Yoga und Christentum

Aus Yogawiki

Es wird viel darüber diskutiert, ob Christen Yoga praktizieren dürfen. Aus der Sicht des Yoga ist es kein Problem, weil Yoga im Westen vorwiegend eine Körperübung ist. Innerhalb des Christentums gibt es verschiedene Meinungen.

Maria mit Kind, russ. Ikone aus dem 12. Jh.

Yoga besteht aus Körperübungen (Asanas), Atemübungen Pranayama), Tiefenentspannung, Meditation (Entspannung) und Gedankenarbeit (Positives Denken). Für für die meisten Menschen im Westen ist Yoga ein Weg der Gesundheit, der Beweglichkeit und der Entspannung. Yoga kann als körperlicher und als spiritueller Weg praktiziert werden. Es kommt darauf an, mit welchem Ziel und wie intensiv man ihn praktiziert. Es gibt im Yoga viele verschiedene spirituelle Wege und Gottesvorstellungen. Nur einzelne Gruppen haben eine hinduistische Ausrichtung. Im Yoga darf grundsätzlich jeder seinen persönlichen Weg gehen. Christen dürfen ihren Glauben an Jesus behalten.

Im Christentum herrscht viel Unklarheit über den Weg der Erleuchtung. Ein wichtiger Vorwurf besteht darin, dass Yoga ein Selbsterlösungsweg ist und die Christen durch die Gnade Gottes erlöst werden. Auch zwischen Katholiken und Lutheranern ist es umstritten, in wieweit ein Christ spirituell üben sollte oder ob alles alleine durch die Gnade geschieht. Im Yoga wird der Schwerpunkt auf das spirituelle Üben gelegt. Andererseits kann man die Erleuchtung nicht erzwingen. Sie kommt letztlich von alleine, spontan, als Gnade.

Yoga und Christentum – Interview Sukadev Bretz

Unten ein Auszug aus einem einem Interview mit Sukadev Volker Bretz, der im Dezember 2009 in der Zeitschrift "Yoga Aktuell" zum Thema Wintersonnenwende, Jesus, Weihnachten, Christentum und Yoga erschienen ist.

Wenn man über Yoga und Christentum schreibt, ergeben sich drei Fragen:

  • Vertragen sich Yoga und Christentum?
  • Gibt es Elemente von Yoga und Christentum, die sich nicht vertragen?
  • Was hat ein Christ von der Yoga Praxis?
  • Kann ein nicht-christlich geprägter Yoga Aspirant von den Lehren Jesu Christi Inspiration bekommen?

Vertragen sich Yoga und Christentum?

Da gibt es viele Meinungen, auch und gerade in den christlichen Kirchen. Außerhalb der großen Kirchen gibt es solche, die alles Yoga (und Autogenes Training und Homöopathie) für Teufelswerk halten. Auf der anderen Seite gibt es viele christliche Pfarrer, Priester und Mönche, die selbst Yoga üben. Ich selbst lese gerne in der Bibel, gehe ab und zu in den Gottesdienst – für mich selbst stellt sich da nicht die Frage nicht. Für mich ist das selbstverständlich eins. Jesus sagte: „Ich und mein Vater sind eins“ (Johannes 10,30). „Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mt 5,48). „Das Königreich Gottes ist inwendig in euch (bzw. mitten unter euch)“ (Lk 17,21). All diese Aussprüche Jesu sind sehr ähnlich wie die Aussprüche der Upanishaden: „Aham Brahmasmi – Ich und Gott sind eins“. „Tat Twam Asi – das bist du“. „Sarvam Khalvidam Brahma – alles ist wahrhaftig Gott“. Von christlicher Seite wird manchmal argumentiert mit dem Ausspruch „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6). Ich sehe da aber keinen Widerspruch. Letztlich heißt das für mich: Wir kommen zu Gott nur durch Gott bzw. durch Gottes Gnade. Wir kommen nicht durch irgendwelche äußeren Heldentaten zu Gott, sondern letztlich durch Öffnung zu Gott. Wie Swami Krishnananda, ein Schüler Swami Sivanandas, sagte: In Wahrheit bemüht sich nicht das Individuum, zu Gott zu kommen. In Wahrheit ist es Gott selbst, der im Menschen sich als spirituelle Praxis und als Gotteserfahrung manifestiert. Im 1. Buch Mose heißt es: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“. Das interpretiere ich so, dass wir aus dem Materiellen, aus Geld und Vergnügen, keine Götter machen sollen. Vielmehr sollen wir erkennen, dass letztlich alles Schöpfung und Manifestation des einen Gottes ist. Ich glaube, dass z.B. die Unterschiede innerhalb des Christentums und innerhalb des Buddhismus bzw. innerhalb des Hinduismus größer sind als die zwischen Christentum und Buddhismus bzw. Christentum und Hinduismus. Und so bin ich der festen Überzeugung, dass Yoga als religionsungebundene Spiritualität sehr gut einhergehen kann mit christlichem Glauben und Praxis

