsein, bin nicht Teil davon. Ich bin etwas, das jenseits ist, in einer anderen Dimension, ein anderes Element. Daher bin ich inmitten aller Aktivität nicht der Handelnde. Wenn du weißt, dass du das alles tun kannst, ohne zu denken, dass du der Handelnde bist, dann wird die Handlung dich nicht binden. Die Bhagavad Gita ist eine ganz besondere Schrift über Geschick im Handeln.

Wenn du mit diesem Geschick handelst, dann wird die Handlung dich nicht binden. Mache das höchste Wesen zu deinem einzigen wirklichen Ziel im Leben. Dann wird es auch keine Wünsche mehr für die anderen, kleinen Dinge hier geben. Wenn der Wunsch aus der Handlung heraus gebracht wird, wenn du weißt, was der Wert aller Dinge in dieser Welt ist, dann kannst du loslassen. Alles, was du hier tust, hat irgendeinen Nutzen. Du befriedigst irgendein Bedürfnis dieses physischen Körpers. Wenn es kalt ist, dann ziehst du eben einen Pullover an. Wenn der Sommer kommt, dann ziehst du den Pullover aus und nimmst stattdessen ein dünneres T-Shirt. Nichts in dieser Welt hat irgendeinen inhärenten Wert in sich selbst. Wenn du das verwirklichst, dann wird die äußere Welt aufhören, dich anzuziehen, und du bist in einer Stellung, durch das Leben hindurch zu gehen. Und du kannst alles tun, was zu tun ist und dabei verhaftungslos bleiben. Das ist das Herz und das Zentrum der Philosophie der Bhagavad Gita. Das sind die Lehren, wie du in der Welt leben kannst, aber nicht von der Welt sein kannst.

Shrimad Bhagavad Gita

Als Mahatma Gandhi aus Südafrika zurückkam, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ließ er sich am Ufer des Sabarmati Flusses in Ahmedabad nieder, und um ihn herum entstand ein Ashram. Er wurde sehr stark beeinflusst durch die Weisheitslehren der Shrimad Bhagavad Gita und entschied sich dafür, sie ins Gujarati zu übersetzen. Er nannte seine erste Übersetzung allerdings nicht Shrimad Bhagavad Gita, sondern „Anasakti Yoga“ – der Yoga des Nicht-Verhaftetseins, denn der Hauptinhalt ist, wie man mit einem Geist des Loslassens durchs Leben kommen kann.

Der große Guru von Swami Vivekananda Shri Rama Krishna Paramahamsa Deva sagte: „Wenn du mich fragst, was die Lehre von Krishna in der Bhagavad Gita ist, dann ist es Tyaga.“ Tyaga heißt loslassen. Rama Krishna war jemand ohne große Bildung, er war ein einfacher Dorfbewohner. Er sagte auch: „Wenn du immer wieder Mara, Mara, Mara wiederholst, dann wird es zu Rama, Rama, Rama. Genauso, wenn du immer wieder das Wort Gita, Gita, Gita wiederholst, wirst du feststellen, irgendwann wird es Gitya, Gitya, Gityagi, und Yaga ist das Herz der Botschaft der Bhagavad Gita. Daher, gehe durchs Leben, indem du allen Wünschen und Verhaftungen entsagst und deinen Geist allein auf die höchste, unendliche Wirklichkeit richtest. Dann wirst du in und durch Handlung die höchste Vollkommenheit erreichen.“ Im 18. Kapitel, 46. Vers sagt Krishna: „Indem du Gott verehrst, mit all deinen Pflichten, erreichst du die höchste Vollkommenheit.“ Das soll heißen, mit allem, was du als Arbeit, als Pflicht, tust, verehre Gott. So erreichst du die Vollkommenheit.

