Negative Auswirkungen im Zusammenhang mit Yoga: Eine systematische Auswertung veröffentlichter Fallbeispiele und Fallserien
Die Studie Negative Auswirkungen im Zusammenhang mit Yoga: Eine systematische Auswertung veröffentlichter Fallbeispiele und Fallserien erschien in PLOS ONE, Oktober 2013, Band 8, Nummer 10.
Sie wurde vorgelegt von Holger Cramer (Lehrstuhl für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte, Medizinische Fakultät, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland, E-Mail: h.cramer@kliniken-essen-mitte.de), Carol Krucoff (Duke Integrative Medizin, Duke Universität, Durham, North Carolina, Vereinigte Staaten von Amerika), Gustav Dobos (Lehrstuhl für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte, Medizinische Fakultät, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland).
Zusammenfassung
Während Yoga in Nordamerika und Europa einen steigenden Zulauf verzeichnet, ist seine Unbedenklichkeit von der allgemeinen Presse in Frage gestellt worden. Das Ziel dieser systematischen Untersuchung bestand darin, veröffentlichte Fallbeispiele und Fallserien im Hinblick auf mögliche negative Auswirkungen auszuwerten, die mit Yoga in Verbindung gebracht werden.
Medline/Pubmed, Scopus, CAMBase, IndMed und die Cases Database wurden daraufhin im Februar 2013 überprüft. Dabei wurden 35 Fallbeispiele sowie zwei Fallserien mit insgesamt 76 begutachteten Fällen berücksichtigt. In zehn Fällen bestanden medizinische Vorgeschichten, hauptsächlich mit Glaukomen und Osteopenie. Pranayama, Hatha Yoga und Bikram Yoga waren die verbreitetsten Yogatechniken; Kopfstand, Schulterstand, Lotussitz und kraftvolle Atemtechniken waren die am häufigsten genannten Yogastellungen und Atemtechniken.
27 der negativen Auswirkungen (35,5%) betrafen das Muskel-Skelett-System, 14 (18,4%) das Nervensystem und 9 (11,8%) die Augen. In 15 Fällen (19,7%) kam es zu einer vollständigen, in neun Fällen (11,3%) zu einer teilweisen und in einem Fall (1,3%) zu keiner Besserung. Es gab einen Todesfall (1,3%).
Wie jede andere körperliche oder geistige Praxis sollte Yoga mit Bedacht unter der Anleitung eines qualifizierten Kursleiters praktiziert werden. Anfänger sollten extreme Praktiken wie Kopfstand, Lotussitz und kraftvolle Atemtechniken vermeiden. Personen mit medizinischer Vorgeschichte sollten mit ihrem Arzt und ihrem Yogalehrer zusammenarbeiten, um die Yogastellungen entsprechend anzupassen. Patienten mit Glaukom sollten Umkehrstellungen, und Patienten mit Knochendefiziten sollten kraftvolle Yogapraktiken vermeiden.
- Zitat: Cramer H, Krucoff C, Dobos G (2013) Negative Auswirkungen im Zusammenhang mit Yoga: Eine systematische Auswertung veröffentlichter Fallbeispiele und Fallserien. PLOS ONE 8(10); e75515. Doi:10.1371/journal.pone.0075515
- Herausgeber: Ted S. Acott, Casey Eye Institut, Vereinigte Staaten von Amerika
- eingereicht: 17. Mai 2013; angenommen: 14. August 2013; veröffentlicht: 16. Oktober 2013
- Urheberrecht: ©2013 Cramer et al. Open Access-Artikel, veröffentlicht gemäß der Creative Commons Namensnennungs Lizenz, die die uneingeschränke Nutzung, Verbreitung und Vervielfältigung in jedem Medium unter der Voraussetzung erlaubt, dass der Urheber und die Quelle angegeben werden
- Finanzierung: Nach Angabe der Autoren wurden keine Unterstützung oder finanzielle Mittel gewährt.
- Interessenkollisionen: Die Autoren haben erklärt, dass keine Interessenkollisionen vorliegen.