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Gibt es Elemente von Yoga und Christentum, die sich nicht vertragen?

Da kann man sicherlich einiges finden, was sich nicht verträgt. Ich will nur ein paar Aspekte herausgreifen

  1. Manche Christen haben einen Ausschließlichkeitsanspruch. Sie glauben, dass man nur durch einen Glauben, nämlich ihre Interpretation des Christentums zum Heil kommen könne und dass alles andere in die Hölle führe und Teufelswerk sei. Das verträgt sich natürlich nicht mit einer tolerant ausgerichteten Yoga-Lehre, die von Einheit in Verschiedenheit ausgeht
  2. Für die traditionellen Kirchen verträgt sich Glaube an Reinkarnation nicht mit der Lehre von Jesus. Ich selbst sehe da zwar keinen Widerspruch, meine sogar, dass sich in einigen Versen des neuen Testaments Ansätze von Reinkarnationsglaube zeigt. Und es gibt auch im Christentum viele Vertreter, die von Reinkarnation ausgehen. Dennoch ist der Glaube an Reinkarnation für die Vertreter großen Kirchen der größte „Knackpunkt“.
  3. Manche Yoga Übende zitieren gerne aus Holger Kerstens Buch „Jesus lebte in Indien“, in welchem der Autor zu beweisen sucht, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben sondern nur scheintot war, nach Indien gewandert und dort gestorben ist. Dies ist für die Kirchen gänzlich unakzeptabel. Denn die christliche Heilslehre basiert darauf, dass Jesus für die Vergebung der Sünden am Kreuz gestorben ist.
  4. Manche Yoga Übende haben mit manchen Konzepten traditioneller christlicher Theologie ihre Probleme, wie Ursünde, Unfehlbarkeit des Papstes und der Erlösung allein durch den Kreuzestod Christi

Ich meine allerdings, dass diese Widersprüche mit Demut zu lösen sind. Letztlich bleibt das Göttliche für den Menschen ein Mysterium. Und auch wenn man in Meditation und Samadhi in höhere Ebenen des Bewusstseins geht, kann man das Erlebte nicht in Worte fassen. Wenn wir uns bewusst sind, dass alle Konzepte nicht die Wirklichkeit abbilden, können wir als Suchende den spirituellen Weg mit Demut gehen.

Was hat ein gläubiger Christ von der Yoga Praxis?

