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===3. Gesetzesdienst und Freiheit vom Gesetze, nach S. 691,3-694,3===
===3. Gesetzesdienst und Freiheit vom Gesetze, nach S. 691,3-694,3===


„Wenn es nur eine Seele in allen Wesen gibt, wie sind dann die weltlichen und die vedischen Gebote möglich?"
:„Wenn es nur eine Seele in allen [[Wesen]] gibt, wie sind dann die weltlichen und die vedischen Gebote möglich?"
— Sofern die individuelle Seele ein Teil Gottes ist.
— Sofern die individuelle [[Seele]] ein Teil Gottes ist.
„Aber die Schrift lehrt ja auch, dass sie nicht ein bloßer Teil desselben, sondern von ihm nicht verschieden sei!"
— Darin besteht eben die Verschiedenheit und Nicht-verschiedenheit, dass sie ein Teil desselben ist.
„Aber wo die Schrift im Ernste redet, da lehrt sie doch die Identität Gottes und der Seele und tadelt die natürliche Anschauung der Verschiedenheit! Es bleibt somit immer noch zu erklären, wie Gebote und Verbote möglich sind."


— Nehmen wir denn Gebote wie: man soll zur passenden Zeit sein Weib besuchen, — man soll das Opfertier um seine Einwilligung bitten, — man soll dem Freunde beistehen, und Verbote, wie: man soll nicht ehebrechen, — man soll nicht. töten, man soll den Feind meiden; — so bestehen derartige Gebote und Verbote trotz der Einheit des Atman zu kraft, wegen der Verbindung mit dem Leibe. Auf dieser Verbindung mit dem Leibe nämlich beruht die verkehrte Meinung, dass man in der Leiblichkeit das Ich sieht, welche allen Kreaturen gemeinsam ist und bleibt, mit Ausnahme derer, die zur universellen Erkenntnis gelangen. Auf diese, wiewohl auf dem Nichtwissen beruhende, durch Verbindung mit dem Leibe und den übrigen Bestimmungen veranlasste Scheidung [des Ich vom Nicht-Ich] beziehen sich die Gebote und Verbote; und nur für den, welcher die universelle Erkenntnis erreicht hat, fallen sie weg; da es für ihn keinen Zweck mehr gibt, so gibt es auch keine Verpflichtung mehr. Für ihn gibt es nichts zu Erstrebendes oder zu Meidendes mehr, weil es nichts gibt, was über sein eigenes Selbst (atman) hinausläge, eine Pflicht gegen sich selbst aber keinen Sinn hat (na ca atmâ âtmani eva niyojyah syât). Zwar hat auch er einen Leib, aber er wells, date dessen Gefüge (samhatatvam) ein bloßer Wahn ist. Nur für wen der Wahn des Leibes besteht, besteht auch der Wahn der Pflicht; wie sollte er also für den bestehen,. der die Einheit der Seele erkannt hat?
:„Aber die Schrift lehrt ja auch, dass sie nicht ein bloßer Teil desselben, sondern von ihm nicht verschieden sei!"
Darin besteht eben die Verschiedenheit und Nicht-verschiedenheit, dass sie ein Teil desselben ist.


„Aber wenn für den Wissenden keine Pflicht besteht, so kann er also tun was er will?"
:„Aber wo die Schrift im [[Ernst]]e redet, da lehrt sie doch die Identität Gottes und der Seele und tadelt die natürliche Anschauung der Verschiedenheit! Es bleibt somit immer noch zu erklären, wie [[Gebote]] und [[Verbote]] möglich sind."