Einführung
Yoga ist in der indischen Philosophie verwurzelt und seit rund 3000 Jahren Bestandteil der spirituellen Praxis in Indien (1). Während das Ziel von Yoga dahingehend beschrieben wurde, dass es Geist, Körper und Seele vereinigen soll, ist es heute zu einer populären Methode geworden, um körperliches und geistiges Wohlbefinden zu fördern (1, 2). Während Yoga traditionell auch Ratschläge für einen ethischen Lebensstil und spirituelle Praxis umfasst (1-4), wird es in Nordamerika und Europa meistens mit Körperstellungen (Asanas), Atemtechniken (Pranayama) und Meditation (Dhyana) in Verbindung gebracht (2). Diese mehr körperorientierten Yogastile gewinnen als therapeutische Anwendung zunehmend an Beliebtheit.
2008 gaben etwa 15% der erwachsenen Amerikaner an, Yoga zu praktizieren oder zumindest sehr daran interessiert zu sein (5). Von denjenigen, die bereits Yoga praktizierten, begann etwa die Hälfte ausdrücklich deshalb damit, weil sie ihre gesundheitliche Situation verbessern wollten, was zu mehr als 13 Millionen Yogapraktizierenden geführt hat, die Yoga aus gesundheitlichen Gründen üben (6,7). Nach Schätzungen praktizieren etwa 30 Millionen Menschen weltweit regelmäßig Yoga (8). Yoga ist auch als medizinische Therapie anerkannt worden. Etwa 14 Millionen Amerikaner (6,1% der Bevölkerung) gaben an, dass ihnen Yoga von einem Arzt oder anderen Therapeuten empfohlen worden sei (5). Während Yoga früher oft als gesundheitsfördernd und unbedenklich angesehen wurde, hat sich diese Auffassung in den letzten Jahren gewandelt. Hauptsächlich auf der Grundlage von Fallberichten wurde die Unbedenklichkeit von Yoga in etlichen Presseartikeln in Frage gestellt (9-11). Insbesondere ein kürzlich erschienener Artikel in der New York Times von William J. Broad hat mehrere alarmierende Fälle von yogabedingten Verletzungen aufgelistet (11).
Weil diese Veröffentlichungen offenbar zu einer allgemeinen Verunsicherung bei Yogapraktizierenden und an Yoga Interessierten geführt haben (12), ist es wichtig, die Unbedenklichkeit von Yoga systematisch zu untersuchen.
Daher möchte diese kritische Betrachtung veröffentlichte Fallberichte und Fallserien von negativen Auswirkungen auswerten, die dem Yoga zugeschrieben werden, um zu untersuchen, a) welche negativen Auswirkungen am häufigsten berichtet wurden, b) welche Yogastile und Praktiken genau am häufigsten mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht worden sind, und c) bei welchen Personen (z. B. solchen mit bestimmten medizinischen Vorgeschichten) am häufigsten von einer Betroffenheit berichtet wurde.
Materialien und Methoden
Auswahlkriterien
Diesbezügliche Fallbeispiele und Fallserien in englischer oder deutscher Sprache wurden in die Auswahl einbezogen, wenn sie in einer Peer Review-Zeitschrift veröffentlicht wurden und von yogabezogenen negativen Auswirkungen bei gesunden Personen oder Patienten berichteten. Nicht fallbezogene Berichte wie klinische Studien, systematische Übersichtsarbeiten, Grundlagenforschung oder Kommentare wurden nicht einbezogen.
Eine bestimmte Praxis wurde als Yoga eingestuft, wenn sie a) von den Autoren explizit als "Yoga" bezeichnet wurde, b) als eine bestimmte Form der Yogapraxis bezeichnet wurde und/oder c) die beschriebene Praxis eindeutige Ähnlichkeiten zu Yogapraktiken aufwies.
Negative Auswirkungen wurden als yogabezogen eingestuft, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit der Yogapraxis auftraten und/oder von den Autoren des Berichts ein Kausalzusammenhang angenommen wurde.
Forschungsmethoden
Am 10. Februar 2013 wurde eine explorative Recherche mit Pubmed[1] durchgeführt, bei der folgende Suchstrategie angewendet wurde: (Yoga[MeSH[2]Begriffe] ODER Yoga [Titel/Zusammenfassung] ODER yogisch[Titel/Zusammenfassung] ODER Asana[Titel/Zusammenfassung] ODER Pranayama[Titel/Zusammenfassung] UND (Fallberichte[Publikationstyp] ODER Fall[Titel/Zusammenfassung] ODER Fälle[Titel/Zusammenfassung] ODER negativ[Titel/Zusammenfassung].