  1. Auch ein gläubiger Christ hat in der heutigen Zeit manchmal Verspannungen und diverse psychosomatische Probleme. Da kann die Hatha Yoga Praxis mit Körperübungen, Atemübungen, Tiefenentspannung entscheidende Hilfen geben
  2. Vielen Christen fehlt in ihrer religiösen Praxis etwas: Manche wünschen sich die Einbeziehung des Körpers – hier kann Hatha Yoga wie Ganzkörpergebet zur Verehrung Gottes geübt werden. Manche wünschen sich, im Gebet ihren Geist zur Ruhe zu bringen und für Gott zu öffnen. Hier können die Pranayama Übungen, die Meditationstechniken sowie die Raja Yoga Techniken zur Geisteskontrolle von entscheidender Bedeutung sein. Manche Christen empfinden Christentum als etwas kopflastig oder auch sehr stark als Sozialarbeit. Sie wünschen sich als Ergänzung mehr authentische Erfahrung. Hier können die Yoga Übungen von großem Nutzen sein
  3. Manche Christen wissen intuitiv, dass in der heutigen Zeit weniger das Trennende sondern vielmehr das Verbindende von Bedeutung ist. Hier bietet das religionsübergreifende Yoga einen Bezugsrahmen auch für den Dialog der Weltreligionen untereinander

Kann ein nicht-christlich geprägter Yoga Aspirant von den Lehren Jesu Christi Inspiration bekommen?

Ja, das meine ich sehr wohl. Yoga und Christentum können sich sehr sinnvoll ergänzen. Yoga Aspiranten können von den Lehren Jesu auf vielfältige Weise Inspiration bekommen:

  1. Das Ideal der Nächstenliebe wird von Jesus sehr viel stärker in den Mittelpunkt gerückt als in den Yoga Schriften. Zwar ist im Yoga Sutra immer wieder von „Maitri Bhavana“ (Mitgefühl, Nächstenliebe) und „Ahimsa“ (Nichtverletzen) die Rede. Aber die Worte Jesu gehen auch heute noch in besonderem Maße zum Herzen. Nicht umsonst haben viele Yoga Meister (z.B. Swami Sivananda und Mahatma Gandhi) regelmäßig in der Bergpredigt gelesen und zur Richtschnur ihres Handelns gemacht. Nicht umsonst fehlen im heutigen Indien in keinem größeren Ashram soziale Werke (Hospital, Waisenheim, Leprastation, Tuberkulose-Betreuung etc.). Mehr als vielen bewusst ist, hatte das Christentum Einfluss auf die Entwicklung des Yoga seit dem 19. Jahrhundert.
  2. Jesus hat gelehrt, dass es nicht um Buchstabentreue sondern um die Liebe geht. Auch daran sollte man als Yoga Aspirant denken – denn auch unter Yoga Aspiranten gibt es manchmal große Streitigkeiten um die korrekte „Technik“ der Übungen. Da ist es immer wieder hilfreich, an die beiden wichtigsten Grundsätze zu denken, die Jesus immer wieder betont hat: (1) Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. (2) Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Nach Mat. 22, 34-40).
  3. Gerade die vom Christentum Enttäuschten, die vielleicht sogar eine Anti-Haltung zum Christentum entwickelt haben, können durch die Beschäftigung mit yogischen Interpretationen der Lehren Jesu eine leidvolle Erfahrung auflösen, einen Schritt weiter zum inneren Frieden kommen.

Einheit in Verschiedenheit

Vereinzelt wird ja Yoga Übenden der Vorwurf gemacht, dass man als Westler besser keinen asiatischen Weg gehen sollte, sondern besser bei der Spiritualität des eigenen Kulturkreises bleiben sollte. Darauf kann man zum einen antworten, dass das für Europa so charakteristische Christentum ja nicht aus Germanien, sondern aus Palästina stammt. Zum anderen predigen christliche Missionare seit vielen Jahrhunderten auf allen Kontinenten. Schließlich ist es geradezu das Schöne an der heutigen Zeit, dass Elemente verschiedener Kulturen uns bereichern: Fast jeder isst gerne beim Italiener, Griechen, Türken, Chinesen. Menschen hören gerne Musik, die aus Amerika kommt und afrikanisch beeinflusst ist. Vieles was wir essen, stammt aus Amerika, Asien oder Afrika. Unser Öl stammt aus dem Nahen Osten, die Kleidung aus China, die Internet Technik aus Amerika und die Internet Programmierer aus Indien. Und wir sind alle Kinder des einen Gottes. Die Welt ist zum „Globalen Dorf“ zusammengewachsen. Die heutige Zeit ist wie die Zeit um Christi Geburt eine Zeit der Verschmelzung bzw. Befruchtung der Kulturen.