- Keineswegs! Denn nur der Wahn allein ist es,. der zu allem Tun antreibt, und eben dieser Wahn besteht für den Wissenden nicht mehr. — Wohl aber besteht, trotz der Einheit alles Seins, für den Nichtwissenden• Gebot und Verbot. Denn wie man das Feuer, welches die Leichname verzehrt hat, scheut, obwohl es ebenso gut Feuer wie das andere ist, — wie man das Sonnenlicht an unreinen Orten meidet, obwohl auch es von der Sonne stammt, — wie man Menschenleichen flieht, obwohl sie aus denselben Stoffen bestehen wie der lebendige Leib, — so gibt es, obgleich alle
— Nehmen wir denn Gebote wie: man soll zur passenden [[Zeit]] sein Weib besuchen, — man soll das Opfertier um seine [[Einwilligung]] bitten, — man soll dem Freunde beistehen, und Verbote, wie: man soll nicht ehebrechen, — man soll nicht töten, — man soll den [[Feind]] meiden; — so bestehen derartige Gebote und Verbote trotz der Einheit des [[Atman]] zu kraft, wegen der Verbindung mit dem Leibe. Auf dieser Verbindung mit dem Leibe nämlich beruht die verkehrte Meinung, dass man in der Leiblichkeit das Ich sieht, welche allen Kreaturen gemeinsam ist und bleibt, mit [[Ausnahme]] derer, die zur universellen Erkenntnis gelangen. Auf diese, wiewohl auf dem Nichtwissen beruhende, durch Verbindung mit dem Leibe und den übrigen Bestimmungen veranlasste [[Scheidung]] [des Ich vom Nicht-Ich] beziehen sich die Gebote und Verbote; und nur für den, welcher die universelle Erkenntnis erreicht hat, fallen sie weg; da es für ihn keinen [[Zweck]] mehr gibt, so gibt es auch keine [[Verpflichtung]] mehr. Für ihn gibt es nichts zu Erstrebendes oder zu Meidendes mehr, weil es nichts gibt, was über sein eigenes Selbst (Atman) hinausläge, eine [[Pflicht]] gegen sich selbst aber keinen [[Sinn]] hat (Na Cha Atma Atmani Eva Niyojyah Syat). Zwar hat auch er einen Leib, aber er weiß, dass dessen [[Gefüge]] (Samhatatvam) ein bloßer Wahn ist. Nur für wen der Wahn des Leibes besteht, besteht auch der Wahn der Pflicht; wie sollte er also für den bestehen, der die [[Einheit]] der Seele erkannt hat?
 
XXIV. Verhaltuis der Seele zu Gott 325
:„Aber wenn für den [[Wissen]]den keine [[Pflicht]] besteht, so kann er also tun was er will?" 
Dinge eins sind in dem Atman, doch gewisse Dinge, die man meiden muss.
 
- Keineswegs! Denn nur der Wahn allein ist es, der zu allem Tun antreibt, und eben dieser Wahn besteht für den Wissenden nicht mehr. — Wohl aber besteht, trotz der [[Einheit]] alles Seins, für den Nichtwissenden Gebot und Verbot. Denn wie man das [[Feuer]], welches die Leichname verzehrt hat, scheut, obwohl es ebenso gut Feuer wie das andere ist, — wie man das Sonnenlicht an unreinen Orten meidet, obwohl auch es von der [[Sonne]] stammt, — wie man Menschenleichen flieht, obwohl sie aus denselben Stoffen bestehen wie der lebendige Leib, — so gibt es, obgleich alle [[Ding]]e eins sind in dem [[Atman]], doch gewisse Dinge, die man meiden muss.


===4. Abgrenzung der Seelen gegeneinander, nach 2,3,49-50===
===4. Abgrenzung der Seelen gegeneinander, nach 2,3,49-50===

Version vom 23. Januar 2014, 17:52 Uhr

Baum-Duo.jpg

Eine Verbindung ist etwas, das zwischen Dingen, Personen, Phänomenen usw. einen Bezug herstellt.

