Sanskrit Kurs Lektion 66

Aus Yogawiki

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Vokalische Nominalstämme (4)

In Lektion 65 haben wir die Deklination der weiblichen vokalischen Stämme (Femininum) auf im Singular betrachtet. Der folgende Vers enthält vier weibliche Nomen, die dieser Deklination folgen.


Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem vierten Kapitel (Upadesha), das der Praxis der Meditation und Versenkung (Samadhi) gewidmet ist. Der 9. Vers betont die Bedeutung eines wahrhaftigen Meisters für die spirituelle Entwicklung des Übenden:


दुर्लभो विषयत्यागो दुर्लभं तत्त्वदर्शनम् |
दुर्लभा सहजावस्था सद्-गुरोः करुणां विना || ४.९ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
durlabho viṣayatyāgo durlabhaṁ tattvadarśanam |
durlabhā sahajāvasthā sadguroḥ karuṇāṁ vinā || 4.9 ||


  • vereinfachte Transkription:
durlabho vishayatyago durlabham tattvadarshanam |
durlabha sahajavastha sadguroh karunam vina || 4.9 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
dur-labhaḥ : schwer zu erlangen (Durlabha, Nom. Sg. m.)
viṣaya-tyāgaḥ : ist die Entsagung (Tyaga, Nom. Sg. m.) der Sinnesobjekte (Vishaya, m.)
dur-labham : schwer zu erlangen (Nom. Sg. n.)
tattva-darśanam : ist die unmittelbare Erkenntnis ("Schauen", Darshana) der Wahrheit ("So-sein", Tattva, Nom. Sg. n.)
dur-labhā : schwer zu erlangen (Nom. Sg. f.)
sahajā : ist der natürliche (Sahaja, Nom. Sg. f.)
avasthā : Zustand (Avastha, Nom. Sg. f.)
sad-guroḥ : eines wahrhaftigen Meisters, Lehrers (Sadguru, Gen. Sg. m.)
karuṇām : das Mitgefühl, die mitfühlende Gnade (Karuna, Akk. Sg. f.)
vinā : ohne (Vina, Präposition)


  • Übersetzung:
Schwer zu erlangen ist die Entsagung der Sinnesobjekte, schwer zu erlangen ist die unmittelbare Erkenntnis der Wahrheit,
schwer zu erlangen ist der natürliche Zustand - ohne das Mitgefühl eines wahrhaftigen Meisters.


Erläuterungen

  • Das Adjektiv dur-labhaḥ bezieht sich auf das Substantiv viṣaya-tyāgaḥ (Kompositum vom Typ Tatpurusha) und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum. Die Verbform "ist" wird hier im Sanskrit mitverstanden, da es sich um einen sogenannten Nominalsatz, d.h. einen Satz (Vakya) ohne finite Verbform, handelt.
  • Das Adjektiv dur-labham bezieht sich auf das Substantiv tattva-darśanam (Tatpurusha) und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Neutrum.
  • Die Adjektive dur-labhā und sahajā beziehen sich auf das Substantiv avasthā und stehen daher ebenfalls im Nominativ Singular Femininum.
  • Der Genitiv (Shashthi) sad-guroḥ (ein Kompositum vom Typ Karmadharaya) bezieht sich auf den Akkusativ karuṇām.
  • Die Präposition (Upasarga) vinā erfordert den Akkusativ des Wortes, auf das sie sich bezieht (hier: karuṇām).
  • Sandhi: Die Form durlabho steht für durlabhaḥ, da auslautendes -aḥ vor stimmhaftem Konsonant (hier: v) zu -o wird. Die Endung -m von durlabham und karuṇām geht vor folgendem Konsonanten in Anusvara () über, welcher vereinfachend wie m ausgesprochen wird. Das auslautende lange ā von sahajā und das anlautende kurze a von avasthā verschmilzt zu einem langen ā in sahajāvasthā.


Seminare

Sanskrit und Devanagari

10.11.2017 - 12.11.2017 - Sanskrit

Erlernen der Devanagari-Schrift zum korrekten Aussprechen der Mantras.

Dr. phil. Oliver Hahn


Siehe auch