Dann wird manchmal gesagt, dass man die Traditionen nicht miteinander vermischen dürfe. Es wird vereinzelt von christlicher Seite beklagt, dass der moderne Mensch sich aus verschiedenen Traditionen wie in einer Art spiritueller Supermarkt bediene und so seine eigene „Patchwork-Religion“ zusammen bastelt.

So war es jedoch auch bei den Frühchristen der ersten Jahrhunderte. Jesus war Jude und so fest verankert in der jüdischen Tradition. Seine Eltern sind mit Jesus nach Ägypten geflohen, wo sie mit ägyptischem und hellenistischem Gedankengut in Kontakt kamen. Israel stand unter römischer Fremdherrschaft. Die Zeit von Jesus Christus war geradezu eine Zeit der Verschmelzung der Kulturen. Persische, griechische, mesopotamische, römische, keltische Kulturen verbanden sich im Römischen Reich. Durch Handelsbeziehungen gab es Austausch zum indischen und chinesischen Kulturkreis.

So kann man im sich im in den ersten Jahrhunderten herauskristallisierenden Christentum Elemente verschiedener spiritueller Traditionen sehen:

  • Natürlich steht das Christentum auf der Basis des Judentums
  • Griechisches Gedankengut wurde besonders durch das Wirken von Paulus integriert
  • Manche sehen im Ideal der Entsagung, welches weder im Judentum noch bei den Griechen existierte, Elemente aus dem Buddhismus: „“Verkaufe was du hast und folge mir nach“ (Mk 10,21). „Ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen“ (Mk 10, 29).
  • Die starke Betonung des drohenden Endes der Welt kam wahrscheinlich über den Manichäismus ins Christentum
  • Und die römisch-katholische Kirche hat natürlich viele römische Formen, die lateinische Sprache und über Augustinus und andere Kirchenlehrer viele Elemente griechisch-römischer Philosophie übernommen

So ist das Christentum selbst ein Beispiel, wie sich verschiedene spirituelle Traditionen miteinander verbinden können. Dabei zeigten die ersten Jahrhunderte des Christentums eine sehr große Bandbreite christlichen Glaubens. Da waren die Unterschiede von Gemeinde zu Gemeinde, aber auch von Gläubigem zu Gläubigem riesengroß. Nicht umsonst sagte Jesus: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Joh 14,2). Man kann darunter verstehen, dass es viele Weisen gibt, zu Gott zu kommen, viele Weisen, Spiritualität zu leben. Jesus als Gottessohn betonte geradezu die Überlegenheit der Gottesliebe und Nächstenliebe über Tradition und Ritus.

So sind wir heute wieder in einer Zeit der Verschmelzung und der Befruchtung der Kulturen. Die Beschäftigung mit verschiedenen spirituellen Traditionen kann das Herz öffnen und zur Völkerverständigung beitragen. Und ein Yoga Aspirant kann von den Lehren Jesu Christi profitieren, und ein Christ von den verschiedenen Praktiken des Yoga. Ich meine, Yoga und Christentum ergänzen sich sehr gut.

(Ende des Interviews von Sukadev in Yoga Aktuell)

Definition von Yoga laut Wikipedia

Wikipedia Yoga: Auch wenn die Wurzeln im Hinduismus liegen, wird Yoga von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen praktiziert. In den Yamas und Niyamas lassen sich einige Parallelen zu den Geboten des Christentums, Judentums und des Islams feststellen. Die Yoga-Philosophie Patanjalis unterscheidet sich durch eine theistische Orientierung von der indischen Samkhya-Lehre, in der der Glaube an einen Gott keine Rolle spielt. Im „modernen Yoga“ liegt der Schwerpunkt in der Praxis des Yoga. Unter Hinweis auf die positiven Auswirkungen der Übungspraxis betrachtet man Yoga als individuelle Bereicherung oder als Beitrag zur persönlichen Entwicklung, weitgehend unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen des Schülers. Aus dieser Sicht passen Yoga und Christentum gut zusammen.