Zusammenfassungen, die bei dieser anfänglichen Literaturrecherche ermittelt worden waren, wurden überprüft, und negative Auswirkungen, die in den abgefragten Zusammenfassungen mit der Yogapraxis in Zusammenhang gebracht wurden, wurden in die endgültige Suchstrategie einbezogen. Bei dieser Recherche wurden folgende elektronischen Datenbanken von ihrem zeitlichen Beginn bis zum 15. Februar 2013 durchsucht: Medline/Pubmed, Scopus, CAMBase, IndMed und die Cases Database. Die vollständige Suchstrategie für jede Datenbank ergibt sich aus Tabelle 1.
Die Quellenangaben der ermittelten Originalartikel oder Berichte wurden manuell überprüft. Darüber hinaus wurden die Inhaltsverzeichnisse des International Journal of Yoga Therapy und das Jounal of Yoga & Physical Therapy überprüft.
Datenauszug und Datenverwaltung
Bei den Fallberichten wurden die Daten nach Zeitpunkt der Veröffentlichung, Ursprungsland, Alter und Geschlecht des Falles, der genauen Yogapraxis, der Yogastellung oder den Atemtechniken sowie der Erfahrung des Praktizierenden zusammengestellt. Angaben zu der berichteten negativen Auswirkung, ihrer Behandlung und dem klinischen Ergebnis wurden ebenfalls exzerpiert.
Bei den Fallserien wurden der Veröffentlichungszeitpunkt, die Quelle, die Fallzahl, die Kriterien Alter und Geschlecht, die spezifische Yogapraxis und Yogastellungen oder Atemtechniken, die berichtete negative Auswirkung, ihre Behandlung sowie das klinische Ergebnis erfasst.
Ergebnisse
Literaturrecherche
Die Literaturrecherche ergab insgesamt 517 individuelle Datensätze, von denen 469 nicht berücksichtigt wurden, weil sie nicht über Yogapraktiken berichteten, keine Fallberichte oder Fallserien waren, oder weil sie nicht über negative Auswirkungen berichteten.
Von den 48 für geeignet befundenen Volltexten wurden 11 Artikel nicht berücksichtigt, weil sie nicht von Yoga handelten (13-20), weil es sich nicht um Fallberichte oder Fallserien handelte (21-23), oder weil es sich um Doppelpublikationen zum selben Fall handelte (24).
Letztendlich wurden 35 Fallberichte (25-59) und zwei Fallserien berücksichtigt, die insgesamt 76 Einzelfälle (60,61) berichteten (Abbildung 1).
Fallbeispiele
Die Charakteristika der berücksichtigten Fallberichte und Fallserien ergeben sich jeweils aus den Tabellen 2 und 3. Von den einbezogenen 37 Berichten stammten 19 aus den USA (28,31-33,35-38-40,43-47,49,52,55-27,61), einer aus Kanada (60), zwei aus Großbritannien (51,59), einer aus Deutschland (42), einer aus der Schweiz (25), zwei aus Italien (26,34), einer aus Dänemark (36), fünf aus Indien (29,41,48,53,54) und jeweils einer aus Nepal (27), China (37), Taiwan (58), Südkorea (30) und Australien (50).
Der früheste berücksichtigte Bericht wurde 1969 veröffentlicht, während die Zahl der veröffentlichten Berichte sich allmählich bis 2012 jedes Jahr erhöhte (Abbildung 2). Von den 76 Fällen wiesen 66 keine Ausgangsbedingungen auf, die mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht werden konnten, während in neun Fallberichten eine Verschlechterung vorhandener Ausgangsbedingungen beschrieben wurde, nämlich drei Fälle von Glaukomen (25,35,38), drei Fälle von Osteopenie (61) und jeweils ein Fall von Asthma (55), Psychose (45) und affektiver Störung (59).
In einem Fall lag eine angeborene Hyperelastizität des Bindegewebes vor, die das Auftreten von negativen Auswirkungen begünstigt haben könnte (34). Bei 51 der Fälle handelte es sich um Frauen, bei 25 der Fälle um Männer; das Durchschnittsalter lag bei 44,23 Jahren.
Die Yogapraxis, die am häufigsten mit den berichteten negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht wurde, war Pranayama mit vier berichteten Fällen (40,41,54,55), gefolgt von Hatha Yoga (ein Sammelbegriff für körperliche Yogapraktiken) (25,31,48) und Bikram Yoga (43,45,51), jeweils mit drei Fällen. Siddha Yoga Meditation (47,56) und Vinyasa Yoga (eine Yogapraxis, die auf den Atem abgestimmte fließende Yogastellungen umfasst) (28) wurden jeweils in zwei bzw. einem Fall praktiziert.
