Anubhava

Aus Yogawiki

Anubhava

1. (Sanskrit: अनुभव anubhava m.) Empfindung, Gefühl; Selbstverwirklichung, höhere mystische Erfahrung.


2. (Sanskrit: अनुभाव anubhāva m.) Würde, Macht; Entschluss, Wille; Ausdruck inneren Empfindens (bhava).

Anubhava als Unmittelbare Erfahrung

Lehrgespräch über Anubhava als Weg zum Ziel zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi aus dem Buch "Der Weg zum Selbst" von Heinrich Zimmer 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich

Der Schüler: Was ist »Geist-Licht« (Chit Jyotis)?
Der Meister: »Geist-Licht« ist das reine Sein (Sat) oder geistige Innesein (Chit), das in seinem Wesen Licht in sich selber ist und durch das Alles aufgehellt und sichtbar wird: Das Gemüt innen und die Erscheinungswelt der Sinneswahrnehmungen außen. Es ist das Licht, das den Wahrnehmenden erhellt und den wahrgenommenen Gegenstand, Sein Dasein läßt sich nur aus dem erschließen, was durch sein Scheinen in Erscheinung tritt, es selber wird nicht Gegenstand der Wahrnehmung.
Der Schüler: Was ist »höhere Einsicht« (Vijnana)?
Der Meister: »Höhere Einsicht« ist der Zustand reinen wandellosen Gewahrseins. Er ist wie ein Meer, dessen kristallene Stille keine Woge furcht, ist wie die grenzenlose Weite reglosen Raumes. Alle Vorstellungen und Regungen sind völlig darin zur Ruhe gelangt. Es ist reines Innesein ohne Eigenschaften. Das soll der Übende (Sadhaka) als Wirklichkeit erfahren.
Der Schüler: Was ist »Seligkeit« (Ananda)?
Der Meister: Seligkeit ist das Erlebnis letzten Glücks und vollkommenen Friedens im Stande der »höheren Einsicht«. Sie gleicht traumlos tiefem Schlaf und ist völlig frei von Vorstellungen und Regungen. Dieser Zustand wird als »völlige wandellose Versenkung ins Eine« (Kevala Nirvikalpa Samadhi) bezeichnet.
Der Schüler: Was bedeutet »über die Seligkeit hinaus« (Ananda Atita)?
Der Meister: Wenn einer den Stand letzter Seligkeit (Ananda) erreicht hat, der traumlos tiefem Schlafe gleicht, frei von Vorstellungen und Regungen, und darin verharrt und vollkommenen Frieden wandellos und ununterbrochen erfährt, auch während er hellwach ist, der heißt »über die Seligkeit hinaus«, Wie ein kleines Kind, das im Schlafe Nahrung zu sich nimmt und nichts gewahr wird, so wird solch ein Yogin, der fest verharrt in der Seligkeit vollkommenen Friedens, nicht abgelenkt durch das, was er tut, er ist wirklich mit keiner Tätigkeit befaßt, so sehr er mit allen möglichen Verrichtungen beschäftigt sein mag. Dieser Stand heißt »von selbst erwachsende wandellose Versenkung in Eins« (Sahaja nirvikalpa Samadhi).
Der Schüler: Es heißt, dass alles, Lebendiges wie Lebloses, von uns selber allein abhängt, Ist diese Behauptung bloß ein Schluss oder ist sie auf Erfahrung gegründet?
Der Meister: Wenn du so fragst, sollte mit dem Wort »selber« nicht unser Leib gemeint sein, Erst wenn die unbeschreibbare Kraft (Shakti), die im traumlosen Schlaf in Ruhe versinkt, sich im Wachzustand mit der Vorstellung »Ich« erhebt, wird überhaupt etwas erblickt und erfahren, Ist dieses wahrnehmende Ich nicht da, wird nichts erblickt, Dies unweigerliche Zugleich ist freilich ein Stück Erfahrung und nicht bloß gedanklich erschlossen. Daraus folgt zweifelfrei, daß alles, was da ist, aus dem Selbst urständet, von ihm getragen wird und sich wieder in ihm auflöst.
Der Schüler: Es sind doch zahllose Einzelseelen da, welche die Leiber beleben, und man kann deutlich sehen, daß sie sich unabhängig voneinander bewegen, — wie kann man da aus Erfahrung behaupten: Es gibt nur einen Atman?