Christliche Internetseiten zum Yoga

www.kath.ch: “Immer mehr Christen entdecken Yoga und andere fernöstliche Besinnungstechniken für sich. Die katholischen Bildungshäuser sind schon längst auf diesen Trend aufgesprungen und bieten die verschiedensten Kurse dazu an. Sie sehen in der Praxis des Yogas keinen Widerspruch zur christlichen Lehre. Yoga würde sich nicht nur positiv auf Körper und Geist auswirken, sondern auch neue Zugänge zur christlichen Spiritualität ermöglichen. Zu einer gemässigt-kritischen Einstellung gegenüber Yoga ruft die EKD, die Evangelische Kirche Deutschland, in einer umfangreichen Stellungnahme zum Verhältnis von Christentum und Yoga auf: Radikale Ablehnung sei genauso falsch wie eine undifferenzierte Bejahung.”

katholischen Kirchengemeinde St. Michael in Stuttgart-Sillenbuch: “Yoga ist ein jahrjausende altes System körperlicher und geistiger Übungen, das den ganzen Menschen anspricht in seiner Einheit von Körper und Geist. Yoga ist eine Erfahrungsmethode und zählt zum Kulturerbe der Menschheit unabhängig vom jeweiligen Kulturkreis. Yoga verträgt sehr wohl mit christlicher Meditation. Yogaübungen werden in St Michael seit mehr als 25 Jahren sehr erfolgreich angeboten.”

Diskussion Yoga und Christentum

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(Jesus.de, Foren: Yoga – unchristlich?, 2012)

Caro: Die meisten hier im Forum teilen mit mir die Meinung/den Glauben,daß Jesus die einzige Person ist, in der Gott in seiner ganzen Fülle wohnt.

Yogi Nils: Es gibt viele verschiedene Ansichten unter den Christen. Wir sollten offen darüber diskutieren und einen guten Weg des konstruktiven Miteinanders finden. Für mich ist Gott eine höhere Bewusstseinsdimension im Kosmos, die sich in vielen Religionen und Menschen ausdrücken kann. Jeder Erleuchtete ist ein Sohn oder eine Tochter Gottes, weil er oder sie das Gottesbewusstsein verkörpert. Es gibt viele Wege zur Erleuchtung. Jesus verkörpert für mich den Weg der umfassenden Liebe.

Caro: Ich glaube auch, daß wir einen Weg der Verständigung finden. Und ich denke nicht, daß wir dazu genau das Gleiche glauben müssen, sondern daß wir uns mit Respekt und Freundlichkeit begegnen können. Ich denke Jesus ist mehr als ein Erleuchteter. Es ist gut, wenn wir nicht versuchen uns gegenseitig zu “überzeugen”.

Yogi Nils: Die Essenz des Christentums ist der Doppelweg aus Liebe zu Gott und zu allen Wesen (zum Nächsten). Ein christlicher Yoga basiert auf diesen beiden Grundsätzen. Meine beiden zentralen Übungen sind deshalb das Lichtsenden (Ich sende Licht zu …) und das Anrufen (Om alle erleuchteten Meister. Om innere Weisheit). In meinen Gruppen machen Atheisten, Christen und Menschen anderer Glaubensrichtungen gemeinsam Yoga. Ich habe die Mantras deshalb so formuliert, dass sie für alle Menschen akzeptabel sind. Jeder Übende kann sie aber auch für sich persönlich umformulieren. Durch die Anrufung der erleuchteten Meister verbinden wir uns mit der Erleuchtungsenergie (atheistisch: dem Glück und der Weisheit in uns, christlich: dem Heiligen Geist). In dem wir allen Wesen Licht senden, aktivieren wir die Liebe in uns und gelangen in die Bewusstseinsdimension der Einheit (atheistisch: zur inneren Harmonie, christlich: in ein Leben in Gott). Christen können die Mantras für sich passend umformulieren. Zum Beispiel können sie statt “Ich sende Licht zu…” sagen: “Ich bete für ….”. Statt “Om alle erleuchteten Meister” kann es einfach heißen “Jesus Christus” oder “Lieber Gott”. Ein Christ stellt Gott in den Mittelpunkt seines Glauben. Ein Buddhist konzentriert sich auf Buddha und ein Hindu auf seinen persönlichen Gott (Shiva, Vishnu, Göttin) oder auf das Erleuchtungsbewusstsein (die Einheitsdimension, Brahman, das Licht). Ein Atheist kann an sich selbst oder seine eigene Weisheit glauben. Im westlichen Yoga darf jeder seinen persönlichen Glauben haben. Der westliche Yoga ist pluralistisch, vielfältig und gesundheitsorientiert.