Bezüglich bestimmter Yogastellungen wurde der Kopfstand (Sirsasana) in zehn Fällen (25,27,28,32,35,37,38,46,52,53) praktiziert, der Schulterstand in drei Fällen (36,39,52), Varianten des Lotussitzes (Padmasana) in drei Fällen (26,47,56), kraftvolle Atemtechniken in drei Fällen (40,41,55), absichtliches Erbrechen (Kunjal Kriya) in zwei Fällen (27,48) und Haltungen, bei denen ein oder zwei Füße hinter den Kopf gebracht werden, in zwei Fällen (34,50). Diamantsitz (Vajrasana) (31), die Heuschrecken-Stellung (Salabhasana) (36), Brücke (Setubandha) (49), Vorwärtsbeuge (Paschimottanasana) (57) und der Hund (Adho Mukha Svavasana) (58) wurden in jeweils einem Fall praktiziert. Es wurde ein Fall von einer weiblichen Teenagerin berichtet, die willentlich eine Mund-zu-Mund Yoga-Atemübung mit einem männlichen Teenager praktiziert habe (33). Es wurde ein weiterer Fall von der Anwendung extremer Yogastellungen berichtet, die nicht näher beschrieben wurden (29). In zehn Fällen wurde die Yogapraxis, die mit der negativen Auswirkung in Verbindung gebracht wurde, unter Aufsicht durchgeführt (26,42,43,45,51,54,56,58,59,61), in vier Fällen ohne Aufsicht (33,53,55,61). Die übrigen Berichte enthielten keine Angabe dazu, ob die Praxis mit oder ohne Aufsicht durchgeführt wurde.
In 27 Fällen betrafen die negativen Auswirkungen das Muskel-Skelett-System einschließlich Brüchen (26,60,61), Bänderrissen (50,58,60), Gelenkverletzungen (60), Knorpelverletzungen (60), Riss des Bandscheibenfaserrings (Bandscheibenvorfall) (60), Weichteil- und Muskelverknöcherungen z.B. nach Gelenkverletzungen (Myositis ossificans) (44) und erhöhte Muskelenzymwerte (55). Neun berichtete Fälle betrafen Nebenwirkungen im Bereich der Augenhöhlen einschließlich akuten Glaukomen (36,52), Verschlechterung bei chronischen Glaukomen (25,35,38) und Augenvarizen oder Venenthrombosen (32,45,49,53). Periphere Neuropathie wurde in vier Fällen berichtet (34,47,56,57), Schlaganfall in drei Fällen (37,39,49) und vorübergehende Kopfschmerzen in sieben Fällen (60). Drei Fälle mit Pneumothorax (40,41) oder Mediastinalemphysem (33) wurden vorgestellt. Zwei Fälle mit Rektusscheidenhämatomen (30,54) wurden vorgestellt. Zehn weitere negative Auswirkungen wurden nur einmal berichtet (27-29,42,43,45,48,51,59,60) (siehe Tabellen 2 und 3); die verbleibenden 11 negativen Auswirkungen waren unklar (60).
In 15 Fällen kam es zu einer vollständigen Genesung ohne (25) oder in Folge einer entsprechenden Behandlung (29-31,36,40,44,45,48,50,51,54,55,57,59) und in neun Fällen zu einer teilweisen Besserung (27,34,37,39,43,49,52,56,58). In einem Fall kam es zu keiner Besserung (53) und in einem Fall zum Tod (33). In den verbliebenen Fällen gab es keine Angaben zum klinischen Ergebnis (28,32,35,42,46,47,60,61).
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Erörterung
Diese systematische Untersuchung umfasste 76 einzelne Fälle von yogabedingten negativen Auswirkungen. Die meisten negativen Auswirkungen betrafen das Muskel-Skelett-System, das Nervensystem und das visuelle System. In mehr als der Hälfte der Fälle, in denen über das klinische Ergebnis berichtet wurde, kam es zu einer vollständigen Besserung, in einem Fall zu keiner Besserung und in einem Fall zum Tod.
Der Kopfstand war die bei weitem am häufigsten genannte Yogastellung; und Pranayama und Bikram Yoga waren die Yogapraktiken, die am häufigsten mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht wurden.