Aus yogischer Sicht geht man davon aus, dass es nichts gibt, was nicht mit anderen Dingen oder Wesen verbunden ist. Nicht nur durch das Praktizieren von Yoga stellen wir eine Verbindung von Körper, Geist und Seele her; auch ohne es bewusst zu wollen, stehen wir in fortwährendem Austausch mit anderen Wesen und mit der Natur. Die Luft, die wir ausatmen, atmen andere Menschen ein. Unser Schweiß verdunstet an der Luft, durch Erosion von der Natur abgesonderte Partikel, Sporen und Keime, Staub usw. gelangen in unseren Körper. Wenn wir sterben, dann löst sich die physische Hülle auf und wird wieder von der Natur aufgenommen; neues Leben entsteht daraus.

Noch frappierender wird diese Verbindung in der Physik deutlich. Eines der wichtigsten Experimente der Quantenmechanik, das Doppelspaltexperiment, hat gezeigt, dass unsere Beobachtung des Experiments das Experiment beeinflusst (siehe Video unten).

Bei den sogenannten verschränkten Photonenpaaren tritt das Phänomen auf, dass bei Teilchen, die auf subatomarer Ebene eine nichtlokale Verbindung miteinander eingegangen sind, bei Messungen von Quanteneigenschaften bei einem gegebenen Teilchen A zeitgleich die korrelierte Eigenschaft bei Teilchen B gemessen werden kann, also ohne "Übertragungszeit". Die Messung der Quanteneigenschaft bei Teilchen A wirkt sich unmittelbar auf Teilchen B aus, obwohl die Teilchen räumlich getrennt sind. Daher werden diese Teilchen nicht mehr als Einzelteilchen betrachtet, sondern als zusammenhängendes System.

Eine Verbindung kann man auch bewusst aufbauen, oder besser gesagt, zulassen, denn sie ist ja immer da. Menschen, die auf dem spirituellen Weg sind, suchen eine Verbindung zum Göttlichen, zu ihrem höheren Bewusstsein, ihrer Seele oder Atman. Man kann sich mit dem Göttlichen durch Chanten (Mantrasingen, Kirtan) verbinden und durch Meditation. Doch nicht nur Bhakti Yoga, auch Karma Yoga, Raja Yoga, Jnana Yoga, Hatha Yoga und Kundalini Yoga unterstützen den Prozess der Bewusstwerdung.

XXIV. Verhältnis der Seele zu Gott.

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 320-328.

Unter dieser Überschrift behandeln wir, von der Anordnung der Sutras abweichend, den Abschnitt 2,3,43-53, welcher, wie noch mehrfach die Schlussabschnitte, den Eindruck eines späteren Nachtrages macht und seinem Inhalte nach in nächster Beziehung zu den Gedanken des vorigen Kapitels steht; daher wir ihn hier einreihen; wobei es jedoch nicht möglich ist, die zahlreichen Wiederholungen des Originals in unserer Darstellung ganz zu vermeiden, wenn wir uns nicht allzuweit von dem Gange der Gedanken in demselben entfernen wollen.

1. Nichtidentität und Identität, nach S. 684,13-688,3

Das Verhältnis der Seele zu Gott wird von der Schrift in zweifacher Weise vorgestellt, teils nämlich [exoterisch] als das Verhältnis des Dieners zum Herrn und des Teiles zum Ganzen, teils [esoterisch] als ein Verhältnis der Identität. Das Verhältnis der Seele als eines Dieners zu Gott als ihrem Herrn kann man sich so vorstellen, dass Gott (Ishvara) vermöge seiner Verbindung mit unübertrefflichen (Niratishaya) Upadhis über die Seele, welche nur mit mangelhaften (Nihina) Upadhis verbunden ist, gebietet (S. 688,1; mit diesem Hinweise, dass das ganze Verhältnis nur auf den Upadhis oder Bestimmungen beruht, begnügt sich hier unser Autor; das Genauere siehe Kap. XX, 3, e, S. 292). — Weiter wird die Seele als ein Teil Gottes vorgestellt; so durch das (S. 142 nachzulesende) Gleichnis von dem Feuer und den Funken (S.685,6); ferner in der Stelle Rigveda 10,90,3 (vgl. Kap. XI, 3):

„So groß die Majestät ist der Natur,
So ist doch größer noch der Geist erhoben;
Ein Fuß von ihm sind alle Wesen nur,
Drei Füße sind Unsterblichkeit da drohen;"

wo unter dem einen Fuße alle beseelten Wesen, die unbeweglichen (Pflanzen) und die beweglichen zu verstehen sind (S. 687,3). Dasselbe besagt die Stelle Bhagavadgita 15,7 (S. 687,9).