Suzie die Pilgerin: Christen brauchen keinen erleuchteten Meister. Jesus Christus genügt und die, die das Evangelium verkünden und die Bibel auslegen.

Yogi Nils: Und genau hier fangen die Schwierigkeiten an. Wer legt die Bibel richtig aus? Ganz offensichtlich gibt es viele verschiedene Möglichkeiten die Worte der Bibel zu verstehen. Ich erinnere nur an die Bergpredigt von Jesus. Viele Deutungsmöglichkeiten werden von den Christen gegeben. Wer hat Recht? Ich behaupte: Wer nicht erleuchtet ist, kann die Bibel in der Tiefe nicht erfassen. Wer nicht selbst heilig ist, liest immer eine Anleitung zur Stärkung seines eigenen Egos aus der Bibel heraus. Die Bibel ist von der Erfahrung Gottes her zu verstehen. Auch die Christen brauchen erleuchtete Meister (verwirklichte Heilige), die ihnen bei der Auslegung der Bibel und auf dem Weg des spirituellen Übens helfen. Ich habe persönlich erfahren, dass erst mein Erleuchtungserlebnis mir die Augen zum tieferen Verständnis der heiligen Schriften geöffnet hat. Ich sehe deutlich, wie fehlgeleitet viele Christen mit den Texten der Bibel umgehen. Jesus Christus genügt offensichtlich oft nicht. Nur ein Heiliger lebt wirklich in Gott und kann deshalb Gott seinen Mitmenschen authentisch vermitteln. Deswegen sagte man von Jesus, dass er aus eigener Kraft zu den Menschen spricht. Deswegen konnte Christus den Heiligen Geist zu Pfingsten auf seine Jünger übertragen (Energieübertragung durch einen Erleuchteten). Er öffnete ihr Scheitelchakra, so dass sie Feuerzungen auf ihren Köpfen spürten und alle Menschen ihre spirituellen Worte verstanden. Ich halte mich an den Heiligen Antonius und die christlichen Wüstenväter. Sie lehrten, dass jeder intensiv Übende einen erleuchteten Meister braucht. Sie nannten diesen Meister Wüstenvater oder Wüstenmutter. Viele erleuchtete Aussprüche sind von diesen christlichen Heiligen übermittelt. Auch Jesus selbst hatte einen erleuchteten Meister, Johannes den Täufer, der ihm bei der Taufe den Heiligen Geist übertrug. Nur scheinbar kam der Geist Gottes als Taube vom Himmel zu Jesus geflogen. In Wirklichkeit hat Johannes das Scheitelchakra von Jesus geöffnet, so dass er anschließend 40 Tage und Nächte in der Wüste meditieren konnte. Jesus gab dann seine Erleuchtungsenergie zu Pfingsten an sein Jünger weiter. Nur die heutigen Christen meinen, dass sie keinen erleuchteten Meister brauchen. Sie taufen mit Wasser und nicht mit Erleuchtungsenergie.

Salomon: Jeder ist sich selber sein eigener Meister.