Die Eintrittswahrscheinlichkeit von mit Yoga verbundenen negativen Auswirkungen lässt sich am besten durch große prospektive Studien bei Praktizierenden erfassen. Entsprechendes Datenmaterial gibt es jedoch nur vereinzelt.
In einer kleinen Studie mit 110 finnischen Ashtanga Vinyasa Yoga Praktizierenden gaben 62% der Befragten mindestens eine yogabezogene Muskel-Skelett-Verletzung an, hauptsächlich Verstauchungen und Zerrungen (62). Etwa die Hälfte von ihnen berichtete von einer vollständigen Besserung, die andere Hälfte von einer teilweisen Besserung. Ashtanga Vinyasa Yoga ist ein körperlich anspruchsvolles Yogasystem, bei dem standardisierte Übungsreihen körperlicher Yoga-Haltungen mit darauf abgestimmter Atmung angewendet werden (62).
In einer aktuelleren, groß angelegten landesweiten Studie gaben von etwa 2.500 australischen Yogapraktizierenden 78,7% an, dass sie sich beim Yoga noch nie verletzt hätten (63). Die übrigen Praktizierenden berichteten hauptsächlich von geringfügigen Verletzungen. 4,6% der Befragten hatten sich in den vergangenen 12 Monaten verletzt; 3,4% berichteten von Verletzungen, die unter Aufsicht geschehen seien.
In Übereinstimmung mit der vorliegenden systematischen Untersuchung handelt es sich bei den Körperhaltungen, die am häufigsten mit Verletzungen in Verbindung gebracht wurden, um den Kopfstand, den Schulterstand und Varianten des Lotussitzes (63).
Eine Umfrage unter mehr als 1.300 hauptsächlich nordamerikanischen Yogalehrern und -therapeuten ergab, dass nach Einschätzung der Befragten Verletzungen der Wirbelsäule, der Schultern oder der Gelenke am verbreitetsten waren; viele der Befragten betrachteten Yoga als normalerweise sicher und führten negative Auswirkungen auf übertriebene Anstrengung, unzureichende Lehrerausbildung und fehlendes Wissen über medizinische Grundlagen zurück (64).
Systematische Untersuchungen klinischer Studien zu Yoga-Interventionen ergaben im Allgemeinen eine unzureichende Auswertung sicherheitsrelevanter Daten (65-68). Wenn allerdings negative Auswirkungen berichtet wurden, konnten sie größtenteils als geringfügig bewertet werden (65-67).
Unter 76 Fällen wurde in der vorliegenden Untersuchung ein Todesfall berichtet (33). Die Praxis wurde jedoch als willentliche Mund-zu-Mund-Yoga-Atemübung beschrieben, was kaum als typische Yogapraxis bezeichnet werden kann. Diese Praxis ist in keinem der gebräuchlichen Yoga-Handbücher beschrieben (1,69). Außerdem ergaben nach dem Tod durchgeführte toxikologische Untersuchungen einen signifikanten Medikamentenspiegel langwirksamer Barbiturate, der für ihren Tod zumindest mitverantwortlich gewesen sein könnte.
Ein anderer Fallbericht handelt von einer Neuropathie, die durch Einschlafen während einer Vorwärtsbeuge aufgrund von Opioiden und trizyklischen Antidepressiva verursacht wurde (57).
Da Yoga Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert (70,71), wird empfohlen, dass Praktizierende während der Praxis auf den Konsum von Alkohol oder Partydrogen verzichten sollten, um negative Auswirkungen zu vermeiden.
Mehrere der berichteten negativen Auswirkungen traten bei Yogalehrern auf (27,32,45), von denen angenommen werden kann, dass sie intensiver und häufiger praktizieren als Nicht-Lehrer. Die Yogastellungen, die am häufigsten mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht wurden, waren Kopfstand, Schulterstand, Haltungen, die erforderten, dass einer oder beide Füße hinter den Kopf gebracht werden, und Variationen des Lotussitzes. Alle diese Stellungen können als fortgeschrittene Haltungen bezeichnet werden, die normalerweise nicht von Anfängern oder Personen mit Vorerkrankungen praktiziert werden sollten (1).
