Sanskrit Kurs Lektion 9

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Der Satz (Fortsetzung)

In den folgenden Übungen werden die Sätze aus Lektion 8 (für nähere Erläuterungen siehe dort) noch erweitert, d.h. die Handlung (Kriya) wird immer ausführlicher beschrieben. Dies geschieht durch Hinzufügen der sogenannten Handlungsfaktoren (Karaka), die durch die einzelnen Fälle bzw. Kasusendungen (Vibhakti) ausgedrückt werden.


Übung 1

  • Devanagari: कन्या पिटकेन फलेभ्यो नगरं गच्छति |
  • wissenschaftliche Transliteration: kanyā piṭakena phalebhyo nagaraṃ gacchati |
  • vereinfachte Transkription: kanya pitakena phalebhyo nagaram gachchhati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Das Mädchen (Kanya, Nominativ) mit einem Korb (Pitaka, Instrumental) für Früchte (Phala, Dativ Plural) in die Stadt (Nagara, Akkusativ) läuft (Verb), d.h. "Das Mädchen läuft mit einem Korb in die Stadt, um Früchte (zu kaufen)."

Erläuterungen

  • Der Satz aus Übung 4 der Lektion 8 wurde abermals um einen Handlungsfaktor erweitert, den Empfänger der Handlung (Sampradana, welcher im Dativ steht. Der Dativ wird auch benutzt, um den Zweck einer Handlung auszudrücken ("für Früchte", d.h. "um Früchte zu kaufen")
  • Der Dativ (Chaturthi) antwortet auf die Frage "Wem?" bzw. "Wofür?"
  • Das Substantiv phala (Phala, "Frucht") ist sächlich (n., Neutrum) und bildet im Plural (Bahuvachana) den Dativ phalebhyaḥ.
  • Die Endung -aḥ wird nach den Wohllautregeln des Sandhi vor stimmhaften Konsonanten (hier vor n-) zu -o, daher heißt es hier phalebhyo.


Übung 2

  • Devanagari: कन्या ग्रामात्पिटकेन फलेभ्यो नगरं गच्छति |
  • wissenschaftliche Transliteration: kanyā grāmāt piṭakena phalebhyo nagaraṃ gacchati |
  • vereinfachte Transkription: kanya gramat pitakena phalebhyo nagaram gachchhati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Das Mädchen (Kanya, Nominativ) aus dem Dorf (Grama, Ablativ) mit einem Korb (Pitaka, Instrumental) für Früchte (Phala, Dativ Plural) in die Stadt (Nagara, Akkusativ) läuft (Verb), d.h. "Das Mädchen läuft mit einem Korb aus dem Dorf in die Stadt, um Früchte (zu kaufen)."

Erläuterungen

  • Der Satz aus Übung 1 wurde um einen weiteren Handlungsfaktor erweitert, den Ausgangspunkt (Apadana) der Handlung, welcher im Ablativ steht.
  • Der Ablativ (Panchami) antwortet auf die Frage "Woher?" bzw. "Weshalb?"
  • Das Substantiv grāma (Grama, "Dorf") ist männlich (m., Maskulinum) und bildet im Singular den Ablativ grāmāt.
  • Stoßen End- und Anfangskonsonant zweier benachbarter Wörter aufeinander, so werden in der Devanagari beide Wörter ohne Lücke zusammengeschrieben: ग्रामात्पिटकेन grāmāt-piṭakena. Manchmal wird eine vereinfachte Schreibweise unter Verwendung eines kleinen Striches (Virama) benutzt, wodurch kompliziertere Ligaturen (graphische Konsonantenverbindungen) vermieden werden: ग्रामात् पिटकेन grāmāt piṭakena.