Inzwischen ist diese Auffassung der Seele als eines Teiles von Brahman nicht eigentlich zu verstehen, da Brahman keine Teile hat (S. 685,7); und ebenso steht es mit den Stellen, in welchen die Seele als verschieden von Brahman erscheint (S. 685,9); denn anderseits wird gelehrt, dass alle Seelen, wie sie in „den Komplex der aus Namen und Gestalten gebildeten Werkzeuge des Wirkens" (Namarupa-Krita-Karya-Karana-Sanghata, d. h. den Leib) eingegangen sind, Brahman selbst sind (S. 686,5). Auch die niedrigsten Kreaturen sind hier nicht auszunehmen, wie denn ein Vers des Brahmanliedes der Atharvanikas (der sich in unserer Atharva-Liedersammlung nicht vorfindet) lautet:

„Brahman die Fischer und die Knechte, Brahman sogar die Spieler sind,"

und ein anderer (Shvet. 4,3 = Atharva-V. 10,8,27):

„Du bist das Weib, du bist der Mann, das Mädchen und der Knabe;
Geboren, wächst du allerwärts, du wankst als Greis am Stabe."

So wird also die Seele teils als mit Brahman identisch, teils als ein Teil desselben aufgefasst (S. 686). Zur Ergänzung der unbestimmten Haltung dieses Abschnittes diene S. 1127,14-1128,14 (übersetzt S. 119), wo von esoterischem Standpunkte aus bewiesen wird, dass die Seele weder als Teil, noch als Umwandlung des Brahman, noch als von ihm verschieden, sondern nur als mit Brahman identisch gedacht werden kann.

Eine Erläuterung dieses Verhältnisses bietet das (S. 690,3. 695,1. 809,12 vorkommende) Bild von der Sonne und ihren Abbildern im Wasser (S. 224) und das von dem Weltraum, dessen Abgrenzung zu einzelnen Räumen nur auf den sein Wesen nicht alterierenden Bestimmungen der Gefäße beruht (Anm. 106, S. 298); man vergleiche auch S. 120,13: „Es wird aber verboten, im Sinne der höchsten Realität (Paramarthatas) einen von dem allwissenden höchsten Gott verschiedenen Sehenden oder Hörenden anzunehmen, wenn es (Brih. 3,7,23) heißt: «Nicht gibt es außer ihm einen Sehenden» usw. (S. 161); vielmehr ist der höchste Gott von der durch das Nichtwissen geschaffenen, handelnden und genießenden, Vijnanatman genannten (vgl. „Anm. 82), individuellen Seele nur so verschieden, wie von dem mit Schild und Schwert an einem Seile in die Höhe klimmenden Zauberer eben derselbe, in Wirklichkeit auf der Erde bleibende Zauberer verschieden ist."

2. Illusion alles Schmerzes, nach S. 688,3-691,3

Man könnte denken: wenn die Seele ein Teil Gottes ist, so muss Gott auch die Schmerzen der Seelen empfinden, ebenso wie, wenn ein einzelnes Glied des Leibes leidet, der ganze Leib mitleidet (S. 688,3); ja, die Schmerzen Gottes müssen viel größer sein, als die der individuellen Seele, und es ist besser für uns, in dem Stande des Samsara als ((Individualität|individuelle]] Seelen zu verharren, als durch Aneignung der universellen Erkenntnis uns zum Bewusstsein der Identität mit Gott zu erheben (S. 688,6).