Sogenannte Umkehrstellungen wie Kopfstand und Schulterstand werden häufig als besondere Kategorie von Yogastellungen angesehen, die nur von erfahrenen Übenden praktiziert werden sollten und nur mit äußerster Vorsicht (1,72). Zwei von den drei Fällen, in denen der Schulterstand praktiziert worden war (36,52) und acht von den zehn Fällen, in denen der Kopfstand praktiziert worden war (25,32,35,37,38,46,52,53), berichteten von nachteiligen orbitalen Wirkungen, hauptsächlich Glaukomsymptomen.
Es ist berichtet worden, dass der Kopfstand zu einer Verdoppelung des Augeninnendrucks führt (73). Der Augeninnendruck kehrte jedoch sofort nach dem Kopfstand zum Ausgangswert zurück (73), und es wurde kein Zusammenhang zwischen regelgerechter Yogapraxis und einer chronischen Erhöhung des Augeninnendrucks festgestellt (73).
Daher sollten Anfänger äußerst vorsichtig bei Umkehrstellungen sein, die bei Personen mit Glaukom-Krankengeschichte oder entsprechender familiärer Prädisposition kontraindiziert sein können.
Willentliches Erbrechen ist im traditionellen Yoga eine übliche Kriya oder Reinigungstechnik (69). Sie wird jedoch in Nordamerika oder Europa sehr selten praktiziert (2). Da ein Fall von zeitweiligen Reflux-Beschwerden (27) und ein weiterer Fall von Zahnerosion (48) – beide davon in Indien – vermutlich unmittelbar auf regelmäßiges Erbrechen zurückzuführen waren und die behaupteten reinigenden Eigenschaften biomedizinisch nicht belegt sind, sollte von dieser Praxis generell abgesehen werden.
Ansonsten wurden vier negative Auswirkungen mit Yogaatmung (Pranayama) in Verbindung gebracht. Während sanfte Formen der Yogaatmung, wie die entspannte Bauchatmung, für Anfänger geeignet sein können, wird von extremeren Formen, die das Anhalten oder die Forcierung der Atmung umfassen, angenommen, dass diese fortgeschrittene Yogapraktiken sind, die nicht von Neueinsteigern angewendet werden sollten (1,22,74).
Keine der genannten Studien enthielt Aussagen zur Dauer der Praxis der betroffenen Personen (40,41,54,55). Yogapraktizierenden sollte geraten werden, bei der Anwendung von Pranayama vorsichtig zu sein und kraftvolle Techniken wie Kapalabhati, eine Technik, die dem Hyperventilieren ähnelt, erst zu praktizieren, wenn sie über eine ausreichende Körperbeherrschung verfügen und leichtere Atemtechniken bereits gemeistert haben.
Bikram Yoga ist ein moderner Yogastil, der klassische Hatha Yoga-Praktiken bei einer Raumtemperatur von 40,6 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 40% umfasst (75). Bikram Yoga ist ein sehr intensiver körperbetonter Yogastil, der kraftvolle Übungen und Wettstreit beinhaltet (75). Mindestens eine von drei mit Bikram Yoga in Verbindung gebrachten negativen Auswirkungen, eine Hyponatriämie aufgrund von übermäßiger Flüssigkeitsaufnahme nach starkem Schwitzen (51), kann unmittelbar auf die konkreten Bedingungen von Bikram Yoga zurückgeführt werden und ist nicht auf andere Yogastile übertragbar. Wegen der extremen Hitze und Intensität der Bikram Yogapraxis ist dieser Yogastil möglicherweise ungeeignet für ältere Erwachsene und Personen mit bestimmten Krankheitsbildern.
Die Mehrzahl der Fälle betraf Frauen, und die Zahl der veröffentlichten Fälle stieg zwischen 1969 und 2012 jedes Jahr allmählich an. Diese Erkenntnisse geben allgemeine Charakteristika bei Yogapraktizierenden wieder. Etwa 75% aller Yogapraktizierenden sind Frauen (76,77), und Yoga ist mit der Zeit immer populärer geworden. 1994 praktizierten ungefähr fünf Millionen amerikanische Erwachsene Yoga (78), 2002 waren es schon mehr als 10 Millionen (7) und 2007 mehr als 13 Millionen (6).
Die meisten der in dieser Untersuchung erfassten Fälle stammten aus den USA. Dass es keine zuverlässigen Daten zur Verbreitung von Yoga außerhalb der USA gibt, spiegelt vermutlich die - im Vergleich zu den meisten anderen Ländern weltweit - stärkere Verbreitung von Yoga in den USA wider (79).