Übung 3

  • Devanagari: कन्या स्वकुलस्य ग्रामात्पिटकेन फलेभ्यो नगरं गच्छति |
  • wissenschaftliche Transliteration: kanyā sva-kulasya grāmāt piṭakena phalebhyo nagaraṃ gacchati |
  • vereinfachte Transkription: kanya sva-kulasya gramat pitakena phalebhyo nagaram gachchhati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Das Mädchen (Kanya, Nominativ) der eigenen Familie (Sva-Kula, Genitiv) aus dem Dorf (Grama, Ablativ) mit einem Korb (Pitaka, Instrumental) für Früchte (Phala, Dativ Plural) in die Stadt (Nagara, Akkusativ) läuft (Verb), d.h. "Das Mädchen läuft mit einem Korb aus dem Dorf ihrer Familie in die Stadt, um Früchte (zu kaufen)."

Erläuterungen

  • Der Satz aus Übung 2 wurde um einen weiteren Kasus, den Genitiv erweitert. Dieser zählt nicht unter die Handlungsfaktoren (Karaka), da er nur eine "allgemeine" Beziehung bzw. ein Besitz- oder Zugehörigkeitsverhältnis zwischen zwei Substantiven ausdrückt.
  • Der Genitiv (Shashthi) antwortet auf die Frage "Wessen?"
  • Das Substantiv sva-kula ist ein Kompositum (Samasa). Es setzt sich aus Sva "selbst, eigen" und Kula "Familie" zusammen. Kula ist sächlich (n., Neutrum) und bildet im Singular den Genitiv kulasya.


Übung 4

  • Devanagari: शुक्रवारे कन्या स्वकुलस्य ग्रामात्पिटकेन फलेभ्यो नगरं गच्छति |
  • wissenschaftliche Transliteration: śukravāre kanyā svakulasya grāmāt piṭakena phalebhyo nagaraṃ gacchati |
  • vereinfachte Transkription: shukravare kanya svakulasya gramat pitakena phalebhyo nagaram gachchhati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Am Freitag (Shukravara, Lokativ) das Mädchen (Kanya, Nominativ) der eigenen Familie (Sva-Kula, Genitiv) aus dem Dorf (Grama, Ablativ) mit einem Korb (Pitaka, Instrumental) für Früchte (Phala, Dativ Plural) in die Stadt (Nagara, Akkusativ) läuft (Verb), d.h. "Am Freitag läuft das Mädchen mit einem Korb aus dem Dorf ihrer Familie in die Stadt, um Früchte (zu kaufen)."

Erläuterungen

  • Der Satz aus Übung 3 wurde um einen weiteren Handlungsfaktor erweitert, den Ort (Adhikarana) bzw. Zeitpunkt der Handlung, welcher im Lokativ steht.
  • Der Lokativ (Saptami) antwortet auf die Frage "Wo?" bzw. "Wann?"
  • Das Substantiv śukravāra (Shukravara) ist ein Kompositum (Samasa). Es setzt sich aus Shukra, "Venus" und Vara "Tag" zusammen, bedeutet also wörtlich "Venus-Tag", was den Freitag meint (vgl. franz. vendredi, was ebenfalls "Venus-Tag" bedeutet). Śukravāra ist männlich (m., Maskulinum) und bildet im Singular den Lokativ śukravāre.


Zusammenfassung und Vertiefung

  • Das Verb (Tätigkeitswort, Akhyata) ist das Wichtigste in einem Satz (Vakya).
  • Das Geschehen bzw. die Handlung (Kriya) eines Satzes kann mithilfe von sogenannten Handlungsfaktoren (Karaka) näher beschrieben werden.
  • Diese Handlungsfaktoren sind Substantive (Nomen, Naman), die durch ihren entsprechenden Fall bzw. die Kasusendungen (Vibhakti) ihre jeweilige Beziehung zur Handlung ausdrücken.
  • Die Wortstellung ist im Sanskrit relativ frei, besonders in der metrisch gebundenen Form (Shloka). Dennoch unterscheidet sich die "natürliche" Reihenfolge der Wörter oft von der deutschen, was an einem Vergleich der gleichbleibenden Reihenfolge der Wörter im Sanskrit und der sich ändernden Reihenfolge in der deutschen "Reinübersetzung" gut sichtbar wird.
  • Die Verbform (hier gacchati "läuft") steht in der Regel am Ende des Satzes, ganz gleich, um wieviele Handlungsfaktoren (Karaka) der Satz erweitert wird.


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