Yogi Nils: Der Weg der Erleuchtung ist nicht leicht zu begreifen, weil Gott ein Mysterium ist. Ich bin mit dir der Meinung, dass jeder Mensch sich in seiner eigenen Weisheit (Wahrheit, Richtigkeit) zentrieren sollte. Aber für den Durchbruch zur Erleuchtung brauchen wir grundsätzlich einen Menschen, der den Weg schon kennt. Ohne einen guten Führer ist es schwer den schmalen Pfad durch den Dschungel der Gefühle zum Berg Gottes zu finden. Viele Menschen haben sich auf dem spirituellen Weg schon verlaufen. Und sehr offensichtlich auch viele Christen. Ich verweise auf die vielen aktuellen Debatten über das unheilige Verhalten christlicher Würdenträger. Der Heilige Geist als alleiniger Führer scheint bei den meisten Christen nicht auszureichen.

Cream: Diese sogenannten “Erleuchteten” sind in aller Regel Bauernfänger und Scharlatane, die nur ein Ziel kennen, nämlich die eigene finanzielle Lage zu verbessern.

Yogi Nils: Es gibt auch falsche Heilige, die vorwiegend den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Im Yoga arbeiten wir deshalb oft zum Selbstkostenpreis oder kostenlos. Etwas Geld auf dem spirituellen Weg zu verdienen ist okay. Auch ein Heiliger muss von irgendetwas leben. Er sollte aber die Spiritualität und die Liebe zum Zentrum seines Lebens machen. Wenn du die Worte “in aller Regel” verwendest, bedeutet das, dass es auch echte Erleuchtete gibt. Und so ist es. Ein spiritueller Mensch, der gut in Kontakt mit seiner eigenen Wahrheit und Liebe ist, wird nicht auf falsche Heilige hereinfallen, sondern sich vom Echten angezogen fühlen.

Dana: Den wesentlichen Unterschied zwischen der christlichen Erleuchtung und der Führung durch erleuchtete Meister anderer Religionen sehe ich darin, dass die christliche Form der Erleuchtung durch den Schmerz und die Akzeptanz des Schmerzes geht, während bei anderen Arten von Erleuchtungen der Schmerz abgetrennt wird.

Yogi Nils: Es gibt nur einen Gott, eine höchste Wahrheit, eine Erleuchtung, ein kosmisches Bewusstein. Aber es gibt viele Erleuchtungsstufen, viele Wege zur Erleuchtung und viele unterschiedliche Erleuchtungserfahrungen auf dem Weg. Ein Mensch kann Gott als Person verehren, zu Jesus beten, Buddha visualisieren oder einfach nur meditieren, in der Ruhe verweilen, Yoga machen. Oder er kann den Weg der umfassenden Liebe gehen und für eine glückliche Welt und die Erleuchtung aller Menschen arbeiten. Jede echte Erleuchtung geht durch den Schmerz und die Akzeptanz des Schmerzes hindurch. Positives Denken, das das Leid auf der Welt verdrängt, führt nicht zur Erleuchtung. Erleuchtung bedeutet Trauerarbeit, Emotionsarbeit, Annehmen der Gegebenheiten, Loslassen des Eigenwillens, Nichtswerdung und Einswerdung mit allem. Die Erleuchtungserfahrung besteht in der Essenz aus Leere und Einheit. Man spürt Trauer, Liebe, Glück, Frieden und Einheit gleichzeitig in sich. Das Bewusstsein der Leidhaftigkeit der Welt bleibt vorhanden, aber das innere Glück und die Liebe dominieren. Die Erleuchtungsenergie beginnt gerade dadurch zu fließen, dass man sich in das Zentrum des Leidens hineinopfert (sein Ego kreuzigt, das Wurzelchakra öffnet). Der Mensch muss von allen weltlichen Wünschen leer werden, damit das Licht Gottes (der Heilige Geist) in ihm wohnen kann. Er muss allen Schmerz und alles Leid annehmen, integrieren und transzendieren. Nach Buddha besteht der Weg der Erleuchtung aus dem Loslassen der weltlichen Wünsche (Suchtüberwindung), dem Annehmen des Leidens (Angstüberwindung) und der Zentrierung in Gott (im Nirvana, in der Weisheit, in der Spiritualität).