Es gibt mehrere Einschränkungen bei der hier vorgenommenen Untersuchung. Es wurden nur Fallberichte und Fallserien einbezogen, die in Peer Review-Zeitschriften veröffentlicht worden waren, um eine bestimmte Qualität der Begutachtung und der Auswertung sicherzustellen. Fälle, die in der grauen Literatur[3] veröffentlicht worden sind, hätten die Erkenntnisse dieser Untersuchung möglicherweise verbessern können.
Darüber hinaus war die Dokumentation in den einbezogenen Fallberichten qualitativ schlecht. Nur wenige Berichte beschrieben den konkret praktizierten Yogastil oder die Praxiserfahrung des Falles. Noch kritischer zu sehen ist, dass etwa zwei Drittel der berichteten Fälle keine Informationen zum klinischen Ergebnis enthielten. Das macht es schwer, die Zahl der Fälle ohne Besserung oder mit nur teilweiser Besserung einzuschätzen, wobei diese Informationen entscheidend für eine Beurteilung der Unbedenklichkeit von Yoga sind. Fallberichte und Fallserien sind ihrer Natur nach Einzelberichte. Daher kann diese Untersuchung keine Einschätzung zur Gesamtzahl oder Häufigkeit von negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit Yoga vornehmen.
Ergebnisse
Wie jede andere körperliche oder geistige Praxis ist Yoga nicht ohne Risiko. Unter Berücksichtigung der großen Zahl von Praktizierenden weltweit (6-8) sind jedoch nur relativ wenige negative Auswirkungen bei gesunden Personen bekannt. Es besteht daher bei gesunden Personen keine Veranlassung, von der Yogapraxis abzuraten. Es ist jedoch deutlich geworden, dass Yoga nicht als Wettstreit praktiziert werden sollte, und dass Yogalehrer und Praktizierende sich (oder ihre Schüler) niemals dazu drängen sollten, ihre Belastungsgrenzen zu missachten (9). Anfänger sollten fortgeschrittene Haltungen wie den Kopfstand oder den Lotussitz sowie fortgeschrittene Atemtechniken wie Kapalabhati vermeiden. Praktiken wie willentliches Erbrechen sollten möglicherweise vollständig vermieden werden.
Da Yoga erwiesenermaßen vielfach förderlich ist (65,66,68), ist es auch für Patienten mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen empfehlenswert, soweit es an ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten entsprechend angepasst und unter der Anleitung eines erfahrenen und medizinisch geschulten Yogalehrers ausgeführt wird. Insbesondere Patienten mit Glaukom sollten Umkehrstellungen vermeiden, und Patienten mit Knochendefekten und anderen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sollten kraftvolle oder wettbewerbsorientierte Yogastile vermeiden. Yoga sollte nicht unter dem Einfluss von Psychopharmaka praktiziert werden.
Ergänzende Informationen
Checkliste S1 PRISMA Checkliste (DOC)
Autorenbeiträge
Konzept und Versuchsplanung: HC GD; Versuchsdurchführung: HC; Datenanalyse: HC CK; Niederschrift der Arbeit: HC CK.
Fußnoten
- ↑ englischsprachige textbasierte Meta-Datenbank mit medizinischen Artikeln bezogen auf den gesamten Bereich der Biomedizin der nationalen medizinischen Bibliothek der Vereinigten Staaten (National Library of Medicine, NLM), Anm. d. Ü.
- ↑ Medical Subject Headings, ein Thesaurus zur Sacherschließung von Büchern und Zeitschriftenartikeln in Medizin und Biowissenschaften, Anm. d. Ü.
- ↑ bibliothekswissenschaftliche Bezeichnung für Bücher und andere Publikationen, die nicht über den Buchhandel vertrieben werden, Anm. d. Ü.
Quellenangaben
Siehe auch
- Studien
- Wissenschaftliche Studien Yoga
- Wissenschaftliche Studien Meditation
- Auswirkungen von Yoga bei Erschöpfung: eine Metaanalyse
- Auswirkungen von Yoga Interventionen auf Schmerzen und schmerzbedingte Aktivitätseinschränkung: eine Metaanalyse
- Wissenschaftliche Studien Pranayama (yogische Atemübungen)
- Wissenschaftliche Studien Literaturliste
- Pranayama
- Hatha Yoga
- Bikram Yoga
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