Hierauf ist (im Anschluss an das S. 165-166 Beigebrachte) zu erwidern: nur durch das Nichtwissen gelangt die Seele zu dem Wahne, in dem Leibe ihr Selbst zu erblicken, und nur auf diesem Wahne (Abhimana), von dem Gott frei ist, beruht die Empfindung des Schmerzes. Der Schmerz ist also eine Täuschung (Bhrama), welche davon herrührt, dass wir unser Ich nicht unterscheiden von den Bestimmungen wie Leib, Sinne usw., welche aus dem durch das Nichtwissen gesetzten Reiche der Namen und Gestalten entspringen (S. 689,1). Somit beruht der Schmerz nur auf einer falschen Einbildung, wie sich daraus ergibt, dass er auch über den eigenen Leib hinausreicht. Wenn nämlich ein Sohn von uns oder ein Freund stirbt, so empfinden wir Schmerz, weil wir wähnen, dass derselbe uns angehöre. Der Parivrajaka (S.17) hingegen, welcher sich von jenem Wahne freigemacht hat, empfindet keinen Schmerz darüber. So empfindet auch der keinen körperlichen Schmerz mehr, welcher sich von dem Wahne, dass der Körper ihm angehöre, durch die universelle Erkenntnis freigemacht hat (S. 689,9).

Gleichwie das Sonnenlicht, welches auf den Finger fällt, gerade erscheint, wenn er gerade, krumm, wenn er gekrümmt ist, in Wahrheit aber weder das Eine noch das Andere ist, — gleichwie der Raum in den Gefäßen sich fortzubewegen scheint, wenn man sie fortbewegt, in Wahrheit aber unbeweglich bleibt, — gleichwie die Sonne nicht erzittert, wenn ihre Abbilder im Wasser erzittern, — so leidet Gott nicht mit, wenn die individuelle Seele leidet, und auch das Leiden der individuellen Seele beruht, wie wir sahen, nur auf dem Nichtwissen. Diesen Wahn eines Daseins der individuellen Seele zu verscheuchen und das Bewusstsein des Brahmanseins der Seele hervorzubringen, dazu dienen solche Worte des Vedanta wie Tat Tvam Asi, „das bist du" (S. 669,16-690,9).

3. Gesetzesdienst und Freiheit vom Gesetze, nach S. 691,3-694,3

„Wenn es nur eine Seele in allen Wesen gibt, wie sind dann die weltlichen und die vedischen Gebote möglich?"

— Sofern die individuelle Seele ein Teil Gottes ist.

„Aber die Schrift lehrt ja auch, dass sie nicht ein bloßer Teil desselben, sondern von ihm nicht verschieden sei!"

— Darin besteht eben die Verschiedenheit und Nicht-verschiedenheit, dass sie ein Teil desselben ist.

„Aber wo die Schrift im Ernste redet, da lehrt sie doch die Identität Gottes und der Seele und tadelt die natürliche Anschauung der Verschiedenheit! Es bleibt somit immer noch zu erklären, wie Gebote und Verbote möglich sind."

— Nehmen wir denn Gebote wie: man soll zur passenden Zeit sein Weib besuchen, — man soll das Opfertier um seine Einwilligung bitten, — man soll dem Freunde beistehen, und Verbote, wie: man soll nicht ehebrechen, — man soll nicht töten, — man soll den Feind meiden; — so bestehen derartige Gebote und Verbote trotz der Einheit des Atman zu kraft, wegen der Verbindung mit dem Leibe. Auf dieser Verbindung mit dem Leibe nämlich beruht die verkehrte Meinung, dass man in der Leiblichkeit das Ich sieht, welche allen Kreaturen gemeinsam ist und bleibt, mit Ausnahme derer, die zur universellen Erkenntnis gelangen. Auf diese, wiewohl auf dem Nichtwissen beruhende, durch Verbindung mit dem Leibe und den übrigen Bestimmungen veranlasste Scheidung [des Ich vom Nicht-Ich] beziehen sich die Gebote und Verbote; und nur für den, welcher die universelle Erkenntnis erreicht hat, fallen sie weg; da es für ihn keinen Zweck mehr gibt, so gibt es auch keine Verpflichtung mehr. Für ihn gibt es nichts zu Erstrebendes oder zu Meidendes mehr, weil es nichts gibt, was über sein eigenes Selbst (Atman) hinausläge, eine Pflicht gegen sich selbst aber keinen Sinn hat (Na Cha Atma Atmani Eva Niyojyah Syat). Zwar hat auch er einen Leib, aber er weiß, dass dessen Gefüge (Samhatatvam) ein bloßer Wahn ist. Nur für wen der Wahn des Leibes besteht, besteht auch der Wahn der Pflicht; wie sollte er also für den bestehen, der die Einheit der Seele erkannt hat?