Svadharma

Die Weisheitslehren der Bhagavad Gita kulminieren im 18. Kapitel. Hier beschreibt Krishna die Beziehung von Svadharma und dem Sinn des Nicht-Tuns. Svadharma heißt „die eigene Pflicht“. Tue deine eigene Pflicht, aber denke nicht, dass du etwas tust. Sei verhaftungslos gegenüber allem in der Welt. Dann wird dich die Handlung befreien. Von der Notwendigkeit, in diese Welt zurückzukehren. Man kann sagen, es gibt eine außergewöhnliche Ähnlichkeit zwischen dem ersten und letzten Kapitel der Bhagavad Gita. Am Anfang sagt Arjuna: „Nein, nein, nein, ich will nicht handeln. Was sollte ich tun? Chaos und Verwirrung ist in meinem Geist.“ Arjuna will entsagen. Er entscheidet sich, er will allem entsagen. Und er will Sannyas nehmen, also Mönch werden, und nicht den Kampf führen. Im 18. Kapitel fragt Arjuna: „Ich würde jetzt gerne wissen, was ist die Essenz von Sannyasa und Tyaga, also von Entsagung und Verzicht?“

Im ersten Kapitel hat Arjuna gesagt, er will Tyaga und Sannyasa üben, und jetzt will er wissen, was das überhaupt ist. Er hat den Lehren der Bhagavad Gita, den Lehren Krischnas, zugehört, vom zweiten bis zum 17. Kapitel, und er hat jetzt erkannt, dass er vorher etwas falsch verstanden hat. Was er gedacht hatte, was Tyaga und Sannyasa war, das schien nicht richtig gewesen zu sein. So sagt er jetzt: „Oh Krishna, sag mir doch bitte genau, was ist Tyaga – Verzicht, was ist Sannyasa – Entsagung?“ Denn über Verzicht und Entsagung wird Gott verwirklicht.

So kommt die Bhagavad Gita hier zu ihrem Hauptteil. Da gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem ersten und 18. Kapitel, aber auf der anderen Seite ist es genau das Gegenteil. Im ersten Kapitel sagt Arjuna: „Ich kämpfe nicht.“ Und er ist voller Verzweiflung, er ist in Moha – in der Verwirrung – und er ist niedergeschlagen. Krishna beginnt ihn zu überzeugen, und am Ende des 18. Kapitels sagt dieser gleiche Arjuna zum Schluss: „Meine Verwirrung ist verschwunden. Meine Täuschung ist vorbei. Ich bin bereit, deinen Anleitungen und Anweisungen zu folgen. Was auch immer du sagst, ich bin bereit, es zu tun.“

Soweit der Vortrag zum 18. Kapitel der Bhagavad Gita, eine Übersetzung eines Vortrags von Swami Chidananda, Schüler von Swami Sivananda. Mein Name Sukadev von www.yoga-vidya.de.

Anmerkung

Für mich ist dies die wichtigste Shloka, und eine andere besonders wichtige ist: „Wo auch immer das Leben geführt wird in Übereinstimmung mit den Lehren Gottes, wo auch immer Weisheit in die Tat umgesetzt wird, und wo auch immer die Bereitschaft ist, dem zu folgen, was gesagt wurde, und wo auch immer die Bereitschaft ist, diese Weisheit in den Alltag zu bringen, dort ist Erfolg, dort ist Sieg, dort ist Ruhm und dort ist Dharma.“

In den nächsten Vorträgen schauen wir uns weitere Details dieser wunderbaren Offenbarung des 18. Kapitels an, denn dieses Kapitel ist die Quintessenz aller anderen, und wir danken Gott für diese Gelegenheit, diese ewigen Lehren zu reflektieren und darüber zu meditieren. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich euch diese Lehre nahe bringen kann. Denn ihr seid nicht einfach Pilger, sondern ihr seid Aspiranten. Möge Gott euch segnen, und möge eure Suche in Erfolg, Segen und Erleuchtung münden!

Siehe auch

Weitere Artikel von Swami Chidananda im Yoga Vidya Wiki

Literatur von Swami Chidananda

  • Light Fountain (Quelle des Lichts)
  • Ponder these Truths (Nachsinnen über Wahrheit)
  • A Call to Liberation (Aufruf zur Befreiung)
  • Seek the Beyond (Suche das Jenseits)
  • Early Morning Talks (Vorträge am frühen Morgen)

Weblinks