Frage: Ist Yoga ein Weg der Selbsterlösung?

Yogi Nils: Im Christentum herrscht viel Unklarheit über den Weg der Erleuchtung. Ein wichtiger Vorwurf besteht darin, dass die Esoteriker sich selbst erlösen wollen und die Christen durch die Gnade Gottes erlöst werden. Auch zwischen Katholiken und Lutheranern ist es umstritten, in wieweit ein Christ spirituell üben sollte oder ob alles alleine durch die Gnade geschieht. Im Yoga legen wir den Schwerpunkt auf das spirituelle Üben. Andererseits sagen auch die Yoga-Meister, dass man die Erleuchtung nicht erzwingen kann. Sie kommt letztlich von alleine, spontan, als Gnade.

Pfarrer: Ist Gott heilig, so konnte im Alten Testament auch sein Volk Israel als heilig (2.Mose 19,6) und konnten seine Angehörigen als Heilige (Psalm 4,4; 16,10 u.v.a.m.) bezeichnet werden. „Heilig“ bedeutet hier: dem heiligen Gott zugehörig, von ihm auserwählt, mit ihm verbunden und von ihm gesegnet. Dementsprechend wird das Volk aufgefordert, sich seinerseits zu „heiligen,“ womit auch rituelle Heiligung, vor allem aber ein Leben in Recht und Gerechtigkeit nach Gottes Gesetz gemeint ist.

Der Mensch kann Gott nur be-greifen, indem er von ihm er-griffen wird. Diese spirituelle Erfahrung Gottes ist Wurzel und Kraftquelle des Glaubens. Alles theologische Denken kann diese Erfahrung letztlich nur beschreiben und deuten und alle Ethik nur die lebenspraktischen Konsequenzen aus ihr ziehen. Beides sind folgerichtige, notwendige, aber in Bezug auf die erlebte Gotteserfahrung sekundäre Schritte.

Formen und Wege spirituellen Erlebens gab und gibt es unendlich viele. Wo sich die Kirche allzu sehr in äußerliche Dinge und weltliche Machenschaften verstrickte, suchten Mystiker in der Hinwendung nach innen das Einswerden mit Gott in Kontemplation und Meditation. Wo sich in der evangelischen Kirche die Glaubensverkündigung allzu einseitig auf das gesprochene Wort konzentrierte, entwickelte sich in ihr der ungemein reiche Schatz der Kirchenmusik, die unmittelbar das menschliche Herz anspricht. Heute ist es oft die Gospelmusik, die mit ihrer faszinierenden Lebendigkeit für viele zum emotionalen und religiösen Erlebnis wird.

Bei allem gilt jedoch: wenn Gott das Subjekt aller Erleuchtung und Gotteserfahrung ist, dann ist diese vom Menschen nicht planbar und „machbar.“ Menschen und auch Kirchen und religiöse Gemeinschaften können dazu nichts anderes tun als Vorbereitungen treffen, Erlebnisräume schaffen und für das, was in ihnen geschieht, bereit und offen sein. Aber sie tun es unter der Verheißung Gottes, daß er sich zu erkennen geben will und wird.

Yogi Nils: Vielen Dank lieber Pfarrer, dass du dir die Mühe gemacht hast, so eine lange Antwort auf meine Frage zu schreiben. Ich sehe, dass wir uns in wesentlichen Punkten einig sind. Erleuchtung und Heiligkeit sind zwei verschiedene Begriffe für denselben Sachverhalt. Erleuchtung ist nicht machbar. Sie kommt aus Gnade. Aber ein Mensch kann viel dafür tun, dass Gott als Gnade zu ihm kommen kann. Er kann beten, meditieren, in den heiligen Schriften lesen, als Yogi oder als Pfarrer leben. Er kann sich von weltlichen Dingen leer machen, so dass der Heilige Geist in ihm Platz finden kann.

Siehe auch

Weblinks