„Aber wenn für den Wissenden keine Pflicht besteht, so kann er also tun was er will?"

- Keineswegs! Denn nur der Wahn allein ist es, der zu allem Tun antreibt, und eben dieser Wahn besteht für den Wissenden nicht mehr. — Wohl aber besteht, trotz der Einheit alles Seins, für den Nichtwissenden Gebot und Verbot. Denn wie man das Feuer, welches die Leichname verzehrt hat, scheut, obwohl es ebenso gut Feuer wie das andere ist, — wie man das Sonnenlicht an unreinen Orten meidet, obwohl auch es von der Sonne stammt, — wie man Menschenleichen flieht, obwohl sie aus denselben Stoffen bestehen wie der lebendige Leib, — so gibt es, obgleich alle Dinge eins sind in dem Atman, doch gewisse Dinge, die man meiden muss.

4. Abgrenzung der Seelen gegeneinander, nach 2,3,49-50

Die Werke der Seelen sind individuell verschieden, und ebenso ist es die den jedesmaligen Werken entsprechende Frucht (Lohn und Strafe im nächstfolgenden Dasein). Wie ist dies möglich, wenn die Seele in Wahrheit nur eine ist? —Wie kann es geschehen, dars Werke und Früchte der verschiedenen Seelen (die mit dem Tode in die Einheit zurückgehen und zur neuen Existenz aus ihr wieder hervorgehen, (Chând. 6,10, S. 285) sich nicht gegenseitig durchkreuzen? Hierauf haben wir zwei Antworten: 1) Zwar ist die Seele, zufolge ihrer Einheit mit Brahman (wie wir bald näher sehen werden), allgegenwärtig (d. h. raumlos); aber diese Allgegenwart bedeutet nicht, dass auch die handelnde und genießende Seele sich durch alles hin erstreckt und somit mit, allen Leibern verbunden ist. Denn diese individuelle Seele wird nur bedingt durch die Bestimmungen (upâdhi); da diese Bestimmungen nicht allerstreckend sind, so ist es auch die individuelle Seele nicht, und darum findet keine Durchkreuzung der Werke und Früchte statt (S. 694, 5-10). — Man vergleiche hierzu, was S. 246. 297 über das Fortbestehen der Differenzierungskraft beim Eingehen in Brahman gesagt wurde. 2) Die individuellen Seelen sind nur als Scheinbilder (âbhûsa) der höchsten Seele zu betrachten, vergleichbar den Sonnenbildern im Wasser. Gleichwie, wenn eines dieser Sonnenbilder zittert, die andern nicht mitzittern, so betreffen auch Taten und Früchte der einen Seele die übrigen nicht. Diese Scheinbilder, und mit ihnen der ganze Salzsâra mit seinen Taten und Früchten, beruhen auf dem Nichtwissen (avidyâ). Erst indem dieses gehoben wird, gelangt man zur Einheit mit Brahman (S. 694,12-695,5), und damit, wie wir zusetzen dürfen, zu einem Standpunkte, auf welchem die

Frage nach den Werken und Früchten, und somit auch die nach ihrer möglichen Durchkreuzung, keinen Sinn mehr hat. Von diesen beiden Antworten führt die eine die Vielheit der Seelen auf die Upâdhi's, die andere auf die Avidyâ zurück. Wie verhalten sich diese beiden zueinander? Diese Frage veranlasst uns, über die Upâdhi's, einen Grundbegriff des Systems, der aber nirgendwo von Çankara im Zusammenhang behandelt wird, das Hauptsächlichste hier zusammenzustellen.