Der Meister: Wenn das Gewahrsein »ich bin dieser greifbare Leib« dem Selbst gleichgesetzt werden dürfte, gäbe es freilich viele Atman. Aber der Atman oder die Wirklichkeit des Selbst besteht eben in der Erfahrung, in der jede Idee von Ich, jedes Gewahrsein leiblichen Daseins völlig vernichtigt sind, In diesem Stande besteht nicht der Schatten eines Zweierlei, — daher heißt es: »der Atman ist eines ohne ein zweites,«
Der Schüler: Beruht die Lehre, »das Unbedingte (Brahman) ist für das Gemüt erkennbar und zugleich jenseits solchen Erkennens«, auf Erfahrung?
Der Meister: Ja. Wenn das Gemüt rein ist, dann ist das Brahman erkennbar, und es ist jenseits des Erkennens, wenn das Gemüt nicht rein ist.
Der Schüler: Was sind die Zeichen für reines und unreines Gemüt?
Der Meister: Wenn die unbeschreibbare Kraft (Shakti) sich zur Unterschiedlichkeit vom Unbedingten (Brahman) entwickelt, verfällt sie spiegelndem Schein (Abhasa) und nimmt vielerlei Gestalten an. Sie wird dieser Entstellung in spiegelnden Schein wieder ledig durch unterscheidende Erkenntnis (Viveka), — diese »Kraft« heißt das »reine Gemüt«. Im Stand ihrer Einheit mit dem Unbedingten (Brahman) heißt sie »Erkennen des Brahman«; unterliegt diese Kraft aber der Entstellung in spiegelnden Schein, so heißt sie »unreines Gemüt«, und ihr Zustand, daß sie nicht eins mit dem Unbedingten ist, heißt »Nicht-Erkennen«.
Der Schüler: Es heißt: angesponnenes Karman aus früheren Leben haftet am Leibe, bis er zugrunde geht, Kann einer auch schon bei leiblichem Leben von Karman frei werden?
Der Meister: Ja, das ist möglich, Wenn das Ichwesen (Ahamkara), das zwischen Selbst und stofflichem Leib des Menschen entspringt, auf dem das Karman wirkt und von dem es abhängt, völlig zur Ruhe gelangt und vernichtigt ist durch die Erfahrung seines wirklichen und wahren Wesens, wie könnte das angesponnene Karman, das keine Wirklichkeit jenseits dieses Menschen und seines Ichwesens hat, noch fortbestehen? Darum: wo kein Ichwesen ist, da ist auch kein Karman, das sich noch auswirken muss.
Der Schüler: Ist das Selbst in Wirklichkeit »seiend und geistig« (Sat Chit), warum wird es dann »weder seiend (Sat) noch nicht-seiend (Asat)« und »weder geistig (Chit) noch nicht-geistig (Achit)« genannt?
Der Meister: Das Selbst ist seiend. Aber da es das Unbedingte und Allumfassende ist und nichts außer ihm existiert, würde seine Beschreibung als »seiend« der Möglichkeit Raum geben, seinen Gegensatz, das »Nichtseiende« vorzustellen, — das »Nichtseiende« als etwas Zweites, das nicht »Sein« wäre, und damit wäre man in die Vorstellung der Zweiheit, in einen Dualismus verwickelt, Um deutlich auszudrücken: das Selbst ist ewig, allumfassend und un¬bedingt, wird es als etwas anderes beschrieben als »Sein« und »Nichtsein«. Ebenso ist das Selbst reines wissendes Innesein (Chit), aber da nichts Anderes da ist, das zu wissen wäre, als das wissende Selbst, wird es als etwas Anderes beschrieben als »Wissen« oder »Nichtwissen«. Mit anderen Worten: da nur das Selbst wirklich ist, sind Erkennender und Erkanntes ein und dasselbe, — im Unterschied vom Erkennen im alltäglichen Dasein. Um diesen Unterschied auszudrücken, sagt man: das Selbst (âtman) ist »verschieden vom Geistigen (Chit) und vom Nicht-Geistigen (Achit)«.

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