5. Brahman und die Upadhis

In Wirklichkeit (paramârthatas) ist nichts anderes da, als Brahman allein. Wenn wir eine Umwandlung (vikâra) desselben zur Welt, eine Spaltung (bheda) desselben zu einer Vielheit individueller Seelen wahrzunehmen glauben, so beruht dies auf der Avidyâ. Woher aber kommt diese? Wie kommen wir dazu, uns zu täuschen, eine Umwandlung und eine Vielheit zu sehen, wo doch nur Brahman ist? — Über diese Frage geben unsere Autoren keinen Aufschluss.

Da die Avidyâ, wie wir sahen (S. 57), angeboren ist, unsere Geburt aber auf den Werken eines frühern Daseins beruht, so könnte man denken, auch die angeborene Verfinsterung unseres Erkennens sei die Folge einer früheren, ins Unendliche zurückgehenden Verschuldung. Aber zu dieser Annahme gibt das System keinen rechten Anhalt. Die Avidyâ kann nicht wohl Folge des Samsâra sein, weil vielmehr umgekehrt der ganze Samsâra nur auf ihr beruht. Unter diesen Umständen bleibt nichts übrig, als an die Negativität des Begriffes der Avidyâ zu erinnern. Sie bedarf keiner Erklärung, sofern sie nicht ein positives Gebrechen, sondern nur das Nichtwissen, das Noch-nicht-vorhanden-sein des Wissens ist. Freilich beruht auf ihr etwas sehr Positives: das ganze Dasein der Welt und der individuellen Seelen. Aber das ist eben der Sinn der Zurückführung aller empirischen Existenz auf das Nichtwissen, dass diese ganze Welt, der ganze anfanglose und endlose Samsâra nur uns als ein Positives, Seiendes erscheint, in Wahrheit aber nicht Brahman und, da Brahman allein das Seiende ist, ein Nichtseiendes, eine bloße Phantasmagorie (mâyâ, Inrigatrishnikâ), ein Produkt des Nichtwissens ist.

Dieses einer Sinnestäuschung, einem Traume vergleichbare Mittelding von Sein und Nichtsein (tattva-anyatvâbhyâm anir-vacanîyam), die Ausbreitung der Welt und die Vielheit der wandernden Seelen, wird nun vom Nichtwissen zustande gebracht vermittelst der Upâdhi's, der Bestimmungen, wörtlich: „der Beilegungen" (mit dem Nebenbegriffe des Unerlaubten), vermöge deren wir dem Brahman „beilegen", was ihm seiner Natur nach nicht zukommt, und wodurch es, wie wir weiterhin zeigen werden, 1) zum persönlichen Gott, 2) zur Welt, 3) zur individuellen Seele wird. Alles dies beruht auf den Upâdhi's, die Upâdhi's aber auf der Avidyâ. Sie allein ist die Ursache des Entstehens der Upddhi's (die Upâdhi's sind avidyâ-krita S. 1133,12, avidyâ-nimitta S. 692,14, avidyâ-pratyupasthâpita S. 199,5. 690,5) und die Ursache ihres Fortbestehens, sofern das eigentliche Wesen der Avidyâ die Nichtunterscheidung Brahman's von den Upâdhi's (der upâdhi-aviveka S. 473,17. 689,1. 98,8, vgl. 185,10) ist; Brahman selbst hingegen wird durch die Upàdhi's nicht im mindesten betroffen oder verändert, so wenig wie der Kristall durch die rote Farbe, mit der er bestrichen ist, S. 265,7. 803,14. In diesem Sinne ist von einer Berührung der Upàdhi's (upâdhi-samparka S. 389,2. 794,7) und von einer Beschmutzung durch dieselben (S. 389,2) die Rede. Brahman befindet sich in den Upüdhi's (upâdhi-antarbhâva S. 811,5.9), wodurch seine Natur verborgen ist (svarûpa-tirobhâva S. 837,2), und seine natürliche Allwissenheit (in seiner Existenzform als Seele) eine Einschränkung erleidet (das Erkennen der Seele ist upâdhi paricchinna S. 231,1).

Auf dieser Verbindung des Brahman mit den Upâdhi's beruhen nun, wie gesagt, drei Erscheinungen, und es ist charakteristisch, dass sie alle drei ohne Unterschied unter diesen Begriff gebracht werden: 1) Durch die Upàdhi's wird das höhere Brahman zum niedern, wie es den Gegenstand der Verehrung bildet, S. 111,3. 662,13. 1142,9; doch sind die Upâdhi's des lçvara vollkommene (niratiçaya), im Gegensatze zu denen der individuellen Seele, welche mangelhaft (nihïna) sind (S. 688,1); eine nähere Bestimmung dieses Unterschiedes liegt nicht vor (vgl. jedoch ad Brih. S. 641,4). 2) Auch die Ausbreitung der Natur (nâmar4pa-prapanca), welche gewöhnlich direkt auf die Avidyâ zurückgeführt wird (z. B. 1132,10. 507,1. 473,17. 787,13), scheint stellenweise den Upâdhi's des Brahman zugerechnet zu werden; so S. 803,12. 807,4 (prithivi-âdi-upâdhi-yoga), 391,2 (upâdhi-a"çraya-nâmarûpann), 1133,12 (nâma-rûpa-upâdhika), wie denn auch die Außendinge (vishuya) mit unter den Upâdhi's der Seele erscheinen (S. 265,6, vgl. 787,10. 1056,1. 739,7). Doch ist diese Bezeichnung der Natur als Zlpâdhi des Brahman unsicher und jedenfalls selten. 3) Um so häufiger wird alles das als Upâdhi betrachtet, was Brahman zum Jiva oder Çkrira, d. h. zur individuellen Seele macht, deren Dasein als von Brahman verschiedenes Wesen eben nur auf den Upâdhi's beruht, S. 735,3. 244,13. 360,2. 199,8. 836,8. 799,5. 982,5. 173,16. 162,16.

Die beste Erläuterung dieses Verhältnisses bietet der Vergleich der Upàdhi's mit den Gefäßen, welche den Weltraum zu einzelnen Räumen einschränken (vgl. Anm. 106, S. 298). In diesem Sinne gelten als Upâdhi's zunächst sämtliche psychischen Organe oder Prânu's (Mukhya prâna, Manas und Indriya's, worüber das Nähere Kap. XXVII), nebst dem feinen Leibe und der moralischen Bestimmtheit der Seele (S. 1091,9), welche alle zusammen an der Wanderung teilnehmen; sodann der, nur bis zum Tode bestehende, grobe Leib (kârya-karana-sanghâta oder deha, vgl. 473,17. 199,5. 787,13. 389,2. 98,4.9. 692,14. 811,5.9), wozu endlich gelegentlich noch die Außendinge und die Empfindung (vishaya-vt danâ S. 265,6. 787,10. 1056,1, doch wohl als Dvandva zu fassen) kommen. lm Wachen und Traum findet Berührung mit den Upâdhi's (Upadhi-Samparka), im Tiefschlafe Ruhehaben (upaçanno) vor ihnen statt (S. 794,7. 836,6). Häufig sind als Upadhis nur diejenigen unter ihnen zu verstehen, welche an der Wanderung teilnehmen; so z. B. S. 793,14, wo Adern und Perikardium als Behälter der Upâdhi's (Upadhi-adhara) bezeichnet werden; wodurch die Grenze des Begriffs der Upâdhi's eine schwankende wird und aus dem jedesmaligen Zusammenhangs erst näher bestimmt werden muss.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

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